Ortsnamenkunde

Eine Verständnisfrage: warum sollen die Bremgarten Primo Cardo genannt worden sein, und andere Orte auf diesen Linien nicht?
Man könnte vermuten, dass alle drei Orte, die in auffälligen Flusschleifen jeweils an Aare, Reuss und Rhein liegen bzw. lagen, als Referenzpunkte genutzt wurden.

Warum fallen diese Linien in Südostrichtung? Sind Cardomessungen nicht immer Nord-Süd-Richtungsmessungen?
Offenbar ist das nicht der Fall, wie das original (gallo-)römische Beispiel aus Italien zeigt:

fc-faventia.jpg

Gibt es in anderen Provinzen auch Orte, die nach dem ersten Cardo benannt sind und warum? Etwa in der früh durch ein entwickeltes Katasterwesen geprägten Provence.
Bisher — die Idee ist wenige Tage alt — habe ich zumindest einen verdächtigen Ort in Italien gefunden: Cardano al Campo. Die italienische Wikipedia schreibt zum Ortsnamen Cardano:

"La denominazione di Cardano è molto controversa e strettamente legata al susseguirsi dalle vicende storiche. Gli studiosi hanno avanzato varie teorie:
  1. cardus, che è una pianta selvatica irta di spine;
  2. kar, cioè pietra o terreno sassoso;
  3. cardo, di derivazione romana, che sottolinea quindi il cardo ed il decumano."
 
Referenzpunkte für was? Orientierten ich die Kataster zum Beispiel an Straßen: in der Provinz Narbonensis waren die Via Agrippa und Via Domitia die großen Schnittachsen für die Kataster, die via domitia verläuft allerdings gar nicht gerade sondern den naturräumlichen Gegebenheiten folgend. Das von dir als Beleg abgebildete Forum Cornelii (Imola), lag diese Gründung von Sulla eventuell an der Via Aemilia, die dem Nordrand des Appenin von Südost nach Nordwest folgte?
 
Das okay war eigentlich ein Zugeständnis an dich. Wenn du nicht mal das merkst.
Was soll das, dass Du etwas erfindest, wie "Bremgarten definierst du als Kreuzungsort", um dann meine freundliche Korrektur jovial abzubügeln, als hätte ich einen Fehler gemacht?
- die Frage, warum ausgerechnet ein x-beliebiger angeblicher Cardo der erste gewesen sein soll
Es ist eben nicht von x-beliebigen Cardi die Rede, sondern von denjenigen von Petinesca und Vindonissa — den beiden Punkten, zwischen denen der über Salodurum und Olten verlaufende Aare-Decumanus vermutet wird.

Und jeweils in Petinesca und in Vindonissa kann man demnach den ersten Cardo auf diesem Decumanus ziehen, also ein Lot fällen — das in beiden Fällen auf einen Ort namens Bremgarten trifft: ein Wunder des Zufalls?
Noch mal: Ein cardo ist deiner These nach eine imaginäre Linie.
Die Flurgrenzen (=Cardi) in Italien etwa zwischen Imola (Forum Cornelii) und Faenza (Faventia) sind alles andere als nur imaginär, sie existieren wirklich. Wie auch jene im Markgräfler Land um das deutsche Bremgarten.

Es ist wohl besser, wir alle schlafen eine Nacht darüber ;)
 
Das von dir als Beleg abgebildete Forum Cornelii (Imola), lag diese Gründung von Sulla eventuell an der Via Aemilia, die dem Nordrand des Appenin von Südost nach Nordwest folgte?

So ist es. Dort wäre ein stures Nord-Süd-Ost-West-Raster nicht hilfreich gewesen, wie auch nicht an der Aare.
 
Ein paar Punkte, von denen ich hoffe, dass Du diesmal wenigstens versuchst, sie zu verstehen:
An diesen guten Punkten ist nichts unstrittig.
In welcher alten Inschrift hast Du den "alten lateinischen Namen Aquae villae" gefunden? Meines Wissens ist der Name eine moderne Erfindung, um den namenlosen archäologischen Relikten einen feinen lateinischen Namen zu verleihen.
Ist das so? Dann sollte vielleicht einmal jemand den Wikipediaeintrag von den vermutlich von Tourismus-Werbern fabrizierten Fake-News befreien.
 
