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Wie lange hielten sich eigentlich noch "heidnische" Bräuche im mittelalterlichen Europa?
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Das mittelalterliche Europa kann nicht als Einheit betrachtet, generalisiert werden. Die Verhältnisse in Italien, in Byzanz, an den ottonischen Pfalzen, in der Kiewer Ruß, in Norwegen, in Irland, in Schottland, in England, im ostfränkischen Reich waren jeweils andere.Wie lange hielten sich eigentlich noch "heidnische" Bräuche im mittelalterlichen Europa?
Trotz der Christianisierung im 8. Jahrhundert durch Bonifatius wurden hier vereinzelt noch bis ins 11. Jahrhundert Hundeknochen im Moor geopfert. Was sich die Thüringer im Hochmittelalter dabei gedacht, ist aber völlig unbekannt.
Was Storm da beschreibt ist ein Bauopfer. Storm ist durchaus als Sammler zu verstehen, der Motive aus dem Volks- und Aberglauben in seinen Erzählungen verarbeitet.Literarisch findet man ein Hundeopfer auch bei Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter". Es sei Brauch etwas "Lebiges" in einen neuen Deich einzubauen. Der Protagonist Hauke Haien rettet den Hund entgegen den Brauch. Es ist nicht ganz klar, wann die Geschichte spielt, vermutlich aber zur Zeit Storms im 19.Jahrhundert. Möglicherweise geht sie auch auf eine reale Person des 18.Jahrhunderts zurück.
Das mittelalterliche Europa kann nicht als Einheit betrachtet, generalisiert werden. Die Verhältnisse in Italien, in Byzanz, an den ottonischen Pfalzen, in der Kiewer Ruß, in Norwegen, in Irland, in Schottland, in England, im ostfränkischen Reich waren jeweils andere.
Zu fragen wäre eher, welche mittelalterlichen Kulturen "heidnisch" waren, welche nicht, und welche Zeiträume genau gemeint sind - und wo und wie christianisierte und heidnische Kulturen in Kontakt waren.
Dabei darf aber eines nicht übersehen werden: die überlieferten Zeugnisse heidnischer mittelalterlicher europäischer Religionen (nordgerman., slawische, baltische, ungarische) sind äußerst gering: das waren keine "finanzstarken Buchreligionen" mit Immobilien und noch im hintersten Winkel und reichlicher schriftlicher Tradierung, und evtl vorhandene Heiligtümer/Tempelbezirke sind im Zuge der Christianisierung gründlich beseitigt worden.
Im 19. Jh. vermutete man hinter jedem ländlichen Brauchtum und in jedem Volksmärchen heidnische Götter - das meiste davon hat sich als Mumpitz erwiesen. Mit der sicher nicht immer friedlichen "Missionierung" verzeichneten Gottheiten wie Wodan (wildes Heer), Perun (slaw. Donnergott) etc einen herben Karriereknick: Sie sanken zu Dämonen, Hexen, Zauberern herab, gerieten in Vergessenheit. Interessant ist, Aberglaube und Volksglaube nachzulesen - bei weitem nicht aller ma. Aberglaube hat heidnische Wurzeln!
Im Reich Karls des Großen mag es noch synkretistische Haltungen (neben dem Kreuz noch ein Donarshammeramulett) in einzelnen Gegenden gegeben haben, zu ottonischer Zeit wohl nicht mehr.
Die "heidnischen" Nordmänner des 9.-10. Jhs. nahmen relativ rasch das Christentum an (Anfang 11.Jh.), die slaw. Anrainer des fränkischen Reichs (Abodriten, Polaben, Lutizer usw) wechselten polit. motiviert rasch zum Christentum, die südslaw. Völker wurden von Byzanz christianisiert (Kyrill, Method)
Zur Zeit der Kreuzzüge, der ma. höf. Epik, also 12.-13. Jh. gab es "in Europa" eigentlich keine heidnischen Kulturen mehr (nur am Rand, balt. Länder etc) und innerhalb des nun jahrhundertelang vorherrschenden Christentums keinen Synkretismus mehr, keine heimlichen heidnischen Bräuche. Die weissagenden Schwanenfrauen des Nibelungenlieds sind eine ferne verblasste Erinnerung, wirken wie Märchengestalten, nichts mehr übrig von den mihtigun wif des altengl. Zauberspruchs.
