Kana'anäer vs Israeliten? Israeliten = Kana'anäer? - ethnische vs soziale Deutungen

Das hat mit den oben behaupteten "Fakten" angeblich möglicher ethnisch-kultureller Abgrenzungen nichts zu tun.

Das hat sehr viel damit zu tun. Es ging um den kulturellen Einflss der ansässigen Kanaaniter auf die Hebräer. Und der ist unzweifelhaft vorhanden.

Die Antwort schleicht um den heißen Brei herum, und geht mit keiner Silbe auf den Absurditätshinweis zu den ethnischen und kulturellen Konstrukten von über tausend Jahren ein.

Um welche kulturellen und zivilisatorischen Einflüsse es geht, habe ich präzise benannt. Von "Absurditäten" zu sprechen ist ebenso absurd.

Dankenswerterweise hat sepiola den Nachweis erbracht, dass der Unsinn von Haarmann stammt und hier verdeckt zitiert wurde.

Da bin ich ja erfreut, dass er das "dankenswerterweise" getan hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Natürlich gibt es eine hebräische Sprache.
Ich habe nichts anderes behauptet.
Das Zitat hast Du gelesen?

"Der Ausdruck ist insofern unsachgemäß, als er ursprünglich einen soziologischen, keinen ethnischen oder geographischen Begriff darstellt."

Und auch verstanden?


Ob man von einem Volk der Hebräer sprechen kann, da bin ich mir nicht sicher.

Da kann ich Dir weiterhelfen:
Wenn in den ältesten Texten von "Hebräern" die Rede ist, ist damit kein Volk gemeint, denn ein "Volk der Hebräer" gab es nicht:

"Hebräer" bezeichnet laut Meyer eine Gruppe mit "minderer sozialer Rechtsstellung" (vgl. Barbara Schmitz: "Entwurzelte und sozial Marginalisierte").
Sprachlich und ethnisch unterschieden sie sich nicht von den anderen Kanaanäern, die in derselben Region lebten, d. h. es gab weder eine "hebräische Sprache" noch ein "hebräisches Volk".


Erst in viel späterer Zeit wurde "Hebräer" als Synonym für "Israelit" oder "Jude" verwendet.

Schmitz schrieb:
Aus den biblischen und vielen altorientalischen Texten des 2. Jts. v. Chr. hat man geschlossen, dass "Hebräer" keine ethnische, sondern eine soziale Bezeichung für Menschen geringen Standes sei.
...
In jedem Fall fällt auf, dass die Bezeichnung "Hebräer" erst in nachexilischer Zeit als Volksbezeichnung üblich wird

Und noch später wird davon die Sprachbezeichnung עברית abgeleitet. Sie "begegnet erst bei den Rabbinen, fehlt aber im AT" (Meyer); die erste Spur findet sich m. W. im (griechischen) Vorwort zu Jesus Sirach (2. Jh. v. Chr.).

Aus der Verwendung der Bezeichung in späterer Zeit lassen sich keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse in kanaanäischer Zeit gewinnen.
 
Natürlich gibt es eine hebräische Sprache.
Wenn in den ältesten Texten von "Hebräern" die Rede ist, ist damit kein Volk gemeint, denn ein "Volk der Hebräer" gab es nicht:
.

Zu Beginn der hebräischen Expansion traf das gewiss zu. Aber wie sieht das nach 100 oder 200 Jahren aus? Was da anfänglich halbnomadisch lebte, wird sich irgendwann als eine bestimmte Bevölkerungsgruppe verstanden haben, die sich z.B. von den ansässigen Kanaanäern abgrenzte.

Und wie nannten die sich? Israeliten? Hebräer? Kanaanäer?
 
Das ist doch Haarspalterei.

Was denn bitte?
Ich zitiere nur, was in Deinem Beitrag steht und frage, ob Du das formuliert hast.
Aber eine gnatzige Antwort ist auch eine Antwort. :)



Wenn ich Dich richtig verstehe, würdest Du die Hebräer zur zweiten Gruppe rechnen.
Also wären die Hebräer nach Deiner Darstellung eine kanaanäische Bevölkerungsgruppe.
Sie zählten zu den kanaanäischen Ethnien Palästinas,
Vielen Dank, dann habe ich Dich ja richtig verstanden.

Nur ist "Bevölkerungsgruppe" nicht gleich "Ethnie". Deine Auflistung von Bevölkerungsgruppen geht ja von wirtschaftlich bedingten Lebensweisen aus: 1. sesshaft - 2. halbnomadisch - 3. seefahrend.

Nur weil die Bewohner der einen Stadt direkt am Meer von der Seefahrt leben, ihre Nachbarn im Hinterland vom Ackerbau und deren Nachbarn auf den Berghöhen von ihren mobilen Schafherden, müssen sie nicht zu unterschiedlichen Ethnien gehören.



Zu Beginn der hebräischen Expansion traf das gewiss zu. Aber wie sieht das nach 100 oder 200 Jahren aus? Was da anfänglich halbnomadisch lebte, wird sich irgendwann als eine bestimmte Bevölkerungsgruppe verstanden haben, die sich z.B. von den ansässigen Kanaanäern abgrenzte.

Sicher können wir von sesshaften Bevölkerungsteilen einerseits und von viehzüchtenden, auf Grund der Herdenhaltung nicht-ganz-so-sesshaften Bevölkerungsteilen andererseits ausgehen. Aber warum müssten sich die einen von den anderen abgrenzen? Die Schäfer, die durch die Lüneburger Heide oder die Schwäbische Alb ziehen, oder die Almbauern, die mit ihren Herden umziehen, grenzen sich doch auch nicht von den "ansässigen" Bevölkerungsgruppen ab.