Divico, stell dir mal vor, du diskutierst mit einem evangelikalen Christen über das Alter unseres Planeten. Als Geologe wirst du natürlich erklären, warum gewisse Erdschichten aus der Eiszeit stammen und einige Zehntausend Jahre alt sind, aber du wirst auch erklären, warum andere geologische Phänomene einige hunderttausend, einige Millionen oder einige Milliarden Jahre alt sind. Der evangelikale Christ wischt das alles mit einer Bemerkung weg und sagt: „Der liebe Gott hatte wahrscheinlich einfach Spaß an Farben und Materialien, als er die Erde vor 7643 Jahren und 25 Tagen schuf.“ (Der evangelikale Gott scheint Tine Wittler zu sein.) Du würdest entgegnen: „was ist denn mit den Dinosaurierknochen, Dinosaurier kommen in der Bibel doch gar nicht vor?“ Da entgegnet dir dein Evangelikaler: „Ja, aber der liebe Gott hat halt Humor“ (frei nach T. Pratchett, RIP) und ergänzt, vom Thema abweichend: „Schau dir die Hummeln an, die dürften rein physikalisch gar nicht fliegen können, da war Gott im Spiel“. (Das ist eine echte evangelikaler Behauptung, keine Erfindung von mir oder gar TP.)

Wenn du das mal ein bisschen nachvollziehst, dann verstehst du vielleicht, wie ich und wahrscheinlich auch andere diese Diskussion wahrnehme(n).
 
An diesen guten Punkten ist nichts unstrittig.

Fein. Dann kannst Du nun also unterscheiden zwischen
a) lautgesetzlichen Veränderungen (die sich in gewissen Zeiten und Regionen regelmäßig feststellen lassen)
und
b) Verballhornungen (die keiner Regelmäßigkeit unterliegen)?

Und leuchtet Dir auch ein,
- dass wir, wenn wir von einer belegten Namenform auf frühere, unbelegte Namenformen rückschließen wollen, uns an die Lautgesetze halten müssen, um wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit unserer Rekonstruktionen zu erzielen?
- dass wir hingegen, wenn wir mit (unbelegten) Verballhornungen "argumentieren", auf dem Feld der Beliebigkeit landen?

Und um auf den Fall Bremgarten zurückzukommen:
Falls alle drei Ortsnamen auf denselben antiken Namen zurückgehen sollten*, müssten wir nicht gerade in diesem Fall von einer Regelmäßigkeit ausgehen?



* was an sich schon in doppelter Hinsicht völlig hypothetisch ist - weder ist an allen drei Orten eine Siedlungskontinuität nachzuweisen, noch ist gesagt, dass alle heutigen Namen auf denselben Namen zurückgehen (Koblenz in Thüringen hat einen völlig anderen Ursprung als Koblenz an der Moselmündung).
 
Was soll das, dass Du etwas erfindest, wie "Bremgarten definierst du als Kreuzungsort", um dann meine freundliche Korrektur jovial abzubügeln, als hätte ich einen Fehler gemacht?

Es ist eben nicht von x-beliebigen Cardi die Rede, sondern von denjenigen von Petinesca und Vindonissa — den beiden Punkten, zwischen denen der über Salodurum und Olten verlaufende Aare-Decumanus vermutet wird.

Und jeweils in Petinesca und in Vindonissa kann man demnach den ersten Cardo auf diesem Decumanus ziehen, also ein Lot fällen — das in beiden Fällen auf einen Ort namens Bremgarten trifft: ein Wunder des Zufalls?

Die Flurgrenzen (=Cardi) in Italien etwa zwischen Imola (Forum Cornelii) und Faenza (Faventia) sind alles andere als nur imaginär, sie existieren wirklich. Wie auch jene im Markgräfler Land um das deutsche Bremgarten.

