Schlachten in Kriegen und die Opfer

Minelle

Mitglied
Ich stelle meine Frage mal in diese Kategorie ein, falls sie woanders hingehört, bitte verschieben. Es ist eher eine allgemeine Frage, die mir in den Kopf kommt, nachdem ich gerade eine Dokumentation über den Hundertjährigen Krieg anschaue.
Was passierte in den Schlachten früherer Epochen mit den ganzen Toten? Das waren ja nicht gerade wenige. Wurden sie liegengelassen? Beerdigt? Wenn ja, wer erledigte diese Arbeit?
 
Die Leichen wurden schon, soweit möglich, begraben, eben von den Kameraden oder den mit dem Heer ziehenden Zivilisten.

Das Lemo zeigt ein Gemälde, das das Geschehen nach der Schlacht von Waterloo darstellt:

Am Morgen nach der Schlacht von Waterloo am 19. Juni 1815, von John Heaviside Clark und Matthew Dubourg

Dazu: Grausamkeit und Geschäftigkeit stoßen in der Darstellung aufeinander: Frauen mit ihren Kindern suchen unter den Körpern nach ihren Männern oder Verwandten, Soldaten bergen Verletzte, Gräber werden ausgehoben. Im Hintergrund liegen Leichen, denen die Uniform vom Leib gezogen wurde. Leichenfledderer suchen nach brauchbaren Überresten. Selbst Zähne wurden den Toten für die Anfertigung von Zahnprothesen herausgebrochen.
Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Bestand

Ich habe außerdem einen Vortrag gefunden, der das Thema für das Mittelalter beleuchtet:
Rüther: Gewalt nach der Gewalt. Tote und Verwundete auf den Schlachtfeldern des Mittelalters - Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Stefanie Rüther: Gewalt nach der Gewalt. Tote und Verwundete auf den Schlachtfeldern des Mittelalters. Vortrag im Rahmen des Konstanzer Kulturwissenschaftlichen Kolloquiums und der Reihe „Konstanzer Beiträge zur Gewaltforschung“
 
Vielen Dank, das hilft mir schon weiter. Das Lemo habe ich mir gleich mal abgespeichert, das scheint eine sehr gute Seite für Bildmaterial zur Recherche zu sein.
 
Fürs europäische Mittelalter (unter bewusster Auslassung der Kreuzzüge) bietet Stefanie Rüther, im Rahmen eines eines Kolloquiums zur Gewaltforschung an der Uni Konstanz, unter folgendem Link eine hörenswerte Darstellung:
Rüther: Gewalt nach der Gewalt. Tote und Verwundete auf den Schlachtfeldern des Mittelalters - Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Edit: Oh, sehe gerade, @Traklson war schneller. Sorry für mein Doppeltgemoppelt.

Mit diesem nicht ganz billigen (um die 45 Euronen) und 2019 publizierten Sammelband kann ich noch dienen:
Clauss, M. (Hrsg.): Vom Umgang mit den Toten - Sterben im Krieg von der Antike bis zur Gegenwart. Ferdinand Schöningh-Verlag.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vor kurzem gab es auf ZDF Info Dokus zur Archäologie von Schlachtfeldern: Spuren des Krieges
Ich habe nur einen Teil der Waterloo-Doku gesehen, in der Paul O'Keeffe auftrat, der das Buch "Waterloo: The Aftermath" zum Thema verfasst hat. Zzur Beseitigung der Leichen wurden die Bauern herangezogen. Zunächst gab es noch einige Einzelbestattungen, dann Massengräber und schließlich verbrannte man die Leichen. Noch schwieriger gestattete sich die Entsorgung der Pferdekadaver, die verbrammt wurden. Im Gegenzug für ihre Arbeit plünderten die Bauern und andere Personen natürlich die Leichen aus.
 
Seit dem Mittelalter, eigentlich seit der Antike galt der als Sieger, der das Schlachtfeld behauptet. Die "Sieger" einer Schlacht blieben oft einige Tage auf dem Schlachtfeld und sammelten alles, was sie gebrauchen konnten. Man könnte freilich auch sagen, sie fledderten die Toten. Alles, was noch brauchbar war, wurde verwertet.

Nach der Schlacht von Höchstadt an der Donau 1704 kampierten die siegreichen Verbündeten mehrere Tage auf dem Schlachtfeld. Tote Männer und Pferde wurden in Massengräbern beigesetzt, vielfach rekrutierte man gefangene Bayern und Franzosen für das ausheben von Massengräbern. In irgendeinem Bericht über die Schlacht las ich, dass man Leichen und Kadaver auch in die Donau geworfen habe.

Auch nach der Schlacht von Höchstädt an der Donau 1704 haben Bauern der Umgebung Leichen und Kadaver bestattet, und natürlich haben die das genommen, was die Soldaten liegengelassen haben. Das war immer noch recht bedeutend wie zahlreiche Militaria-Funde aus dieser Gegend beweisen.
 