Die Gleichsetzung von "Hebräern" mit "Halbnomaden" ist reine Spekulation. Menschen mit "minderer sozialer Rechtsstellung" wird es wohl auch in den Städten an der Küste und im Binnenland gegeben haben. Und was da letztlich genau vor sich gegangen ist, welche Bevölkerungsteile sich politisch formiert haben, bis schließlich ein Staat "Israel" daraus geworden ist, darüber gibt es einen bunten Strauß von Hypothesen.

Dennoch hat sich auch aufgrund einer Neubewertung archäologischer Befunde in der Folgediskussion die Annahme verfestigt, dass die Landnahme der nachmaligen Israeliten ein landesinterner („indigener“) Vorgang war. Allerdings scheint es sich um einen länger andauernden Prozess gehandelt zu haben, der sich etwa vom ausgehenden 13. bis in das 10. Jh. v. Chr. erstreckte. Dabei suchten sich Gruppen, die in der Spätbronzezeit (15.-12. Jh. v. Chr.) im Einzugsbereich der Stadtstaaten lebten und mit den Städten wirtschaftlich verbunden waren, nach dem Niedergang der Städte neue Siedlungs- und Wirtschaftsmöglichkeiten in den Bergländern Palästinas. Zu diesen Gruppen könnten neben Bauern und ehemaligen Nomaden auch Hapiru / Habiru gehört haben, die auf diese Weise einen Teil der Größe bildeten, die sich im 1. Jahrtausend v. Chr. als „Israel“ verstand (vgl. Lemche; Jericke).

https://www.bibelwissenschaft.de/wi...r-hapiru/ch/c658d589416937f6258323d4ac3a5122/

Irgendwann werden sich die ansässigen Israeliten von den ebenso ansässigen sonstigen "Kanaanäern" abgegrenzt haben. Mit nomadischer Lebensweise wird das aber nichts zu tun gehabt haben, ich tippe eher auf religiöse Gründe...
 
Irgendwann werden sich die ansässigen Israeliten von den ebenso ansässigen sonstigen "Kanaanäern" abgegrenzt haben. Mit nomadischer Lebensweise wird das aber nichts zu tun gehabt haben, ich tippe eher auf religiöse Gründe...
Wobei das Verb עבר im Pa'al 'seinen Weg gehen, vorbeiziehen' bedeutet, im Nifa'al (ye'aver) 'durchquert werden', im Pi'el (ibar) 'durchziehen', im Hifi'il (hä'ävir) 'hindurchziehen lassen'. Also ganz von der Hand zu weisen ist ein etymologischer Zusammenhang des Ethnonyms mit dem Nomandentum nicht.
 
Das Wort „Hebräer“ עִבְרִי ‘ivrî (Plural: עִבְרִים ‘ivrîm) ist ein Gentilizium vom Stamm עבר ‘BR „hinübergehen / überschreiten“. Eine sinnvolle Ableitung ergibt sich jedoch aus dieser Bestimmung nicht. Daher werden noch weitere Etymologien vorgeschlagen (Loretz, 235-248), von denen keine eine breite Zustimmung gefunden hat.

Lexikon :: bibelwissenschaft.de
 
Und wie nannten die sich? Israeliten? Hebräer? Kanaanäer?

Leider sind mir keine Inschriften aus der Zeit der sog. Landnahme bekannt, denen man Eigenbezeichnungen entnehmen könnte.

Der Name "Israel" wird erstmals auf einer ägyptischen Stele aus dem Jahr 1208 v. Chr. erwähnt. Ob er auf eine Eigenbezeichnung zurückgeht (und falls ja, auf eine ethnische Eigenbezeichnung), darüber kann man wieder nur spekulieren...
 
Was denn bitte?
Nur ist "Bevölkerungsgruppe" nicht gleich "Ethnie". Deine Auflistung von Bevölkerungsgruppen geht ja von wirtschaftlich bedingten Lebensweisen aus: 1. sesshaft - 2. halbnomadisch - 3. seefahrend.

Da die Sprachen eng miteinander verwandt waren, sind Lebensweise, Kultur und innere Organisation zentrale Unterscheidungsmerkmale der kanaanäischen Ethnien. Das kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass die Bibel wiederholt den Gegensatz von Hebräern (bzw. Israeliten) und Kanaanäern betont, die die Bevölkerung der gut organisierten Stadtstaaten stellten - in jedem Fall sesshaft waren.

Das ist schließlich der Grund, warum Phönizier, Hebräer und Kanaanäer in den Quellen als unterschiedliche Völker überliefert sind, die eigene Namen führen. Nicht die Sprache, sondern Kult und Lebensweise führten dazu.

Hebräer und Kanaanäer waren bereits durch die Religion voneinander getrennt. Die Verehrung der Baalgötter hatte bei den Kanaanäern eine lange Tradition, wovon die Jahwe-Verehrung der Hebräer entscheidend abwich. Die Baalgötter verschwanden erst allmählich mit dem Zusammenwachsen beider Bevölkerungsteile und der Dominanz des Ausschließlichkeitsanspruchs von Jahwe.

Ob es die so genannte "Landnahme" der Hebräer gab, also eine Einwanderung von außen nach Palästina, ist umstritten. Bei Wiki lässt sich nachlesen, welche drei wesentlichen Gedankenmodelle es dazu gibt. Archäologische Nachweise für eine Einwanderung scheinen zu fehlen, sodass hier allein das Zeugnis der Bibel im Raum steht.