Es ist wohl besser, wir alle schlafen eine Nacht darüber ;)
Es ging mir nie darum, ob du Bremgarten als Kreuzungspunkt oder nur einen auf deinem imaginären Cardo siehst. Dein imaginärer Cardo ist mir gelinde gesagt gleichgültig. Grundsätzlich kannst du von einer Geraden an jedem beliebigen Punkt einen 90°-Winkel nehmen. Wenn du „beweisen willst, dass ein Ort x in auf einem *Cardo von einen *Decumanus abgeht, musst du im Prinzip nur eines machen: den Ort definieren, eine Linie zwischen zwei anderen Orten ziehen und dann dein Geodreieck nur so lange über deine Landkarte schieben, bist du deinen gewünschten *Cardo hast. Ich mach‘s dir morgen Nachmittag mal mit Essen, Bad Essen und Esslingen vor, wie leicht das ist. Beweisen tut das nichts.
Mir geht es darum, dass
- dein rekonstruierter Ortsname sowohl vom lateinischen her unsinnig ist
- als auch als Ortsname
- eine Hilfshypothese ist (also per se unwissenschaftlich), die ihrerseits Hilfshypothesen zu ihrer Stützung bedarf.
- linguistisch niemals Bremgarten ergäbe
...
 
Man könnte vermuten, dass alle drei Orte, die in auffälligen Flusschleifen jeweils an Aare, Reuss und Rhein liegen bzw. lagen, als Referenzpunkte genutzt wurden.

Hab ich das jetzt richtig verstanden? Deiner Meinung nach ziehen die Römer über hunderte von Kilometern schnurgerade Linien durch die Landschaft, ohne auch nur im mindesten auf die Gegebenheiten vor Ort Rücksicht zu nehmen, Berge, Gefälle, Flussläufe usw. völlig ignorierend.

Aber als "Referenzpunkte" nehmen sie dann doch Flußschleifen? Ausgerechnet Flußschleifen?
Als Referenzpunkte für ... ein zig-Kilometer langes Vermessungssystem?
 
Mir geht es darum, dass
- dein rekonstruierter Ortsname sowohl vom lateinischen her unsinnig ist
Räumtest Du nicht ein, dass primus cardo durchaus korrektes Latein sei?

- als auch als Ortsname
Unter römischen Ortsnamen findet man unzählige, die auf eine Funktion oder wichtige Eigenschaft eines Ortes verweisen, von Ad Fines über Aquae, Confluentia und Pontus bis Traiectum, etc. pp.

Auch in Italien wird diskutiert, ob der Ortsname Cardano auf den römischen Vermessungs-Cardo zurückgehen könnte:

"La denominazione di Cardano è molto controversa e strettamente legata al susseguirsi dalle vicende storiche. Gli studiosi hanno avanzato varie teorie:
  1. cardus, che è una pianta selvatica irta di spine;
  2. kar, cioè pietra o terreno sassoso;
  3. cardo, di derivazione romana, che sottolinea quindi il cardo ed il decumano."
Quelle: https://it.wikipedia.org/wiki/Cardano_al_Campo#Storia
 
Räumtest Du nicht ein, dass primus cardo durchaus korrektes Latein sei?
Ich habe lediglich die Formen kongurent gesetzt, also den Grammatikfehler ausgemerzt. D.h. aber im Umkehrschluss nicht, dass deine Erfindung Sinn ergäbe. Zur Erinnerung: Dein "Primo Cardo" ist eine Hilfshypothese und damit unzulässig. Wir produzieren also seitenweise Datenmüll, weil du eine der einfachsten wissenschaftlichen Regeln, wonach Hilfshypothesen unwissenschaftlich sind, ignorierst.

