Konflikt und Gewalt durch komplexere neolithische Gesellschaften?

"Unsere Experimente zeigen, dass es keine nachteiligen Auswirkungen der auf der Grundlage der Gruppenleistung gebildeten Hierarchie gibt, doch wenn man die Rangfolge individuell festlegt, stellen wir einen Rückgang der Zusammenarbeit fest."
Dennoch muss man feststellen, dass „erfolgreiche“ Gesellschaften auf individuellen Rangfolgen aufgebaut sind – obwohl sie Nachteile bei der Zusammenarbeit haben. Offenbar haben die durch Wettbewerb selektierten Individuen andere Qualitäten – sind vielleicht intelligenter und können dadurch schnellere und bessere Entscheidungen für die Gruppe treffen –, die die o.g. Nachteile mehr als ausgleichen.
 
Dennoch muss man feststellen, dass „erfolgreiche“ Gesellschaften auf individuellen Rangfolgen aufgebaut sind ...

Die Bevölkerung des Neolithikums war eine egalitäre Gesellschaft. Im Raum der alteuropäischen Donauzivilisation oder bei den Trichterbecherleuten in Nord- und Mitteleuropa finden sich weder Kriegergräber noch hervorgehobene Gebäude, die auf einen Häuptling oder Clan-Chef hindeuten. Es gab also eine "Herrschaftslosigkeit", geprägt von weit auseinanderliegenden kleinen Siedlungen mit vielleicht einem Dorfvorsteher (oder einer Dorfvorstherein?) an der Spitze.

Dennoch waren die neolithischen Gesellschaften unerhört erfolgreich und haben Europa kultiviert und zum Teil neu besiedelt. Es muss also nicht unbedingt eine hierarchische Gesellschaft sein, die sich erfolgreich durchsetzt.
 
Die Bevölkerung des Neolithikums war eine egalitäre Gesellschaft. Im Raum der alteuropäischen Donauzivilisation oder bei den Trichterbecherleuten in Nord- und Mitteleuropa finden sich weder Kriegergräber noch hervorgehobene Gebäude, die auf einen Häuptling oder Clan-Chef hindeuten. Es gab also eine "Herrschaftslosigkeit", geprägt von weit auseinanderliegenden kleinen Siedlungen mit vielleicht einem Dorfvorsteher (oder einer Dorfvorstherein?) an der Spitze.
Für zwingend halte ich diesen Schluss nicht gerade.

Wenn man weder Kriegergräber noch hervorgehobene Gebäude, die auf einen Häuptling oder Clan-Chef hindeuten, findet, bedeutet das zunächst einmal nur, dass keine errichtet wurden (oder man sie nicht gefunden hat). Das könnte aber auch daran liegen, dass es zwar Häuptlinge gab, diese sich aber nicht entsprechend verwirklichten.
(Auch heutige Spitzenpolitiker in unseren Breiten lassen sich normalerweise keine Pyramiden bauen und keine Waffen oder Herrschaftssymbole ins Grab mitgeben.)
 
Dennoch muss man feststellen, dass „erfolgreiche“ Gesellschaften auf individuellen Rangfolgen aufgebaut sind – obwohl sie Nachteile bei der Zusammenarbeit haben. Offenbar haben die durch Wettbewerb selektierten Individuen andere Qualitäten – sind vielleicht intelligenter und können dadurch schnellere und bessere Entscheidungen für die Gruppe treffen –, die die o.g. Nachteile mehr als ausgleichen.
Es ist halt die Frage, was man unter "erfolgreich" versteht. Extrem hierarchische Gesellschaften wie Diktaturen und absolute Monarchien würde ich nicht als "erfolgreich" verstehen. Als besonders intelligent würde ich deren "Führer" auch nicht ansehen, eher als besonders machtbesessen, skrupellos und korrupt. Einzelne können Fehler machen, die fatal sein können. Durch Zusammenabeit kann jeder seine Fähigkeiten im Sinne der Gemeinschaft einbringen.
 
Es ist halt die Frage, was man unter "erfolgreich" versteht. Extrem hierarchische Gesellschaften wie Diktaturen und absolute Monarchien würde ich nicht als "erfolgreich" verstehen.

Der Staat Ludwigs IV. gilt allgemein als eine erfolgreich absolute Monarchie.

Auch die stalinistische Sowjetunion war erfolgreich und katapultierte das Land in wenigen Jahrzehnten an die industrielle Weltspitze. Allerdings zu Lasten der Bevölkerung, die schweres erdulden musste.