Aber selbst wenn es sich bei den Apiru/Hebräern nur um Kulturnomaden aus Palästina handeln sollte, so unterschieden sie sich doch in sozialer Hinsicht und in bezug auf die Lebensweise und Religion von den sesshaften Kanaanäern. Es mag sein, dass es seit jeher einen nomadisch lebenden kanaanäischen Bevölkerungsteil in Palästina gab, der Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. durch äußere Umstände zur Sesshaftigkeit gezwungen wurde.

Ebenso mag es Migrationswellen gegeben haben, also ein durch Kriege oder andere Umstände verursachtes Einsickern der Apiru, die möglicherweise multiethnisch strukturiert waren und erst im Verlauf der jahrhundertelangen Expansion eine besondere Identität entwickelten.

Den Vermutungen und Hypothesen ist da Tür und Tor geöffnet.
 
Das kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass die Bibel wiederholt den Gegensatz von Hebräern (bzw. Israeliten) und Kanaanäern betont

Gehst Du davon aus, dass die entsprechenden Bibeltexte noch aus kanaanäischer Zeit stammen? Die Texte der Bibel sind zu einem bedeutenden Teil nach dem Babylonischen Exil entstanden oder zumindest überarbeitet worden.

Hebräer und Kanaanäer waren bereits durch die Religion voneinander getrennt.
Was heißt "bereits"?
Ab wann soll das gewesen sein, nach Deiner Meinung?

Die Verehrung der Baalgötter hatte bei den Kanaanäern eine lange Tradition
Und natürlich auch bei den Israeliten. Lies doch mal bitte die entsprechenden Bibeltexte, z. B. die Bücher der Könige und der Chronik. Fast alle israelitischen Könige waren große Förderer der Baal-und-Astarte-Verehrung. Schon von Salomo heißt es: "So diente Salomo der Astarte, der Göttin der Sidonier, und dem Milkom, dem gräulichen Götzen der Ammoniter."

In der Gesamtschau stellt das Archiv von Ugarit eine großartige Quelle dar, denn es ist die einzige zeitgenössische und aus derselben Region stammende Textsammlung mit Bezug auf die Kanaaniter. Viele Texte haben rechtliche, kaufmännische oder verwaltungstechnische Angelegenheiten zum Inhalt, am interessantesten aber sind sicher diejenigen, in denen es um religiöse Themen geht, denn sie erlauben nicht nur eine Rekonstruktion der kanaanitischen Götterwelt, sondern zeigen in Hinblick auf Rituale, Glaubensüberzeugungen und praktische Ausübung auch sehr deutlich die direkte Verwandtschaft der kanaanitischen Religion zur späteren israelischen.
Jonathan N. Tubb, Völker im Lande Kanaan, Stuttgart 2005

Oder, siehe oben, Zitat Keel:
"Israel und Kanaan waren in Wirklichkeit nicht zwei einander entgegengesetzte Kulturen, sondern verschiedene Phasen ein- und derselben Kultur."
 
Abgesehen davon, dass das oben nicht als Hypothese, sondern zunächst als nachgewiesen behauptet wurde, ist Dir da Falsches bekannt.

Von "mehrheitlich" kann keine Rede sein, das ist völlig umstritten und offen.

Was die "Mehrheit" betrifft, kann ich keine Aussagen machen, aber wenn ich in neueren Büchern blättere, finde ich eigentlich so gut wie immer die Aussage, dass das "Volk Israel" in erster Linie aus einheimischen Gruppen entstand.
Aus dem "neuesten" Buch:
Die Darstellung der Bibel in den Büchern Genesis-Josua erweckt den Anschein, als sei das ganze Volk Israel - zuerst friedlich, dann kriegerisch - von außen nach Palästina eingewandert und hätte sich gegen die einheimische, kanaanäische Bevölkerung durchsetzen müssen. Dieses Bild suggeriert einen Gegensatz von autochthoner (kanaanäischer) und zugezogener (israelitischer) Bevölkerung, der für die fragliche Zeit und Region so nicht nachweisbar ist. Im Lichte neuerer archäologischer Erkenntnisse und der kritischen Analyse der biblischen Überlieferung bietet sich eine andere Erklärung an: die Annahme einer friedlichen Infiltration des Berglandes, und zwar mehrheitlich nicht von außen, sondern von innen. Die "Landnahme" der Israeliten war demnach Teil eines internen bevölkerungsgeschichtlichen Umschichtungsprozesses, der im Zuge des Umbruchs an der Wende von der Spätbronze- zur Eisenzeit stattfand und bei dem der Gegensatz von Stadt und Land eine wesentliche Rolle spielte.
Reinhard Gregor Kratz, Historisches und biblisches Israel (2. durchgesehene und erweiterte Auflage), Tübingen 2017, S. 13

Weiter heißt es:
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch Leute von außen hinzustießen. Doch die einzigen, für die dies eindeutig belegt ist, sind die "Seevölker", die sich aber nicht in den Bergen, sondern in den Städten der Ebenen festsetzten. Sie hat auch die Hebräische Bibel im Blick, wenn sie von "den Philistern" oder "den Kanaanäern" spricht und einen scharfen ethnischen und religiösen Unterschied zwischen Kanaan und Israel macht. Doch dieser Unterschied ist eine literarische Konstruktion, die den Untergang des Reiches Israel um 722 v. Chr. oder des Reiches Juda im Jahre 587 v. Chr. voraussetzt. Es ist die Sicht der heiligen Geschichte, die im nachhinein die eigene kanaanäische Vergangenheit verwirft und in "Israel" von Anfang an das heilige Volk erblickt, das sich von allem Fremden unterscheiden soll. Archäologisch läßt sich bei den Bevölkerungssschichten, die sich im palästinischen Bergland niederließen, jedoch kein Unterschied zwischen Kanaanäern und Israeliten feststellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gehst Du davon aus, dass die entsprechenden Bibeltexte noch aus kanaanäischer Zeit stammen?

