Das Reichskirchensystem entstand zur Zeit Ottos des Großen . Um zu verhindern , daß Reichslehen und Reichsämter durch Vererbung für den König nicht mehr frei verfügbar waren, übergab er Reichsterritorien und königliche Rechte an die Kirche und bezog damit kirchliche Würdenträger in die Reichsverwaltung ein.
Schon vor den Ottonen wurden Regalien kirchlichen Institutionen überlassen, allerdings nicht so häufig. In der kirchlichen Frühzeit hatte Justinian das Eigentums-Herrschaftsverhältnis über Kirchen, Klöster, Stifte und Bistümer geregelt, um die willkürliche Herrschaft der Grundherren, die maßgeblich an der Errichtung und Erhaltung von Kirchen beteiligt waren zu beschränken. Auch die Karolinger hatten kirchliche Würdenträger mit Funktionen der Reichsverwaltung betraut. Ausgebaut wurde das Reichskirchensystem unter OttoI., da dessen, in der Heranziehung von Familienmitgliedern bestehendes Regierungssystem teilweise gescheitert war. Nachdem sowohl seine Brüder (Thankmar und Heinrich, Herzog von Bayern) als auch seine Kinder (Liudolf von Schwaben und Konrad der Rote von Lothringen, Ottos Schwiegersohn) sich gegen ihn erhoben hatten, sah Otto der Große in der Kirche die einzige dauerhafte Stütze des Reiches.Nach dem Reichstag von Arnstadt 954 wurden in allen Bereichen von Herrschaft und Administration Geistliche aus Klöstern und Bistümern die wichtigsten Amtsträger des Königs. Seit Otto II. wurden in steigendem Maße Grafschaften der Kirche übertragen.
Die Ottonen gingen davon aus, daß sie diese Lehen nach dem Tod der investierten Kirchenfürsten wieder zurückerhalten würden, um sie einem anderen geistlichen oder weltlichen Anwärter nach eigener Wahl überlassen zu können. Die Kirche bestand jedoch darauf, daß jegliches Kirchengut göttliches Eigentum sei und daher nicht zurückgegeben werden muß. Über ein an die Kirche vergebenes Lehen konnte der König nach dem Tod des kirchlichen Inhabers nicht verfügen, er mußte einen neuen Geistlichen mit den von seinem Vorgänger ausgeübten Reichsämtern einsetzen.
Da der König im Namen des Reiches Eigentum am Reichskirchengut hatte, waren Bischöfe und Äbte wegen der Investitur mit den Regalien ihm zu besonderer Treue verpflichtet. Verletzten die geistlichen Fürsten die Verpflichtungen gegenüber dem König, konnte dieser ihnen das Gut, mit dem sie investiert worden waren, aberkennen. Allerdings gelangte der König nur in den Besitz und die Nutzung des Kirchengutes, da die Kirche die ihr gewidmeten Güter nicht dauerhaft aufgeben wollte. Nur der Geistliche, der seine Pflicht gegenüber dem König verletzt hatte verlor seine Ansprüche, der Nachfolger im geistlichen Amt hatte wieder Anrecht auf die Investitur mit diesem Gut. Diese Praxis führte zu einer Entfremdung von Reichsgut durch die Kirche. Die Ansicht, daß die Reichskirche ein Bestandteil des Reiches sei und ihre Begabung mit Reichsrechten dem Reich nichts nehme, konnte sich nicht durchsetzen, obwohl der Formalismus des Lehnrechts und der mit ihm verbundene Erwerb eigener Rechte an den Regalien den weiterhin starken Einfluß des Königtums auf die Reichskirche verschleiert. Das Verhältnis zwischen dem Kaiser und den geistlichen Reichsfürsten blieb von der traditionellen Königsnähe der meisten reichskirchlichen Territorien geprägt. Das Reich galt als Eigentümer des Reichkirchengutes, und hatte daher auch nach Bedarf die servitia regis zu erbringen: die Beherbergung des Königs und seines Hofes, die Stellung von Kontingenten für das königliche Heer, die Bereithaltung der Königspfründen für den Hofklerus und die politischen Dienste der Reichsbischöfe und -äbte. Eine Reichsverwaltung im Sinn des Herrschers garantierte das königliche Nominationsrecht (das Recht, den zu wählenden oder zu ernennenden Kandidaten für ein Amt zu benennen) für die hohen Kirchenwürden. Meistens kamen die Bewerber aus der königlichen Hofkapelle, sodaß der königliche Einfluß auf die Reichskirche gesichert war. Nach der Kaiserkrönung Ottos des Großen im Jahr 962 wurde Rom und das Papsttum in das Reichskirchensystem einbezogen. Die drei Ottonen und Heinrich III. nominierten Päpste ohne die römischen Wählerwünsche zu berücksichtigen, um eine Spaltung der Reichskirche zu verhindern.