Bezieht man die Bedrückung der Bevölkerung ein, relativieren sich "erfolgreiche" Staaten.
 
open access in der Nature, Publikation zum Massengrab von Halberstadt:
Early Neolithic executions indicated by clustered cranial trauma in the mass grave of Halberstadt

Eine Reihe von Verletzungen wird als Exekutionen interpretiert, offenbar an nicht lokal ansässigen Menschen.

Abstract: ~ deepL

In der späteren Phase des mitteleuropäischen Frühneolithikums kam es zu einem Anstieg der kollektiven tödlichen Gewalt auf ein bis dahin nicht dokumentiertes Niveau.

Dies wird durch wiederholte Massaker an besiedelten Gemeinden der Linearbandkeramik (ca. 5600-4900 cal v. Chr.), der ersten vollen Bauernkultur in diesem Gebiet, belegt. Skelettüberreste von mehreren Dutzend Opfern dieses prähistorischen Krieges sind von verschiedenen Orten in Deutschland und Österreich bekannt. Hier zeigen wir, dass das Massengrab von Halberstadt, einer neuen Massenvernichtungsstätte aus der gleichen Zeit, weitere und bisher unbekannte Facetten der frühneolithischen kollektiven tödlichen Gewalt offenbart.

Eine hochselektierte, fast ausschließlich erwachsene männliche und nicht-lokale Bevölkerung wurde durch gezielte Schläge auf den Hinterkopf getötet, was auf eine Praxis der systematischen Ausführung unter weitgehend kontrollierten Bedingungen mit anschließender sorgloser Entsorgung der Körper hinweist. Diese Entdeckung erweitert das aktuelle Wissen über kriegsbedingtes Gewaltverhalten im frühneolithischen Mitteleuropa erheblich.


The later phase of the Central European Early Neolithic witnessed a rise in collective lethal violence to a level undocumented up to this date. This is evidenced by repeated massacres of settled communities of the Linearbandkeramik (ca. 5600–4900 cal BC), the first full farming culture in this area. Skeletal remains of several dozen victims of this prehistoric warfare are known from different sites in Germany and Austria. Here we show that the mass grave of Halberstadt, Germany, a new mass fatality site from the same period, reveals further and so far unknown facets of Early Neolithic collective lethal violence. A highly selected, almost exclusively adult male and non-local population sample was killed by targeted blows to the back of the head, indicating a practice of systematic execution under largely controlled conditions followed by careless disposal of the bodies. This discovery significantly increases current knowledge about warfare-related violent behaviour in Early Neolithic Central Europe.
 
Ich habe den bisherigen Strang mit Interesse verfolgt und würde gerne einen weiteren, vielleicht auch provkanten Gedanken einspielen:

Es wird oft vergessen, dass der Homos Sapiens ein sozial und territorial lebendes Säugetier ist und dazu neigt sicht selbst zu überhöhen, d.h. die tierische Natur zu leugnen.

Unter Säugetieren sind Konflikte und Aggresion bestandteil des natürlichen Verhaltens. Es gibt Revierkämpfe und Streitigkeiten, die durchaus zu lebensbedrohlichen Situationen führen, was bei den Meisten Arten zu beobachten ist (nicht zuletzt im gesamten Tierreich). Innerhalb der Säugetiere sind die Primaten als sozial und territorial lebende Gattung besonders aggresiv und Tötungen einzelner Individuen sind nicht selten (*). Nun ist der H.S. aus einem ebendsolchen Kontext hervorgegangen.

Dies macht es leider nur natürlich, dass Konflikte existent sind seit es den Menschen (in egal welcher Form auch immer) gibt. Nur der kulturelle Überbau führt dann zu "Erfindungen" die aus solchen naturgegebenen Gründbedürfnissen Dinge wie "Fehden" oder "Krieg" machen. Wenn ich in der Lage bin, ein Hirsch zu erlegen, kann auch jedes andere Säugetier erlegen. In der Mechanik der Evolution war seit jeher die innerartliche Konkurrenz stärker als die zwischenartliche. Hierbei macht der Mensch keine Ausnahme, obwohl er befähigt ist, über sein eigenes Verhalten zu reflektieren.

Durch den zuletzt genannten Mechanismus sind "wir" (welchem "Volk" auch immer wir anzugehören denken) auch zwangsläufig die Nachfahren von Agressoren, wie auch immer die Historie rekonstruiert werden kann.