Auf jeden Fall betont die Bibel mehrfach den Gegensatz von Hebräern und Kanaanäern, was bis zur Aufforderung Jahwes zur Vertreibung und Ausrottung der Kanaanäer reicht.

Wie so vieles im AT handelt es sich vermutlich um eine tradierte und ausgeschmückte Überlieferung. Die Realität verlief sicher in friedlicheren Bahnen, wobei besonders in der Frühzeit der soziale und religiöse Gegensatz zwischen kulturell avancierten städtischen Kanaanäern und hebräischen Hirtennomaden beträchtlich war.

Bei den Hebräern gab es besonders im Nordreich Israel blutige Kämpfe zwischen Anhängern des Jahwe-Glaubens und einer Partei, die Jahwe- und Baalglauben miteinander verbinden wollte. Den Sieg trugen schließlich die Jahwe-Anhänger davon, ließen aber einen geschwächten Staat zurück, der zur leichten Beute der assyrischen Militärmaschine wurde.
 
Auf jeden Fall betont die Bibel mehrfach...

Ich dachte, Du wärst Dir darüber im klaren, dass diese Texte nicht unmittelbar zu den Ereignisen stehen?

Naja, Dieter, das, was uns der biblische Text als Hauptquelle unseres "Wissens" über die Region und ihre Bevölkerung erzählt, steht nicht unmittelbar zu den Ereignissen, ist von Quellengattung her kein Dokument sondern ein Monument. Es handelt sich um eine historische Meistererzählung. Sprich, die Geschichte wird als einigermaßen geradlinige Entwicklung erzählt, aus dem Ergebnis der redaktonellen Gegenwart heraus.
Das ist doch völlig klar.

Oben habe ich geschrieben:
Aus der Verwendung der Bezeichung in späterer Zeit lassen sich keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse in kanaanäischer Zeit gewinnen.

Welche Texte der Bibel hältst Du für die Frühzeit für so relevant, um daraus direkte Rückschlüsse auf historische Ereignisse zu ziehen?

Auf jeden Fall betont die Bibel mehrfach den Gegensatz von Hebräern und Kanaanäern
In der Regel betont sie den Gegensatz zwischen Israeliten und Kanaanäern.
Wobei unter "Kanaanäern" möglicherweise die erst später zugewanderten Philister zu verstehen sind.

Um noch einmal Kratz zu zitieren:

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch Leute von außen hinzustießen. Doch die einzigen, für die dies eindeutig belegt ist, sind die "Seevölker", die sich aber nicht in den Bergen, sondern in den Städten der Ebenen festsetzten. Sie hat auch die Hebräische Bibel im Blick, wenn sie von "den Philistern" oder "den Kanaanäern" spricht und einen scharfen ethnischen und religiösen Unterschied zwischen Kanaan und Israel macht. Doch dieser Unterschied ist eine literarische Konstruktion, die den Untergang des Reiches Israel um 722 v. Chr. oder des Reiches Juda im Jahre 587 v. Chr. voraussetzt. Es ist die Sicht der heiligen Geschichte, die im nachhinein die eigene kanaanäische Vergangenheit verwirft und in "Israel" von Anfang an das heilige Volk erblickt, das sich von allem Fremden unterscheiden soll. Archäologisch läßt sich bei den Bevölkerungssschichten, die sich im palästinischen Bergland niederließen, jedoch kein Unterschied zwischen Kanaanäern und Israeliten feststellen.


... wobei besonders in der Frühzeit der soziale und religiöse Gegensatz zwischen kulturell avancierten städtischen Kanaanäern und hebräischen Hirtennomaden beträchtlich war.
Setzt Du immer noch "Hebräer" und "Hirtennomaden" gleich?
Dazu habe ich doch oben schon geschrieben:
Die Gleichsetzung von "Hebräern" mit "Halbnomaden" ist reine Spekulation. Menschen mit "minderer sozialer Rechtsstellung" wird es wohl auch in den Städten an der Küste und im Binnenland gegeben haben.

Und welche konkreten Informationen kannst Du zu religiösen Gegensätzen in der Frühzeit liefern?


Bei den Hebräern gab es besonders im Nordreich Israel blutige Kämpfe zwischen Anhängern des Jahwe-Glaubens und einer Partei, die Jahwe- und Baalglauben miteinander verbinden wollte. Den Sieg trugen schließlich die Jahwe-Anhänger davon
Welcher Quelle entnimmst Du das? Laut der Bibel wurden in Israel bis zuletzt Baal und andere Götter verehrt: "Aber sie verließen alle Gebote des HERRN, ihres Gottes, und machten sich zwei gegossene Kälber und eine Aschera und beteten alles Heer des Himmels an und dienten dem Baal und ließen ihre Söhne und Töchter durchs Feuer gehen und gingen mit Wahrsagerei und Zauberei um und verkauften sich, zu tun, was dem HERRN missfiel, um ihn zu erzürnen. Da wurde der HERR sehr zornig über Israel und tat es von seinem Angesicht weg, sodass nichts übrig blieb als der Stamm Juda allein." - so wird in 2. Könige der Untergang des Nordreichs Israel kommentiert.
Der letzte König Hoschea soll zwar nicht ganz so schlimm gewesen sein wie seine Vorgänger, aber auch er "tat, was dem HERRN missfiel".
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus der Verwendung der Bezeichung in späterer Zeit lassen sich keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse in kanaanäischer Zeit gewinnen.

