Vorgeschichte und Kontext:
Die im Indien des 5. Jh. BCE (in welches Buddhas Lebenszeit fällt) vorherrschende Religion war der auf den Upanishaden (= spätvedische Texte ab dem 6. Jh. BCE) basierende Brahmanismus, der eine theistische und eine a-theistische Variante hatte. Auf der theistischen Ebene galt der Aufenthalt im Himmel des Schöpfergottes Brahma als höchstes Ziel, für dessen Realisierung je nach Mentalität und Sozialstatus des Aspiranten kostspielige Tieropfer oder sexuelle Askese oder hingebungsvolles Lesen der ´heiligen´ Texte (= Veda) praktiziert wurden. Diese Variante war die verbreitetste. Ihre Priesterschaft propagierte eine von Göttern vorgeschriebene Vier-Kasten-Hierarchie mit den Priestern an der Spitze, gefolgt von den Kriegern (ksatriyas), den Viehzüchtern und Bauern (vaisiyas) und den Dienern (sudras). Die ersten drei Stufen waren den Ariern vorbehalten, mit der vierten und untersten musste sich die vor-arische Population begnügen.
Anspruchsvoller und seltener als die genannten theistischen Methoden war die a-theistische Praxis der Yoga-Meditation, angewandt von Asketen in Kombination mit Fasten, Enthaltsamkeit und völliger Zurückgezogenheit in Wäldern. Das angestrebte Ziel war das geistige Einswerden mit der non-personalen ´Weltseele´ oder ´Weltsubstanz´, dem Brahman, durch die meditative Realisierung der Identität des Atman (= Kern der Menschenseele) mit diesem Brahman. Die Yoga-Technik geht möglicherweise auf die vor-arische Bevölkerung des Industales zurück und sollte ursprünglich das Tieropfer vorbereiten, wurde von den arischen Brahman-Asketen dann aber als selbständiges Mittel für die Einswerdung mit dem Brahman eingesetzt.
Die Dominanz der beiden brahmanistischen Strömungen geriet im besagten 5. Jh. BCE in der Folge eines tiefgreifenden sozialen Umbruchs ins Wanken. Das System der sippenbasierten Gemeinschaft wurde durch die Ausweitung einiger Königreiche überlagert und verdrängt. Neue urbane Zentren entwickelten sich zu Knotenpunkten eines weitvernetzten Handels. In ihnen bildete sich ein kritischeres Bewusstsein gegenüber den traditionellen Doktrinen der Upanishaden heraus. Hinzu kam eine hohe urbane Sterberate aufgrund der krankheitsfördernden Bevölkerungsdichte, was bei vielen Menschen die Ablehnung der theistischen Opferkulte und den Wunsch nach einer authentischeren Lebensführung noch intensivierte.
Der Protest gegen den in Äußerlichkeiten erstarrten theistischen Brahmanismus, dessen Priesterschaft die Herrschaftsposition im Kastensystem beanspruchte, drückte sich am stärksten im Phänomen der ´Shramanas´ (religiöse Wandergruppen) aus, zu denen auch der frühe Buddhismus gehört. Informationen über die nicht-buddhistischen Shramanas, vor allem die Jainisten, die Ajivikas, die Materialisten und die Skeptiker, finden sich in der Samannaphala-Sutra aus der frühbuddhistischen Dialogsammlung ´Digha Nikaya´.