Natürlich galt der Islam als heidnisch, aber diese finanzstarke Buchreligion mit Immobolien etc erwies sich als resistent gegen friedliche wie kriegerische Missionierungversuche.
Die Gefahr bei Bräuchen ist immer, dass man vermeintlich archaisches, was man nicht mehr zu deuten weiß, zu einem heidnischen Überbleibsel erklär, obwohl es das nicht ist. Populär sind da etwa der Weihnachtsbaum, den jeder Neoheide zu seinem Julfest selbstverständlich aufstellt oder die Ostereier. Dabei symbolisieren etwa die Eier den Tod im Grab und die Wiederauferstehung. Außerdem musste man Eier rein praktisch, da man sie in der Fastenzeit nicht essen durfte, irgendwie aufbewahren, ohne dass sie verdarben. Der praktische Ursprung des Ostereis ist also gewissermaßen das Solei, das man einlegte, um es haltbar zu machen. Und so haben viele Dinge, in der selbst praktizierende Christen nicht mehr um den theologischen Hintergrund vieler Bräuche wissen, den Ruf, eine Remineszenz an das Heidentum zu sein, obwohl sie es nicht sind. Daher ist da grundsätzlich Vorsicht geboten.
Ganz schwieriges Thema.Andererseits ist das Färben von Eiern auch zum Mindesten in einer nichtchristlichen Kultur üblich, so bei den kurdischen Jesiden zum Neujahrsfest. Dass diese dabei eine christl. Tradition übernommen hätten, ist zwar denkbar, angesichts des Umstands, dass das Ei als Fruchtbarkeitssymbol auch in nicht- und vorchristlichen Kulturen auftaucht,
Eigentlich nicht. Ein früherer Priester meiner Gemeinde erzählte jedes Jahr zwar nicht zu Ostern, aber am Faschingssonntag statt der Predigt Witze (allerdings harmlose).Vielleicht spielt hier auch das Osterlachen mit hinein, da im Mittelalter Priester zu Ostern von der Kanzel Witze erzählen (auch derbe, zotige), um die Gemeinde in eine österliche Stimmung zu bringen. Sie sollte befreit lachen. (Ja, ist schwer vorzustellen, aber deshalb nicht weniger wahr.)
...die wurden, wie ihre Götter, peu a peu arbeitslos und sanken immer tiefer in die Vergessenheit. Die irische & iro-schottische Mission wurde ab dem Frühmittelalter immer attraktiver.Doch frag ich mich zum Beispiel wo in Irland die Druiden geblieben sind. Rom hatte sie ja auf dem Hauptland ausgelöscht.
...die wurden, wie ihre Götter, peu a peu arbeitslos und sanken immer tiefer in die Vergessenheit. Die irische & iro-schottische Mission wurde ab dem Frühmittelalter immer attraktiver.
(dass Joyce im Ulisses ironisch die Anrufung einer irisch-keltischen heidnischen Gottheit stilisiert - "bring us, brightful, lightful Horhorn living and wombfruit" - ist kein Zeichen einer heimlichen heidnischen Tradition)
Jepp - und obwohl Patrick, Columban & Co. auch am Festland missionierten (Peregratio usw) waren Horhorn & Co. samt Druiden überwiegend verschwunden (gab wohl im Umfeld der irischen Klöster nicht mehr viel zum bekehren)Wär es nicht so, dass es teilweise irische und schottische Missionare in Deutschland gab? Lol
...die wurden, wie ihre Götter, peu a peu arbeitslos und sanken immer tiefer in die Vergessenheit. Die irische & iro-schottische Mission wurde ab dem Frühmittelalter immer attraktiver.
Joinville berichtete als Zeitzeuge in seiner Biographie König Ludwigs IX. von Frankreich, dass ihnen, als sie im Sechsten Kreuzzug in ägyptischer Gefangenschaft waren, die Sarazenen vor ihrer Freilassung zur Feier des Tages gekochte Eier, die mit verschiedenen Farben bemalt waren, zu essen gaben.Andererseits ist das Färben von Eiern auch zum Mindesten in einer nichtchristlichen Kultur üblich
Man könnte auch mutmaßen, dass die heidnischen Droiden auf christliche Missionare umgeschult wurden.
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