Alles was wir hier schreiben tun wir in vollem Bewusstaein der Tatsache, dass in der Tradition der Vorgeschichte Israels unzählige spätere Elemente und Anachronismen enthalten sind. Dennoch kann man gewichtige Momente für eine positivere Einstellung zur biblischen Überlieferung geltend machen, zumal vieles durch urkundliches und archäologisches Material untermauert wurde.

In der Regel betont sie den Gegensatz zwischen Israeliten und Kanaanäern.
Wobei unter "Kanaanäern" möglicherweise die erst später zugewanderten Philister zu verstehen sind.

Ich denke, dass die Bibeltetexte sehr präzise zwischen Philistern und Kanaanäern unterscheidet.

Um noch einmal Kratz zu zitieren:

Es gibt durchaus andere Modelle als das von Kratz. Es ist strittig, ob das Invasionsmodell oder das Migrationsmodell oder ein ganz anderes richtig ist. Es hat in Palästina eine nomadische und eine sesshafte Komponente gegeben. Das schein doch ziemlich unstrittig zu sein.

Setzt Du immer noch "Hebräer" und "Hirtennomaden" gleich?

Ja, tue ich.Was sonst sollen sie gewesen sein?

Ob die sozial minderen Apiru/Hapiru mit den Hebräern identisch sind, ist sehr umstritten.
 
Es ist fraglich, ob der Jahwekult im Norden jemals eine Rolle spielte.

Finkelstein zeigt recht überzeugend auf, dass das vereinigte Königreich Davids vermutlich nie existierte, und nur Israel unter den Omriden eine überregionale Bedeutung erlangte.
Nach dem Untergang Israels verschmolzen in Juda die Überlieferungen der israelitischen Flüchtlinge mit den einheimischen Traditionen. Die judäischen Herrscher erhoben Ansprüche auf den Norden und untermauerten diesen mit einer vermutlich fiktiven gemeinsamen Geschichte.
 
Alles was wir hier schreiben tun wir in vollem Bewusstaein der Tatsache, dass in der Tradition der Vorgeschichte Israels unzählige spätere Elemente und Anachronismen enthalten sind. Dennoch kann man gewichtige Momente für eine positivere Einstellung zur biblischen Überlieferung geltend machen, zumal vieles durch urkundliches und archäologisches Material untermauert wurde.

Dann bring doch bitte mal konkrete Informationen zu dem vorliegenden urkundlichen und archäologischen Material.
Bisher argumentierst Du nur mit "der Bibel", und auch das vielfach mit irreführenden Behauptungen und ohne die entsprechenden Stellen zu zitieren.

Ich denke, dass die Bibeltetexte sehr präzise zwischen Philistern und Kanaanäern unterscheidet.

"Des HERRN Wort wird über euch kommen, du Kanaan, der Philister Land; ich will dich umbringen, dass niemand mehr da wohnen soll." (Zefanja)



Es gibt durchaus andere Modelle als das von Kratz. Es ist strittig, ob das Invasionsmodell oder das Migrationsmodell oder ein ganz anderes richtig ist.
Dann lassen wir doch mal die ganzen Hypothesen außen vor und befassen uns mit den unstreitigen Fakten. Das wäre ganz in meinem Sinne. Bisher hast Du ja ausschließlich Hypothesen geliefert.


Ja, tue ich.Was sonst sollen sie gewesen sein?
Na, eben die in den ältesten Texten genannten "Hapiru". Die dürften weder mit Bauern noch mit Nomaden gleichzusetzen sein ("Zu diesen Gruppen könnten neben Bauern und ehemaligen Nomaden auch Hapiru / Habiru gehört haben").

Wenn Du aber andere Informationen hast, bitte auf den Tisch damit.

Ob die sozial minderen Apiru/Hapiru mit den Hebräern identisch sind, ist sehr umstritten.
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Du den Zusammenhang Hapiru/Hebräer akzeptierst.
Wir können aber auch die Hapiru außen vorlassen. Dann haben aber die "Hebräer" in der Frühgeschichte nichts zu suchen, denn welche urkundlichen und archäologischen Belege gäbe es dafür?

Meist sind die mit „Hebräer“ angesprochenen Israeliten in abhängiger oder unterdrückter Stellung (Zwangsarbeiter, Sklaven, Vasallen, Hilfstruppen), so dass noch ein appellativisches Verständnis im Sinne der Bezeichnung einer gesellschaftlich gering geachteten Gruppe mitschwingt. Die literaturgeschichtliche Einordnung der alttestamentlichen Belege ist nicht zweifelsfrei zu klären. Die ältere Forschung ging davon aus, dass ein Teil der Texte, insbesondere Gen 14,13 und Ex 21,2 sowie die Belege aus 1Sam, vergleichsweise alte Überlieferungen repräsentieren (u.a. Albright; Alt; Mendenhall). Dagegen tendieren neuere Untersuchungen dazu, alle „Hebräer“-Texte sehr spät zu datieren (Loretz), insbesondere auch Gen 14,13 (Weippert 1971; vgl. Weippert, 1967, 94-101). Die Spätdatierung scheint auch davon beeinflusst zu sein, dass „Hebräer“ erst in nachalttestamentlicher Zeit als Volks- und Sprachbezeichnung breit bezeugt ist.
https://www.bibelwissenschaft.de/wi...r-hapiru/ch/c658d589416937f6258323d4ac3a5122/
 
Bisher argumentierst Du nur mit "der Bibel", und auch das vielfach mit irreführenden Behauptungen und ohne die entsprechenden Stellen zu zitieren.