Die Jainisten waren von der individuellen Beseeltheit aller Formen von Materie überzeugt und lehnten die brahmanistische Lehre der Identität von ´Weltseele´ (Brahman) und menschlichem Seelenkern (Atman) ab, vielmehr sei jede Menschenseele eine separate Entität (ähnlich wie Leibniz´ Monade) und könne durch Yoga, Askese und Vegetarismus aus der karmisch angetriebenen Wiedergeburtenkette befreit werden und ewig in Seligkeit verweilen. Die Ajivikas bildeten die radikalste Gruppe: Sie lehnten die Karmalehre ab und postulierten eine von einem Prinzip namens ´Niyati´ angetriebene prädeterministische Wiedergeburtenkette, deren höchste Stufe ein Ajivika sei mit der Bestimmung, seine Kette durch strenge Askese, ständige Nacktheit und einen finalen Hungertod zu beenden. Die Einstellung der Materialisten ähnelte der Lebensanschauung vieler heutiger westlicher Durchschnittsmenschen: Sie führten innerhalb ihrer Gruppen ein gemäßigt hedonistisches und geselliges Leben und verneinten sowohl eine universale ´Weltseele´ als auch die Wiedergeburt, da ihrer Ansicht nach die Seele mit dem Tod verlischt. Diese komplett ´diesseitige´ Position war im Indien jener Zeit so ungewöhnlich, dass ihre Anhänger die Städte verließen und sich zu Wandergruppen zusammenschlossen. Die Skeptiker schließlich waren Agnostiker und verzichteten konsequenterweise darauf, die Anschauungen anderer Gruppen als falsch zu bezeichnen. Ihr einziges Ziel bestand darin, eine (quasi stoische) Geistesruhe zu kultivieren. Zwei wichtige Schüler des Buddha, Shariputta und Moggallana, waren zuvor Skeptiker gewesen.
Der frühe Buddhismus:
Für die Lebensdaten des Buddhismus-Begründers Siddharta Gautama (genannt ´Buddha´ = der Erwachte) stehen keine außerbuddhistischen Quellen zur Verfügung, weshalb man nur bedingt von einer Historizität seiner biographischen Daten sprechen kann. In Fachkreisen besteht aber kein ernsthafter Zweifel an der Authentizität der wichtigsten Eckdaten.
Nach Angaben in mehreren buddhistischen Quellen, darunter die theravadische Dialogsammlung ´Digha Nikaya´, starb Gautama mit 80 Jahren. Die chronologische Einordnung dieser Zahl ist problematisch, da unterschiedliche innerbuddhistische Angaben über den zeitlichen Abstand zwischen Gautamas Tod und der Krönung des buddhistischen Kaisers Ashoka vorliegen: Manche Quellen sagen 218 Jahre (´lange Chronologie´), andere 100 (´kurze Chronologie´).
Auch Ashokas Krönungstermin ist umstritten, allerdings nur geringfügig: Manche Historiker legen ihn basierend auf Ashokas an hellenistische Könige adressierten Edikten auf 268 BCE fest, andere spannen auf der gleichen Grundlage den Rahmen zwischen 267 und 280 BCE. Der Buddhismusexperte Richard Gombrich hält aufgrund von Zahlenangaben in der buddhistischen Chronologie ´Dipavamsa´ aus Sri Lanka einen Abstand von 136 Jahren zwischen Gautamas Tod und Ashokas Krönung für am wahrscheinlichsten, woraus er auf 404 BCE (plusminus einige Jahre) als Todesdatum und dementsprechend auf 484 BCE (plusminus) als Geburtsdatum schließt. Herkömmliche Datierungen liegen um ca. 80 Jahre früher, so dass sich bei ihnen das Todesdatum dem Jahr annähert, in dem Gautama laut Gombrich geboren wurde.
In der Forschung nicht umstritten ist die Herkunft des Gautama aus dem Volk der Sakhya im heutigen Grenzgebiet von Nepal. Bei den Sakhya bestimmte ein aus Sippenhäuptern gebildeter Rat die Politik. Gautama gilt als Sohn eines dieser Räte, weshalb sich später die Legende um seine Königssohnschaft bildete. Eine historisch zuverlässige lückenlose Biografie lässt sich nur bedingt erstellen, da die ersten ´Vollbiografien´, d.h. Zusammenfassungen schriftlicher und oraler Einzelberichte über sein Leben, erst ab ca. 200 BCE verfasst wurden. Die Übereinstimmung dieser Quellen (darunter ´Mahavastu´, ´Lalitavistara´ und ´Buddhacarita´, alle aus dem 1. Jh. CE) geht weit, unsicher ist bei vielen Details allerdings, ob sie historisch oder legendenhaft sind.
