1983: Strauß vermittelt den DDR-Millionenkredit

Da stellt sich die Frage nicht des Wollens, sondern des Könnens.
Von was wollte die DDR die Kredite zurückzahlen? Zumindest wurde nach 1989 vom Westen suggeriert, die DDR war Pleite.
Naja, es gibt Pleite und Pleite.

Die DDR hatte wettbewerbsfähige Produkte für den Weltmarkt und damit eine Grundlage für die Bedienung der internationalen Schulden. Wie bei anderen Ländern auch (oft durch Abwertung der Währung), konnte die Binnenwirtschaft ausreichend vom Außenhandel abgegrenzt werden um nach außen bei allen Problemen nicht zahlungsunfähig zu werden.

Allerdings wurde das Exportgeschäft mit sehr viel (zu viel) Aufwand betrieben, d.h. Ressourcen wurden verwendet, die sonst der Gesellschaft zur Verfügung gestanden hätten. Da der Konsum aber nicht eingeschränkt werden sollte (politischer Wille um die Zufriedenheit der Leute nicht weiter sinken zu lassen), führte dies zu ungenügender Investition, Ausbeutung der Umwelt mit großen Schäden und zum steigenden Verschleiß der Infrastruktur.

Der Milliardenkredit hat diese strukturellen Probleme nicht können, aber auch nicht sollen. Er diente zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses, da die geringeren (subventionierten) Öllieferungen der UdSSR ab 1982 empfindliche Auswirkungen auf die Petrochemie und die Exportgeschäfte in den Westen hatte.
 
.Der Milliardenkredit ... diente zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses, da die geringeren (subventionierten) Öllieferungen der UdSSR ab 1982 empfindliche Auswirkungen auf die Petrochemie und die Exportgeschäfte in den Westen hatte.

Das wird in Teilen der Literatur (je nach "Ausrichtung", siehe zB Uni Bremen) so geschildert, aber auch konträr.

Tatsächlich stiegen die Exporte der DDR von 1979 bis 1985 von 12 auf 24 Mrd. Valutamark, (etwa 1:4 zum US-$).

Der Ölpreisrückgang 1981:83 kostete die DDR bei einem Export von umgerechnet rd. 10 Mio. Barrel bei einem Preisverfall von 10 US$ rd. 100 Mio, entsprechend 400 Mio. VM. Das waren etwa 2 % der DDR-Exporte, wenn man die Wirkungen auf die Zahlungsbilanz messen will, also vernachlässigbar unter dem Kriterium "Krisentreiber".

Weit problematischer war dagegen die westliche Rezession zu Beginn der 1980, da "gegen den Trend" diese NSW-Exportsteigerungen erwirtschaftet werden müssten (und sich gegenläufig NSW-Importe auch wegen der Rezession, aber auch wegen Aufwertung der Valutamark seit 1974 verbilligten).

Kausalitäten zum Öl/DDR sind da mE im Hinblick auf Handels- und Zahlungsbilanz schwer zu stricken.
 
Der Ölpreisrückgang 1981:83 kostete die DDR bei einem Export von umgerechnet rd. 10 Mio. Barrel bei einem Preisverfall von 10 US$ rd. 100 Mio, entsprechend 400 Mio. VM. Das waren etwa 2 % der DDR-Exporte, wenn man die Wirkungen auf die Zahlungsbilanz messen will, also vernachlässigbar unter dem Kriterium "Krisentreiber".
Äh, die DDR verkaufte doch kein Rohöl.
Aus der Sowjetunion wurden nur 17 statt 19 Mio. Tonnen Rohöl weniger zu Vorzugspreisen geliefert (entspricht gut 12 Mio Barrel). Und diese Vorzugspreise lagen für kurze Zeit sogar über dem Weltmarktpreis (der Vorzugspreis wurde aus dem Durchschnitt des Weltmarktpreises über fünf, später drei Jahre gebildet) als der Rohölpreis drei Jahre nach dem zweiten Ölpreisschock stark sank.

Die DDR baute so von 1975 bis 1983 12 Mrd. Transferrubel an Schulden auf.

