Ein einziges Rätsel: Der Diskos von Phaistos

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Die rätselhafte Scheibe aus der Bronzezeit

Druckerzeugnisse haben gegenüber handschriftlichen Dokumenten mehrere Vorteile. So ist die Lesbarkeit meist viel besser. Das ist auch beim ältesten mit beweglichen Lettern gedruckten Schriftstück der Welt so. Doch was nützt die Klarheit der Zeichen, wenn man ihre Bedeutung nicht kennt? Das älteste mit Lettern gedruckte Schriftstück der Welt ist nämlich nicht die Gutenberg-Bibel, sondern der Diskos von Phaistos: eine runde Scheibe aus gebranntem Ton, die auf Kreta gefunden wurde. Ihre Schöpfer bestempelten sie vor etwa 3500 Jahren auf beiden Seiten mit rätselhaften Schriftzeichen.

Berühmt ist der Diskos weniger dank dieser herstellungstechnischen Besonderheit, sonder weil er sich hartnäckig allen Entschlüsselungsversuchen widersetzt. Für kaum ein anderes Schriftstück gibt es so viele Entzifferungs- und Interpretationsversuche - auch von faszinierten Laien: Griechisch, Proto-Ionisch, Luwisch, Bilder- und Silbenschrift, Brief, astronomischer Kalender, Spielbrett - all diese Deutungen haben Möchtegern-Codeknacker in Büchern oder Briefen an berühmte Archäologen bereits abgeliefert. Heute befüllen sie mit ihren Interpretationen das Internet.
 
Für kaum ein anderes Schriftstück gibt es so viele Entzifferungs- und Interpretationsversuche - auch von faszinierten Laien: Griechisch, Proto-Ionisch, Luwisch, Bilder- und Silbenschrift, Brief, astronomischer Kalender, Spielbrett - all diese Deutungen haben Möchtegern-Codeknacker in Büchern oder Briefen an berühmte Archäologen bereits abgeliefert. Heute befüllen sie mit ihren Interpretationen das Internet.
Das kann man wohl sagen. Ich kenne einen „Interpreten“ persönlich. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Materie und nun glaubt er, es entziffert zu haben – hier seine diesbezügliche Schriftenreihe in 11 Teilen: Entzifferung des Diskos von Phaistos
 
Ich meine, es schon mal gelesen zu haben.

Aber im Grunde ist mir das Fragezeichen wichtiger. Ich verstehe nicht, was El Quijote hier sagen möchte.
 
Das kann man wohl sagen. Ich kenne einen „Interpreten“ persönlich. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Materie und nun glaubt er, es entziffert zu haben – hier seine diesbezügliche Schriftenreihe in 11 Teilen: Entzifferung des Diskos von Phaistos

Der hat sich auch hier im Forum schon gemeldet:

Über den Diskos haben wir zuletzt hier diskutiert: Das Geheimnis von Phaistos: Fälscher am Werk?
 
Ah Nummer zwei. Ich hatte das nicht als Hervorhebung erkannt...

Aber es passt ja zu den Geheimnissen um den Diskos. Darum gibts erhobene Daumen!

Wenn es keinen Pressebereich mehr gibt, liegt es dann nicht nahe, Meldungen in den Diskussionsthreads zum Thema zu posten? Oder habe ich noch etwas übersehen?
 
Diese drei waren verantwortlich bei den Grabungen und der Auffindung des Diskos von Phaistos:
Luigi Pernier (1874-1937). Am 3. Juli 1908 gelang ihm in Phaistos der bedeutsamste Fund seiner Karriere: Der Diskos von Phaistos, bis heute eines der bedeutendsten Fundstücke der Bronzezeit. Pernier war jedoch bei der Auffindung nicht persönlich anwesend.
Federico Halbherr (1857-1930). Um 1900, also etwa zur selben Zeit, als Arthur Evans in Knossos arbeitete, begannen in Phaistos unter Halbherrs Leitung die Grabungen der italienischen archäologischen Mission. Halbherr arbeitete vollkommen anders als Evans, daher wurde in Phaistós viel weniger rekonstruiert als in Knossós.
Antonio Taramelli (1868-1939). Taramellis als „fieberhaft“ bezeichnete archäologische Arbeit auf der Insel beschäftigte ihn ungefähr 30 Jahre lang. Seinen zahlreichen Ausgrabungen maß er als Hilfsmittel der Geschichtsforschung besondere Bedeutung zu. Rund 230 wissenschaftliche Veröffentlichungen waren das Resultat.

Vier Beispiele von wie es scheint etwas ratlosen Erklärungsversuchen einzelner Stempel in der durchnummerierten Liste bei Wikipedia:
Stempel Nr. 4: Nackter Mann mit auf dem Rücken gekreuzten Unterarmen – Gefangener (Evans, Godart); schreitender Ackerbauer (Aartun); weibliche Gefangene (Dettmer)
Stempel Nr. 7: Glockenförmiges Symbol – Mütze (Pernier); Helm (Godart); weibliche Brust (Evans, Dettmer); Wasserbehälter (Kean)
Stempel Nr. 14: Berge (Pernier); Handschelle (Evans, Godart); Joch/Tragholz (Dettmer, Ohlenroth); Fußschemel (Aartun); Felsformation (Kean)
Die beiden Erklärungen für Stempel Nr. 9 sind dann von unfreiwilliger Komik: Evans sieht eine Tiara und Ohlenroth ein abgetrenntes männliches Genital. Honi soit qui mal y pense.

Bei Wikipedia sind 27 Entzifferungsversuche des Diskos von 1911 bis 2010 aufgeführt. Ich nehme an alles honorige Wissenschaftler. Sicher wird nicht ein einziger unter ihnen seinen Ruf aufs Spiel setzen wollen und in seinen Ausführungen mit einer aktuellen Fälschung oder einem Spaß unter Kollegen spielen.
Diese Möglichkeiten sollte man aber nicht aus dem Auge verlieren.
 