Glaubwürdig ist immerhin, dass Gautama in einer wohlhabenden Familie aufwuchs, mit 16 Jahren heiratete, ein luxuriöses Leben führte und mit 29 Jahren eine innere Wende vollzog, seine Familie verließ und bei brahmanistischen Asketen in die Lehre ging. Die Quellen divergieren in der Frage des Motivs: Die frühen Sutren (= ´Leitfäden´) in der Dialogsammlung ´Anguttara Nikaya´ berichten von einer längeren Phase des Zweifels am Sinn der irdischen Existenz; in einer späteren Biografie aus dem 2. Jahrhundert CE, ´Nidanakatha´, ist von einem plötzlichen Wandel kurz nach der Geburt seines Sohnes Rahula die Rede, als Gautama auf der Straße von seiner Kutsche aus einen alten Mann, einen kranken Mann und eine Leiche erblickte. In der Nacht soll er nach einem langen Blick auf seinen Sohn, der in den Armen seiner schlafenden Mutter lag, das Haus verlassen und sich den Brahmanen außerhalb der Stadt angeschlossen haben.
Es folgten sieben Jahre einer spirituellen Suche, ohne ein für Gautama zufriedenstellendes Resultat zu zeitigen. Zunächst schloss er sich dem Brahmanen Arada Kalama an, der ihn eine Yoga-Meditation lehrte, die in der Objekt-Negation ("Nichtsheit") verweilt. Bei einem anderen Lehrer, Udakra Ramaputra, gelangte er auf die noch höhere Stufe der doppelten Negation ("Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung"). Die Angebote beider Lehrer, die Leitung ihrer Gruppe zu übernehmen, lehnte er ab, integrierte die erworbenen Methoden aber in seine Praxis (was später zu den ´formlosen Dhyanas´ Nr. 3 und 4 führte) und übte sich, nachdem er auch Ramaputra verlassen hatte, zusätzlich - so die ´Biographien´ übereinstimmend - in extremer Askese, um das Verlangen nach sexueller Lust abzutöten, zum Beispiel durch Meditation bei Atemstillstand, was zu heftigen körperlichen Reaktionen führt, und durch die Reduktion seiner Ernährung auf ein paar Tropfen Bohnensuppe pro Tag. Laut der schon genannten Biographie ´Nidanakatha´ (2. Jh. CE) soll Gautama dabei zwar große geistige Klarheit erlangt, zugleich aber erkannt haben, dass der Preis - der körperliche Ruin - dafür zu hoch ist.
Gemäß dem ´Majjhima Nikaya´, das als Teil des Pali-Kanons einige der ältesten oralen Überlieferungen enthält, besann er sich auf eine selbst-induzierte meditative Erfahrung aus seiner Jugendzeit, die sowohl Loslösung von sexuellem Begehren als auch tiefe innere Ruhe beinhaltete. Das damals rein intuitiv angewandte und in der späteren Lehre als erstes (Skt.) ´Dhyana´ (Pali ´jnana´, wörtlich: ´Glühen´, die erste meditative Versenkungsstufe) systematisierte Verfahren trug - ergänzt durch eine wiederaufgenommene normale Ernährungsweise - nach wochenlanger Meditation und mehreren durchwachten Nächten endlich die angestrebten Früchte: das Erweckungserlebnis des 35jährigen Gautama unter dem ´Bodhi-Baum´ (einem Feigenbaum). Seinen ersten Anhängern gegenüber präsentierte er sich als ´Tathagata´ (etwa: ´Der wirklich Gewordene´), der die Todlosigkeit realisiert hat und andere darin zu lehren befähigt ist.