*) http://www.spiegel.de/wissenschaft/...ng-der-mensch-ist-gewalttaetig-a-1114500.html
 
So provokativ ist das nicht, den HSS als Tier zu sehen, dass gewissen verhaltensbiologischen Mustern folgt. Die Frage ist halt, inwieweit weit zurückligende evolutionsbiologische Muster, die bei uns angelegt sind, wirklich noch wirken. Tiere werden immer gerne herangezogen, wenn bestimmte Dinge "bewiesen" werden sollen. Aber wenn wir bei Primaten bleiben, so sehen wir, dass Gemeine Schimpansen regelrecht gemein sein können (sie jagen andere Affenarten zum Spaß), Zwergschimpansen dagegen regeln Konflikte sehr unkatholisch. Orang Utans sind eher sanfte Riesen und Gorillas haben zwar einen schlechten Ruf, sind aber - wenn man sie nicht gerade provoziert - eigentlich recht harmlos.
 
Die Frage ist halt, inwieweit weit zurückligende evolutionsbiologische Muster, die bei uns angelegt sind, wirklich noch wirken.

Weniger ob sie noch wirken ist mE die Frage, sondern wie sie wirken. Der Unterschied ist das Lebensumfeld. Wenn sich in den hundertausenden Jahren, die die Menschheit in kleinen Sippengruppen als Wildbeuter & Sammler lebten, ein Merkmal evolutionär entwickelt hat, wird das nicht einfach verschwinden. Aber welche Wirkungen das gleiche Mermal in einer Industriegesellschaft hat (oder in einer von Ackerbauern etc), steht halt auf einem anderen Blatt.

Aus einer Dokumentation, die vor einiger Zeit gesehen habe: In einem Pavian-Verband starben durch ein Zusammentreffen mehrer Umstände alle Männchen, die sich durch besondere Aggressivität & "Ellenbogen-Mentalität" auszeichneten. Die Folge war ein völlig verändertes Sozialverhalten der überlebenden Gruppe, bspw weniger Konflikte innerhalb der Gruppe, und grade zwischen den Männchen. Ob das langfristig stabil ist kann noch niemand sagen, auch wenn wohl schon Neumitglieder in dieses neue Verhalten sozialisiert wurden.

Über Bonobos habe ich schon die Hypothese gelesen, dass am Anfang der Auseinanderentwicklung von gemeinen Schimpansen und Bonobo eine ähnliche Änderung des Sozialverhaltens gestanden haben könnte, diesmal ausgehend von einem veränderten Verhalten der Weibchen, namentlich ein größeren Solidarität untereinander, verglichen mit Schimpansen.

Für mich sieht es so aus, dass Primaten mit hochentwickeltem Sozialverhalten nicht (unbedingt) auf ein bestimmtes Verhaltensmuster festgelegt sind. Gerade die Veränderung der äußeren Umstände, aber auch der Zusammensetzung der Sozialgruppe, können ziemlich weitreichende Änderungen im Verhalten bewirken. Für Menschen als die Primaten mit dem komplexesten Sozialverhalten und -strukturen muss dies in besonderem Maße gelten; für was ja auch die verschiedenen Gesellschaften sprechen, die auf dem Planeten existieren und existiert haben, und die sich nicht nur aufgrund von unterschiedlichen Umständen unterschieden (Geographie & Klima, Wirtschaftsweise & Entwicklung der Produktionsverhältnisse), sondern auch durch mehr oder minder zufällige Entwicklung von einem Tal zum nächsten drastisch unterschiedlich sein können.
 
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Für mich sieht es so aus, dass Primaten mit hochentwickeltem Sozialverhalten nicht (unbedingt) auf ein bestimmtes Verhaltensmuster festgelegt sind. Gerade die Veränderung der äußeren Umstände, aber auch der Zusammensetzung der Sozialgruppe, können ziemlich weitreichende Änderungen im Verhalten bewirken.
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Harari (Eine Kurze Geschichte der Menschheit) sieht darin einen entscheidenden Vorteil des Menschen.
(Schimpansen etwa, sind in der Lage kleine Gruppen flexibel zu organisieren, während dagegen Termiten sehr große Gruppen organisieren können, jedoch nicht flexibel.
Nur der Mensch kann auch große Gruppen flexibel organisieren.
Und nur so, um bei Harari zu bleiben, konnte der Mensch zum uneingeschränkten Herrscher des Planeten werden.)

