Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

Es hat sicher keinen Sinn, sich mit Dir über vermeintliche "Widersprüche" zu unterhalten, die Du in Texten gefunden zu haben meinst, die Du nicht einmal gelesen hast.
Ich habe beide Texte gelesen und den Unterschied bemerkt: Robert schreibt einmal – Zitat:

Julius Echter stärkte den Zentgrafen und das Gerolzhöfer Gericht in ihrem Tun, er akzeptierte die Geständnisse und Beweise aus Gerolzhofen und ordnete den Einsatz der Folter an.

In einem anderen Dokument schreibt er – Zitat:

Frau Weinhartsmann gesteht das Hostienausspien und widerruft dann wieder; der Zentgraf berichtet dies, flankiert von weiteren Zeugenaussagen, nach Würzburg. Julius Echter ordnet daraufhin die Inhaftierung und weitere Verhöre an.

Der Unterschied ist: Im ersten Dokument wird gesagt, dass der Fürstbischof den Zentgrafen und das Gerolzhöfer Gericht in ihrem Tun bestärkte, und dass er die Folter anordnete, im zweiten aber wird das alles unterschlagen. Mehr noch – Zitat aus dem zweiten Dokument:

Die Initiative zu den Verfahren kam jeweils aus den Gemeinden, und die Würzburger Juristen unter Julius Echter unterbanden die Prozesse zwar nicht vollständig, grenzten sie aber ein.

Von einer Eingrenzung der Prozesse durch den Fürstbischof kann zumindest im Fall Gerolzhofen keine Rede sein. Er war es, der die Folter anordnete und damit die Prozesswelle in Gerolzhofen und Umgebung in Gang setzte, die mehr als 200 Personen das Leben kostete.

Echters Entscheidungen zum weiteren Verfahren basierten auf dem Beweismaterial, das ihm der Zentgraf vorlegte.
(…)
Es wird wohl durchaus eine Rolle gespielt haben, wie geschickt die vor Ort wirkenden Zentherren und Amtmänner ihre Forderungen juristisch begründeten.
Schon klar, der eigentlich schuldige war der Amtmann, der ausführende Organ.

Kein Wort davon, dass der Fürstbischof die Folter erst anordnete, nachdem die Beschuldigte dem Zentgrafen gegenüber zugegeben hatte, in der Kirche Hostie ausgespuckt zu haben. So nach dem Motto, da sei noch mehr zu holen.

Damit soll nicht gesagt werden, dass der Gerolzhöfener Zentgraf ganz unschuldig bei diesem Tun war. Aber er handelte, wie gesehen, nach fürstbischöflichen Anweisungen. Dass er dabei allzu eifrig zu Werke ging, kann gut möglich sein. Jedenfalls, die unteren Behörden für die Hexenverfolgungen in Würzburger Diözese verantwortlich zu machen, wie jetzt hier versucht wird zu insinuieren, ist nicht nur schlechter Stil, es ist auch ein Bemühen erkennbar, den Fürstbischof von jeder Schuld reinzuwaschen.

Schließt du daraus, dass jeder Vorwurf des Schadenszaubers auch mit dem Vorwurf des Teufelspakets einhergegangen sei?
Im 17. Jahrhundert war das wohl Standard. Die Kirche hat trotz Augustinus und Thomas von Aquin lange zurecht negiert, dass es so etwas wie Zauberei gibt. Aber dann kamen die Pest und der Klimawandel (die kleine Eiszeit) mit Hungerkatstrophen, etc. Zuerst haben Menschen das auf sich bezogen, haben gesagt, Gott straft uns, weil wir nicht fromm genug waren – Geißlerprozessionen des 14. Jahrhundert waren demnach nur eine Steigerung der Prozessionen und Fürbitten, die sonst bei Wetterkapriolen anscheinend erfolgreich waren. Aber diesmal haben sie nichts bewirkt, wofür musste jemand verantwortlich sein musste. Bei jeder Katastrophe werden auch heute noch Schuldige gesucht.

Damals wurde der Teufel* als Verursacher ausgemacht und auch heute ist er der Schuldige, wenn etwas in der Welt aus dem Ruder läuft. Jedenfalls für die katholische Kirche – Zitat aus dem noch heute gültigen Katechismus:

Die Macht Satans ist jedoch nicht unendlich. Er ist bloß ein Geschöpf; zwar mächtig, weil er reiner Geist ist, aber doch nur ein Geschöpf: er kann den Aufbau des Reiches Gottes nicht verhindern. Satan ist auf der Welt aus Hass gegen Gott und gegen dessen in Jesus Christus grundgelegtes Reich tätig. Sein Tun bringt schlimme geistige und mittelbar selbst physische Schäden über jeden Menschen und jede Gesellschaft. Und doch wird dieses sein Tun durch die göttliche Vorsehung zugelassen, welche die Geschichte des Menschen und der Welt kraftvoll und milde zugleich lenkt. Dass Gott das Tun des Teufels zulässt, ist ein großes Geheimnis, aber ,,wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt" (Röm 8,28).
(…)
Die Lehre von der Erbsünde — in Verbindung mit der Lehre von der Erlösung durch Christus — gibt einen klaren Blick dafür, wie es um den Menschen und sein Handeln in der Welt steht. Durch die Sünde der Stammeltern hat der Teufel eine gewisse Herrschaft über den Menschen erlangt, obwohl der Mensch frei bleibt. Die Erbsünde führt zur ,,Knechtschaft unter der Gewalt dessen, der danach ,die Herrschaft des Todes innehatte, das heißt des Teufels‘ (Hebr 2,14)" (K. v. Trient: DS 1511). Zu übersehen, dass der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu schlimmen Irrtümern im Bereich der Erziehung, der Politik, des gesellschaftlichen Handelns [Vgl. CA25.] und der Sittlichkeit.


Der Mensch hat also eine zum Bösen neigende Natur. Und besonders Frauen wären für das Böse anfällig, weil sie nicht fest im Glauben seien – Zitat:

Die Inquisitoren, zu denen auch der Autor des Hexenhammers Kramer zählte, erklärten die vermeintliche Nähe der Frauen zur Hexerei auf etymologische Weise wie folgt: „Das Wort femina nämlich kommt von fe und minus (fe = fides, Glaube; minus = weniger; also femina = die weniger Glauben hat)“.[18] Laut dieser Auffassung herrschte somit durch das Geschlecht eine Vorbestimmung der Anfälligkeit zum Teufel.