(Fortsetzung im folgenden Beitrag)
Die im Indien des 5. Jh. BCE (in welches Buddhas Lebenszeit fällt) vorherrschende Religion war der auf den Upanishaden (= spätvedische Texte ab dem 6. Jh. BCE) basierende Brahmanismus, der eine theistische und eine a-theistische Variante hatte. Auf der theistischen Ebene galt der Aufenthalt im Himmel des Schöpfergottes Brahma als höchstes Ziel, für dessen Realisierung je nach Mentalität und Sozialstatus des Aspiranten kostspielige Tieropfer oder sexuelle Askese oder hingebungsvolles Lesen der ´heiligen´ Texte (= Veda) praktiziert wurden. Diese Variante war die verbreitetste. Ihre Priesterschaft propagierte eine von Göttern vorgeschriebene Vier-Kasten-Hierarchie mit den Priestern an der Spitze, gefolgt von den Kriegern (ksatriyas), den Viehzüchtern und Bauern (vaisiyas) und den Dienern (sudras). Die ersten drei Stufen waren den Ariern vorbehalten, mit der vierten und untersten musste sich die vor-arische Population begnügen.
Anspruchsvoller und seltener als die genannten theistischen Methoden war die a-theistische Praxis der Yoga-Meditation, angewandt von Asketen in Kombination mit Fasten, Enthaltsamkeit und völliger Zurückgezogenheit in Wäldern. Das angestrebte Ziel war das geistige Einswerden mit der non-personalen ´Weltseele´ oder ´Weltsubstanz´, dem Brahman, durch die meditative Realisierung der Identität des Atman (= Kern der Menschenseele) mit diesem Brahman. Die Yoga-Technik geht möglicherweise auf die vor-arische Bevölkerung des Industales zurück und sollte ursprünglich das Tieropfer vorbereiten, wurde von den arischen Brahman-Asketen dann aber als selbständiges Mittel für die Einswerdung mit dem Brahman eingesetzt.
Die Dominanz der beiden brahmanistischen Strömungen geriet im besagten 5. Jh. BCE in der Folge eines tiefgreifenden sozialen Umbruchs ins Wanken. Das System der sippenbasierten Gemeinschaft wurde durch die Ausweitung einiger Königreiche überlagert und verdrängt. Neue urbane Zentren entwickelten sich zu Knotenpunkten eines weitvernetzten Handels. In ihnen bildete sich ein kritischeres Bewusstsein gegenüber den traditionellen Doktrinen der Upanishaden heraus. Hinzu kam eine hohe urbane Sterberate aufgrund der krankheitsfördernden Bevölkerungsdichte, was bei vielen Menschen die Ablehnung der theistischen Opferkulte und den Wunsch nach einer authentischeren Lebensführung noch intensivierte.
Der Protest gegen den in Äußerlichkeiten erstarrten theistischen Brahmanismus, dessen Priesterschaft die Herrschaftsposition im Kastensystem beanspruchte, drückte sich am stärksten im Phänomen der ´Shramanas´ (religiöse Wandergruppen) aus, zu denen auch der frühe Buddhismus gehört. Informationen über die nicht-buddhistischen Shramanas, vor allem die Jainisten, die Ajivikas, die Materialisten und die Skeptiker, finden sich in der Samannaphala-Sutra aus der frühbuddhistischen Dialogsammlung ´Digha Nikaya´.