Ich weiß nicht, welche Erlöse die Kombinate in Schwedt und Leuna im Westen erzielen konnten, aber wenn eine Mrd. DM ausreichend zur Liquiditätsverbesserung waren (inkl. der psychologischen Komponente), dann zeigt dies doch den Schlag, den die DDR durch Ölpreis und Veränderungen im RGW-Ölhandel erlitten hat.
 
Äh, die DDR verkaufte doch kein Rohöl. [1]
...

Die DDR baute so von 1975 bis 1983 12 Mrd. Transferrubel an Schulden auf.[2]

1. Deshalb schrieb ich "umgerechnet" 10 Mio. Barrel, und das war auf den devisenrelevanten NSW-Export bezogen. Nur dieser ist relevant für die Kapitalverkehrsbetrachtungen bzw. Segmente der DDR-Zahlungsbilanz mit NSW-Bezug. Das "umgerechnet" bezog sich auf die NSW-Exporte der DDR an Mineralölprodukten, die in der Handelsbilanz unter Posten wie Kraftstoffe und anderen Raffinerie-Mineralölprodukten der Weiterverarbeitung verschleiert wurden. Unmittelbar und mittelbar (über Produkte der Weiterverarbeitung) exportierte die DDR Mineralöl, und beschaffte sich hierdurch harte Devisen und deckte hierdurch NSW-Importe.

2. Importen aus dem RGW, Transferrubelbilanzen bzw. Segmenten der Zahlungsbilanz mit RGW-Außenhandel haben vernachlässigbare Auswirkungen auf Devisenprobleme der DDR im NSW-Bereich. Im Prinzip war es hierfür egal, wie der XTR-Saldo steht, oder wie die RGW-Handelsbilanzergebnisse aussehen. Das hatte nur Bedeutung, soweit das auf die NSW-Handelsbilanzen durchgeschlagen ist, und dieser Durchgriff ist an den NSW-Handelsbilanzen bzw. Kapitalverkehrsströmen direkt ablesbar.

XTR-Schulden spielen also hier keine Rolle.

Schließlich sind industrielle Auswirkungen der verminderten Rohölimporte aus der SU auf die NSW-Exporte (für die NSW-relevanten Teile der Zahlungsbilanz) nicht zu sehen. Vielmehr - siehe oben - steigerte die DDR die NSW-Exporte kontinuierlich (natürlich zu nicht die Herstellungskosten deckenden Preisen, aber das ist ein Frage des Aufwandes und letztlich eines "Konsumverzichts" im Inland. Kreditierungen sollte dieses abschwächen, bzw. die Inlandsversorgung durch NSW-Importe verbessern).
 
Die Importe aus der Sowjetunion hatten insofern eine direkte Auswirkung auf die Devisenwirtschaft, wie die geforderten Gegenleistungen qualitativ zunahmen. Die geforderte Qualität auf Weltmarktniveau verringerte den Spielraum der DDR für eigene Exporte gegen Devisen. Dies betraf zuerst "nur" Industrieprodukte, später Ausrüstungsgegenstände und (ab 1984) auch Lebensmittel.

Die Beschaffung von Devisen war natürlich bilanziell davon unabhängig, das stimmt.
 
Wenn ich dazu etwas bemerken darf.

Eine Begründung oder Begründungen warum man Kredit (e) benötigt, daran mangelt es meistens nicht. Auch nicht in der heutigen Zeit wie wir erleben.

Interessanter sind ja bei Krediten die Besicherung und die Tilgung incl. Zinsen (Zeit, Höhe).

Begründungen wurden uns damals genannt. Diese sind fast Deckungsgleich mit dem was hier im Moment diskutiert wird.

Allerdings, nichts haben wir zur Besicherung gehört. Es gab da wohl wilde Spekulationen die keiner bestätigte. Eine nenne ich mal, Gemäldegalerie (oder Teile) Dresden.

Und auch nichts haben wir zur Tilgung incl. Zinsen gehört.
Es wird ja wohl einen Tilgungsplan gegeben haben.
Vielleicht hat der sogar funktioniert.
Merkwürdig war aber, in der Folgezeit hat sich die Versorgungslage (Investitionsgüter und Konsumgüter) immer mehr zuspitzte, verschlechtert.

