Deutsch oder romanisch: Der Fall ursus > Irschenberg

Erich

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Niemand hat behauptet, dass im Itinerarium Antonini sämtliche Straßenverbindungen des Römischen Reiches enthalten seien.
Ähnlich absurd wäre die Behauptung: "Im Itinerarium Antonini ist Arae Flaviae nicht verzeichnet, also kann Arae Flaviae nicht existiert haben."
also stimmst Du mir zu, dass es eine vermutete Straßenverbindung von Kempten über Lechbruck oder Altenstadt zur Via Raetia und von dieser über Habach (Lagerbichl), Frauenrain - Johannisrain - Rain - Loisachübergang - Langau (Kreuzweg) - Wirtsleiten - Heilbrunn in Richtung Helfendorf oder Irschenberg / Via Julia (Innübergang) gegeben haben könnte?

Btw.:
nach der Legende der Heiligen St. Marinus und Anian (bei Wilparting / Irschenberg) sollen diese von marodierenden Slawen (andere sprechen von Wandalen) um 650 oder 690 zu Tode gefoltert worden sein. Um diese Zeit waren die Wandalenstürme (455 eroberten die Wandalen unter ihrem König Geiserich (*um 389, †477) von Nordafrika aus Rom und plünderten es. Der öströmische Kaiser Justinian (*482, †565, Kaiser seit 527) zerstörte 534 das Wandalenreich) schon einige Zeit vorbei.
In etwa 1,5 km nordwestlich von Wilparting gibt es den Ortsteil Wendling. Heinrich Gotthard (1849, Freising "Über die Ortsnamen in Oberbayern") wollte eine Verbindzung zu "Wenilo, Wandalo, Wenzo" herstellen. Alerdings gibt es viele "Wend…"/ "Wind.."-namen, die in Bezug zu den Slawen (Wenden) stehen. Insofern könnten auch oberbayrische Ortsnamen eine Verbindung zu slawischen Namen haben. Das nächste "Wendling" findet sich etwa bei Soyen (Landreis Rosenheim, nördlich von Wasserburg), Waging am See (Landkreis Traunstein), oder bei Ampfing (Landkreis Mühldorf / Inn) . Das nächste "Winden" findet sich bei Haag i.Obb.
Der Name "Irschenberg", der sich sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableiten soll, deutet auch hier auf eine romanische Restbevölkerung hin
(dazu auch In loco nuncupante Arrisio: Ein Ortsname am Irschenberg und eine Inschrift in den Alpen ) .
 
Zuletzt bearbeitet:
Also wenn 1315 Ursenperig erstmals erwähnt wird, dann ist die Behauptung, dass es sich um einen von einer romanischen Restbevölkerung tradierten Namen handelt, schon mutig, auch wenn diese hundertfach wiederholt wird (bezeichnenderweise fast immer wortgleich). Witzig ist, dass Wikipedia sich auf die Homepage der Stadt bezieht und die ihre Ahnungslosigeit diesbzgl. dokumentiert (Ahnungslosigkeit jetzt nicht im Sinne von "hat von Tuten und Blasen keine Ahnung" sondern im Sinne einer fehlenden Dokumentation), indem sie zwei Varianten für dieselbe Ortsnamenherleitung bietet: Das von Bären bevölkerte Gebiet einerseits bzw. die Anseldung eines römischen Legionärs andererseits.
Ich weiß nicht, inwieweit der Name Urs im MA Verbreitung gefunden hat, heute ist er ja fast auf die Schweiz beschränkt, aber man könnte z.B. in diese Richtung denken, dass da ein Urs als Gründer hinterstand. Nur als Idee. Schürr, dessen Text du hier verlinkst, lehnt eine (vor-)romanische Herleitung von Irschenberg ab. Ist also kein Beleg für eine romanische Herleitung sondern dagegen. Oder ich hätte ihn jetzt völlig gegen den Strich gelesen.
 