Klar, man zimmerte sich das nur zusammen, doch die Not war groß und die Kirche, die geistige Elite der damaligen Gesellschaft, musste handeln. Handeln hieß in diesem Fall: Schuldige suchen. Und man fand sie. Instrumentarium dafür haben sie schon seit Jahrhunderten gehabt, von höchster Stelle approbiert. Man musste es nur noch anwenden. Aber weil die Kirche kein Blut vergießen darf, überließ man die Sache der weltlichen Gewalt. Das hat man wohl von Pontius Pilatus gelernt.
 
Das soll heißen, dass die Akten der Zentgerichte größtenteils verschollen sind. Es ist nun einmal so, dass Akten in Verwaltungsbehörden im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgesondert werden, irgendwann reicht der Platz in der Altregistratur nicht, und Kisten mit alten Akten, für die sich hundert Jahre lang kein Mensch interessiert hat, landen im Altpapier. Insbesondere wenn eine Behörde aufgelöst wird, wird aussortiert: Welche Akten werden für die Arbeit der Nachfolgebehörde benötigt, was wird nicht mehr gebraucht?

Idealerweise landet alles, was nicht mehr gebraucht wird, in einem Archiv, wird dort geordnet, registriert und säuberlich in Findbüchern verzeichnet. Oft fehlt es aber an Personal, und es werden lediglich Kisten eingelagert, in der Hoffnung, dass irgenwann jemand da ist, der viel Zeit und nichts besseres zu tun hat, als den Inhalt zu sortieren.
In der Realität erlebt man noch ganz andere Dinge:
Ich habe schon Archivbestände gesichtet, die in einem Privathaus eingelagert waren, da hat man einen Raum angemietet. Das war im Dorf, einen Gemeindearchivar gab es nicht. Was von den Bestände heute noch existiert, weiß ich nicht.
In einem anderen Fall habe ich Akten aus dem frühen 19. Jahrhundert in einer Behörde studiert. Diese Akten hätten längst an ein Archiv abgegeben werden sollen, aber sie lagen halt immer noch in der Behörde rum. Fünf Jahre später wollte ich die Akten noch einmal einsehen, da stellte sich heraus, dass das Amt (eine Nebenstelle) zwischenzeitlich aufgelöst war, das Gebäude war leer, die Akten waren an die Zentrale abgegeben worden, die Akten zu den aktuellen Fällen waren wohl noch vorhanden, aber was mit den Akten des 19. Jahrhunderts passiert war, konnte niemand beantworten. Dieser Bestand gilt seither als verschollen.
Mein Großvater war in jungen Jahren als Azubi oder Praktikant in einer Gemeindeverwaltung tätig. Als "Souvenir" durfte er ein paar alte Schriftstücke mitnehmen. Die stammten aus den Jahren um 1700!

Was mit den Akten der Würzburger Zentgerichte passiert ist, kann ich nicht sagen. Die ersten Aktenverluste können schon im Dreißigjährigen Krieg vorgekommen sein, die Remlinger Akten wurden damals nach Frankfurt evakuiert. Das Fürstbistum Würzburg wurde 1802 säkularisiert, die Zentgerichte wurden 1809 aufgelöst. Vermutlich ist bei dieser Gelegenheit ein erheblicher Teil der Bestände "entsorgt" worden. Die Remlinger Akten waren davon nicht betroffen, weil sie noch in Wertheim lagerten, wo sie wahrscheinlich schlicht vergessen worden sind:

Die Bamberger Hexenprozess-Akten sind nur durch einen glücklichen Zufall (und einen historisch Interessierten) gerettet worden. Ende des 19. Jahrhunderts gab das Amtsgericht Bamberg alte Akten als Anfeuer-Material an private Haushalte ab. Das war nicht gerade außergewöhnlich, sondern ein übliches Vorgehen von Gerichten.

In einer Eisenwarenhandlung entdeckte aber kurz darauf ein historisch interessierter Kunde, dass die gekauften Eisenwaren allesamt in Hexenprozess-Akten eingewickelt waren. Der Kunde kaufte den ganzen Aktenbestand auf, der noch erhalten war, und er machte die Sammlung der Stadt Bamberg zum Geschenk.

So sind historisch ungemein wichtige Quellen durch einen glücklichen Zufall der Vergessenheit entrissen worden.
 
Ich habe beide Texte gelesen und den Unterschied bemerkt:

Dann muss ich doch fragen, ob Du beim Lesen den Inhalt der Texte zur Kenntnis genommen hast, oder ob Du die Texte bis jetzt lediglich nach Stichwörtern abgesucht hast, von denen Du meinst, man könne sie benutzen, um dem Autor irgendwie am Zeug zu flicken. Aufgefallen sein muss Dir doch der Unterschied zwischen der exzessiven Hexenverfolgung in der Zent Gerolzhofen und den relativ wenigen Fällen in den übrigen in den übrigen 34 Gerichtsbezirken, von denen ein großer Teil mit milden Strafen oder der Einstellung des Verfahrens endete. Dieser Unterschied ist erklärungsbedürftig. Was war in Gerolzhofen anders? Der Fürstbischof war jedenfalls derselbe...


Eine exorbitante Verfolgungswelle gab es nur in einem einzigen der 35 Würzburger Gerichtsbezirke, das war die Zent Gerolzhofen. Sollte man annehmen, dass Echter sich in einem einzigen Gerichtsbezirk "ausgetobt" hat und in den anderen 34 Bezirken eine eher mäßigende Linie verfolgt hat?

Belegen lassen sich jedenfalls unter Echter keine Anweisungen "von oben", gezielt nach Hexen zu fahnden. Die Beschuldigungen kamen stets "von unten", aus der Bevölkerung. Verdachtsfälle wurden nach Würzburg gemeldet, von dort kamen dann Anweisungen zum weiteren Verfahren je nach "Aktenlage", etwa anhand des vorgelegten Beweismaterial. War dies zu dürftig, wurde von oben entweder verfügt, das Verfahren einzustellen - oder aber, weiteres Beweismaterial vorzulegen, je nach den Umständen durch weitere Verhöre, sei es ohne Folter, sei es unter Androhung der Folter, sei es unter Einsatz der Folter. Hausherr hat indes auf eigene Faust Verhaftungen und Verhöre vorgenommen und den Würzburger Juristen maßgeschneidertes Beweismaterial vorgelegt, dass die Entscheidung "nach Aktenlage" schon vorprogrammiert war. Was da genau vor Ort gelaufen ist, lässt sich leider nicht so gut rekonstruieren wie im Fall der Zent Remlingen, wo noch Aktenmaterial der unteren Behörde überliefert ist.