Die Frühzeit der Hebräer lässt sich vermutlich nur hypothetisch erschließen. Allerdings ist die Meinung verbreitet, dass es im Palästina des 2. Jahrtausends v. Chr. ein sesshaftes und ein nomadisches (oder halbnomadisches) Element gegeben hat. Das letztere wird in der Regel mit den frühen Hebräern identifiziert.

Na, eben die in den ältesten Texten genannten "Hapiru". Die dürften weder mit Bauern noch mit Nomaden gleichzusetzen sein

Es gibt Wissenschaftler, die die Hebräer durchaus mit Nomaden gleichsetzen. Unter anderem dieser:

Am Anfang ihrer Geschichte waren die Hebräer Nomaden. Diese Lebens- und Wirtschaftsweise eines umherziehenden Hirtenvolks prägte wesentliche Entwicklungen der gesellschaftlichen Ordnung, und sie wirkte bewusstseinsbildend noch zu einer Zeit, in der man längst nicht mehr in Zelten, sondern in Hütten, Dörfern und Städten lebte ... Der nomadischen Lebensweise entsprachen die Gottesvorstellungen. Die Götter, von denen wir einige namentlich kennen ... schützten diejenigen, die sie verehrten, und dienten als Schwurgötter ...

"Ein umherziehender Aramäer war mein Vater, der zog hinab nach Ägypten." Der Aufenthalt von Wanderhirten in Ägypten war vom 15. bis zum 12. Jahrhundert keine Seltenheit. Wenn die Lebensbedingungen der Wüste und Steppe nichts mehr hergaben, zog man in das Land am Nil, in dessen Delta es Nahrungsmittel im Überfluss gab ... Zu solchen Nomaden werden auch die Gruppen gehört haben, die in die späteren Traditionen der Hebräer die Geschichte vom Aufenthalt in Ägypten einbrachten.

(Manfred Ckauss, Das Alte Israel, München 1999. S. 10, 12 f.)
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Du den Zusammenhang Hapiru/Hebräer akzeptierst.

Ob die Apiru/Hapiru mit den Hebräern identisch sind, ist bis heute umstriitten.

"Das Wort „Hebräer“ עִבְרִי ‘ivrî (Plural: עִבְרִים ‘ivrîm) ist ein Gentilizium vom Stamm עבר ‘BR „hinübergehen / überschreiten“. Eine sinnvolle Ableitung ergibt sich jedoch aus dieser Bestimmung nicht. Daher werden noch weitere Etymologien vorgeschlagen (Loretz, 235-248), von denen keine eine breite Zustimmung gefunden hat ...
Die Verbindung zwischen den alttestamentlichen Hebräern und den Hapiru / Habiru des 2. Jahrtausends v. Chr. ist nicht abschließend geklärt."

https://www.bibelwissenschaft.de/wi...r-hapiru/ch/c658d589416937f6258323d4ac3a5122/

Wir können aber auch die Hapiru außen vorlassen. Dann haben aber die "Hebräer" in der Frühgeschichte nichts zu suchen, denn welche urkundlichen und archäologischen Belege gäbe es dafür?

Das hier mehrfach zitierte Bibellexikon definiert den Begriff "Hebräer" so:

Der Ausdruck Hapiru / Habiru ist nicht als Ethnikon, sondern durchgehend appellativisch zu verstehen. Er bezeichnet eine soziale Gruppe der bronzezeitlichen Klassengesellschaft. Die Hapiru / Habiru sind fast durchgehend Migranten, Landesfremde. Aufgrund dieser Situation sind sie recht- und schutzlos und stehen in der sozialen Rangordnung noch unter den Sklaven. So bezeugen Dokumente aus der nordmesopotamischen Stadt → Nuzi, dass sich Hapiru / Habiru durch Dienstverhältnisse in Palästen und Tempeln oder auch als Sklaven zumindest minimale Rechte erwarben. Die Gründe für das Auftreten von Hapiru / Habiru im 2. Jahrtausend v. Chr. sind den Texten selbst nicht zu entnehmen. In der Forschung wird vermutet, dass es sich um Menschen handelte, die der verbreiteten Schuldsklaverei durch Migration entgehen wollten (Liverani; Lemche). Ein anderes Deutungsmodell geht davon aus, dass die bronzezeitlichen Gesellschaften durch eine enge wirtschaftliche und rechtliche Verflechtung von städtischen Zentren, landwirtschaftlich genutztem Hinterland und nomadischen Gruppen geprägt waren. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs oder der kriegerischen Zerstörung einer Stadt konnten die von ihr abhängigen Bauern und Nomaden recht- und schutzlos werden und daher gezwungen sein, eine gewisse Zeit als Hapiru / Habiru zu leben, bevor sie wieder in ein neues geregeltes Rechts- und Schutzverhältnis gelangen konnten (Rowton).

Danach handelt es sich bei den Apiru/Hapiru um eine niedrige soziale Schicht von Heimatlosen, die aus dem normalen gesellschaftlichen Rahmen herausfallen. Der Begriff wurde u.a. für semitisch-kanaanäische Elemente gebraucht, welche nach Ägypten gekommen waren, und dort als Halbsklaven und Klienten der Regierung lebten.

Ob man aber nun ein Migrationsmodell oder ein Revolutionsmodell befürwortet oder der Meinung ist, dass die Landnahme der nachmaligen Israeliten ein landesinterner („indigener“) Vorgang war, bleibt umstritten.
 
