Das Krieger-Grab von Pylos

Dennoch sind da eben einige Details, die zu hinterfragen sind. Und darauf haben dann die Experten auch Antworten zu geben, die ja auch keine Autoritäten sind.

Und die Erkenntnis, dass da ein bekanntes Motiv dargestellt wurde und kein selbständiges geschaffen wurde, ist jedem offensichtlich.

Ebenso, dass einige Details nicht richtig verstanden wurden.

Ich frage mich, was diese Verschwörungstheorien hier bezwecken sollen? Wenn das Objekt vom Kunstmarkt stammen würde meinetwegen, aber hier geht es um ein Fundstück aus der Grabung einer renommierten Uni. Dass hier ein Motiv auftaucht, das auch von anderen Stücken bekannt ist, ist sicherlich kein Indiz für einen Fake, sondern illustriert lediglich, dass es in der minoischen Glyptik spezifische ikonographische Schemata gab, wie das beispielsweise auch bei Kampfdarstellungen in der griechischen Plastik beobachtet werden kann.

Im übrigen arbeiten Archäologen so schnell, wie es ihre vielfach prekären Anstellungen zulassen.
 
Eben.

Bis zum Eintreffen weiterer Informationen und hard facts - ob nun bestätigend oder widerlegend - von fachlicher Seite sollten Fälschungs- oder Verschwörungsdebatten im smalltalk stattfinden.
 
Auch renommierten Universitäten sind schon Dinge untergeschoben worden.

Das ins Spiel bringen von Verschwörungstheorien ist, harmlos ausgedrückt, unverschämt. Und ich habe Merkmale und Gründe benannt. Die Erinnerung an Filmwerbung, die mir ein Bekannter mittlerweile bestätigt hat, hat mich misstrauisch gemacht, weshalb ich mir das nochmal anschaute.

Es ist auch kein Smalltalk. Die Datierung von Objekten gehört zum Thema Geschichte. Und die Grundlagen lernt jeder Historiker, wenn er solche Themen nicht umgeht. Eine erste Einschätzung ("Das könnte ... , das müsste da untersucht oder dort beurteilt werden.") gehört zum Tätigkeitsfeld.

Ich habe auch nicht behauptet, dass es eine Fälschung ist, ich habe lediglich auf Zweifel hingewiesen. Wenn ihr schon ausdrückt, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank, was mit dem Vorwurf, Verschwörungstheoretiker zu sein, heutzutage gemeint ist, dann erfindet doch wenigstens nichts.

In diesem Fall ist es nicht schwierig, es gibt ja die gewünschten "hard facts":

Achate kommen in der Region vor. (Wo genau diese Zeichnung gefunden werden kann, werden sie schon wissen, wenn es außergewöhnlich wäre hätten sie wohl auch das angemerkt. Kein richtiger Beweis, in diesem Fall gehe ich mal davon aus.)

Das Thema ist in der Zeit nachgewiesen, wie ich im zitierten Post sagte. Also schon mal okay.

Der Stil zeigt minoischen Einfluss. Aber ein solches Kunstwerk wäre eigentlich erst 1000 Jahre später zu erwarten. Diese Aussage stammt nun nicht von mir, sondern von Archäologen, zu deren Tätigkeit regelmäßig die Datierung gehört.

Die Lupe lasse ich mal beiseite. Dass wird in den letzten Jahren bei vielen alten Kunstwerken gesagt, ist also entweder eine inflationär gebrauchte Feststellung, so nicht richtig - ich erinnere an den Hinweis, dass Kinderaugen besser sehen - oder eben doch möglich -ich erinnere an die "Indianerbrille". Darüber müssen sich andere streiten.

Was spricht nun dagegen?

Wie schon gesagt Qualität und Ähnlichkeit zu späteren Darstellungen. Das hat noch nichts zu sagen. Der Künstler kann sein Geheimnis oder auch nur sein Talent mit ins Grab genommen haben. Da es eine andere Darstellung gibt ist das Sujet nicht seine Erfindung.

Im Netz kam nun schnell eine Parallele zum Vorschein, wie wir sie in der Zeit erwarten würden. Hier sind die Unterschiede interessant. Ein Teil wurde hier angesprochen. Die, worauf Gangflow schon hinwies, falsch abgezeichneten Schwertscheiden sind offenbar eine Fehlinterpretation. Entweder von Keulen oder von dem Arm der länger bekannten Darstellung. Solche Fehlinterpretationen sind nun ein sehr starker Hinweis auf Fälschungen. Das ist keine Verschwörungstheorie, dass sind erklärungsbedürftige Details:

- Sind solche Scheidenformen bezeugt, was hieße, dass das mit der Schulter ein Zufall wäre? Hier ist dann jemand gefragt, der sich besser damit auskennt. Zum vorherigen Sehen des Problems reicht es, nicht blind zu sein. Und solche Missverständnisse sind ein anerkannter und klarer Beleg einer Fälschung. Warum rede ich dann noch nur von der Möglichkeit einer Fälschung? Weil ich eben kein Verschwörungstheoretiker bin und die Darlegungen von Experten erwarte.
- Was ist mit der Bekleidung? Lendenschurz gegen Nacktheit. Unterschiedliche Formen des Lendenschurzes. Darauf habe ich mich nicht berufen. Ich kann sagen, was uns das bedeutet. Bedeuten die Lendenschurze unterschiedliche regionale Zuordnung? Und bedeutet der Unterschied Nacktheit - Lendenschurz unterschiedliche regionale Herkunft des Künstlers? Oder gehört es nicht in die Zeit. Da sind Experten gefragt.
- Was ist mit der Expertise der Experten? Falsch abgezeichnet haben sie den Stein schon mal. Damit kann ihnen -hier und bis auf Weiteres, d.h. zumindest, bis es ihnen auffällt- keine größere Zuverlässigkeit zugebilligt werden.

Es gibt noch weitere Fragen:
- Gibt es Hinweise auf das benutzte Werkzeug?
- Kann so eine Patina überhaupt künstlich erzeugt werden?

Da halte ich mich heraus, dazu kann ich nichts sagen, auch wenn ich beim Kalk eher dahin tendiere, dass es nicht geht. (Es müssten ja auch die Verunreinigungen mit eingebracht werden, sonst wäre der Unterschied zur Umgebung offenbar. Das bedingte aber eine vorherige Öffnung des Grabes, die kaum zu vertuschen wäre.)

Dass Publikationen in der Archäologie lange auf sich warten lassen, ist keine Überraschung, sondern altbekannt. Warum, ebenso. Dennoch gilt für die Archäologie, was für andere Wissenschaften auch gilt: Sie darf nicht nur intern diskutieren, sondern muss sich Fragen auch von außerhalb gefallen lassen. Mir ist bewusst, dass "Autorität" in der Archäologie eine größere Rolle spielt, als in anderen Wissenschaften, was mit der Geschichte der Archäologie zu tun hat. Nur kann Autorität keine Wahrheit begründen. Nicht einmal die Annahme von Wahrheit kann sie begründen. Sie kann nur die Annahme höherer Zuverlässigkeit begründen. Aber nur, wenn sie sich an die Regeln hält. Wenn z.B. keine begründeten Fragen gestellt werden können, ist das gegen die Regeln. (Mal "fun fact" statt "hard fact": In Deutschland ist das sogar höchstrichterlich entschieden: Wissenschaft darf nicht ausschließen. Hier ist eben alles ordentlich geordnet.)

@ aquilifer: Das war unter der Gürtellinie.
@ silesia: Ebenso. Es laufen hier genügend Diskussionen, die wirklich unter Verschwörungstheorie fallen und seit langem nicht in den Smalltalk verschoben werden.
 
Die minoischen Grabbeigaben zeigen wieder einmal, wie stark der Einfluss der minoischen Kultur auf die mykenische Gesellschaft gewesen ist. Inwieweit die Darstellung der Krieger auf minoische Vorlagen zurückgeht, ist noch nicht analysiert worden. Vielleicht hört man gelegentlich etwas dazu.

Wenn ich die wenigen minoischen Bilder betrachte, die überliefert sind, kann ich keines entdecken, das auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dem mykenischen Kriegerrelief aufweist. Es erhebt sich also die Frage, wo die Wurzel derart anatomisch perfekt durchgebildeter Körper liegt? Und das 1500 v. Chr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sind Zeichnungen verschiedener Objekte. Dadurch wird aber nur klar, dass es sich um ein bekanntes Thema handelt, dass natürlich auch ein Künstler damals aufgegriffen haben kann: Das Thema war in der Antike bekannt. (Und ich meine, mich an noch eine weitere Darstellung zu erinnern.)

Problematisch ist wie gesagt erst einmal nur die Art der Darstellung und das keulen- oder ballonartige Ende der Schwertscheiden, dass doch arge Ähnlichkeit mit der Schulter der anderen Darstellung hat.

Das ist, wie gesagt, kein Beweis, wirft aber Fragen auf.
 
Verschwörungstheoretiker ist doch kein Schimpfwort mehr. Das bedeutet nur, dass du nicht treudoof dem Mainstream glaubst. ;)

Zum komischen Scheidenort: Google mal "Aiani tomb 22". Das sollte wohl eine kleinere Variante sein.

Und anatomisch geniale Abbildungen gibt es doch. Halt oft mit modisch unrealistischer schmaler Taille.
 
Zuletzt bearbeitet:
Seht ihr, so schnell ist der Riothamus zufrieden: Die Frage nach der Schwertscheide ist beantwortet. Es gibt anscheinend in der Bronzezeit so ähnliche Dinger.

Was die Abbildung angeht, so gebe ich, wenn er echt ist, eher den Ausgräbern recht, dass es ein sensationeller Fund ist, der seiner Zeit voraus war. Aber wie es bei Kunst ist, mögen da die Wahrnehmungen auseinanderliegen.
 