Jedenfalls, die unteren Behörden für die Hexenverfolgungen in Würzburger Diözese verantwortlich zu machen, wie jetzt hier versucht wird zu insinuieren, ist nicht nur schlechter Stil, es ist auch ein Bemühen erkennbar, den Fürstbischof von jeder Schuld reinzuwaschen.

Niemand bemüht sich, den Fürstbischof "von jeder Schuld reinzuwaschen". Was ist das für ein Stil, jedes sachliche Argument zu ignorieren und stattdessen auf Unterstellungen und Strohmanndiskussionen auszuweichen?
 
Die Bamberger Hexenprozess-Akten sind nur durch einen glücklichen Zufall (und einen historisch Interessierten) gerettet worden. Ende des 19. Jahrhunderts gab das Amtsgericht Bamberg alte Akten als Anfeuer-Material an private Haushalte ab. Das war nicht gerade außergewöhnlich, sondern ein übliches Vorgehen von Gerichten.

In einer Eisenwarenhandlung entdeckte aber kurz darauf ein historisch interessierter Kunde, dass die gekauften Eisenwaren allesamt in Hexenprozess-Akten eingewickelt waren. Der Kunde kaufte den ganzen Aktenbestand auf, der noch erhalten war, und er machte die Sammlung der Stadt Bamberg zum Geschenk.

So sind historisch ungemein wichtige Quellen durch einen glücklichen Zufall der Vergessenheit entrissen worden.

Meier schreibt, dass die Akte StAW Gericht Gerolzhofen 14/346 im Jahr 1865 durch einen Archivar vor dem Einstampfen gerettet wurde.
 
Jedenfalls, die unteren Behörden für die Hexenverfolgungen in Würzburger Diözese verantwortlich zu machen, wie jetzt hier versucht wird zu insinuieren, ist nicht nur schlechter Stil, es ist auch ein Bemühen erkennbar, den Fürstbischof von jeder Schuld reinzuwaschen.
Das ist schlicht und ergreifend unwahr und schlechter Stil Deinerseits.

Ich fasse zusammen:

Du bist von der Prämisse ausgegangen, Echter von Mespelbrunn sei ein fanatischer Hexenverfolger gewesen, der seine Leute antrieb, Hexen aufzuspüren und zu verbrennen. Das ist kein Wunder, so wird er überall in Franken rezipiert, selbst in unserem popeligen Heimatmuseum gab es eine entsprechende Ausstellung. Mein Bild von ihm war ähnlich.

Nun hat @Sepiola gezeigt: Nein, so war es nicht, Triebfeder der Hexenverfolgungen war der Gerolzhofener Zentgraf, in den übrigen Zenten sind kaum Verfolgungen aktenkundig, und überhaupt griffen der Fürstbischof und seine Behörden eher mäßigend ein, hinterfragten Vorwürfe, untersagten die Anwendung von Folter, wandelten Strafen in mildere um.

Du hast einen Fall gefunden, in dem der Fürstbischof aus eigenem Antrieb die Folter anordnete, und hältst damit @Sepiola für widerlegt. Du gehst sogar noch weiter und unterstellst ihm, Echter von Mespelbrunn "von jeder Schuld reinwaschen" zu wollen.

Warum denn nur?

Erstens: Dieser Vorwurf ist absurd. Aber wenn es so wäre, was dann? Als Geschichtsinteressierte kann es uns doch nicht darum gehen, vorgefasste Meinungen zu bestätigen, sondern wir müssen uns von den Hinweisen zur Wahrheit führen lassen. Festzustellen, dass Echter von Mespelbrunn wohl nicht der war, als der er in der Folklore rezipiert wird, ist keine Reinwaschung, sondern schlichtweg saubere Quellenarbeit.

Zweitens: Wir hatten diese Konstellation schon einmal, und ich verstehe Dich einfach nicht. An anderer Stelle argumentierst Du, und meines Erachtens völlig zu Recht, man könne historische Persönlichkeiten nur aus ihrer Zeit heraus begreifen, und dürfe nicht moderne Maßstäbe an sie anlegen. Ja, und warum hältst Du Dich bei Klerikern nicht an diese Regel?

Drittens: Mit Deinem Fund hättest Du nur dann @Sepiola widerlegt, wenn Du zeigen könntest, dass Echter von Mespelbrunn die Folter im besagten Fall nicht bloß in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr angeordnet hat, weil er eben dafür zuständig war. Wie viele gewöhnliche Verbrecher wird er der Tortur unterzogen haben? Solange Du nicht zeigen kannst, dass er in "Deinem" Fall anders handelte als sonst oder gar das Gesetz brach, ist die Anordnung der Folter kein Hinweis auf Fanatismus oder eine besonders aktive Rolle.

Ich empfehle Dir dringend einen Blick in die Carolina. Hexerei, Schadenszauber und Ketzerei waren bei weitem nicht die einzigen crimina excepta. Prinzipiell war die Folterung auf bloßen Verdacht hin bei einem ganzen Strauß von Vergehen zulässig, z.B. auch bei Verbrechen gegen die Person des Fürsten, Mord, Vergewaltigung, Straßen- und Seeräuberei, Falschmünzerei, Fahnenflucht und vielen, vielen Taten mehr.
 
Du bist von der Prämisse ausgegangen, Echter von Mespelbrunn sei ein fanatischer Hexenverfolger gewesen, der seine Leute antrieb, Hexen aufzuspüren und zu verbrennen.
Nein, Echter war bei mir zuerst gar nicht im Fokus, denn ich habe über ihn nur einen Satz aus Wikipedia zitiert, aber ihn sonst lediglich im Zusammenhang mit anderen Fürstbischöfen und -äbten hier genannt. Darauf hat @Sepiola einen Link auf ein Dokument geliefert, in dem Robert Meier für eine Entlabelung Echters als Hexenverfolger plädierte.

Auch da war ich noch nicht auf Echter aufmerksam geworden, sondern zitierte aus dem von @Sepiola verlinkten Dokument einen Satz, in dem gesagt wird, dass die geistlichen Gebiete lediglich etwa 15 Prozent des Alten Reiches ausmachten, doch gerade auf diese entfallen rund 40 Prozent aller belegten Hexerei- und Zaubereiprozesse. Ich vermutete dann, dass das mit dem Glaubensabfall (Teufelsanbetung) zu tun haben könnte, wofür sich die weltlichen Herrscher weniger interessieren dürften als die geistlichen.