Also wenn 1315 Ursenperig erstmals erwähnt wird, dann ist die Behauptung, dass es sich um einen von einer romanischen Restbevölkerung tradierten Namen handelt, schon mutig, ....
:)
Das ist nichts weiter als die Angabe, die sich etwa auch bei "Marzling" findet. Greule meint dazu:
!Marzling (Mischname), Gemeinde (Lkr. Freising), 1143-1152 Marcellingen, mit germ. -ingSuffix abgeleitet von roman. PN. Marcellus.
- das kann also einer lokale Namenstradition entsprungen sein, die man gerade in der Gegend bei Irschenberg und Rott am Inn bei den Namen "Marinus" und "Anian" auch hat.
Im Übrigen verweise ich nicht nur auf WIKIPEDIA. Mein erster Link zeigt schon eine andere Quelle an.
Hl. Marinus und Hl. Anianus – 15.11.
Ebenso ist die Herkunft der beiden Heiligen umstritten. Die Namen Marinus und Anianus sprechen weniger für eine irische als für eine romanische Abstammung aus dem Frankenreich. So könnte aufgrund von Namensvergleichen Marinus aus Lérins stammen, Anianus aus Orléans. Diese These stützt zudem ihre Ansiedlung am Irschenberg, dessen Name sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableitet, der also romanisches Siedlungsgebiet war.
ich kenne die Archivare der Erzdiözese seit Jahren intensiver Zusammenarbeit sehr gut. Die Forschungsarbeiten zum Kloster Tegernsee sind etwa herausragend. Die setzen solche Aussagen nicht leichtfertig in die Welt. :cool:

Das von Bären bevölkerte Gebiet einerseits bzw. die Anseldung eines römischen Legionärs andererseits.
mit Verlaub:
Was soll sich bei der einen oder anderen Interpreation ändern? In jedem der beiden Fälle liegt der "romanische Bär" zu Grunde, der im germanischen Sprachraum eben nicht als "Urso" sondern als "Bär" bzw, in einer der Vorläuferformen [ahd. bero, mhd. ber, mnd. bare; ags. bera, anord. björn (aus *bernuz)] bezeichnet worden wäre.
Und ich glaube nicht, dass die "Hinterwäldler" am Irschenberg jetzt ihre Dörfer nach intellektueller Art und Weise "fremdsprachig" sondern nach ihrem selbst gesprochenen Idiom bezeichnet haben. Damit dürften andere mittelalterliche Herkunftsquellen wie
  • artos - (gallisch)
  • math - (altirisch)
  • matus - (gallisch für "gut, günstig", aber auch "Bär")
auch ausscheiden (gallisch und altirisch wegen der behaupteten Herkunft der beiden Heiligen).
 
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Nichts gegen das Erzbistum, aber das ist nicht zuständig für linguistische Studien. Ich sehe auch keine Forschungsarbeit, sondern lediglich die Behauptung "...am Irschenberg, dessen Name sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableitet, der also romanisches Siedlungsgebiet war." Belege? Fehlanzeige. Ist aber auch nicht der Sinn der verlinkten Seite.

Zudem erscheint mir der ganze Absatz unlogisch. Schauen wir ihn uns doch noch mal an:

Ebenso ist die Herkunft der beiden Heiligen umstritten. Die Namen Marinus und Anianus sprechen weniger für eine irische als für eine romanische Abstammung aus dem Frankenreich. So könnte aufgrund von Namensvergleichen Marinus aus Lérins stammen, Anianus aus Orléans. Diese These stützt zudem ihre Ansiedlung am Irschenberg, dessen Name sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableitet, der also romanisches Siedlungsgebiet war.
Da sind also zwei Heilige, die in der Region am Irschenberg ihr Martyrium erlangen, die aber aus dem romanischen Teil des Frankreichs stammen sollen. Weil sie aber in der Nähe Irschenberg ihr Martyrium erlitten, so argumentiert der Text, soll Irschenberg (was erst 600 Jahre später erstmals (!) erwähnt wird, nicht aber in der Heiligenvita!!!) romanisch besiedelt gewesen sein.

Von dieser Argumentation her müssten die Phillipinen im Jahre 1521 portugiesisch gewesen sein, weil Magalhães dort in Kämpfen mit Einheimischen ums Leben kam. Tatsächlich dürfte er selbst oder jemand aus seiner Mannschaft der erste Europäer gewesen sein, der eine der Philippinen je betreten hat.

Du siehst, die Argumentation, dass weil zwei aus dem Frankenreich stammende Märtyrer dort starben die Gegend romanischsprachig gewesen sei, ist nicht wirklich überzeugend.