Unter römischen Ortsnamen findet man unzählige, die auf eine Funktion oder wichtige Eigenschaft eines Ortes verweisen, von Ad Fines über Aquae, Confluentia und Pontus bis Traiectum, etc. pp.
Das war gar nicht der Punkt. Hierbei handelt es sich um Realien, die man sehen und anfassen kann. Um PUNKTE. Cardo ist aber kein Punkt sondern einen Straße. IN EINER STADT. Dein imaginierter imaginärer Cardo soll auf den Land sein und eben nur gedacht. Von römischen Ingenieuren. Und jetzt sollen nach dem Zusammenbruch des römischen Reichs nach dem Prinzip Teilemann und Söhne Romanen und Germanen eine gedachte Linie von Ingenieren als punktfesten Ortsnamen gebraucht haben... Wie lange müssen wir über diesen horrenden Blösinn noch diskutieren?

Auch in Italien wird diskutiert, ob der Ortsname Cardano auf den römischen Vermessungs-Cardo zurückgehen könnte:

"La denominazione di Cardano è molto controversa e strettamente legata al susseguirsi dalle vicende storiche. Gli studiosi hanno avanzato varie teorie:
  1. cardus, che è una pianta selvatica irta di spine;
  2. kar, cioè pietra o terreno sassoso;
  3. cardo, di derivazione romana, che sottolinea quindi il cardo ed il decumano."
Quelle: https://it.wikipedia.org/wiki/Cardano_al_Campo#Storia
Bei etymologischen Angaben bei Wikipedia bin ich erfahrungshalber skeptisch. Insbesondere dann, wenn solche Dinge nicht mit Literaturangaben versehen sind, die hier vollkommen fehlen.
Interessant ist aber immer, mal in andere Wikipedia-Artikel herüberzuschauen. Die englische Wikipedia kennt nur zwei der drei im italienischen Artikel genannten Etymologien, nämlich die vom italienischen Wort für Distel und die für steiniges Gelände, die frz. Wikipedia kennt von diesen Varianten nur die Distelvariante, fügt aber eine in der italienischen und englischen Variante gar nicht vorkommende Variante hinzu: Vom italienischen Namen Ricardo.
Ich will mich für keine dieser Varianten stark machen, wobei sowohl Disteln (ital. cardo, -i) Realien darstellen als auch steiniges Gelände. Und Ortsnamen nach Personen sind auch häufig vertreten (wobei ich diese spezielle Personanenamenherleitung hier nicht wirklich für diskussionswürdig erachte).

Ich will nur noch einen linguistischen Hinweis bringen, warum das italienische Cardano mit einiger Sicherheit nicht von Cardo kommt. Romanische Erbwörter leiten sich nicht vom Nominativ (also cardo) sondern vom Akkusativ ab (das wäre cardinem). Das unetymologisch auslautende -o würde ich mir ja noch gefallen lassen, die konsonantische Deklination fällt halt weg und die Deklinationen fallen in eine maskuline und eine feminine Deklination zusammen. Aber das -a- (CardAno) ist aus einem cardinem beim besten Willen nicht erklärlich. Der Quantitätenkollaps tangiert das -i- nur in der Länge nicht im Artikulationsort oder dem Grad der Öffnung. Insofern bleibt -i- -i- und wandelt sich nicht zu -a-.
 
Dein "Primo Cardo" ist eine Hilfshypothese und damit unzulässig.

Okay. Begraben wir den "Primo Cardo" vorerst, er hat für mich seine Schuldigkeit getan.

Nachdem ich soeben nebenan zeigen konnte, dass mein vorgeschlagener (Überland-)Cardo von Olten nach Augst zugleich den städtischen Cardo maximus von Augusta Raurica bildet, sollten die Zweifler am Aare-Decumanus aber auch etwas herunterfahren und einfach mal nachdenken, ob ich und meine Vorgänger nicht doch richtig liegen könnten.
 
Nicht, dass ich das Kriegsbeil schon wieder ausgraben will — aber jetzt erst erreicht mich die Tonaufnahme einer in der Sache völlig neutralen Ur-Berner Freundin. Nur für den wie ich denke nicht unwichtigen Eindruck, wie Bremgarten im lokalen alemannischen Bärndütsch tönt: [Gezippte Tondatei im Anhang]
 

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Unter Augusta Raurica – Wikipedia finde ich zwei unbelegte Etymologien für Mumpf und Säckingen.