Bei Wikipedia sind 27 Entzifferungsversuche des Diskos von 1911 bis 2010 aufgeführt. Ich nehme an alles honorige Wissenschaftler.
Da wäre ich mir nicht ganz sicher.
Aber auch honorige Wissenschaftler verrennen sich mitunter in steile Thesen.


"Schon wieder ein Diplom-Ingenieur", schimpft Veit Stürmer und wedelt mit einem dicken Stoß Papier. "Ich habe schon einen Riesenstapel mit angeblichen Entschlüsselungen von Diplom-Ingenieuren bekommen." Der Archäologe an der Humboldt-Universität in Berlin ist gerade von Ausgrabungen in Kreta zurückgekehrt. "Ein Geisteswissenschaftler weiß, dass es Dinge gibt, die er nicht klären kann", meint Stürmer. "Aber diese Techniker bilden sich ein, jedes Problem sei lösbar."
Mysteriöse Schriften: Ein rundes Rätsel - Gesundheit - Welt - Tagesspiegel
 
"Aber diese Techniker bilden sich ein, jedes Problem sei lösbar."
Wenn dieser Stein keine Fälschung ist und/oder die eingedrückten Zeichen darauf nicht zufällig verteilt sind, d.h. in irgendeinem Sinnzusammenhang stehen, dann müsste dies zu entschlüsseln sein. Jedenfalls mit der heutigen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung per Computer – allerdings auch erst, wenn mehr Objekte mit den gleichen oder ähnlichen Symbolen gefunden werden.
 
Wenn dieser Stein keine Fälschung ist und/oder die eingedrückten Zeichen darauf nicht zufällig verteilt sind, d.h. in irgendeinem Sinnzusammenhang stehen, dann müsste dies zu entschlüsseln sein. Jedenfalls mit der heutigen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung per Computer – allerdings auch erst, wenn mehr Objekte mit den gleichen oder ähnlichen Symbolen gefunden werden.

Die Chancen stehen aber nur dann gut, wenn es sich um Texte in einer heute verständlichen Sprache handelt. Die Texte in Linear B sind (nach vielen Jahren des Herumprobierens) gut verständlich, weil es sich irgendwann herausgestellt hat, dass es sich bei der zugrundeliegenden Sprache um Griechisch handelt.
Nun hat Linear B viele Zeichen mit Linear A gemeinsam, trotzdem ist man bei den 1400 Texten in Linear A über einige Ansätze und Hypothesen kaum hinausgekommen, weil die Sprache nicht zu identifizieren ist.

Anderes Beispiel für eine rätselhafte Inschrift: Die Stele von Novilara. Die Zeichen sind mühelos lesbar, der Text beginnt mit den Worten "mimniś erút gaareśtadeś rotnem úvlin parten-úś ..."
http://titus.uni-frankfurt.de/texte/pid343.pdf
Nur was zum Henker bedeutet mimniś erút gaareśtadeś...?
 
Da steht: "Schöne Grüße, Ihr Evans, hoffe, das war nicht zu leicht." :D

Bei Linear B war die Erkenntnis, dass es sich um Griechisch handelt, nicht die Entschlüsselung, sondern die Bestätigung, die gleichzeitig eine Übersetzungsmöglichkeit gab. Ventris selbst war durch Ähnlichkeiten mit und Abweichungen von dem Altgriechischen sogar erst verunsichert, da er sich mit der Sprachgeschichte nicht so gut auskannte. Gerade das war aber eine wichtige Bestätigung.

Daher denn auch die immer neuen Spekulationen zur verwendeten Sprache nicht lesbarer Schriften. Es wird gehofft, dass durch Kombination mit Lauten oder Silben ein Treffer erzielt wird. Was voraussetzt, dass die Schrift für die Sprache, für die sie genutzt wurde, entworfen ist und noch dazu in einem gewissen Maß korrekt entworfen ist. Das war gerade bei Linear B nicht der Fall. Durch strukturelle Analysen kam man zum Ziel und es mag sein, dass es kein Zufall war, dass ein Architekt -auch Ventris musste essen- auf die Lösung kam, der sich nicht von dem stören ließ, was nicht dem Bild entsprach, sondern bei dem blieb, was die Analyse ergab.
 
Bei Linear B war die Erkenntnis, dass es sich um Griechisch handelt, nicht die Entschlüsselung, sondern die Bestätigung, die gleichzeitig eine Übersetzungsmöglichkeit gab.
Das ist richtig, es ging aber beides Hand in Hand.
Wenn zwei Silbenzeichen hypothetisch als *pa und *ma zu lesen sind, wir ein drittes Silbenzeichen X mit unbekannter Lesung haben, und wir das Wortpaar *pa-X und *ma-X hypothetisch mit den griechischen Wörtern pater und mater zusammenbringen, lässt sich das Silbenzeichen X als *te entschlüsseln. Dann kann man weiter schauen, ob die Lesart *te auch bei anderen Wörtern einen griechischen Sinn ergibt.

Was voraussetzt, dass die Schrift für die Sprache, für die sie genutzt wurde, entworfen ist und noch dazu
in einem gewissen Maß korrekt entworfen ist. Das war gerade bei Linear B nicht der Fall.
Bist Du sicher, dass Linear B nicht für (mykenisches) Griechisch entworfen wurde?
Und was verstehst Du unter "in einem gewissen Maß korrekt entworfen"?

Ein Beispiel für eine eigens für eine bestimmte Sprache entworfene Schrift wäre diese hier:
Cherokee-Silbenschrift – Wikipedia
 
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