Dann hat @Sepiola einen Link auf ein Dokument von Robert Meier gepostet, in dem stand, Julius Echter von Mespelbrunn hätte sich in seinen ersten 27 Regierungsjahren korrekt verhalten, hätte zwar die Hexenprozesse nicht unterbunden, sie aber eingegrenzt. Das war geschickt formuliert, denn in den restlichen 17 Regierungsjahren, und da vor allem in seinen letzten 2 Jahren (und in den 2 Jahren danach) fanden in der Diözese Würzburg die meisten Hexenprozesse mit Verurteilungen statt.

Das habe ich moniert und gesagt, dass der Fürstbischof es war, der explizit die Folterung der ersten (vermeintlichen) Hexe anordnete – und damit die Prozessorgie in Gerolzhofen und Umgebung in Gang setzte.

Stutzig machte mich auch die Tatsache, dass in Meiers zweitem Dokument, das er 2 Jahre später publizierte, nichts mehr von fürstbischöflichen Anordnung zu Folterung stand, sondern nur, man solle die Frau inhaftieren und verhören. Das bedeutet aber auch, dass sich die vermeintliche Hexe nach dem ersten Verhör auf freien Fuß befand, d.h. der Zentgraf hat da gar nicht selbständig, sondern erst nach Anweisung aus Würzburg gehandelt.

Was in Gerolzhofen später geschah, steht auf einem anderen Blatt, denn durch die nun freigegebenen Folterungen konnte man jedes beliebiges Geständnis erzwingen. Und weil es ja die Theorie gab, da gäbe es Hexensabbate, an denen zwingend mehrere Personen beteiligt gewesen sein müssten, "produzierten" diese Verhöre immer neue Personen, die wiederum neue nannten, denn es wurde solange gefoltert, bis Namen genannt wurden; wurden sie nicht genannt, hat man sie nur nicht hart genug gefoltert. Trotzdem kam es vor, dass Beschuldigte trotzdem schwiegen - weil ihnen angeblich der Teufel half, die Folter zu überstehen. Sie wurden meistens trotzdem hingerichtet.

Fürstbischof machte mit der Anordnung der Folter den Anfang, aber jetzt soll er plötzlich für die Hexenprozesse in Gerolzhofen gar nicht verantwortlich sein?

Und nach wie vor steht im Raum die Frage: Warum waren geistlichen Territorien die ersten und auch die letzten, die mit der Hexenverfolgungen begannen bzw. aufhörten? Und warum gab es in ihren Territorien überproportional mehr Hexenverfolgungen als in den weltlichen?

Das kommt nicht von mir, sondern aus dem von @Sepiola verlinkten Dokument – Zitat:

Die geistlichen Gebiete machten lediglich etwa 15 Prozent des Alten Reiches aus, doch gerade auf diese entfallen rund 40 Prozent aller belegten Hexerei- und Zaubereiprozesse. Hier fanden auch die Früh- und Spätphasen der Hexenverfolgungen statt.

Ich sage, das lag an dem, was Augustinus und vor allem Thomas von Aquin geschrieben. Sie schufen die geistige bzw. theoretische Grundlage für die Hexenverfolgungen. Um nicht missverstanden zu werden: Die Auslöser waren Seuchen und/oder Klimawandel, und natürlich kamen die Anzeigen aus der (betroffenen) Bevölkerung und natürlich haben die untere Behörden die Schmutzarbeit gemacht. Aber es waren die Fürsten, die das erlaubten oder gar, wie der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, den ersten Anstoß gaben – oder es eben unterbanden, wie es z.B. im Herzogtum Württemberg geschah, obwohl in den Nachbarterritorien der Hexenwahn wütete.

Es kam also auf den Landesherren an.

Und es kam auch auf die Konfession an: Weil Luther einen Bibelsatz (Ex 22,17) mit „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen“ übersetzte, gab es in protestantischen Gegenden mehr weibliche Opfer als in katholischen Gegenden, wo die Vulgata Übersetzung galt, die die Stelle mit „Die Zauberer sollst du nicht leben lassen.“ übersetzte.
Note: Es geht hier nicht darum, welche Übersetzung richtiger ist, sondern um den Einfluss der Bibel auf das Verhalten der Bevölkerung und sogar der Justiz.
 
Auch da war ich noch nicht auf Echter aufmerksam geworden, sondern zitierte aus dem von @Sepiola verlinkten Dokument einen Satz, in dem gesagt wird, dass die geistlichen Gebiete lediglich etwa 15 Prozent des Alten Reiches ausmachten, doch gerade auf diese entfallen rund 40 Prozent aller belegten Hexerei- und Zaubereiprozesse. Ich vermutete dann, dass das mit dem Glaubensabfall (Teufelsanbetung) zu tun haben könnte, wofür sich die weltlichen Herrscher weniger interessieren dürften als die geistlichen.
Und verrätst du uns auch, wie du nun darauf kommst, Prozesse an den jeweiligen Herrschern festzumachen?
Das setzt weiterhin vorraus, dass du ohne das belgen zu können stur von einem top-down Modell ausgehst, was das Zustandekommen von Prozessen und Verfogungen angeht.
Dem steht (neben den thmatisierten Ausführungen zu gegenteiligen historischn Beispielen) aber schon die Häufung des Phänomens in bestimmten Krisenjahren genau so entgegen, wie der Umstand, der sehr ungleichen Verteilung, des Phänomens Hexenverfolgung im Christlichen Europa überhaupt.

Wenn, wie von dir vorausgesetzt, das ganze Phänomen der Hexenprozesse von Seiten der kirchlichen Würdenträger (bei Verständnis der katholischen Kirche als halbwegs einheitlichem Verein) Initiert und am Laufen gehalten worden wäre, müssten wir ein Verfolgungsbild haben dass:

a) sich überall im katholischen Europa einigermaßen gleichmäßig verteilen müsste.
b) sich als Bild kontinuierlicher Verfolgung ohne allzustarke Extremausschläg darstellen müsste.

Wenn das als Kampagne im Besonderen der katholischen Kirche top-down abgelaufen wäre, dürfte es keine katholischen Gebiete in Europa geben, in denen dass Phänomen praktisch nicht vorkam und außerdem dürfte es keine Jahre bis Jahrzehnte geben, in denen in einer Gegend überhaupt nichts passierte und dann aber zeitlich eng gestaffelt spontane Häufungen des Phänomens auftreten.
Wenn das Systematsich top-down betrieben worden wäre, müssten wir kontinuierliche Bemühungen nachvollziehen können, Hexenprozesse abzuhalten, also tendenziell eher einige relativ wenige Fälle im Jahr, das aber relativ konstant und nicht einzelne konzentrierte Wellen, während ansonsten über lange Strecken in einer Gegend nichts passierte.