Im Fall von Mumpf macht schon die merkwürdige Übersetzung "mons firmans = Schlussberg" stutzig.
Bei ortsnamen.ch folgende besser fundierte Vorschläge:
"GF lat.-roman. *ad móntem férri 'beim Eisenberg' oder *ad móntem férum 'beim wilden (i. e. öden) Berg'"

Die in der heimatkundlichen Literatur vorgeschlagene Etymologie ad montem firmum 'beim starken Berg' wird hier zwar erwähnt, aber nicht ernsthaft diskutiert.

Im Fall von Säckingen verwundert, dass die alemannische -ingen-Endung auf den Namen einer spätrömischen Provinz (Maxima Sequanorum) bezogen wird. Hier läge ein Bezug auf einen germanischen Personennamen näher. Belegte Namen, die in Frage kommen, sind Sekko oder Sakko. (Niemeyer, Deutsches Ortsnamenbuch)
 
Bei Berlin geht man ja auch davon aus, dass es vom slawischen brlo kommt

Um eine plausible Ortsnamenetymologie für einen Siedlungsnamen hinzubekommen, müssen wir versuchen, folgende Fragen zu klären:

1. Wann wurde die Siedlung gegründet bzw. seit wann besteht eine kontinuierliche Siedlung?

2. Welche Sprache(n), welche Mundart(en) wurden zur Zeit der Siedlungsgründung in der Gegend gesprochen?

3. Wie lautete der Name zur Zeit der Siedlungsgründung?

4. Mit welchen Wörtern und Suffixen der damals gesprochenen Sprache ließe sich der Name restlos erklären?

5. Ist diese Erklärung im Vergleich mit anderen Ortsnamen und im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten plausibel?

Im Fall Berlin wissen wir folgendes:

Kontinuierliche Siedlungsspuren gibt es seit dem späten 12. Jahrhundert, der Name wird 1244 erstmals erwähnt und wurde damals schon "Berlin" geschrieben.

In der Gegend siedelte im 12. Jahrhundert der slawische Stamm der Sprewanen, diese sprachen die altpolabische Sprache.

1157 wurde der slawische Fürst Jacza von Köpenick von Albrecht dem Bären besiegt; das Gebiet gehörte von nun an zur Markgrafschaft Brandenburg. Deutschsprachige Siedler kamen in die Gegend, die von nun an zweisprachig war. Auf Dauer setzte sich die deutsche Sprache durch.

Wahrscheinlich waren es Kaufleute, die nach 1157 einen Handelsstützpunkt gründeten, aus dem sich dann die Stadt Berlin entwickelte.

Es gibt nun zwei Erklärungsmöglichkeiten:

Der Name lässt sich als altsorbisch *berl 'Sumpf' + Suffix -in (für eine Örtlichkeit) erklären. Die Bedeutung wäre dann: 'Ort am Sumpf'. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wäre das ein plausibler Name. Dass Neusiedler auf einen bereits vorhandenen Flurnamen zurückgreifen, ist ebenfalls plausibel. (Der Name der Stadt Dublin geht auf einen Wikinger-Stützpunkt zurück; die Wikinger übernahmen damals die keltische Bezeichnung 'schwarzer Tümpel')

Aber auch auf mittelhochdeutsch lässt sich der Name als "Bär" + Verkleinerungssuffix -lin (neuhochdeutsch: -lein) deuten. Die Bedeutung wäre dann "Bärchen". Die Bildung des Ortsnamens mit einer Verkleinerungsform wäre allerdings ungewöhnlich. Es gibt zwar deutsche Ortsnamen wie "Wolfsburg", aber keinen Ortsnamen "Wölfchen".

Daher ist die Herleitung aus dem Slawischen wahrscheinlich die richtige. Nicht beweisbar, aber wahrscheinlich!
 