Die Frühzeit der Hebräer lässt sich vermutlich nur hypothetisch erschließen. Allerdings ist die Meinung verbreitet, dass es im Palästina des 2. Jahrtausends v. Chr. ein sesshaftes und ein nomadisches (oder halbnomadisches) Element gegeben hat. Das letztere wird in der Regel mit den frühen Hebräern identifiziert.

Es gibt Wissenschaftler, die die Hebräer durchaus mit Nomaden gleichsetzen. Unter anderem dieser:

Was Manfred Clauss da geschrieben hat, ist in der Literatur der letzten 20 Jahre ganz sicher nicht "die Regel". Mit der Gleichsetzung von "Hebräern" und "Nomaden" und mit seiner Annahme einer "Einwanderungswelle" befindet sich Clauss außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses der letzten Jahre.
Meinetwegen kann er aber bei seiner Meinung bleiben.

Was mich interessiert, sind jedenfalls nicht Meinungen, sondern Fakten. Im letzten Beitrag hatte ich Dich nach dem vorliegenden urkundlichen und archäologischen Material zu den Hebräern gefragt.

Die Frage hast Du zwar zitiert, aber von urkundlichem und archäologischem Material zu den Hebräern lese ich in Deinem Beitrag keine Silbe.
Stattdessen schreibst Du:

Dieter schrieb:
Das hier mehrfach zitierte Bibellexikon definiert den Begriff "Hebräer" so:

Der Ausdruck Hapiru / Habiru ist nicht als Ethnikon, sondern durchgehend appellativisch zu verstehen. Er bezeichnet eine soziale Gruppe der bronzezeitlichen Klassengesellschaft. Die Hapiru / Habiru sind fast durchgehend Migranten, Landesfremde. Aufgrund dieser Situation sind sie recht- und schutzlos und stehen in der sozialen Rangordnung noch unter den Sklaven. So bezeugen Dokumente aus der nordmesopotamischen Stadt → Nuzi, dass sich Hapiru / Habiru durch Dienstverhältnisse in Palästen und Tempeln oder auch als Sklaven zumindest minimale Rechte erwarben. Die Gründe für das Auftreten von Hapiru / Habiru im 2. Jahrtausend v. Chr. sind den Texten selbst nicht zu entnehmen. In der Forschung wird vermutet, dass es sich um Menschen handelte, die der verbreiteten Schuldsklaverei durch Migration entgehen wollten (Liverani; Lemche). Ein anderes Deutungsmodell geht davon aus, dass die bronzezeitlichen Gesellschaften durch eine enge wirtschaftliche und rechtliche Verflechtung von städtischen Zentren, landwirtschaftlich genutztem Hinterland und nomadischen Gruppen geprägt waren. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs oder der kriegerischen Zerstörung einer Stadt konnten die von ihr abhängigen Bauern und Nomaden recht- und schutzlos werden und daher gezwungen sein, eine gewisse Zeit als Hapiru / Habiru zu leben, bevor sie wieder in ein neues geregeltes Rechts- und Schutzverhältnis gelangen konnten (Rowton).

Zweifellos wird im zitierten Textabschnitt der Ausdruck "Hebräer" überhaupt nicht verwendet, geschweige denn "definiert". Hier ist von Hapiru / Habiru die Rede.

Soll ich nun also die Gleichsetzung von Hebräern und Hapiru als Fakt akzeptieren?
Oder einigen wir uns darauf, dass wir zu den Hebräern leider keine urkundlichen und archäologischen Fakten vorliegen haben?


"Das Wort „Hebräer“ עִבְרִי ‘ivrî (Plural: עִבְרִים ‘ivrîm) ist ein Gentilizium vom Stamm עבר ‘BR „hinübergehen / überschreiten“. Eine sinnvolle Ableitung ergibt sich jedoch aus dieser Bestimmung nicht. Daher werden noch weitere Etymologien vorgeschlagen (Loretz, 235-248), von denen keine eine breite Zustimmung gefunden hat ...
Genau diesen Absatz habe ich vor wenigen Tagen zitiert:
http://www.geschichtsforum.de/786926-post26.html
Wozu zitierst Du ihn noch einmal?


Falls Du Dich näher mit dem Thema befassen möchtest: In "Welt und Umwelt der Bibel" 3/2008 haben sich verschiedene Fachleute zum Thema "Die Anfänge Israels" geäußert.
Darunter:
- Detlef Jericke: Woher kam das Volk Israel? Die verschiedenen Landnahmetheorien
- André Lemaire: Frühe Inschriften aus Palästina und die Frage nach den Anfängen Israels
- Jens Kamlah: Die Entstehung Israels aus archäologischer Sicht. Palästina während der frühen Eisenzeit

