Mathematiker; deren fast religiöse Verzückung habe ich noch nie verstanden.
Hm, Mathematik ist tatsächlich ein gutes Beispiel, das die Libido/Faulheit-These ins Wanken bringen könnte. Ich hatte ebenfalls schon öfters den Verdacht, dass Mathematiker in ihrer Denkakrobatik eigentlich Gott suchen, entweder durch eine unerwartete Absonderlichkeit, oder durch eine ebenso unerwartete Regelmäßigkeit.
Ich denke, gemeint ist, aus Angst vor dem Tode seien Kathedralen erbaut worden. Zum Lob und zur Ehre Gottes passt eher, denn beim Bau einer Kathedrale gab es so manchen Absturz... Der Mensch hatte eher Angst vor der Zeit nach dem Tode, der Tod selbst war dem Kathedralenzeitmenschen viel präsenter als dem heutigen Menschen, da der Tod noch in den Alltag einbezogen war, zu Hause gestorben wurde, auch tatsächlich durch die hohe Kindersterblichkeit und fehlenden ärztlichen Künste (geringere Lebenserwartung) häufiger gestorben wurde. Heute bekommen wir über die Medien zwar ständig Todesnachrichten weltweit mit, begegnen dem Sterben und Tod aber seltener unmittelbar...
Darüber hinaus behaupte ich: Neugier und der Wunsch, die Umgebung zu gestalten sind eine enorme Triebfeder. Sie stecken schon in jedem Kleinkind (wobei die Gestaltung der Umwelt den Erwachsenen dann nicht immer uneingeschränkt zusagen muss...).
»Neugier«, bzw. das Loben und Ehren Gottes sind bereits fortgeschrittenere Aktionen/Überlegungen, die nicht besagen, was dahinter steckt. Es geht aber nicht um vordergründige Motive, etwas zu tun, oder zu lassen, sondern um Triebe, d.h. um den Ursprung des Willens. Die eigentliche Motivation geschieht zum allergrößten Teil im Unterbewusstsein, während bewusst u.U. völlig andere Gründe für die Handlung verantwortlich sein können.(1) Will man sie ergründen, sollten Handlungen soweit wie möglich auf ihre grundlegendste Impulse aufgebrochen werden.
Ein Lebewesen kann nicht von Natur aus einfach nur grundlos neugierig sein: es ist vielmehr sein Trieb, sich zu ernähren, z.B. sein Jagdtrieb, der das Lebewesen (also nicht nur den Menschen) neugierig erscheinen lässt. Neugierde heißt eigentlich nur die Bereitschaft, Resourcen zu suchen, mehr nicht. Sie ist bei jüngeren Lebewesen viel prägnanter als bei älteren. Neugierde kann also nicht zu einer besonderen menschlichen Gabe verklärt werden. Sie beinhaltet den Willen zum Leben. Auch die Neugierde von Wissentschaftlern kann (vmtl.) auf diesen Suchtrieb zurückgeführt werden, genauso wie z.B. die Motivation von Sammlern auf den Sammeltrieb, den wir uns für die Suche und das Horten von Nahrungsmitteln angeeignet haben.
Zu Angst und Geschlechtstrieb, sowie zum Hang zur Bequemlichkeit muss wohl kaum gesagt werden, dass ihre Wertung eine Frage des Blickwinkels ist; sie dienen zur Erhaltung der Spezies, d.h. biologisch auf jeden Fall positiv für diese. Erst von außen betrachtet (d.h. in den Augen anderer Spezies) können sie negativ wirken; Angst kann Drohunggebärden und Kampf nach sich ziehen und der Geschlechtstrieb wirkt bei einer (empfundenen) Überpopulation als abstoßend. Letzteres ist aber, neben anderen Selbsterhaltungstrieben, die wichtigste Motivationsquelle bei Taten, die nicht direkt mit der Beschaffung von Resourcen oder der Verteidigung zu tun haben (unnötige Entdeckungen, unnötige Eroberungen, unnötige Kreationen, etc.) Und schließlich noch der Hang zur Bequemlichkeit: sie kann als Optimierung der Effizienz betrachtet werden. Erst wenn sie ›überoptimiert‹ wird, d.h. Artgenossen und anderen Lebewesen schadet, wird sie von diesen als negativ eingestuft, bzw. bekämpft.
Die Suche nach Grundmustern im Verhalten hat genausowenig mit Religion zu tun, wie Adam und Eva mit der Evolution. Ersteres ist eine nüchterne Suche (sicherlich auch aus Angst vor dem Verlust des eigenen Ichs), während die Adam & Eva Legende in erster Linie die Absicht darstellt, eine bestimmte Moral zu vermitteln. Die Suche muss also jenen Glauben nicht erschüttern, dessen Essenz der Wille zur Befolgung jener Regel ist.
Versuche ich also das visuelle Wesen der Kathedrale möglichst nüchtern zu ergründen, kann ich dies auf keinen Fall nur aus einer Richtung tun. Denn von unten betrachtet steigt die Kathedrale empor, beinhaltet also eine Sehnsucht. Betrachte ich aber die Kathedrale von oben, als wäre ich ein himmlisches Wesen, richtet sich die gotische Kathedrale bedrohlich in meine Richtung. Kein Mensch würde eine auf ihn gerichtete Lanze als wohlgesinnte Zuwendung empfinden. So wirkt die Kathedrale von oben als eine hilflose Drohung, als ein Versuch der Abwehr himmlischer Kräfte.
Dabei ist klar, dass die Menschen ihre gotischen Bauten nur von unten betrachteten, und sie als eine nach oben gerichtete Sehnsucht verstanden. Dennoch kann, ja muss auch hier das Unterbewusstsein eine große Rolle gespielt haben.
1. Empfehlenswert übrigens das Buch von Antonio R. Damaso,
Ich fühle, also bin ich: Die Entschlüßelung des Bewusstseins, worin der Neurologe versucht, der Seele, d.h. dem Ich biologisch auf den Grund zu gehen. Er erzählt auch von seinen Erfahrungen mit Kranken, denen das Ich-Bewusstsein verlorengegangen ist, wobei Automatismen und Motivation ausführlich behandelt werden.