Das was wir tatsächlich sehen ist konzentration in Wellen, korrespondierend mit verschiedenen Krisenereignissen. Das wiederrum ist ein Bild, dass entsteht, wenn Phänomene eher von unten, als intendieert vonn oben kommen.

Und nach wie vor steht im Raum die Frage: Warum waren geistlichen Territorien die ersten und auch die letzten, die mit der Hexenverfolgungen begannen bzw. aufhörten? Und warum gab es in ihren Territorien überproportional mehr Hexenverfolgungen als in den weltlichen?

Gegenfrage: Warum sind die katholischen in irgendeiner Form geistlichen Territorien außerhalb des Heiligen Römischen Reiches, Kirchenstaat, Avignon/Venessain, Benevento, Pontecorvo, Malta oder der Deutschordensstaat in Livland inklusiv der inkorporierten Bistümer und das Erzbistum Riga (bis zu dessen Erlöschen durch die Reformation im Baltikum), nie als Hotspots der Hexenverfolgung aufgefallen, wenn es einen direkten Zusammenhang zwichen territorialer Herrschaft von Herrscherpersönlichkeiten, die auch kirchliche Würdenträger waren und starker Tendenz zur Hexnverfolgung gäbe?
 
Zuletzt bearbeitet:
Und es kam auch auf die Konfession an: Weil Luther einen Bibelsatz (Ex 22,17) mit „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen“ übersetzte, gab es in protestantischen Gegenden mehr weibliche Opfer als in katholischen Gegenden, wo die Vulgata Übersetzung galt, die die Stelle mit „Die Zauberer sollst du nicht leben lassen.“ übersetzte.
Auch der Satz ist so einfach nicht zu halten.

Du selbst, verwist doch immer darauf, dass die des Lateinischen nicht mächtige Bevölkerung nicht nachvollziehen konnte, was genau eigentlich in der Vulgata stand und dementsprechend die Priester viel erzählen konnten (mal unabhängig davon, dass das bei den protestanten nicht anders war, so lange ein großteil der Bevölkerung nicht volkssprachlich lesen und sich auch keine Bibel leisten konnte, da trotz Buchdruck für die einfache Bevölkerung noch immer unerschwinglich).

D.h. aber dann im Schluss, dass wegen des lateinischen Textes der katholische Gläubige aus Bezug auf diie Bibel überhaupt nicht nachvollziehen konnte, ob gemäß der religiösen Texte Hexerei/Zauberei irgendwas geschlechtsspezifisches sein sollte/konnte/müsste oder nicht.

Du unterstellst hier, mehr oder weniger, die katholische Kirche hätte zur Verfolgung magischer Praktiken getrommelt und dabei explizit darauf abgestellt, dass damit Frauen und Männer gemeint waren (was zweifelsfrei näher am lateinischen Text, ist, als Luthers Einlassung).
Der Text der hier beide Geschlächter meinte konnte aber auf die Verfolgungspraktiken der Bevölkerung keine besonderen Auswirkungen haben, weil er von der Masse der Bevölkerung auf Grund der Sprachbarriere nicht verstanden werden konnte.


Zu Luther:

Luther hat den Begriff "Hexen" und damit die weibliche Form benutzt, aber hat er irgendwo explizit ausgeschlossen, dass es so etwas wie männliche Hexerei/Zauberei geben konnte?
Denn wenn nicht, kann man sagen, dass Luther vielleicht Frauen als potentielle Hexen/Zauberer/Magier besonders herausstellte, aber nirgendwo Männer von diesem Vorwurf ausgenommen hat.

Inwiefern im übrigen Luthers Einlassung dazu eine, böswillige, frauenfeindliche Verdrehung ist, dass wäre aus meiner Sicht auch noch zu klären. Luther bezog sich bei seiner Bibelübersetzung ja nicht nur auf die lateinische Vulgata, sondern auch auf die altgriechische Textversion und wie genau es in dieser heißt, weiß ich nicht.
Es kann aber durchaus sein, dass der Vorwurf, Luther habe die Vulgata hier mutwillig falsch übersetzt unzutreffend ist, weil er sich hier möglicherweise nicht oder nicht nur auf die Vulgata, sondern eben auf die griechische Version oder auch auf die griechische Version bezog.

Im Bezug auf Luther und seine Übersetzungen sollte man möglicherweise auf dem Schirm haben, dass Entfernungen von der Bedeutung im lateinischen Text durchaus der Intention folgen konnten Abweichungen der lateinischen Vulgata von den Griechischen Texten durch deren Übersetzung bei der Übersetzung ins Deutsche rückabzuwickeln.



Auch ist doch sehr fraglich, ob sich Eiferer, und Personen, die sich an der Hexen/Zauberei-Thematik abarbeiteten, da von Luthers Übersetzung besonders beeinflussen ließen oder ob die Verteilung andere Gründe hat.

Den Glauben an magische Praktiken hat Luther ja nicht erfunden, das war als Aberglauben in der Bevölkerung bereits vor ihm vorhanden und es fällt schwer sich vorzustellen, dass eine Bevölkerung, in deren Vorstellungswelt das immer schon eine Konstante war, auf einmal (in weiten Teilen) vergessen haben soll, dass diese Praktiken stehts auch mit Männern asoziiert werden konnten, nur weil Luther magische Praktiken von Frauen in seiner Übersetzung hervorhob, ohne darin aber überhaupt explizit zu bestreiten, dass es so etwas auch bei Männern geben könnte.


Da erscheint mir persönlich wahrscheinlicher, dass der größere Anteil an weiblichen Opfern, im protestantischen Raum entweder mehr mit weiblichen Aktionsmustern zu tun hat, die es im katholischen Raum nicht gab (z.B. zu versuchen im geistlichen Leben eine größere Rolle zu spielen und selbst einee aktive Rolle in dr neuen Kirchen einzunehmen) und mit Reaktionen darauf.
Oder aber, dass aus strukturellen Gründen, die aber nicht religiös bedingt sein müssen, sondern auch was mit den lokalen weltlichen Rechtsgepflogenheiten zu tun haben konnten, in den protstantischen Gegenden Frauen generell angreifbarer waren als Männer und generell weniger Möglichkeiten hatten sich zu verteidigen.
Das aber kann wie gesagt mit lokalen weltlichen Rechtstraditionen zu tun haben (Es gab ja im Heiligen Römischen Reich durchaus einen "fränkischen" und eine "sächsischen" Rechtskreis, weswegen für den Fall eines unbestetzen Throns ja das geteilte Reichsvikariat zwischen dem Pfalzgrafen bei Rhein (für den fränkischen) und dem Herzog von Sachsen (für den sächsichen Rechtskreis) vorgesehen war, gemäß der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356) oder auch mit einer allgemein größeren Voreingenommenheit der Richter und sonst mit der Untersuchung betrauten Personen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Frauen und dem Wert ihrer Aussagen im Allgemeinen und ähnlichen.

