Aber das mit dem Feldzug stimmt vielleicht? Würde mich für Widukind freuen, lässt ihn viel erfolgreicher wirken, als wenn er ins Kloster abgeschoben wurde.
Es fällt mir schwer, solche Sympathie für Warlords nachzuvollziehen. Nebenbei ist Geschichte kein Wunschkonzert.
Historian Gerd Althoff assumed that he was imprisoned at a
monastery—a fate that happened to other rulers deposed by Charlemagne. He tried to identify
Reichenau Abbey as a likely location where Widukind may have spent the rest of his life,
[4] but his results are inconclusive and widely rejected.
[5]
Das ist ja offensichtlich eine Übernahme aus der deutschen Wikipedia. Kann man ganz gut an der Fußnote erkennen, wo der Verfasser vergessen hat, "hier", "ausführlicher", "S." und "ff." zu übersetzen. Ist also keine Stütze für die Darstellung der deutschen Wikipedia sondern eine Übernahme dieser.
Wenn ich lese
widely rejected - mag ja sein, dass ich das falsch verstehe - dann würde ich erwarten, da mehr als einen oder zwei Verfasser genannt zu bekommen, sondern einen ganzen Batzen an Verfassern erwarten, die Althoff widersprochen hätten. Hier werden zwar zwei Literaturangaben gemacht, aber beides ist Freise. Und somit stehen weiterhin Althoff und Freise in dieser Frage gegeneinander. Insofern haben wir damit nichts gewonnen.
The
Vita Liudgeri biography of Saint
Ludger mentions him accompanying Charlemagne on his campaign against the
Veleti leader
Dragovit."
In der
Vita [
Sancti]
Liudgeri von Altfried kommt Wikukind einmal vor. Dragovit überhaupt nicht. Auch das Volk der Wilzen kommt (auch in der Schreibweise
Wilten) nicht vor.
Zwei weitere Male kommt Widukind in der von einem unbekannten Mönch erstellten zweiten Vita Ludgeri, die aber als unzuverlässiger gilt, vor. Altfried hatte noch Zeitzeugen befragt und benannt, die zweite und dritte Vita leiten die Wahrheit aus göttlichen Wundern ab. Wenn es für diese in der deutschen wie englischen Wikipedia behaupteten Begebenheit eine Quelle gibt, dann ist das nicht die
Vita [
Sancti]
Liudgeri.
VSL I, 18:
Cumque vir Dei Liutgerus in eadem regione annis fere septem in doctrinae studio persistere, consurrexit radix sceleris Widukint, dux Saxonum, eatenus gentilium, qui evertit Frisones a via Dei, combussitque ecclesias et expulit Dei famulos et usque ad Fleo fluvium fecit Fresones Christi fidem relinquere, et immolare idolis iuxta morem erroris pristini.
Ad hoc-Übersetzung:
Als der Mann Gottes, Lidger in dieser Region sieben Jahre im Studium der Doktrin verblieben war, stieg aus übler Wurzel Widukind der Herzog der noch heidnischen Sachsen auf, welcher die Friesen vom Pfad Gottes stieß und er verbrannte die Kirchen und vertrieb die Diener Gottes und bis zum Fluss Fle[v]o (gemeint ist hier wohl die Zuiderzee oder einer ihrer Zuflüsse) brachte er die Friesen dazu, den christlichen Glauben zu verlassen und nach alter falscher Sitte den Idolen zu opfern.
Die Idee bei Wikipedia, dass Widukind laut der
Vita Liudgeri am Wilzenfeldzug Karls teilgenommen habe, ist wohl ein Missverständnis aus einer Fußnote zur
zweiten Liudgersvita. Dort gibt es eine Stelle, wo von Widukind die Rede ist, die wurde von Johann Georg Eckhart in den
Commentarii de rebus Franciae Orientalis et Episcopatus Wirceburgensis, Würzburg
1729 - siebzehnhundertneunundzwanzig, richtig! - in das Jahr 789 datiert, weil laut Auffassung Eckharts Liudger Karl gegen Dragovit begleitet habe. Handfeste Belege dafür gibt es aber nicht. Anhand der Urkunden Liudgers, weil das beschriebene Ereignis sich im Grenzbereich zwischen Hessen und Sachsen ereignet haben soll und Liudger 798 eine Urkunde in Minden (Minthum) verfasste, wurde dieses Ereignis später auf 798 datiert. Hatte also mit dem Wilzenfeldzug nichts zu tun.