Zur Siedlungskontinuität mal zwei Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum.

Ein Ausschnitt aus der Peutingertafel mit der Römerstraße von Agripina (Köln) bis Mogontiaco (Mainz):

upload_2019-2-13_22-46-26.png


Alle antiken Siedlungsnamen haben sich (mit gewissen Lautveränderungen) bis heute erhalten:

Agripina (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) - heute Köln (mittelalterlich Colne)
Bonnae (Bonna) - Bonn
Rigomagus - Remagen (mittelalterlich Rigemaga / Riemage)
Antunnaco (Antunnacum) - Andernach
Confluentes - Koblenz (mittelalterlich Covelenze)
Bontobrice (Bodobrica) - Boppard (mittelalterlich Bodobrio / Botbarta / Boparten)
Vosavia (Vosolvia) - Oberwesel (mittelalterlich Wesalia)
Bingium - Bingen
Mogontiaco (Mogontiacum) - Mainz (mittelalterlich Magancia)



Ein anderer Aussschnitt mit der Römerstraße von Zurzach (Schweiz) aus quer durchs heutige Baden-Württemberg:

upload_2019-2-13_22-44-43.png


Die Namen der antiken und die modernen Siedlungen haben überhaupt keinen Bezug zueinander, hier gab es keine Siedlungskontinuität wie am Rhein:

Tenedone (Tenedo) - Zurzach
Iuliomago (Iuliomagus) - Schleitheim
Brigobanne (Brigobannis) - Hüfingen
Aris flavis (Arae Flaviae) - Rottweil
Samulocenis (Sumelocenna) - Rottenburg
Grinarione (Grinario) - Köngen (mittelalterlich: Cunticha)
Clarenna - Donnstetten
Ad Lunam - Lonsee

Die einzige scheinbare Ausnahme (Ad Lunam - Lonsee) ist keine - der Siedlungsname hat sich nämlich nicht erhalten. Erhalten hat sich der Name des Flüsschens Lone, das für den antiken Ort wie für den heutigen Ort Pate stand. (Gewässernamen sind oft sehr langlebig!)

(Der Name Zurzach geht wohl tatsächlich auf die Römerzeit zurück, er hat allerdings nichts mit Tenedo zu tun.)

Auf der unteren Karte ist ein Ort mit Siedlungskontinuität zu sehen: Augusta Vindelicum, hier hat sich ein Namensbestandteil im heutigen Augsburg erhalten.
 
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An diesen guten Punkten ist nichts unstrittig.
Fein. Dann kannst Du nun also unterscheiden zwischen
a) lautgesetzlichen Veränderungen (die sich in gewissen Zeiten und Regionen regelmäßig feststellen lassen)
und
b) Verballhornungen (die keiner Regelmäßigkeit unterliegen)?

Und leuchtet Dir auch ein,
- dass wir, wenn wir von einer belegten Namenform auf frühere, unbelegte Namenformen rückschließen wollen, uns an die Lautgesetze halten müssen, um wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit unserer Rekonstruktionen zu erzielen?
- dass wir hingegen, wenn wir mit (unbelegten) Verballhornungen "argumentieren", auf dem Feld der Beliebigkeit landen?
Jedenfalls ist das der Grund, weshalb es müßig ist, sich über Herleitungsversuche wie "fabrilis-Brilon" oder "orcus-Eiger" auszutauschen.

Apropos Eiger: Wenn der Name erst in der Neuzeit auf den Gipfel übertragen worden wäre, würde mich das nicht im Geringsten wundern. Der Mont Blanc hieß noch im 18. Jahrhundert "Montaigne Maudite", die Zugspitze hieß noch bis um 1600 "Scharte", und das Matterhorn hieß im 16. Jh. "Augstalberg". Darunter lag das Mattertal - offensichtlich haben die Matten der Siedlung Zermatt, dem Tal und erst spät dem Berg den Namen gegeben.
File:Karte Wallis 1545.jpg - Wikipedia
 
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