Letzterer schreibt:
"... auch Nichtsesshaftigkeit hinterlässt archäologische Spuren, nämlich Reste von Zeltlagerstätten uhd Friedhöfe. So ist zum Beispiel für die Zeit von ca. 2200 bis 2000 v. Chr. bezeugt, dass in dieser Periode die meisten Menschen in Palästina nicht sesshaft waren. Solcherlei Spuren für Nichtsesshaftigkeit fehlen jedoch für die späte Bronzezeit, sodass in dieser Phase nur mit einem geringen Anteil an nichtsesshafter Bevölkerung gerechnet werden kann. Daher ist es wahrscheinlich, dass die meisten der Menschen, die in der frühen Eisenzeit im Gebirge Dörfer gründeten, vorher sesshaft waren. Die Israeliten sind damit als ethnische Gruppe aus der kanaanäischen Kultur hervorgegangen. Ihre ethnische Identität bildete sich erst am Ende der frühen Eisenzeit heraus.
...
Die Kultur der früheisenzeitlichen Dörfer hat sich während der Eisenzeit-II nahtlos fortgesetzt. Aus den Surveys geht deutlich hervor, dass die Siedlungen weiter bestanden oder ausgebaut wurden. Zusätzlich entstanden in der mittleren Eisenzeit (Eisenzeit-II) wieder überall in Palästina Städte. Mit den Städten bildete sich im Land eine neue politische Struktur heraus, nämlich die der Kleinkönigtümer. Zu diesen zählten auch die Staaten Israel und Juda. Dass die Einflüsse der früheisenzeitlichen Dorfkultur sich auch in den wiedererstandenen Städten der Eisenzeit-II durchgesetzt haben, ist aus zahlreichen Ausgrabungen klar ersichtlich. In den Bereichen Architektur, Keramik, Sprache und Schrift bestehen eindeutige Verbindungen zu den früheisenzeitlichen Wurzeln. So lässt sich mit großer Gewissheit eine kulturgeschichtliche Schlussfolgerung ziezhen: Die stärkste der verschiedenen Quellen, aus denen die Kultur der israelitisch-judäischen Königszeit gespeist wurde, entsprang den früheisenzeitlichen Dörfern des Berglands."


Ob man nun ein Migrationsmodell oder ein Revolutionsmodell befürwortet oder der Meinung ist, dass die Landnahme der nachmaligen Israeliten ein landesinterner („indigener“) Vorgang war, bleibt umstritten.
Stand der wissenschaftlichen Debatte (2008) nach Detlef Jericke:
In den Debatten, die dem "Revolutionsmodell" folgten, hat sich die Annahme durchgesetzt, dass die an der Landnahme beteiligten Gruppen nicht von außen ins Land kamen, sondern größtenteils schon zuvor in Palästina lebten.
 
Liest man die verschiedenen wissenschaftlichen Zitate zur Frühzeit Israels und besonders zu den Hebräern, so ist offensichtlich, dass es eine Vielzahl von Theorien und Hypothesen gibt. Davon erhebt jede den Anspruch, den aktuellsten Forschungsansatz zu vertreten.

Ich bin wie der oben von mir zitierte Manfred Clauss der Meinung, dass es ein nomadisches oder halbnoadisches Element gab, das einerseits Palästina durchzog, andererseits zwischen Vorderasien und dem Nildelta pendelte. Diese Hirtenvölker sind aus ägyptischen Quellen bekannt. Wenn also Hirtennomaden in der jüngeren Bronzezeit vom Nildelta nach Palästina migrierten, so trafen sie dort auf ihre nomadischen Verwandten, die im Lande geblieben waren.

Ob wir diese nomadischen Gruppen nun Hapiru oder Hebräer nennen oder nicht: Es gab eine solche nomadische Komponente von westsemitischen Srämmen, die im Verlauf von etwa 200 Jahren zu einer israelitischen Identität fand. Diese westsemitischen Hirten waren der nomadische Teil der sesshaften Kanaanäer, deren Sprache sie sprachen. Irgendwann um 1000 hatten sich die diese nomadischen Gruppen - ob nun Hapiru, Hebräer oder sonstwie - in die kanaanäische Stadtgesellschaft integriert. Im Bibellexikon heißt es:

"Am Übergang vom 2. zum 1. Jahrtausend v. Chr. integrierten sich die Hapiru / Habiru vermutlich in die neu entstehenden Kleinkönigtümer in Syrien / Palästina. Zumindest ist von Hapiru / Habiru in Dokumenten des 1. Jahrtausends v. Chr. nicht mehr die Rede"

Eine Identität der Habiru mit den Hebräern kann man annehmen oder nicht. Fakt ist für mich eine nomadische Komponente in Palästina. Der von dir zitierte Jens Kamlah sagt: "Solcherlei Spuren für Nichtsesshaftigkeit fehlen jedoch für die späte Bronzezeit, sodass in dieser Phase nur mit einem geringen Anteil an nichtsesshafter Bevölkerung gerechnet werden kann." Danach kamen die Vorläufer der Israeliten aus dem Lande Kanaan selbst, was bedeuten würde, dass weite Teile des AT ein fake sind.

Die Halbnomaden mögen geringe Spuren hinterlassen haben. Ob allerdings alle Wissenschaftler darin übereinstimmen, dass es überhaupt kein nomadisches Element gab, ist zumindest zweifelhaft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Falls Du Dich näher mit dem Thema befassen möchtest: In "Welt und Umwelt der Bibel" 3/2008 haben sich verschiedene Fachleute zum Thema "Die Anfänge Israels" geäußert.

Hier würde ich nochmals auf Finkelsteins Buch "Das vergessene Königreich" [Beck 2014] verweisen. Finkelstein war an den meisten der genannten Surveys beteiligt, als einer der führenden Archäologen Israel weiß er, wovon er spricht.
Die Theorie einer größeren Einwanderung ist danach archäologisch nicht haltbar, außer einer Flucht der Israeliten nach Juda ab 722 - man kann ein dramatisches Wachstum Jerusalems belegen.
Seine Beschreibung der Entwicklung im nördlichen Bergland, des Aufstiegs Israels mit den Zentren Sichem und Samaria und des Nachlebens der Erinnerungen in der Überlieferung Judas scheint stimmig und gut belegt.

Bei ihm werden übrigens [H]Apiru als "aufsässige Banden aus Söldnern und Enwurzelten, die am Rande der organisierten Gesellschaft leben" genannt, und zwar nur für die Spätbronzezeit. Hebräer verwendet er dagegen als Sammelbegriff für die beiden eisenzeitlichen Gruppierungen Israel und Juda.
 
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