Es gibt tausende Beispiele dazu.
Hier mal ein recht simples Beispiel.
Im Moment ist Erdbeerenzeit.
Die DDR hat große Erdbeerenfelder und gute Erträge, brauchte also keine Importe, auch nicht von ihren Brüdern (von denen kam sowieso nichts).
Der Handel (HO und Konsum) handelte dies, hatte es aber nie in ausreichenden Mengen, war in der Saison Bück- und Mangelware bzw. Beziehungsware (Beziehungsware = kennen des Verkäufer oder des Verkaufsstellenleiter). Es gab das System der Selbstpflücker, wer es nutzte oder nutzen konnte hatte was.
Von Spargel will ich erst gar nicht schreiben. Suppenspargel war das ganz große Los. Dieser Suppenspargel war zur Saison wie ein Weihnachtsgeschenk.
Will auch nichts zu Edelfleisch und Edelgemüse sowie Edelkonserven und Bezugsscheine für Familien wo eine Jugendweihe angestanden hat schreiben.

Bitte nicht übel nehmen. Ich könnte auch andere Beispiele nennen, Beispiele die sicher nicht ganz so simpel sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hinzu kamen rein wirtschaftliche Interessen: die durch Franz Josef Strauß vermittelten Milliarden-Kredite der BRD zur Stützung der maroden DDR-Wirtschaft wollte die DDR-Führung von vorn herein nie zurückzahlen bzw. sah das so, dass ihrer Meinung nach die BRD früher oder später sowieso kommunistisch werde, eine Rückzahlung sich also dadurch erübrigen würde. Zur Destabilisierung der BRD war somit jedes Mittel recht ;)

Ob das wirklich Destabilisierung war? Ich las gerade einen Spiegelartikel, wenn der stimmt, dann wurden die Kredite gewährt, weil die DDR Insiderwissen hatte, das sich gewaschen hat. Und die DDR hat das Wissen genutzt, um an Geld zu kommen, nicht die Regierung zu stürzen:
DDR-Agent Adolf Kanter: Wie ein Topspion unantastbar wurde
 
Ich las gerade einen Spiegelartikel, wenn der stimmt, dann wurden die Kredite gewährt, weil die DDR Insiderwissen hatte, das sich gewaschen hat.
Ich hatte einen anderen, auffallenden Zusammenhang in Erinnerung: den (offiziell gemachten) Abbau der Selbstschussanlagen, angekündigt - rein 'zufällig' Ende September 1983 zuerst von BRD-Politikern behauptet - am 5. Oktober 1983 von Honecker selbst. Der Milliardenkredit war Ende Juni 1983 bekannt geworden. Und der Zwangsumtausch für Personen bis 14 Jahre wurde abgeschafft.

Die möglichen, wahrscheinlichen ökonomischen Hintergründe wurden schon thematisiert, andere wie der Profilierungsdrang von F.J.S, seine Neigung zur geschäftlichen Begünstigung von Freunden, die internationale Kritik an der Grenzsicherung der DDR-BRD-Grenze sind plausibel und hinreichend anderswo dargestellt worden.
 
Verhandlungen/Gespräche wg. eines umfangreichen Kredites zwischen BRD-Regierung und DDR-Regierung begannen bereits unter der Regierung Helmut Schmidt 1981, Schmidt selber blieb wohl reserviert dem gegenüber, erst recht nach dem wenig ergiebigen Besuch von Schmidt in der DDR Anfang Dezember 1981.

Dies und weitere Punkte dazu (Strauß, DDR-Zahlungsfähigkeit, Bedingungen einer Kreditgewährung, fehlende Unterlagen von Seiten der Kohl-Regierung usw.) lassen sich gut einer Rezension von Bernd Rother zu Maria von Loewenich / Jörn Petrick (Bearb.): Dokumente zur Deutschlandpolitik. VI. Reihe. Band 7: 1. Januar 1981 bis 1. Oktober 1982, 2016, entnehmen.
Erschienen auf Sehepunkt 17/2017, online abrufbar.
 