Die Jainisten waren von der individuellen Beseeltheit aller Formen von Materie überzeugt und lehnten die brahmanistische Lehre der Identität von ´Weltseele´ (Brahman) und menschlichem Seelenkern (Atman) ab, vielmehr sei jede Menschenseele eine separate Entität (ähnlich wie Leibniz´ Monade) und könne durch Yoga, Askese und Vegetarismus aus der karmisch angetriebenen Wiedergeburtenkette befreit werden und ewig in Seligkeit verweilen. Die Ajivikas bildeten die radikalste Gruppe: Sie lehnten die Karmalehre ab und postulierten eine von einem Prinzip namens ´Niyati´ angetriebene prädeterministische Wiedergeburtenkette, deren höchste Stufe ein Ajivika sei mit der Bestimmung, seine Kette durch strenge Askese, ständige Nacktheit und einen finalen Hungertod zu beenden. Die Einstellung der Materialisten ähnelte der Lebensanschauung vieler heutiger westlicher Durchschnittsmenschen: Sie führten innerhalb ihrer Gruppen ein gemäßigt hedonistisches und geselliges Leben und verneinten sowohl eine universale ´Weltseele´ als auch die Wiedergeburt, da ihrer Ansicht nach die Seele mit dem Tod verlischt. Diese komplett ´diesseitige´ Position war im Indien jener Zeit so ungewöhnlich, dass ihre Anhänger die Städte verließen und sich zu Wandergruppen zusammenschlossen. Die Skeptiker schließlich waren Agnostiker und verzichteten konsequenterweise darauf, die Anschauungen anderer Gruppen als falsch zu bezeichnen. Ihr einziges Ziel bestand darin, eine (quasi stoische) Geistesruhe zu kultivieren. Zwei wichtige Schüler des Buddha, Shariputta und Moggallana, waren zuvor Skeptiker gewesen.
Der frühe Buddhismus:
Für die Lebensdaten des Buddhismus-Begründers Siddharta Gautama (genannt ´Buddha´ = der Erwachte) stehen keine außerbuddhistischen Quellen zur Verfügung, weshalb man nur bedingt von einer Historizität seiner biographischen Daten sprechen kann. In Fachkreisen besteht aber kein ernsthafter Zweifel an der Authentizität der wichtigsten Eckdaten.
Nach Angaben in mehreren buddhistischen Quellen, darunter die theravadische Dialogsammlung ´Digha Nikaya´, starb Gautama mit 80 Jahren. Die chronologische Einordnung dieser Zahl ist problematisch, da unterschiedliche innerbuddhistische Angaben über den zeitlichen Abstand zwischen Gautamas Tod und der Krönung des buddhistischen Kaisers Ashoka vorliegen: Manche Quellen sagen 218 Jahre (´lange Chronologie´), andere 100 (´kurze Chronologie´).
Auch Ashokas Krönungstermin ist umstritten, allerdings nur geringfügig: Manche Historiker legen ihn basierend auf Ashokas an hellenistische Könige adressierten Edikten auf 268 BCE fest, andere spannen auf der gleichen Grundlage den Rahmen zwischen 267 und 280 BCE. Der Buddhismusexperte Richard Gombrich hält aufgrund von Zahlenangaben in der buddhistischen Chronologie ´Dipavamsa´ aus Sri Lanka einen Abstand von 136 Jahren zwischen Gautamas Tod und Ashokas Krönung für am wahrscheinlichsten, woraus er auf 404 BCE (plusminus einige Jahre) als Todesdatum und dementsprechend auf 484 BCE (plusminus) als Geburtsdatum schließt. Herkömmliche Datierungen liegen um ca. 80 Jahre früher, so dass sich bei ihnen das Todesdatum dem Jahr annähert, in dem Gautama laut Gombrich geboren wurde.
In der Forschung nicht umstritten ist die Herkunft des Gautama aus dem Volk der Sakhya im heutigen Grenzgebiet von Nepal. Bei den Sakhya bestimmte ein aus Sippenhäuptern gebildeter Rat die Politik. Gautama gilt als Sohn eines dieser Räte, weshalb sich später die Legende um seine Königssohnschaft bildete. Eine historisch zuverlässige lückenlose Biografie lässt sich nur bedingt erstellen, da die ersten ´Vollbiografien´, d.h. Zusammenfassungen schriftlicher und oraler Einzelberichte über sein Leben, erst ab ca. 200 BCE verfasst wurden. Die Übereinstimmung dieser Quellen (darunter ´Mahavastu´, ´Lalitavistara´ und ´Buddhacarita´, alle aus dem 1. Jh. CE) geht weit, unsicher ist bei vielen Details allerdings, ob sie historisch oder legendenhaft sind.