Und wenn wir intersubjektiv mal davon ausgehen, dass die Archivare des Erzbistums wie alle anderen auch ohne den Beistand des Hl. Geistes arbeiten müssen, dann sind auch sie nur Menschen und machen Fehler ;)
 
Nichts gegen das Erzbistum, aber das ist nicht zuständig für linguistische Studien. Ich sehe auch keine Forschungsarbeit, sondern lediglich die Behauptung "...am Irschenberg, dessen Name sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableitet, der also romanisches Siedlungsgebiet war." Belege? Fehlanzeige. Ist aber auch nicht der Sinn der verlinkten Seite.

In diesem Fall gibt es aber tatsächlich gewichtige Fürsprecher vom Fach. Albert Greule leitet die Ortsnamen Irschenbach, Irschenberg, Irschenham, Irschenhausen, Irsching und Irsing vom Personnennamen Urso ab.
Die Namenformen sind natürlich samt und sonders deutsch, da ist kein einziger romanischer Ortsname darunter.

Orts- und Personennamen als kulturelles Erbe
 
In diesem Fall gibt es aber tatsächlich gewichtige Fürsprecher vom Fach. Albert Greule leitet die Ortsnamen Irschenbach, Irschenberg, Irschenham, Irschenhausen, Irsching und Irsing vom Personnennamen Urso ab.
Die Namenformen sind natürlich samt und sonders deutsch, da ist kein einziger romanischer Ortsname darunter.

Orts- und Personennamen als kulturelles Erbe

Okay, trotzdem ist mir nicht ersichtlich, wie aus dem -s- ein [⁠ʃ⁠] wird und aus dem /u/ ein /i/.
 
Okay, trotzdem ist mir nicht ersichtlich, wie aus dem -s- ein [⁠ʃ⁠] wird und aus dem /u/ ein /i/.

Das /i/ ist leicht zu erklären. Das kommt aus dem Umlaut Ü- , der durch die neuhochdeutsche Umlautentrundung zum I- wird.
Für das [⁠ʃ⁠] weiß ich auf die Schnelle keine lautgesetzliche Erklärung, mir fällt nur die Dialektform Urschel für Ursula ein.
 
Ich sehe deinen Edit erst jetzt:

mit Verlaub:
Was soll sich bei der einen oder anderen Interpreation ändern? In jedem der beiden Fälle liegt der "romanische Bär" zu Grunde, der im germanischen Sprachraum eben nicht als "Urso" sondern ...

Du brauchst mir nicht die germanischen und keltischen Bärenwörter hier vorzulegen, die tun nichts zur Sache. Die Frage ist einzig und allein, ob der Ortsname auf ursus zurückgeht, oder nicht (Sepiola hat mittlerweile mit Greule bestätigt, dass offenbar der Irschen-Name im deutschsprachigen Raum verbreitet ist und auf den Personennamen Ursus zurückgeht, der wohl offenbar durch den Heiligen der RKK inspiriert ist.).

Die Aussage, der Ortsname gehe wohl auf Anwesenheit von Bären oder alternativ auf einen hier siedelnden ehem. römischen Legionär mit Namen Ursus zurück - der Heilige der RKK ist eine nichthistorische Figur! Zur thebaiischen Legion und den auffällig häufig sprechenden Namen Namen ihrer Protagonisten wäre wohl einiges zu sagen - offenbart eine gewisse Beliebigkeit der zurgundeliegenden Behauptung.

Und ich glaube nicht, dass die "Hinterwäldler" am Irschenberg jetzt ihre Dörfer nach intellektueller Art und Weise "fremdsprachig" sondern nach ihrem selbst gesprochenen Idiom bezeichnet haben.
Das sagt ja auch keiner. Ich nehme an, du spielst mit dem Satz auf die gelehrte Pseudoetymologie an. Irgendjemand hat ja die Urkunde von 1315 verfasst. Das wird ein Priester, wahrscheinlich ein Mönchspriester und kein Leutpreister gewesen sein. Die waren i.d.R. lateinisch gebildet. Daher bei der unterstellten Fehlinterpretation des Ortsnamens - der wohl - ich verweise noch mal auf den Beitrag von Sepiola - tatsächlich auf einen Ursus zurückgeht, der aber wohl eher Deutscher (im linguistischen Sinne) als Romane war - wäre die Pseudoetymologie natürlich nicht auf einen Hintersassen zurückgegangen, sondern auf den Schreiber der Urkunde. Von dem haben wir ja die Form Ursenperig, die wohl, so mein Wissensstand jetzt, nach dem Beitrag von Sepiola, auch korrekt ist, aber eben deutsch und nicht romanisch. Für die Frage nach der Lokalisierung der Straßenstation Ad pontes Tesseninos also irrelevant.
 