Züricher Model (bzw Schweizer Modell, wie Honecker das nannte):

Die Regierung Schmidt hatte während der Kreditkrise und Zahlungsklemme der DDR Verhandlungen geführt, mit Summen von mind. 4 Mrd. DM, bzw. 5 Mrd Stand der Verhandlungen im Sept 1982. Eine Liquiditätskollaps der DDR wurde als nicht erwünscht bewertet. Hauptbefürchtung war ein westdeutscher Proteststurm.

zB
DDR-Devisengeschäfte über die Schweiz | St.Galler Tagblatt

Die Regierung Kohl zeigte bei Machtübernahme Interesse, der Verhandlungsstand wurde bei Übergabe der Regierungsgeschäfte ebenfalls "geerbt". Die ersten Kontakte liefen darauf hinaus, was Honecker seinem Verhandlungsführer Häber für die weiterfeführten Gespräche dann mit der Kohl-Regierung auf den Weg gab: Machen Sie es, und halten Sie die Klappe.
Graf: Before Strauß: The East German Struggle to Avoid Bankruptcy During the Debt Crisis Revisited,
The International History Review 2019, S. 1 ff.
 
@silesia
Ich hab mir nun den Link reingezogen und sicherlich das Meiste nicht verstanden, da es mir fachfremd ist.
Doch bin ich sehr erstaunt über das Wenige was ich zu verstehen glaube.
Die Staaten des RGW haben schließlich mindestens einen Teil ihres Handels untereinander in "Valuta", sprich kapitalistischer Währung, abgewickelt.
Insbesondere auch den Rohstoffhandel.
"In total, the GDR received additional 2.1 million tons of oil from the USSR for which it paid in hard currency (circa
520 million USD).
Since the Soviet Union offered longer credit periods, the GDR was able to sell
refined oil products with shorter payment targets and thus created additional financial liquidity
to service its debts.
...
The GDR bought goods on Western markets with a payment target of 360 days (or even longer) and then immediately resold them or comparable quantities from the
domestic market to the USSR, who accepted much shorter credit periods."


Dieses verzweifelte Bemühen um Valuta, sprich kapitalistisches Geld, findet statt auf einer Bühne vor dem Hintergrund des Scheiterns der hoffnungsvollen Vorstellung, die SU würde in der Lage sein seine Satelliten aus der finanziellen und wirtschaftlichen Misere zu befreien.
" It seems that the Stasi (like many Western banks and politicians) believed in the now falsified ‘ umbrella theory ’ , implying that the USSR would bail any of its satellites out rather than let it go bankrupt. "
Fand sich der RGW nun in einer Situation die entweder den Zusammenbruch oder die Unterwerfung erforderte?
Und das in einer Zeit, als die atomare Apokalypse so nahe war wie bei der Kuba-Krise?
 
Vielen Danke beide...nach Silesias substanziellen Beiträgen davor, nun eine noch größere Sicht mit noch mehr Substanz, die den Faden (hoffentlich endgültig) erdet.
Tatsächlich findet unter dem neuen Staatsratsvorsitzenden Honecker in den 1970er eine eigentlich nicht mehr finanzierbare Entscheidung zugunsten des im Artikel so bezeichneten Verbrauchersozialismus statt. Wohl/angeblich schon 1973 hatte die Staatsicherheit in einer Stellungnahme zur ökonomischen Situation der DDR und der anstehenden Neigung zur (ökonomischen) Politik eines Verbrauchersozialismus von Letzterem abgeraten (hatte ich vor Jahren mal dazu gelesen)

Und selbstverständlich hatten die Länder des RWG im Zwischen- und internationalen Handel möglichst harte Westdevisen verlangt und begehrt. Für harte Währung bzw. Devisen war im RWG erstaunlich viel möglich, natürlich unter parteilicher und staatlicher Kontrolle und abseits der öffentlichen Politik. Die in der DDR geheime Kommerzielle Koordinierung wurde bereits 1966 gegründet - legendär einer der späteren späteren Leiter, Schalck-Golodkowski.

Durchaus lesenswert im Zusammenhang mit der DDR-Wirtschaftspolitik ist der Tante Wiki-Artikel Kommerzielle Koordinierung.
 
Lange (Vor-)Geschichte, wie so oft recht gut im SPIEGEL dokumentiert. Beispielsweise im SPIEGEL-Artikel Glatte Erpressung in der Ausgabe 34/1977, der Vorspann zum Artikel lautet: Bei der Erschließung immer neuer Devisenquellen ist Ost-Berlin erfinderisch. Trotzdem wächst die West-Verschuldung -- und damit die Kritik Moskaus.

