Der Ba'al-Melkqart bzw. Herkules-Tempel bei Gadir/Gades

Wie werden die denn eigentlich datiert, weißt du das zufälligerweise? Mein Besuch des Museums (und der herrlichen Stadt – ach ja, der Corona-Blues :confused:) ist leider schon wieder ein paar Jahre her. Beim Herkules gibt es eine höchst bizarre/amüsante chronologische Kontroverse 5. Jh. v. Chr. (in diesem Fall natürlich mit sekundärer Inschrift) vs. 2. Jh. n. Chr.
 
Wie werden die denn eigentlich datiert, weißt du das zufälligerweise? Mein Besuch des Museums (und der herrlichen Stadt – ach ja, der Corona-Blues :confused:) ist leider schon wieder ein paar Jahre her. Beim Herkules gibt es eine höchst bizarre/amüsante chronologische Kontroverse 5. Jh. v. Chr. (in diesem Fall natürlich mit sekundärer Inschrift) vs. 2. Jh. n. Chr.

Einer ins 8. oder 7. Jhdt.
http://www.museosdeandalucia.es/web...TANCE_GRnu6ntjtLfp_cur=3&inheritRedirect=true
 
gades7.jpg


Frappierend:

hercgad.png


Auch mal auf due Inschrift im Unterbauch achten: HC - Hercules Gaditanus
 
Aus einem anderen Grund ist mir, wie es der Zufall so will, gerade dieser Herkules (Estatuilla de Hércules Gaditano. Roma - Desconocido - Google Arts & Culture ) über den Weg gelaufen, der angeblich von der von El Quijote erwähnten Islote de Sancti Petri stammt. Das ist ja schon ein starkes Indiz für die Lokalisierung des Heiligtums.

Putzig fand ich dass die Beschreibung von der rechten Hand spricht, die die Äpfel der Hesperiden hält. Es ist die linke... Klaro, Herkules ist Linkshänder, wie ich. Und dass die Staue in einem sehr schlechten "estato de conservación" sei. Hier ist sogar das Lippenrot und das Weiß der Augen sichtbar! Eine exzellente römische Kopie, vielleicht schon in der Antike abgegriffen durch die Berührungen der Gläubigen.
Sind die kleinen markierten Rechtecke und die Aufstempelung "H G" Restaurierungen der Renaissance?
Interessant auch: sowohl die Statue als auch die Goldmünze des Traian haben wechselseitige Bezüge zur Ikonographie des Herkules und der Selbstdarstellung des Kaisers. Herkules in der Überformung durch die Portraits des 2. Jahrhunderts, Traian wiederum in der Selbstdarstellung als Herkules.
 
Zuletzt bearbeitet:
Putzig fand ich dass die Beschreibung von der rechten Hand spricht, die die Äpfel der Hesperiden hält.
Da hat er Verfasser wohl nicht vom Objekt aus beschrieben, sondern von sich aus. Klassischer Anfängerfehler (war wohl ein Praktikant).

Es ist die linke... Klaro, Herkules ist Linkshänder, wie ich.
Man hält die Figur für eine einigermaßen exakte Kopie der Tempelfigur, die als Votivstatuette geopfert wurde. Daher auch die Darstellung der Münze, die wiederum die Tempelstatue darstellt. Dort sehen wir, dass Herkules sich mit der rechten auf seine Keule stützt.

Und dass die Staue in einem sehr schlechten "estato de conservación" sei. Hier ist sogar das Lippenrot und das Weiß der Augen sichtbar! Eine exzellente römische Kopie, vielleicht schon in der Antike abgegriffen durch die Berührungen der Gläubigen.
Als Votivstatuette wohl eher nicht.


Sind die kleinen markierten Rechtecke und die Aufstempelung "H G" Restaurierungen der Renaissance?