Zudem erscheint mir der ganze Absatz unlogisch. Schauen wir ihn uns doch noch mal an:

Ebenso ist die Herkunft der beiden Heiligen umstritten. Die Namen Marinus und Anianus sprechen weniger für eine irische als für eine romanische Abstammung aus dem Frankenreich. So könnte aufgrund von Namensvergleichen Marinus aus Lérins stammen, Anianus aus Orléans. Diese These stützt zudem ihre Ansiedlung am Irschenberg, dessen Name sich vom romanischen Eigennamen »Urso« ableitet, der also romanisches Siedlungsgebiet war.​
Das ist freilich unlogisch. Wenn ein romanischer Personenname in einem deutschen Ortsnamen auf romanisches Siedlungsgebiet schließen ließe, müsste das oben erwähnte Veitsweiler (Veit = Vitus/Vito) im Landkreis Ansbach ebenfalls eine romanische Siedlung sein. Ganz zu schweigen von Augustusburg in Sachsen...

Das Problem ist nämlich, dass all die ungesichert als romanisch interpretierten Ortsnamen letztendlich nur hypothetisch romanisch sind und eben - na gut, das sagt ungesichert ja - nicht gesichert.
Und das gilt natürlich auch für Spekulationen über Marinus und Annianus:
Noch schwieriger zu deuten ist die Lebensbeschreibung der beiden Heiligen Marinus und Annianus, die angeblich zur Zeit des Kaisers Leontius (695-698) von einer gens Vandalorum gemartet worden seien, und deren Kult im Kloster Rott am Inn und in Wilparting am Irschenberg im Landkreis Miesbach bis zur Gegenwart noch fortdauert. Aber ob sie aus Südfrankreich kommen, ob ihr Wirken wirklich in die angegebene Zeit des ausgehenden siebten Jahrhunderts fällt und sie damit noch den (irischen?) Frühmissionaren zuzurechnen sind, ob sich, wie Bauerreiß will, unter den korrumpierten Namen der Vita (Tolusius, Priamus) historische Persönlichkeiten aus der Freisinger Diözese des achten Jahrhunderts verbergen, oder ob sich hier ein alte Erinnerung an römisches Christentum bewahrt hat, bleibt letztlich unentschieden.​
Handbuch der bayerischen Geschichte: Bd. Das alte Bayern, das Stammesherzogtum bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts
 
Mischnamen bei Greule verweisen keinesfalls immer auf romanische Kontinuität. Bei dem oben angeführten Marzling, von Greule auf den Personennamen Marcellus zurückgeführt wäre, ähnlich wie bei anderen Personennamen auch, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ein mutmaßlich katholischer Nichtromane einen romanischen Namen trug.

Einen anderen Mischnamen Greules würde ich sogar in Abrede stellen: Boiotro/Beiderwies. Auch wenn Greule das nicht explizit schreibt, so unterstellt er ja bei Beiderwies eine volksetymologische Umdeutung des Namens Boiotro. Wahrscheinlich haben wir es hier aber eher mit einer Namensersetzung zu tun. Boiotro liegt bei Passau auf der Südseite des Inn; Passau selbst liegt auf einer sehr schmalen und dicht besiedelten Halbinsel am Zusammenfluss von Inn und Donau und als wäre das nicht schon genug Wasser, kommt auch noch die Ilz dazu. Die Passauer mussten ja auch irgendwo ihr Vieh weiden. Ich sehe hier jedenfalls nicht die Ortsnamenkontinuität, die Greule sieht.
 