Im Artikel wird u.a. geschrieben:

Schon seit langem verfolgen die Sowjets argwöhnisch, mit welchen Praktiken die DDR versucht, ihren Platz an der Spitze des sozialistischen Wirtschaftsblocks zu halten. Allein bei westdeutschen Geschäftspartnern stehen die ostdeutschen Außenhändler inzwischen mit 2,6 Milliarden Devisen-Mark in der Kreide, die gesamten West-Schulden belaufen sich gar auf 13,3 Milliarden Mark (West).

Und weiter:

Die Devisen-Not aber zwingt die DDR-Wirtschaftslenker unter dem SED-Chefökonomen Günter Mittag nachgerade zur Konsum-Propaganda. So baute die DDR im letzten Halbjahr die Intershops kräftig aus, in denen Ost-Bürger gegen harte D-Mark aus den Privatschatullen westdeutscher Freunde und Verwandter jene Güter kaufen können, die sie in den Läden mit heimischer Währung vergeblich suchen.

Günter Mittag...da war doch was...ja, die Kommerzielle Koordinierung war bei ihm angesiedelt...;)
Und die Intershops, ja das war die Überraschung jener Jahre...und der VW Golf, der (1979?) plötzlich auch in der DDR zu haben war.

In der Ausgabe 53/1975 wird im SPIEGEL-Artikel (DDR/Wirtschaft) Frage der Ehre u.a. notiert:

Neben dem Rohstoff-Preisauftrieb, der die DDR wegen ihrer zumeist langfristigen Import-Verträge erst jetzt voll zu treffen beginnt, wirkt sich auch die West-Verschuldung zunehmend negativ auf Ost-Berlins Bilanzen aus: Mit rund 13 Milliarden Devisen-Mark steht die DDR derzeit bei ihren kapitalistischen Nachbarn in der Kreide. Für zehn dieser Milliarden muß sie Zinsen zahlen. durchschnittlich zehn Prozent im Jahr.

Die Chancen aber, mehr als bisher ins kapitalistische Ausland zu exportieren und dadurch die Schulden zu vermindern und den Schuldendienst zu finanzieren, sind nicht zuletzt wegen der westlichen Wirtschaftsflaute gleich Null. Mit Börsenmanövern im Westen und Billigexporten aus der Textilbranche (SPIEGEL 39/1975), beides Spezialitäten des neuen Außenhandels-Staatssekretärs und Honecker-Vertrauten Alexander Schalck, versucht der ökonomische Krisenstab der Partei, der staatlichen Devisenkasse wenigstens noch ärgere Defizite zu ersparen.

Eine weitere Methode, zu hartem Geld zu kommen, ist das verdeckte Abkassieren der zu Hunderttausenden ins Land strömenden West-Verwandten: Seit das DDR-Devisengesetz dem Bürger erlaubt. West-Geld zu besitzen, ohne die Beträge anmelden zu müssen, ist die Ost-Republik mit einem dichten, bis in die Kreisstädte reichenden Netz von Devisen-Läden. den »Intershops«, überzogen worden. Hier kann sich, obwohl auch »Intershop«-Sortimente oft an Dürftigkeit kaum zu überbieten sind, von einigen Versorgungsmängeln unabhängig machen, wer über West-Geld verfügt.

Usw. usw. Da ist er wieder, Alexander Schalck, und damit die Kommerzielle Koordinierung, die damals natürlich geheim war.

Honeckers Konsumkurs bzw. Verbrauchersozialismus war Teil des Versuches, sich stärker bei der einheimischen Bevölkerung durch eine konsumfreundlichere Wirtschaftspolitik legitimieren zu können, hatte diese doch die bundesdeutsche 'Konkurrenz', den westdeutschen Zwilling vor Augen.
 
Meine Meinung:

Dass das Zürich-Modell (Pläne zur Gründung einer Deutsch-Deutschen Bank in der Schweiz) nicht zum Tragen kam weil der Bayer möglicherweise eigenständig (???), aber auf jedem Falle schneller war, hat sicher damals die DDR temporär gerettet.