Manchmal war auch die große Zahl an Toten schier nicht zu bewältigen, oder es gelang nicht, genügend "Zwangsbestatter" zu finden - so sah man 1812 auf dem Rückweg von Moskau, also nach über einem Monat, immer noch viele unbestattete Leichen auf dem Schlachtfeld von Borodino.
Gestorben wurde übrigens vielfach nicht gleich, sondern erst später, an den Folgen von Verwundungen und Amputationen (Wundbrand), Krankheiten, mangelnder Hygiene und Pflege, Hunger und Durst.
Das Sanitätswesen war zu Napoleons Zeiten noch in den Kinderschuhen, wobei die Franzosen mit dem Chefarzt Larrey und seiner "fliegenden Ambulanz" etwas weiter waren, als andere Armeen.
Dennoch, das verbreitetste Mittel bei Verletzungen an den Gliedmaßen waren Amputationen ohne Narkose. Napoleons Standardfrage, wenn er einen Arzt traf war: "Wie viele Arme und Beine haben sie schon abgeschnitten?"
Im Buch von Hans Pohle, "Oktober 1813 Die Völkerschlacht bei Leipzig" wird im letzten Kapitel sehr eindringlich beschrieben, wie Bevölkerung und Verwundete nach der Schlacht zu leiden hatten. Die Augenzeugenberichte geben ein furchtbares Bild, vermutlich könnte man das Beschriebene als verwöhnter Wohlstandsmensch der heutigen Zeit kaum ertragen.
Verwundete wurden vielfach auch nach der Schlacht nicht versorgt, blieben einfach liegen. Und das Überleben in den überfüllten und verdreckten Lazaretten war auch nicht viel einfacher... Beispielsweise starben im französischen Hauptlazarett, der Thomaskirche, bis Ende 1813 täglich 50 Mann - insgesamt also fast jeder 3.

Gruss, muheijo
 
Manchmal war auch die große Zahl an Toten schier nicht zu bewältigen, oder es gelang nicht, genügend "Zwangsbestatter" zu finden - so sah man 1812 auf dem Rückweg von Moskau, also nach über einem Monat, immer noch viele unbestattete Leichen auf dem Schlachtfeld von Borodino.
Gestorben wurde übrigens vielfach nicht gleich, sondern erst später, an den Folgen von Verwundungen und Amputationen (Wundbrand), Krankheiten, mangelnder Hygiene und Pflege, Hunger und Durst.
Das Sanitätswesen war zu Napoleons Zeiten noch in den Kinderschuhen, wobei die Franzosen mit dem Chefarzt Larrey und seiner "fliegenden Ambulanz" etwas weiter waren, als andere Armeen.
Dennoch, das verbreitetste Mittel bei Verletzungen an den Gliedmaßen waren Amputationen ohne Narkose. Napoleons Standardfrage, wenn er einen Arzt traf war: "Wie viele Arme und Beine haben sie schon abgeschnitten?"
Im Buch von Hans Pohle, "Oktober 1813 Die Völkerschlacht bei Leipzig" wird im letzten Kapitel sehr eindringlich beschrieben, wie Bevölkerung und Verwundete nach der Schlacht zu leiden hatten. Die Augenzeugenberichte geben ein furchtbares Bild, vermutlich könnte man das Beschriebene als verwöhnter Wohlstandsmensch der heutigen Zeit kaum ertragen.
Verwundete wurden vielfach auch nach der Schlacht nicht versorgt, blieben einfach liegen. Und das Überleben in den überfüllten und verdreckten Lazaretten war auch nicht viel einfacher... Beispielsweise starben im französischen Hauptlazarett, der Thomaskirche, bis Ende 1813 täglich 50 Mann - insgesamt also fast jeder 3.

Gruss, muheijo
Das kommt noch hinzu. Ich vermute auch mal, dass diese Leichenberge ein hohes Seuchenrisiko darstellten, vom Gestank ganz zu schweigen, der dann sicher wochenlang über diesen Schlachtfeldern hing.
 
Seit dem Mittelalter, eigentlich seit der Antike galt der als Sieger, der das Schlachtfeld behauptet. Die "Sieger" einer Schlacht blieben oft einige Tage auf dem Schlachtfeld und sammelten alles, was sie gebrauchen konnten. Man könnte freilich auch sagen, sie fledderten die Toten. Alles, was noch brauchbar war, wurde verwertet.
Das war sicherlich die Regel. Fast alle durch die Archäologie bekannten Schlachtfelder sind entsprecht geplündert. Besonders gut erforscht wurden in den letzten jahren die Schlachtfelder von Kalkriese und Harzhorn. Die Archäologen haben vor allem Kleinteile und Fragmente gefunden und natürlich in den Boden eingedrungene Geschossspitzen.

Eine große Ausnahme ist das mittelalterliche Schlachtfeld von Visby von 1361 auf der heute schwedischen Insel Gotland. Hier wurden die Toten nicht vollständig geplündert. Hunderte Gefallene sind mitsamt ihren Rüstungen bestattet worden, Helme und Waffen fehlen hingegen. Es wird vermutet, dass aufgrund fortgeschrittener Verwesung die Ketten- und Schuppenpanzer nicht mehr entfernt wurden. Auch für Leichenfledderer gab es wahrscheinlich noch Grenzen des Ekels.
 
Mir scheint das sehr unterschiedlich. Bisweilen kam es den Siegern zu. Bisweilen beschwerte sich bezeichnenderweise die Zivilbevölkerung darüber, wenn die weiterziehenden Heere einfach die Leichen der Krieger und Tiere zurück ließen. Wer will schon sein Feld, das leichenübersät ist bestellen? Wie soll man pflügen, wenn überall Reste von zerstörten Fahrzeugen rumliegen? Für die Anwohner war das auch neben den zerstörten Zivilgebäuden eine einzige Katastrophe - diese Hinterlassenschaften des Krieges.
 
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