Die Figur wurde 1984 von Locals (Sondengänger?) gefunden und 1992 dem Archäologischen Museum vermacht.
Ramón Corzo Sánchez: Sobre la imagen de Hercules Gaditanus. In: Romula 3, 2004:

Junto con el lote de bronces fenicios aparecidos en 1984 en Sancti-Petri, se encontró otra escultura de bronce, de estilo completamente distinto, que pasó varios años en manos de aficionados locales hasta que fue entregada hacia 1992 al Museo de Cádiz. En este caso, no hay ninguna duda de que se trata de una representación de Heraklés, tanto por el tipo físico como por los frutos que sostiene en la mano izquierda, pero la calidad de la figura y sus rasgos iconográficos son verdaderamente excepcionales.
Sobre la imagen de "Hercules Gaditanus" | ROMULA


Auf der Münze sehen wir das Tempelgebäude mit der Herkulestatute, darunter eine Darstellung von Neptun-Poseidon, auf einer sehr ähnlichen Silbermünze sieht man noch Schiffsrümpfe, eine Leiter(?) und einen Rammsporn.


DSPyiN5XcAASNBG



Hier offenbar flankiert von zwei Priestern:


53487.l.jpg


Links ein Teil eines Schiffes, Mitte die Leiter(?) und rechts wohl Neptuns Kopf. Was mich wundert, ist dass die mutmaßlichen Priester genauso groß dargestellt sind, wie die Tempelfigur. Selbst wenn diese nur menschengroß gewesen wäre, hätte man doch sicherlich bedeutungsperspektivisch gearbeitet.
 
Sind die kleinen markierten Rechtecke und die Aufstempelung "H G" Restaurierungen der Renaissance?
Interessant auch: sowohl die Statue als auch die Goldmünze des Traian haben wechselseitige Bezüge zur Ikonographie des Herkules und der Selbstdarstellung des Kaisers. Herkules in der Überformung durch die Portraits des 2. Jahrhunderts, Traian wiederum in der Selbstdarstellung als Herkules.

Die Bronzepflaster sind Teil einer/von antiken Reparatur(en); antik ist auch die geritzte Inschrift, sicherlich H(erculi) G(aditano) im Dativ. Dass die unmittelbar auf den Statuenkörper gesetzt wurde, ist nicht ganz so unüblich wie es vielleicht scheint. In der Archaik war das eine v.a. im ionisch-kykladischen Raum verbreitete Praxis, die in der Kaiserzeit verschiedentlich als Archaismus wieder aufgegriffen wurde (s. zB Jüngling vom Magdalensberg – Wikipedia ). Die Statuette muss in der Tat einst ein exzellentes Stück gewesen sein, deswegen wohl auch die konservatorischen Bemühungen.
 
Was mich wundert, ist dass die mutmaßlichen Priester genauso groß dargestellt sind, wie die Tempelfigur.
Ich vermute, es handelt sich um die Hesperiden, ich mag mich aber auch täuschen.

Als würdest du mir widersprechen, wenn ich annehme, dass die Statuette als Votivgabe dem Zugriff der Gläubigen eher entzogen war?
Gute Frage, die Statuette war sicherlich gesockelt und damit jedenfalls kein Objekt, das ständig in die Hand genommen wurde. Also nein, ich widerspreche nicht, würde mir nicht einfallen ;) Möglicherweise rühren die Pflästerchen auch vom Fertigungsprozess her, dann gab es beim Guss viele Lufteinschlüsse, die man ausbessern wollte – erscheint mir nun fast wahrscheinlicher.

N.B. Wie so eine Kultstatue realiter aussah, illustriert übrigens vorzüglich der sog. Hercules Aemilianus vom Forum Boarium in Rom (Hercules of the Forum Boarium - Wikipedia ).
 
Also nein, ich widerspreche nicht, würde mir nicht einfallen ;) .
Ich frage nach, weil ich mich aus dem PS Alte Geschichte erinnere, dass (nichtessbare) Votivgaben idR vergraben wurden, sobald kein Platz mehr war. So habe ich auch die Fundumstände verstanden. Daher ist mir die Vorstellung, dass die Figur nach dem Kauf beim Devotionalienhändler und ihrer Opferung im Tempel noch dem Zugriff von Gläubigen ausgesetzt war, fremd. Du könntest hier ein falsches Bild, welches ich 24 Jahre konserviert und gepflegt habe, korrigieren.
 