Für mein Verständnis war die damalige Straußsche Politik eine Fortsetzung, vielleicht kann man auch Neuauflage oder sowas ähnliches sagen, der in den 60igern versuchten Abkauf der DDR von der UdSSR.
Zur Erinnerung:
Um 1964 (N.S.Chrustschow war ja gerade 1 Jahr im Amt, er übernahm dieses Amt von G.M. Malenkow) verhandelte ja sein Schwiegersohn A.I.Adschubei wohl auch mit Franz Josef über einen Abkauf der DDR.
Diese Pläne waren wohl im Kopf so mancher westdeutschen Politiker.
Und um 1983 passt es.

Also mir kann keiner erzählen das F.J. plötzlich Verständnis für (wie er sich gern ausdrückte) >Marx – Murkswirtschaft< der DDR hatte.

F.J. sowas wie ein Philanthrop für Marxisten.

Klar, mit diesen Kredit verhinderte er möglicherweise eine humanitäre Katastrophe und klar war ihm auch, der in Coma lebende Patient lebte weiter, aber...
Aber er wusste ganz genau deren Zeit ist abgelaufen.
 
Also mir kann keiner erzählen das F.J. plötzlich Verständnis für (wie er sich gern ausdrückte) >Marx – Murkswirtschaft< der DDR hatte.

Strauß hatte einen bemerkenswerten Profilierungsdrang entwickelt ('Nebenaußenpolitik'), nachdem er
  • 1980 die Bundestagswahlen verloren hatte
  • sein Erzrivale Helmut Kohl Bundeskanzler geworden war und nicht Strauß

Zudem hatte wohl Strauß' Freund Josef März die Kontakte zu Schalck/KoKo hergestellt, März hatte lukrative Geschäftsverbindungen in den DDR-Handel und mit der KoKo weitere Unternehmenskontakte, empfehlenswert der SPIEGEL-Artikel vom 19.1.2017, Die Legende vom Listen Franz Josef, u.a. liest man dort:

Und dann war da noch die persönliche und finanzielle Verbindung zum Jugendfreund und CSU-Kumpel Josef März. Die Gebr. März KG zählte zu jenen Wirtschaftsunternehmen, die dem Ehepaar Strauß hohe Beträge über eine Briefkastenfirma zuschoben (SPIEGEL 35/2015). Zugleich verdiente März mit seinem Fleisch- und Molkerei-Imperium im DDR-Handel viel Geld.
Und er hatte große Pläne. 1982 beteiligte sich März mit Rückendeckung von Strauß an einem Unternehmen aus Schalcks Devisenimperium "Kommerzielle Koordinierung" und plante eine weitere gemeinsame Firma im Steuerparadies Bahamas.

Das erste Treffen Schalck-Strauß fand entsprechend in einem schön gelegenen Gästehaus von März im Mai 1983 statt,
vielleicht hilft ein Blick in den Artikel Milliardenkredite - Hilfe für die DDR von Jan Dirk Herbermann, im Handelsblatt am 28. Juli 2006 erschienen, online kostenfrei aufrufbar.

Ansonsten ist Dein Strauß-Bild etwas zu schlicht geraten, beispielsweise mangels Hintergrundwissen zu Straußens (späteren) Pragmatismus, der ihn zu Kontakten/Besuche zu/bei diversen anderen 'sozialistischen' Staaten geführt hatte (er hatte aus eigener Initiative als erster BRD-Politiker 1975 Mao besucht usw.)

Für mein Verständnis war die damalige Straußsche Politik eine Fortsetzung, vielleicht kann man auch Neuauflage oder sowas ähnliches sagen, der in den 60igern versuchten Abkauf der DDR von der UdSSR.

Um 1964 (N.S.Chrustschow war ja gerade 1 Jahr im Amt, er übernahm dieses Amt von G.M. Malenkow) verhandelte ja sein Schwiegersohn A.I.Adschubei wohl auch mit Franz Josef über einen Abkauf der DDR.
Du meinst wohl erst 1954...mir scheint, Du hast womöglich etwas missverstanden...und die angesprochene Aktion vom Schwiegersohn fand im Sommer 1964 in der BRD statt, da hatte Strauß seit November 1962 kein Amt auf Bundesebene.
Vielleicht hilft zur Orientierung der Artikel Sowjetische Geheimpolitik in Deutschland. Chruschtschow und die Adschubej-Mission 1964, von Daniel Kosthorst, erschienen in Vierteljahres für Zeitgeschichte, Heft 2, 1996, online frei zugänglich.
 