Das monokausal auf einen Satz Luthers zurückzuführen, erscheint mir ein wenig zu einfach gedacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und verrätst du uns auch, wie du nun darauf kommst, Prozesse an den jeweiligen Herrschern festzumachen?
Das habe ich bereits getan, aber für dich wiederhole ich die Kernaussage: Es kam auf den Herrscher an, ob er den aus der Bevölkerung kommenden Anzeigen der Hexerei Glauben schenkte oder nicht. In Württemberg scheint es z.B. ein generelles Verbot der Hexenverfolgung gegeben zu haben, in anderen hat man dem Hexenwahn freie Bahn gelassen, und in wieder anderen hat man je nach Herrscher mal so mal anders entschieden.

Damit ist auch deine mir unterstellendes Top-Down-Szenario ad acta gelegt.

D.h. aber dann im Schluss, dass wegen des lateinischen Textes der katholische Gläubige aus Bezug auf diie Bibel überhaupt nicht nachvollziehen konnte, ob gemäß der religiösen Texte Hexerei/Zauberei irgendwas geschlechtsspezifisches sein sollte/konnte/müsste oder nicht.
Das musste er auch nicht – es reichte ihm, was der Pfarrer erzählte. Und wenn dieser einigermaßen der Vulgata folgte, sprach er von Hexern und Hexen, im Plural eben.

Luther hat den Begriff "Hexen" und damit die weibliche Form benutzt, aber hat er irgendwo explizit ausgeschlossen, dass es so etwas wie männliche Hexerei/Zauberei geben konnte?
Was ist das für eine Argumentation? Auch hier reichte für die Analphabeten in der Predigt das Wort Hexe aus der Bibel. Und wer lesen konnte, konnte in der Lutherbibel das Wort Hexe selbst lesen – von einem Hexer stand da nichts.

Deswegen hatte man in der Bevölkerung vermutlich mehr auf (sonderbare) Frauen geachtet als auf (sonderbare) Männer. Das heißt aber nicht, dass man in protestantischen Gebieten nur Frauen anklagte. Frauen waren da zwar in der Mehrzahl, aber auch Männer wurden angeklagt. Das war wahrscheinlich eine Folge der (Folter)Verhöre, in denen man die Namen der am Sabbat-Teilnehmenden erfahren wollte und vielfach auch erfuhr.
 
Das habe ich bereits getan, aber für dich wiederhole ich die Kernaussage: Es kam auf den Herrscher an, ob er den aus der Bevölkerung kommenden Anzeigen der Hexerei Glauben schenkte oder nicht. In Württemberg scheint es z.B. ein generelles Verbot der Hexenverfolgung gegeben zu haben, in anderen hat man dem Hexenwahn freie Bahn gelassen, und in wieder anderen hat man je nach Herrscher mal so mal anders entschieden.

Dieselbe Quelle, aus der Dein Zitat stammt, das den Würzburger Fürstbischof zum Hexenverfolger erklärt, erklärt auch den württembergischen Herzog zum Hexenverfolger.

"Gründliche Erzehlung / wie der Bischoff zu Würtzburg / das Hexenbrennen im Frankenlande angefangen [...]
Wie der Hertzog zu Würtenberg / in vnterschiedlichen Stätten das Hexenbrennen auch angefangen"

Sowohl in Würzburg wie in Württemberg kam es zeitgleich zu örtlich begrenzten Prozesswellen, die exzessive in Gerolzhofen haben wir besprochen; in Württemberg waren Sindelfingen, Vaihingen, Dornstetten und Leonberg betroffen (in Leonberg wurde Katharina Kepler angeklagt, die Mutter des Astronomen Johannes Kepler, der alle Hebel in Bewegung setzte, um ihre Verurteilung zu verhindern).

Die Ortsangaben sind in beiden Fällen korrekt; dass die Hexenverbrennungen von den jeweiligen Landesherren initiiert wurden, ist in beiden Fällen falsch.
Zu dieser Zeit gab es in Württemberg jedenfalls kein "generelles Verbot der Hexenverfolgung", auch wenn es Dir so "scheinen" mag.

Zwischen den Jahren 1530 und 1700 kam es im Rahmen des Hexenwahns auch in Württemberg zu etwa 250 Anklagen wegen Hexerei.[25] Eine letzte große Prozesslawine mit zwei Hinrichtungen wegen Hexerei gab es 1684 in Calw. Der Oberrat in Stuttgart diskutierte über diesen Vorfall, griff daraufhin ein und untersagte weitere Hexenverfolgungen in Württemberg.
Die Literaturangabe habe ich nicht überprüft, vielleicht hole ich das bei Gelegenheit noch nach.


Das habe ich moniert und gesagt, dass der Fürstbischof es war, der explizit die Folterung der ersten (vermeintlichen) Hexe anordnete
Wer soll die "erste (vermeintliche) Hexe" gewesen sein, und wo hast Du explizit gelesen, dass Echter in ihrem Fall die Folterung angeordnet haben soll? Ich bitte um korrektes Zitat.

Echter hat in verschiedenenen Kriminalfällen (z. B. auch bei Diebstahlsdelikten) die Folter angeordnet, er in verschiedenen Fällen (z. B. auch bei Hexereivorwürfen) die Forderung nach Folter abgelehnt, und mitunter haben die Zentgrafen auch auf eigene Faust zur Folter gegriffen....
 
Das habe ich bereits getan, aber für dich wiederhole ich die Kernaussage: Es kam auf den Herrscher an, ob er den aus der Bevölkerung kommenden Anzeigen der Hexerei Glauben schenkte oder nicht. In Württemberg scheint es z.B. ein generelles Verbot der Hexenverfolgung gegeben zu haben, in anderen hat man dem Hexenwahn freie Bahn gelassen, und in wieder anderen hat man je nach Herrscher mal so mal anders entschieden.

Damit ist auch deine mir unterstellendes Top-Down-Szenario ad acta gelegt.
Weiter oben stellt du explizit auf einen Zusammenhang zwischen von Kirchenfürsten beherrschten Territorien und Hexenverfolgungen ab (also auf einen Zusammenhang, der über die Persönlichkeit des jeweiligen Herrschers hinausgeht) und hier willst du davon auf einmal nichts mehr wissen und argumentierst dann auf einmal mit der Herrscherpersöhnlichkeit, die "mal so, mal anders" entscheidet.