Glaubwürdig ist immerhin, dass Gautama in einer wohlhabenden Familie aufwuchs, mit 16 Jahren heiratete, ein luxuriöses Leben führte und mit 29 Jahren eine innere Wende vollzog, seine Familie verließ und bei brahmanistischen Asketen in die Lehre ging. Die Quellen divergieren in der Frage des Motivs: Die frühen Sutren (= ´Leitfäden´) in der Dialogsammlung ´Anguttara Nikaya´ berichten von einer längeren Phase des Zweifels am Sinn der irdischen Existenz; in einer späteren Biografie aus dem 2. Jahrhundert CE, ´Nidanakatha´, ist von einem plötzlichen Wandel kurz nach der Geburt seines Sohnes Rahula die Rede, als Gautama auf der Straße von seiner Kutsche aus einen alten Mann, einen kranken Mann und eine Leiche erblickte. In der Nacht soll er nach einem langen Blick auf seinen Sohn, der in den Armen seiner schlafenden Mutter lag, das Haus verlassen und sich den Brahmanen außerhalb der Stadt angeschlossen haben.
Es folgten sieben Jahre einer spirituellen Suche, ohne ein für Gautama zufriedenstellendes Resultat zu zeitigen. Zunächst schloss er sich dem Brahmanen Arada Kalama an, der ihn eine Yoga-Meditation lehrte, die in der Objekt-Negation ("Nichtsheit") verweilt. Bei einem anderen Lehrer, Udakra Ramaputra, gelangte er auf die noch höhere Stufe der doppelten Negation ("Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung"). Die Angebote beider Lehrer, die Leitung ihrer Gruppe zu übernehmen, lehnte er ab, integrierte die erworbenen Methoden aber in seine Praxis (was später zu den ´formlosen Dhyanas´ Nr. 3 und 4 führte) und übte sich, nachdem er auch Ramaputra verlassen hatte, zusätzlich - so die ´Biographien´ übereinstimmend - in extremer Askese, um das Verlangen nach sexueller Lust abzutöten, zum Beispiel durch Meditation bei Atemstillstand, was zu heftigen körperlichen Reaktionen führt, und durch die Reduktion seiner Ernährung auf ein paar Tropfen Bohnensuppe pro Tag. Laut der schon genannten Biographie ´Nidanakatha´ (2. Jh. CE) soll Gautama dabei zwar große geistige Klarheit erlangt, zugleich aber erkannt haben, dass der Preis - der körperliche Ruin - dafür zu hoch ist.
Gemäß dem ´Majjhima Nikaya´, das als Teil des Pali-Kanons einige der ältesten oralen Überlieferungen enthält, besann er sich auf eine selbst-induzierte meditative Erfahrung aus seiner Jugendzeit, die sowohl Loslösung von sexuellem Begehren als auch tiefe innere Ruhe beinhaltete. Das damals rein intuitiv angewandte und in der späteren Lehre als erstes (Skt.) ´Dhyana´ (Pali ´jnana´, wörtlich: ´Glühen´, die erste meditative Versenkungsstufe) systematisierte Verfahren trug - ergänzt durch eine wiederaufgenommene normale Ernährungsweise - nach wochenlanger Meditation und mehreren durchwachten Nächten endlich die angestrebten Früchte: das Erweckungserlebnis des 35jährigen Gautama unter dem ´Bodhi-Baum´ (einem Feigenbaum). Seinen ersten Anhängern gegenüber präsentierte er sich als ´Tathagata´ (etwa: ´Der wirklich Gewordene´), der die Todlosigkeit realisiert hat und andere darin zu lehren befähigt ist.
(Fortsetzung im folgenden Beitrag)
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