Einen anderen Mischnamen Greules würde ich sogar in Abrede stellen: Boiotro/Beiderwies. Auch wenn Greule das nicht explizit schreibt, so unterstellt er ja bei Beiderwies eine volksetymologische Umdeutung des Namens Boiotro.

Nein! Er geht von einer lautgesetzlichen Umformung aus:
Romanisches Boiodoro wird ins Germanische übernommen und mit der Zweiten Lautverschiebung zu *Poitra umgeformt. Es ist nicht als Siedlungsname erhalten, sondern als Gewässername (1067 "in ripa ... Peutra", ca. 1342 "in der Peuter"). Später wird der Diphthong eu/oi entrundet, und noch später wird aus dem Gewässer- bzw. Flurname ('Wiese am Boiterbach') ein Gemeindename. (Wiesinger/Greule S. 144)
 
Über dem lsartal südlich von München liegt Irschenhausen. Ganz in der Nähe ist Walchstadt. Heisst das nicht, dass dort Romanen waren? Und wenn man das annimmt, wird es dadurch nicht ein bisschen wahrscheinlicher, dass sich Irschenhausen von einem romanischen Usus herleitet?
 
Ganz in der Nähe ist Walchstadt. Heisst das nicht, dass dort Romanen waren?

Ortsnamen mit einem Ethnonym (Welschen-, Walchen-, Winden-) finden sich vorzugsweise an Sprachgrenzen bzw. Enklaven. In einer Gegend, wo alle deutsch sprechen, macht ein Ortsname wie "Deutschdorf" keinen Sinn. (Ein "Deutschdorf" gibt es tatsächlich, mitten in der Slowakei: Nemecká – Wikipedia )

Der Name Walchstadt ist, wie ich neulich schon erklärt habe, ein Name, der von deutschen Siedlern vergeben wurde. Falls der Name auf Romanen (und nicht auf den Personennamen Walcho) zurückgeht, erklärt er sich daraus, dass die namengebende Besonderheit dieses Ortes war, dass hier Romanen siedelten.

Wenn es eine Sprachgrenze mit mehreren romanischen Orten gibt, kann man natürlich diese Orte nicht alle "Walchstadt" nennen. Dann muss man sich Namen einfallen lassen, um sie voneinander zu unterscheiden. Es gibt da eine Ecke, wo sich Namen wie Katzwalchen, Litzlwalchen, Oberwalchen, Traunwalchen häufen. Hier haben wir tatsächlich eine Romaneninsel, die aus mehr als nur einem Ort bestand.
 
Einen anderen Mischnamen Greules würde ich sogar in Abrede stellen: Boiotro/Beiderwies. Auch wenn Greule das nicht explizit schreibt, so unterstellt er ja bei Beiderwies eine volksetymologische Umdeutung des Namens Boiotro.
Nein! Er geht von einer lautgesetzlichen Umformung aus:
Romanisches Boiodoro wird ins Germanische übernommen und mit der Zweiten Lautverschiebung zu *Poitra umgeformt. Es ist nicht als Siedlungsname erhalten, sondern als Gewässername (1067 "in ripa ... Peutra", ca. 1342 "in der Peuter"). Später wird der Diphthong eu/oi entrundet, und noch später wird aus dem Gewässer- bzw. Flurname ('Wiese am Boiterbach') ein Gemeindename. (Wiesinger/Greule S. 144)

Das Ausrufezeichen verwendet Greule ja, um Mischnamen, also Hybridnamen, zu kennzeichnen. ich wüsste nicht, wie das Ausrufungszeichen bei Beiderwies sonst zu verstehen wäre.

!Beiderwies, Mischname →Boiodurum
[...]
Boioduron, jetzt Beiderwies (Passau-Innstadt), und Boiterbach, r.z. Inn. Boióduron(Ptolemaeus), Boiodoro (Intinerarium Antonini, Not.dign.occ.), Boiotro (Vita Severini), 1067 (Kopie 13.Jh.) in ripa...Peutra, um 1342 in der Pewter, 1733 Auff der Beide Wiessen. Die vorbairische Form des Namens *Boidra (> bair. Poitra/Peutra) weist Spuren romanischer Lautentwicklung auf. Kompositum mit dem kelt. PN. Boios und kelt. *duro- ‚Tal-, Flussenge’. Reitzenstein, Die Urkunden Friedrichs II., in BONF.45, 2008, S.216; Reitzenstein, Besprechung von: Ptolemaios „Geographie“ in: BONF.47, 2010, S.126; Greule, DGNB, 2014, S.67.​
 
Klar, die Ortsnamen Walchstadt und Irschenhausen deuten kaum auf eine Sprachgrenze hin, lassen es aber möglich erscheinen, dass sich dort einige Romanen gehalten haben, als das Land schon überwiegend von Germanen bewohnt war.
 
