Die "kleine Eiszeit" begann freilich erst um etwa 1400. In der mittelalterlichen Warmzeit lagen die Durchschnittstemperaturen in Europa höher sogar als heute, wir erreichen diese Werte gerade erst wieder. Und die Kleidung des europäischen Mittelalters fußte auf dem Zwiebelprinzip und bestand aus vielen Einzelstücken. Verlangte es die Witterung, legte man einfach eine zusätzliche "Schale" an.
Mit Pauschalaussagen wie "Leinenkleider gab es nicht" kann ich persönlich nichts anfangen, das ist bestenfalls archäologische Orthodoxie (Mangel an Fundstücken), schlimmstenfalls vom Blickwinkel der Konsumgesellschaft gesprochen, die für jedes Wetter die passende Jack Wolfskin-Jacke im Schrank hängen hat.
Denn das mittelalterliche Wirtschaftssystem war zwar nicht direkt eine Mangelwirtschaft, aber man kann es sich aufgrund der langwierigen Transportwege innerhalb der Lieferketten (eine mit dem Wind segelnde Schute schaffte donauabwärts im Sommer ca. 60km am Tag) schon ein bisschen wie die Wirtschaft der DDR vorstellen: Die Verfügbarkeit vieler Güter war begrenzt, und waren sie verfügbar, stürzte sich alles darauf.
Gilomen erwähnt in 'Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters' den Brief (ca. 1300) eines Tuchhändlers aus Konstanz an seine Frau. Darin beklagt sich der Mann, die Kölner hätten ihm das Geschäft ruiniert, und obendrein müsste er jetzt ertragen, selbst Knechte in seinen Tuchen herumstolzieren zu sehen. Was war geschehen? Köln hatte das Stapelrecht, der Importeur musste auf seinem Weg rheinabwärts seine Tuche den Kölnern zum Verkauf anbieten, und die Kölner kauften ihm die ganze Ladung zum Selbstkostenpreis ab.
Wie
@dekumatland und
@Ralf.M geschrieben haben, gehörte Leinen zum Repertoire der verfügbaren Stoffe und wurde auch als Oberbekleidung getragen. Flachs war in vielen Regionen leicht zu bekommen und konnte auch von der ärmeren Bevölkerung selbst zu Garn versponnen werden. Die Bauern stellten daraus das Bauern- oder Schäferleinen her, ein schwerer, wärmender Gebrauchsstoff wie Wolle, aber rauer.
Der Stoff des Mittelalters schlechthin – sozusagen die Jeans dieser Epoche – waren aber Wolltuche, die v.a. in Norditalien und den Niederlanden hergestellt wurden, und zumindest nach der Pest (die makabrerweise für einen Wohlstandsschub sorgte) selbst für die wohlhabendere Landbevölkerung erschwinglich waren.
Man darf sich das Endergebnis nicht wie einen Wollpullover vorstellen (gerade Hollywood zeigt hier immer wieder regelrechte Strickjacken), sondern eher wie Loden. Je nach Qualität konnten diese Tuche sehr weich und fein werden, waren aber merklich schwerer als Leinen oder z.B. auch als unsere Baumwolle.