Nimms mir nicht übel, aber wenn das nicht komplett konfus erscheinen soll, müsstst du dich schon für eine Argumentationsweise entscheiden.

Das musste er auch nicht – es reichte ihm, was der Pfarrer erzählte. Und wenn dieser einigermaßen der Vulgata folgte, sprach er von Hexern und Hexen, im Plural eben.
Und der katholische, der Vulgata folgende Priester hielt seine Lesungen aus der Bibel in volkssprachlicher Weise ab, so dass die von der Gemeinde verstanden wurden? Finde den Fehler.

Mal davon abgesehen, dass du jetzt wieder im Modus bist, zu unterstellen, die Geistlichkeit hätte den Gläubigen den Glauben an Hexen und Zauberer gepredigt und zur Verfolgung aufgerufen (top-down-Modell, dem der Ablauf der Prozesse und die Verteilung in Raum und Zeit widerspricht).

Was ist das für eine Argumentation? Auch hier reichte für die Analphabeten in der Predigt das Wort Hexe aus der Bibel. Und wer lesen konnte, konnte in der Lutherbibel das Wort Hexe selbst lesen – von einem Hexer stand da nichts.
Augenscheinlich eine Argumentation, die dir nicht besonders gefällt, die aber möglicherweise ihre Berechtigung hat.

Woher nimmst du die Gewissheit, dass diese Bibelstelle regelmäßig Gegenstand von Predigten war? Lässt sich das irgendwie belegen?
Ja, wer lesen und sich eine Bibel leisten konnte konnte lesen, dass da "Hexe" stand.

Deswegen hatte man in der Bevölkerung vermutlich mehr auf (sonderbare) Frauen geachtet als auf (sonderbare) Männer. Das heißt aber nicht, dass man in protestantischen Gebieten nur Frauen anklagte.
Eigenartig, nicht?
Wo doch Luther nur etwas von Hexen, nicht aber von Hexern/Zauberern schrieb.

Wenn Luther als einziger Maßstab gegolten hätte und der so rezipiert worden wäre, wie du das beanspruchst, hätte, da Luther keine männlichen Hexer/Zauberer erwähnte das Ergebnis aber doch sein müssen, dass es zu keinen Verfahren mehr gegen männliche Personen wegen Hexerei gekommen wären?
Das es dazu kam, auch wenn das nur eine Minderheit der Fälle war, belegt, dass entweder nicht Luther das Maß der Dinge war, was Vorrantreiben und Gestalt der Prozesse betraf, oder aber, dass Luther entgegen deiner Auffassung eben nicht dahingehend exklusiv verstanden wurde, dass er männliche Hexer/Zauberer ausgeschlossen hätte.
 
מְכַשֵּׁפָ֖ה לֹ֥א תְחַיֶּֽה
məḫ⁠ašāh lō təḫayæh

in der lateinischen Fassung nach Hieronymus:
maleficos non patieris vivere​

Hebräisch: Die Hexe sollst du nicht leben lassen.
Hieronymus: Die Übeltäter sollst du nicht leben lassen
כ (kaf) ohne Dageš und ח (ḫet) werden beide [χ] gesprochen (כּ (kaf) mit Dageš [k]), daher bei zwei verschiedenen Buchstaben die Transkription -ḫ⁠- (entspricht [χ]).
 
Ich sage, das lag an dem, was Augustinus und vor allem Thomas von Aquin geschrieben. Sie schufen die geistige bzw. theoretische Grundlage für die Hexenverfolgungen.
Also Augustinus und vor allem Thomas von Aquin haben geistig und theoretisch das Fundament für Hexenverfolgung gelegt?

Im gesamten Opus von Augustinus dürfte es schwerfallen, überhaupt auch nur das Stichwort Hexe ausfindig zu machen. Augustinus lebte in der Spätantike im 4. und 5. Jahrhundert. Da gab es vielleicht Lamien, Harpyien und Halbgöttinnen wie Kirke, die Odysseus Männer in Schweine verwandelte, aber es gab noch keine Hexen und keine Hexenverfolgung, und Augustinus hatte ganz andere Sorgen, statt Klimakatastrophen, und Hexensekten waren es die Vandalen, die seinen Bischofssitz Hippo Regius bedrängten.

Wo hat Augustinus etwas zu Hexen geschrieben? Wo hat er sich zu Teufelspakt, Hexenflug und Schadenszauber geäußert?

Auch bei Thomas von Aquin dürfte es schwerfallen, in dessen Schriften Passagen zu finden, in denen es explizit um Hexerei, Hexenflug, Teufelspakt und Schadenszauber geht.

Damit hat weder Augustinus, noch Thomas von Aquin sich ausdrücklich auseinandergesetzt. Zu Augustinus Zeiten gab es überhaupt noch keine Hexen, das ganze Konstrukt von Teufelspakt, Hexenflug und Schadenszauber war spätantikem Denken völlig fremd. Zu Thomas von Aquins Zeiten gab es noch keine Hexenprozesse.

Abgesehen davon, dass Augustinus mal was zu Dämonen geschrieben hat, Thomas von Aquin Häresie für schlimmer als Mord und Falschmünzerei hielt und alle beide äußerst frauen-, juden- und sexualfeindlich eingestellt waren, gibt es im ganzen Opus nichts, was auch nur entfernt mit Hexenwahn in Verbindung zu bringen wäre.

Wenn Augustinus und Thomas von Aquin sozusagen die Theoretiker und Chefideologen waren, die das geistige Fundament für den Hexenwahn gelegt haben, so würde es mich wirklich interessieren, wie sie das eigentlich bewerkstelligt haben, wenn es zu Augustinus Zeiten weder Hexen, noch Hexenprozesse gab und im gesamten Opus nicht einmal das Wort vorkommt und wenn es zu Thomas von Aquins Zeit keine Hexenprozesse gab und keine Forderung nach Hexenprozessen, wenn Hexenprozesse überhaupt als Phänomen erst 1000-1200 Jahre nach Augustinus und 200 bis 400 Jahre nach Thomas von Aquin auftreten- wie will man dann diese sozusagen als Theoretiker und Chefideologen festmachen?

Was hat Augustinus De Civitate Dei zu tun mit Hexenverfolgungen in Lothringen, Wallis und Savoyen mehr als 1000 Jahre nach seinem Tod? Was hat Thomas von Aquin zu tun mit Hexenprozessen in Würzburg, Bamberg und Lemgo 250-400 Jahre nach seinem Tod. #

Ehrlich gesagt, ich habe den Eindruck, dass ich nicht der Einzige bin, der sich fragt, wie man diesen geistigen Spagat überhaupt hinbekommt.
 