So provokativ ist das nicht, den HSS als Tier zu sehen, dass gewissen verhaltensbiologischen Mustern folgt. Die Frage ist halt, inwieweit weit zurückligende evolutionsbiologische Muster, die bei uns angelegt sind, wirklich noch wirken.
Nicht nur das.
Denn es ist ja mindestens auch die Frage in welcher Weise sie wirken.
Zumal diese Muster von einer zweiten Ebene einer kulturellen Evolution überlagert werden.
Sprich der neu erworbenen Fähigkeit große Gruppen überhaupt organisieren zu können, ohne dabei die Flexibilität einzubüßen.

Na, wie auch immer.
Das Thema bleibt spannend.
 
Im Torcal de Antequera will man nun auch in der auf das Neolithikum datierten Fundstellen Cueva del Toro Spuren von Kannibalismus gefunden haben.
 
Um wirklich festzustellen ob damals ein Mensch einen anderen fraß, müsste man eine entsprechende Stuhlprobe finden.
Also Reste vom einen in der Scheiße eines anderen.
So wie ich es zu verstehen glaube ist ein solch seltenes Kunststück auch schon gelungen.

Bearbeitungen von toten Artgenossen mit Werkzeugen zum vermutlichen Zwecke der Fleischablösung wurden wohl zahlreich gefunden an sehr verschiedenen Orten.
(Ich versuche mir mal vorzustellen was ein Archäologe in, sagen wir mal, 10.000 Jahren zu unserer Kultur finden würde.)
 
Interessante Studie, über die die Welt berichtet. Demnach ist der Mensch bis vor ca. 14000 Jahren sich bei Konflikten nach einer Beratung einfach aus dem Weg gegangen. Es fehlt jetzt nur noch die Lücke bis zu den bereits bekannten Auseinandersetzungen nach Beginn der sesshaften Siedlung.
Funktionierten die Mechanismen dann nicht mehr, weil Vorräte und Felder nicht einfach mitgenommen werden konnten, umgekehrt aber bei Überfällen so viel Beute gemacht werden konnte um das Risiko aufzuwiegen?
Oder wurde die mögliche Siedlungsdichte durch die Landwirtschaft in den ersten Bereichen einfach schon so groß, dass eine ausweichende Gruppe von Menschen einfach nicht mehr so wie gewohnt einfach ausweichen konnte und sich wie in ein in die Enge getriebenes Tier zu wehren begann?

Ich halte die die erste Version für sehr gut möglich. Die Investition in die Erfahrungen einer guten Jagdgegend ist mit dem Aufwand ein Feld zu beackern nicht vergleichbar. Auch fingen die Menschengruppen recht schnell Großprojekte an. Dazu braucht es zum einen Organisation zur Versorgung und zielgerichteten Arbeit von Spezialisten und eine organisierte Gruppe ist nach einem Überfall sehr schnell wehrhaft und kann Räubern nachsetzen. Irgendwann können Räuber überhaupt nur noch durch eigene Organisation nennenswert existieren, so dass auch sie feste Gemeinschaften bilden. -> Das Land wird mehr und mehr aufgeteilt und Änderungen müssen überwiegend kriegerisch erfolgen.
 
Die Verhaltenshypothesen aus der Publikation heraus sind natürlich spekulativ (und als Rückschluss bzw. Erklärungsansatz aus einer vermuteten Bevölkerungsverteilung aufgrund - sehr wahrscheinlich begrenzt - bekannter archäologischer Funde nur ansatzweise plausibilisierbar).

Auf die Studie ist hier im Forum im Februar hingewiesen worden:
Weltbevölkerung im Paläolithikum
 
Der für mich entscheidende Absatz im von Solwac verlinkten Artikel ist der letzte: "Allerdings muss auch Esch einräumen, dass seine These nicht unbedingt die historische Realität wiedergibt, sondern der spezifischen Überlieferungssituation geschuldet ist: Die kleinen Gruppen, die riesige Areale durchstreiften, ohne Mitmenschen anzutreffen, hatten womöglich nur wenige Gelegenheiten, sich zu bekriegen, und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auffindbare Spuren dieser Konflikte hinterließen."
Was davor steht, dass man soziale Spannungen nach einem Zusammentreffen löste, ist pure Spekulation, für die es keine archäologischen Belege geben kann. Wenn tatsächlich in ganz West- und Mitteleuropa nur ca. 1500 Menschen gleichzeitig lebten, ist erstens die Wahrscheinlichkeit, dass Gruppen aneinander gerieten, ohnehin schon gering, und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass man heute eindeutige Spuren von gewaltsamen Auseinandersetzungen findet, noch geringer. Realistisch betrachtet wissen wir also nicht, was tatsächlich geschah, wenn sich doch einmal zwei Gruppen z. B. bei der Jagd nach Ressourcen in die Quere kamen.
 