Also mir kann keiner erzählen das F.J. plötzlich Verständnis für (wie er sich gern ausdrückte) >Marx – Murkswirtschaft< der DDR hatte.
Es kommt darauf an was man unter "Verständnis" versteht.
Strauß war ja sehr intelligent und offen. Ich würde vermuten, dass er erfolgreich versuchte zu verstehen, wie das Gegenüber tickt.
Denn Strauß war ein 'Gschaftlhuber'* in einer 'Spezlwirtschaft'.*
Mit Schalck-Golodkowski traf er, so vermute ich, auf einen Seelenverwandten, dessen Aufgabe es war so zu agieren, wie der Strauß es mit weit größerer Leichtigkeit und großem Genuss tun konnte.
Und letzterer hat seinen 'Spetzln' dabei sehr genutzt. (Marox, Moksel, März)

* will heißen erfolgreich vernetzt in einer Gesellschaft, relativ wenig an formalen, offiziellen Abläufen, orientiert mit der entsprechenden Neigung zur Korruption. Die bayerische Ausdrucksweise ist da sehr viel kürzer. :D
 
@Ralf.M .. und andere,

ich würde vermuten, dass die Abhängigkeit von den marktwirtschaftlich organisierten Staaten technologisch begründet war. Als junger Ing. in einer großen Firma habe ich die CoCom-Liste gesehen.
Da stand alles drin was interessant sein konnte. Ich war echt verblüfft.
 
Die Regierung Schmidt hatte während der Kreditkrise und Zahlungsklemme der DDR Verhandlungen geführt, mit Summen von mind. 4 Mrd. DM, bzw. 5 Mrd Stand der Verhandlungen im Sept 1982. Eine Liquiditätskollaps der DDR wurde als nicht erwünscht bewertet. Hauptbefürchtung war ein westdeutscher Proteststurm.

Zum besseren Verständnis der allgemeine Hinweis, dass diese Kredite nicht von der Bundesregierung aus dem Bundeshaushalt geleistet werden sollten und wurden, auch der von Strauß vermittelte nicht. Es ging um Bankenkredite, für welche die DDR-Administration Kontakt mit und Hilfe bei der Bonner Bundesregierung gesucht hatte.

Die schon aufgelaufenen Auslandsschulden der DDR, vor allem seit Honecker wirtschaftspolitischen Kurs des Verbrauchersozialismus (Erhöhung Lebensstandart, Konsum, soziale Sicherheit), im Westen wurden kreditfinanziert, bei bundesdeutschen und anderen westlichen Banken; die Kredite immer wieder verlängert usw.
Die Verschuldung der DDR-Regierung im Westen stieg durch die West-Importe weiter, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der DDR aufgrund des Honecker-Kurses wurden zusehends erkennbarer, der Export aus der DDR musste zur Importfinanzierung möglichst gesteigert werden, was wiederum binnenländische Waren-Engpässe nach sich zog, bei erschwerten Absatzchancen der Exporte, und gleichzeitig langjährig zurück gehenden Investitionen in die Produktionsmittel/Industrie der DDR.

In den westlichen Ländern finden wir seit dem 1973er Ölpreisschock eine wirtschaftliche Stagnation, seit 1979 eine weitere sehr starke Ölpreissteigerung mit wirtschaftlicher Stagnation.
1981 sind die RGW-Länder Polen und Rumänien defacto zahlungsunfähig, dass ist der Augenblick, an dem westliche, kreditgebende Banken die Zahlungsfähigkeit des RGW insgesamt in Frage stellen und eine recht abrupte Änderung der Geschäftspolitik erfolgt - Kredite werden kaum noch verlängert usw.

Und das ist der Punkt, an dem die DDR-Administration 1981 Kontakt zur Bonner Administration aufnimmt, wenn ich mich nicht täusche, um ihre Hilfe /Garantie bei der Kreditverlängerung/Kreditbeschaffung mit den Banken zu erreichen.

Dass sowohl die Kohl- wie Schmidt-Administration wegen der grundsätzlichen politischen Implikationen und der damaligen aktuellen sowieso sich dazu reserviert verhielten, scheint mir nachvollziehbar.

Straußens Engagement für den Milliardenkredit führte ja in Folge zu gewissen Verwerfungen bei Konservativen, auch zu Entstehung der REPs.
 
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