Herausragende Votivgaben und Gaben von Prominenten wurden durchaus ausgestellt. Denk nur an Delphi. Und Geschichtsschreiber erwähnen ja solche prominenten und alten Kultgeräte, Votiv- und direkte Opfergaben mitunter. Und ich meine mich zu erinnern, dass andere Votivgaben zumindest eine festgelegte Zeit lang vor dem Vergraben ausgestellt wurden. Da gab es aber natürlich auch große Unterschiede von Kult zu Kult.
 
Auch Herodot und andere. Im Zuge der Christianisierung müssten auch zerstörte Gaben erwähnt werden. Selbst in der Bibel werden sichtbar auszustellende Votivgaben erwähnt und zwar nicht nur für 'heidnische' Tempel. Die berühmten goldenen und bronzenen Schilde etwa. Ich habe die Stellen aber nicht im Kopf.
 
Recht spät hat sich jetzt auch das Instituto Geográfico Nacional zu Wort gemeldet und gemeckert, dass LiDaR sich nicht für Flutungsflächen eigne.
https://www.diariodecadiz.es/ocio/IGN-invalida-metodos-templo-Melkart_0_1646236172.html

Ich weiß nicht, wie es in Sevilla ist. In Granada war Archäologie, als ich dort mein Erasmusjahr gemacht habe (2002/03), in das Geschichtsstudium integriert. D.h. ein Geschichtsstudent, der während seines Studiums nur eine Veranstaltung mit Archäologie im Titel belegt hatte, durfte sich mit Abschluss Historiker und Archäologe nennen. Das spricht natürlich nicht unbedingt für die Qualität der Ausbildung zum Archäologen an der Uni Granada (gleichwohl ich den Stab nicht über allen brechen will, wenn man wollte, konnte man durchaus ein qualitatives Archäologiestudium dort absolvieren). Wenn das in Sevilla heute, 20 Jahre später, noch so ist, wundert es mich nicht, dass solche Peinlichkeiten passieren. Jedenfalls hat die PR-Abteilung der Uni Sevilla, als sie Mitte Januar ihren Tweet absetzte, sich ein echtes Ei gelegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Vergraben von Votivgaben war ja nicht die Regel, sondern eben eine Notlösung, wenn dann der Platz nicht mehr gereicht hat. Das hängt also stark vom jeweiligen Heiligtum ab, und sicherlich kann eine solche Statuette auch lange aufgestellt gewesen sein. Wenn ich den text richtig verstanden habe, und ich kann ja kein Wort Spanisch, ist der Kontext unklar. Die Statuette mag also vielleicht auch in einem kleinen privaten Schrein aufgestellt gewesen sein, bevor sie ins Heiligtum kam.

Bei den "Tempelmünzen" habe ich einige Fragen. Zunächst muß der dargestellte Rahmen kein tempel sein, sondern kann auch die Kultnische oder eine Aedicula anzeigen. Und bei dem liegenden Gott frage ich mich, ob es wirklich ein Poseidon sein soll? Ein liegender Poseidon? Ich würde bei diesem Bildschema eher einen Flußgott erwarten.
 
Bei den "Tempelmünzen" habe ich einige Fragen. Zunächst muß der dargestellte Rahmen kein tempel sein, sondern kann auch die Kultnische oder eine Aedicula anzeigen.
Es steht zwar nur auf einer Münze gaditanischer Herkules (Gades = Cádiz), von dem Tempel ist bis ins 12. Jhdt. hinein die Rede, aber auf allen drei Münzen ist dasselbe Kultbild und sie datieren alle ins dritte Konsulat von Hadrian.

Und bei dem liegenden Gott frage ich mich, ob es wirklich ein Poseidon sein soll? Ein liegender Poseidon? Ich würde bei diesem Bildschema eher einen Flußgott erwarten.
Das ist natürlich ein guter Punkt. Allerdings frage ich mich, welcher Fluss das sein sollte. Der Baetis/Guadalquivir ist etliche 40 km entfernt und der Guadalete (dessen antiken Namen man nicht kennt - trotz Versuchen, ihn als griechischen Lethe zu identifizieren) scheint so bedeutend nicht gewesen zu sein.
 
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