Vermutlich das Gleiche wie immer und überall, wenn es beim Aufeinandertreffen um Ressourcen, Frauen, "Götter" etc. geht. Schon in der Gruppe, und erst recht zwischen Gruppen:

Intergroup Conflicts Among Chimpanzees in Ta ̈ı National Park: Lethal Violence and the Female Perspective
The evolution of lethal intergroup violence
Intra- and inter-group interactions of an all-male group of virunga mountain gorillas

Zu regelrechten "raids" gegen den erreichbaren "Nachbarn":
An Evolutionary Theory of Large-Scale Human Warfare: Group-Structured Cultural Selection
 
Was davor steht, dass man soziale Spannungen nach einem Zusammentreffen löste, ist pure Spekulation, für die es keine archäologischen Belege geben kann.
Dem möchte ich widersprechen: Sofern wir eine gute Überlieferungssituation haben, was abhängig von den Fundumständen ist, so können wir mit etwas Glück sehr wohl feststellen, ob jemand gewaltsam ums Leben kam und ob er eher von einem Wollnashorn umgerannt wurde oder einen übergebraten bekommen hat.
Die Frage, die wir uns stellen müssten, wäre also: Wie viele menschliche Skelette des fraglichen Zeitraums sind ganz oder teilweise auf uns gekommen und welche Verletzungen können wir an ihnen identifizieren (sowohl lethal, als auch verheilt).

Wenn tatsächlich in ganz West- und Mitteleuropa nur ca. 1500 Menschen gleichzeitig lebten, ist erstens die Wahrscheinlichkeit, dass Gruppen aneinander gerieten, ohnehin schon gering, und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass man heute eindeutige Spuren von gewaltsamen Auseinandersetzungen findet, noch geringer. Realistisch betrachtet wissen wir also nicht, was tatsächlich geschah, wenn sich doch einmal zwei Gruppen z. B. bei der Jagd nach Ressourcen in die Quere kamen.
Grundätzlich halte ich es eher für unwahrscheinlich, dass es zu größeren Konflikten kam. Wir haben Spuren von temporären Großlagern (z.B. in Tschechien), wo sich offenbar mehrere Gruppen temporär zusammengetan haben. Vielleicht kannten sich die einzelnen Gruppen sogar untereinander. Aber rein rational betrachtet waren die Räume so groß, dass, wenn es zu Konflikten kam, man einander ausweichen konnte. Die Frage ist: Handelten die Menschen rational? Tun wir ja heute auch häufig nicht.
 
Dem möchte ich widersprechen: Sofern wir eine gute Überlieferungssituation haben, was abhängig von den Fundumständen ist, so können wir mit etwas Glück sehr wohl feststellen, ob jemand gewaltsam ums Leben kam und ob er eher von einem Wollnashorn umgerannt wurde oder einen übergebraten bekommen hat.
Die Frage, die wir uns stellen müssten, wäre also: Wie viele menschliche Skelette des fraglichen Zeitraums sind ganz oder teilweise auf uns gekommen und welche Verletzungen können wir an ihnen identifizieren (sowohl lethal, als auch verheilt).
Ich meinte eigentlich, dass man eine gewaltlose Konfliktbereinigung/vermeidung nicht archäologisch feststellen kann. Wenn man unverletzte Skelette findet, bedeutet das schließlich nicht zwangsläufig, dass die Menschen nie in gewaltsame Konflikte verwickelt waren. Und auch wenn sie es nicht waren, muss das nicht auch für andere Menschen gelten.

Aber rein rational betrachtet waren die Räume so groß, dass, wenn es zu Konflikten kam, man einander ausweichen konnte. Die Frage ist: Handelten die Menschen rational? Tun wir ja heute auch häufig nicht.
Auch wenn die Menschen einander ausweichen konnten, wollten sie das vielleicht gar nicht unbedingt. Was z. B., wenn eine Gruppe ohne Jagderfolg auf das Lager einer anderen Gruppe, die gerade mehr Glück hatte, traf? Zog sie dann einfach hungernd vorbei, oder versuchte sie vielleicht, sich die Beute der anderen unter den Nagel zu reißen (zumindest wenn ein Sieg wahrscheinlich erschien)?
 
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