Das Ausrufezeichen verwendet Greule ja, um Mischnamen, also Hybridnamen, zu kennzeichnen.
Poitra > Beider ist der romanische Teil des Namens, -wies der deutsche Teil. Insofern ist es natürlich ein Mischname.

Er gehört allerdings nicht zu den frühmittelalterlichen Mischnamen, weshalb er in Wiesinger/Greule 2019 in die Kategorie der "tradierten antik-romanischen Siedlungsnamen" eingeordnet wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Klar, die Ortsnamen Walchstadt und Irschenhausen deuten kaum auf eine Sprachgrenze hin, lassen es aber möglich erscheinen, dass sich dort einige Romanen gehalten haben, als das Land schon überwiegend von Germanen bewohnt war.

Möglich ist das auch an Orten, deren Namen gar nicht auf Romanen hindeutet.

Irschenhausen liegt aber nicht nur in der Nähe von Walchstadt, sondern auch in der Nähe des 762 gegründeten Klosters Schäftlarn. Da könnte der Fall ähnlich gelagert sein wie bei Freising:

An anderer Stelle (S. 28) mahnt Wiesinger zur Vorsicht:
"Gerade hier aber fragt sich, ob angesichts solcher bairisch-althochdeutscher Lautentwicklungen Träger solcher romanischer Personennamen noch als echte Romanen und damit auch als Sprecher des Romanischen betrachtet werden können, oder ob sie sprachlich mit ihren bereits bairisch lautenden Namen romanischer Herkunft nicht schon zum Bairisch-Althochdeutschen übergegangen sind. Eine verbindliche Entscheidung lässt sich diesbezüglich nicht treffen..."

Oder im abschließenden Essay S. 97: "Diesen Eindruck erweckt besonders Freising ohne ältere christliche Traditionen, so dass um die junge Kirche verdiente Leute Grund und Boden erhalten haben können. Möglicherweise trugen sie christliche Taufnamen und müssen deswegen nicht Romanen gewesen sein."
 
Was man sich anschauen könnte: Ob Orte, deren Name "irschen" beinhaltet, auch dort auftauchen, wo es nie eine romanische Bevölkerung gegeben hat, also in der Germania magna. Wenn dem so wäre, würde das dagegen sprechen, dass ein "irschen" auf romanische Bevölkerungsreste in bairischer Zeit hindeutet.
Zwingend wäre das natürlich auch nicht, aber wenn man sich nur an das Zwingende hält, kann man, denke ich, zu den hier besprochenen Gegenständen sowieso nicht so viel sagen.
 
Wie schon gesagt: Hybridnamen sind eher die Ausnahme als die Regel.
Beispiele für Hybridnamen:
Castra Regina > Regensburg
Augusta Raurica > Kaisersaugst
Augusta Vindelicorum > Augsburg
Lopodunum > Ladenburg?

Die meisten römischen Namen unterliegen dem normalen Lautwandel und verlieren ihre Endungen:
Colon|i|a (Agrippina) > Köln
Bonn|a > Bonn
Tolbiac|um > Zülpich
Turiac|um > Zürich
Confluent|es > Koblenz
Constant|i|a > Konstanz
Juliac|um > Jülich
Trever|is > Trier
Rigomagus > Remagen
Noviommagus > Neumagen
Novaes|i|um > Neuss
Mogunt|i|a > Mainz

Es wäre schon ein ziemlicher Zufall, wenn alle Irschen-Namen nun plötzlich trotz romanischer Herkunft, Hybridnamen wären. Nicht unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich.

Die Irschingnamen sind auf den bayrischen Raum (inklusive Bayrisch-Schwaben), südlich der Donau beschränkt, Irnsingen/Eringisingun gehört eigentlich nicht in die Gruppe:

irsch2.jpg
 
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