In dieser
zweiten Liudgers-Vita steht also folgendes:
Ferebant autem veracissimi viri de discipilis eius quod quodam tempore dum ad comitatum pergens per provinciales qui Hassi dicuntur, iter ageret, per orationes eius homo revixerit, qui scilicet propter furtum caballorum Widukindi Saxonum ducis, huic morti adiudicatus sit, ut un campo ad stipitem ligatus iactatis in eum sudibus acutis et lapidibus necaretur. Quod dum factum esset, corpus exanime in campo relictum est. Venit autem Liudgerus secus locum et comperto quod christianus fuerit, mittens ad Widukindum impetravit adhumandum corpus. Dehinc discerpta totius corporis membra pallio colligi iussit et inferri in tentorium suum, donec humando corpori sepulchrum pararetur. Dum ad hoc ventum esset, ut elatum de tentorio in fossam ponerent iuxta stante episcopo: "Efferte eum", ait, "e tumulo namque illi spiritus inest." Qui dum elevatus esset, respirare cepit et iterum inlatus in tentorium, oblatu potu refocilabatur, ligarique iussut vulnera eius et in tempore parvo convaluit. Stat adhuc in eo loco lapidea crux in monimentum miraculi huius ab incolis erecta, et ex nomine eiusdem viri qui Buddo vocatus est, campus ille Buddonfeld usque hodie nominatur.
ÜS/Paraphrase:
Es berichten die wahrhaftigsten Männer von seinen Schülern, dass er sich damals in das Herzogtm begab, der Weg führte durch Provinzen, welche Hessen genannt werden und durch Gebete belebte er einen Mann wieder, der nämlich wegen eines Raubzuges der Reiter des Herzogs Wiudkind zum Tode verurteilt worden war; dass er auf einem Feld an einen Pfahl gebunden mit spitzen Pfählen (Speeren?) beworfen und mit Steinen getötet würde. Dann sollte der unbelebte/entseelte Körper auf dem Feld (unbestattet) liegen bleiben. Aber es kam Liudger an dem Ort entlang und als er erfahren hatte, dass es sich um einen Christen handelte, erreichte er zu Widukind schickend, die Bestattung des Körpers.
Von nun an, befahl er, alle zerstreuten Glieder des Körpers verdeckt [? < pallio] zu sammeln und in sein Zelt zu tragen, bis das Grab für die Bestattung des Körpers bereit sei. Da kam plötzlich ein Wind auf, dass er vom Zelt in den Graben gelegt wurde, genau dort, wo der Bischof stand. "Tragt ihn", sagte er, "aus dem Grab heraus, denn der Geist ist in ihm."
Als er dann Hochgehoben war, begann er zu atmen und wurde in das Zelt getragen, er befahl, ihm ein Getränk zur Erfrischung zu reichen und seine Wunden zu verbinden und kurzer Zeit war der Mann konvaleszent. Es steht an diesem Ort ein steinernes Kreuz als Denkmal (monimentum > monumentum) des Wundern, welches von den Bewohnern errichtet wurde und vom Namen jenes Mannes, der Buddo geheißen ist, wird jenes Feld bis heute Buddonfeld genannt.
Diese
Wundererzählung, in der Widukind nur neutral als Herzog bezeichnet wird, nicht gekennzeichnet wird, ob Heide oder Christ, obgleich man daraus ableiten kann, dass Liudger zu Widukind schicken konnte, um einem Christen eine christliches Begräbnis zu gewähren, dass er in dieser Fiktion bereits Christ gewesen sein soll, kann doch nicht ernsthaft datiert werden (egal ob auf 789 oder auf 798) und es versteht sich von selbst, dass aus ihr bis auf geographische Hinweise keine Schlussfolgerungen gezogen werden können. Wir erinnern uns: Es geht um einen zu Tode gemarterten Mann, der so brutal gemartert wurde, dass seine Glieder eingesammelt werden mussten, dass dieser wiederbelebt wurde. Hallelujah!