Na, da haben ja dann die Jungs von der Uni Cincinatti noch mal Glück gehabt, dass das so schnell ging. :eek:
Google sei Dank: alle Experten sind zufrieden. Und wir können in Ruhe und ohne Schnappatmung weitere Publikationen und Ausstellungen abwarten.
 
Wenn man zu #6 (Zeichnung der Uni Cincinatti) auf den dazu gehörenden link in #3 klickt, kommt folgendes:

"An enlarged drawing of the stunningly detailed combat scene captured on an agate sealstone discovered by the University of Cincinnati's Sharon Stocker and Jack Davis. Tina Ross/Courtesy Department of Classics, University of Cincinnati. Color illustration/Ben Gardner, UC Creative Services"

Eine vergrößerte Zeichnung der atemberaubend detailgetreuen Kampfszene, die auf einem von Sharon Stocker und Jack Davis von der Universität Cincinnati entdeckten Achat-Siegelstein festgehalten wurde. Tina Ross/Unterstützung Department of Classics, Universität von Cincinnati. Farbabbildung/Ben Gardner, UC Creative Services
(Übersetzung DeepL)
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch renommierten Universitäten sind schon Dinge untergeschoben worden.
Es ist eine Sache über das Stück an sich zu diskutieren, eine andere, den beteiligten Wissenschaftlern a priori Täuschung zu unterstellen.

Es erhebt sich also die Frage, wo die Wurzel derart anatomisch perfekt durchgebildeter Körper liegt? Und das 1500 v. Chr.
Ich frage mich, ob wir in unserem westeuropäischen 'Kunstverständnis', das ja in hohem Maße durch die Entwicklung der griechischen Plastik determiniert ist, nicht einfach der falschen Auffassung aufsitzen, dass sich die Darstellung des menschlichen Körpers zwangsläufig von abstrakten zu organischen Formen hin entwickelte.
 
Ich frage mich, ob wir in unserem westeuropäischen 'Kunstverständnis', das ja in hohem Maße durch die Entwicklung der griechischen Plastik determiniert ist, nicht einfach der falschen Auffassung aufsitzen, dass sich die Darstellung des menschlichen Körpers zwangsläufig von abstrakten zu organischen Formen hin entwickelte.
Warum sollten wir uns irren? Dass Komplexität der Simplizität folgt, und nicht etwa umgekehrt, müsste eigentlich als logisch gelten. Übrigens zeichnen auch Kinder den Menschen ohne Muskeltonus, weil dieser für sie als unwichtig erscheint. Die Reduktion auf das Interessante ist zumeist keine bewusste Betonung in der Darstellung, sondern eine unterbewusste Selektion, die bereits das Gehirn selbständig vorgenommen hat.

Sowohl im Hinterfragen des »westeuropäischen Kunstverständnises« (was noch absolut legitim ist), wie auch im Bezweifeln, dass »die Darstellung des menschlichen Körpers zwangsläufig von abstrakten zu organischen Formen hin entwickelte« sehe ich eher eine Ausrede des heutigen, darstellerisch kaum mehr ambitiösen Menschen, der auf alles sein Smartphone hinhält und die primitive manuelle Darstellungen zur Modernität erklärt hat. Selbstverständlich wird dieser Mensch die einfache Darstellung als höher entwickelt propagieren wollen, was jedoch auf die manuell wiedergebenden Fähigkeiten bezogen völliger Unsinn ist.
 
Es ist eine Sache über das Stück an sich zu diskutieren, eine andere, den beteiligten Wissenschaftlern a priori Täuschung zu unterstellen.

Den Wissenschaftlern habe ich nie eine Täuschung unterstellt. Diese Behauptung weise ich zurück.

@ silesia: Wer sagt Dir denn, dass ich die in Cincinnati in Ruhe lasse. Die wissen noch gar nicht, was da auf sie zurollt. ;)
 
In Bezug auf die künstlerischen Aspekte müssen wir bedenken, dass die großen abstrakt malenden Künstler in der Regel auch gut zeichnen können. Ich weiß, es gibt Ausnahmen, aber in der Regel ist es meist die Voraussetzung das entsprechende 'Sehen' entwickelt zu haben, um auch in der Abstraktion interessant zu bleiben.

Was nun die Anatomie in der Bronzezeit angeht, so empfehle ich da z.B. einen Blick auf das in Post #12 verlinkte Bild. Beobachtet wurde da auch. Es scheint mir auch bewusst abstrakt zu sein und die in der alten Kunst benutzten Konventionen (wenn man das so nennen kann) zu kennen, z.B. Gelenke als Kugeln darzustellen. Aber es löst sich davon, wie überhaupt die minoische Kunst. Der Achat hingegen ist weit davon entfernt. Der kleine Kopf und die schmale Taille bleiben der vermuteten Zeit verhaftet.

Hier ist dann tatsächlich die Frage nach der Wurzel der Darstellung. Eine oft naheliegende Vermutung wäre ein Aufeinandertreffen der Kulturen. Aber das fand auf Kreta ja sowieso statt.
 
Zurück
Oben