Die Kirche hat trotz Augustinus und Thomas von Aquin lange zurecht negiert, dass es so etwas wie Zauberei gibt.

Nein! "Die Kirche" hat keineswegs negiert, dass es Zauberei gibt, hat Schadenzauber und Magie keineswegs für unmöglich gehalten, sie hielt es nur lange Zeit für unmöglich und für Aberglauben, dass Hexen fliegen können, dass sie mit Besen, Böcken, Ofengabeln durch die Luft reiten können.

Auch römische Inquisitoren wie Francesco Albizzi hielt Magie nicht für völlig unmöglich, er zog aber naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate und versuchte "Magie" wissenschaftlich zu erklären.
 
Wenn Augustinus und Thomas von Aquin sozusagen die Theoretiker und Chefideologen waren, die das geistige Fundament für den Hexenwahn gelegt haben, so würde es mich wirklich interessieren, wie sie das eigentlich bewerkstelligt haben, wenn es zu Augustinus Zeiten weder Hexen, noch Hexenprozesse gab und im gesamten Opus nicht einmal das Wort vorkommt und wenn es zu Thomas von Aquins Zeit keine Hexenprozesse gab und keine Forderung nach Hexenprozessen, wenn Hexenprozesse überhaupt als Phänomen erst 1000-1200 Jahre nach Augustinus und 200 bis 400 Jahre nach Thomas von Aquin auftreten- wie will man dann diese sozusagen als Theoretiker und Chefideologen festmachen?
Das ist bei Herbert Eiden nachzulesen: https://www.forum.lu/wp-content/uploads/2015/11/4393_198_Herbert.pdf

Hier ein paar (Ab)Sätze daraus, die ich für wesentlich halte:

Weder die Bibel noch die Römer kannten den Begriff der Hexe oder des Hexers. Allerdings war der Glaube an Zauberer und die Wirkung magischer Handlungen offenbar in allen Kulturen und zu allen Zeiten vorhanden.
(…)
Damit aus einer ‚Zauberin‘ eine ‚Hexe‘ wurde, bedurfte es noch der Durchsetzung der Positionen einflußreicher geistlicher Autoren.
Mit der immer wieder zitierten Schlüsselstelle aus dem Bundesbuch im Alten Testament „Eine Zauberin sollst Du nicht leben lassen“ (Exodus 22, 17) erhielt die Verfolgung dieser Personen gewissermaßen göttliche Autorität und Auftrag. Gemeint waren hier heidnische Praktiken wie Astrologie, Totenbeschwörung und Magie, um deren Bekämpfung sich das Christentum von Anfang an bemühte. Die Kirche sah im Schadenzauber, den sie für durchaus real hielt, einen Beweis für den Götzendienst der Zauberer. Auf diesen Grundlagen entwickelte der hl. Augustinus (354-430) seine fatale Theorie des Teufelspaktes.
(…)
Zwar wurde die Möglichkeit eines teuflischen Zauberwesens nicht prinzipiell in Frage gestellt, aber doch weitgehend als Aberglaube verurteilt, der durch Kirchenstrafen wie Bußen oder – in schweren Fällen – durch Ausschluß aus der Gemeinschaft geahndet werden sollte.
In diesen weitgehend harmlosen Bahnen hätte die Entwicklung weiterlaufen können, wenn nicht der althergebrachte Zauberglaube von den Gelehrten der Hochscholastik – allen voran Thomas von Aquin (1224-1274) – mit der spätantiken Dämonenlehre in Zusammenhang gebracht worden wäre. Anknüpfend an die Teufelspakttheorie des Augustinus und unter Berufung auf mehrere Bibelstellen über die Gefährlichkeit der Zauberer entwickelte Thomas von Aquin die Vorstellung von einer teuflischen ‚Gegenkirche‘, die schärfstens bekämpft werden müsse.
(…)
Mit ihrem Abfall vom christlichen Glauben und dem Pakt mit dem Teufel machten sich die Zauberer der schwersten Untat schuldig: des Verbrechens gegen die göttliche Majestät. Damit geraten nun die Ketzer wieder in den Blick.
Wegen des starken Anwachsens der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Oberitalien war die Kirche bemüht, die Gefährlichkeit der Häretiker für die etablierte Ordnung in immer grelleren Farben zu malen. So unterstellte man ihnen magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Menschen oder Tiergestalt erscheine. In diesem Glauben an das Treiben der Ketzersekte liegt die Keimzelle für die späteren Vorstellungen des Hexensabbats. Jetzt war es nur noch ein kleiner Schritt, den traditionellen Zauberglauben mit Häresie in Verbindung zu bringen. Denn wenn Ketzer Schadenzauber verübten und den Teufel anbeteten, wenn Zauberei nur durch Glaubensabfall mit Hilfe des Teufelspaktes bewerkstelligt werden konnte, dann hatte man es in beiden Fällen mit ähnlich schweren Verbrechen zu tun. Die Zauberei wurde zu einem Unterfall der Ketzerei. Da war es nur folgerichtig, daß man auch den Zauberern vorwarf, ihre Praktiken nächtens nach Art einer organisierten Untergrund-Sekte zu betreiben. Allmählich kristallisierte sich mit Schadenzauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: das crimen magiae, das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) geradezu die Aufmerksamkeit der Ketzerinquisitoren verlangte.
(…)
Während in den früheren Schadenzauberprozessen einzelne Delikte zur Aburteilung gelangten, wurden nun Teufels- und Dämonenlehre, Volksaberglauben, zauberische Praktiken, Vorstellungen vom nächtlichen Flug der Unholden und den Ketzersabbaten zu einem „rechtlichen kumulativen häretischen Hexenbegriff“ (Trusen) subsumiert. Hexen handelten nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer großen Verschwörung. Die ihnen zur Last gelegten Übeltaten verdichteten sich immer mehr zu fünf Kerndelikten – Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber –, die von allen Hexen gemeinsam begangen wurden. Darin liegt auch die große Bedeutung, die der durch Folter erpreßten Angabe von Namen vermeintlicher Mittätern in den Hexenprozessen zukam. Denn zur Verschwörung bedurfte es Komplizen auf dem Hexensabbat.
 
Auch römische Inquisitoren wie Francesco Albizzi hielt Magie nicht für völlig unmöglich, er zog aber naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate und versuchte "Magie" wissenschaftlich zu erklären.
Ich möchte behaupten, dass selbst heute, die meisten Leute von sich weisen würden an Magie zu glauben, trotzdem sehr viele davon "magische" Handlungen vollziehen (z.B. auf Holz klopfen, die 13 meiden etc., mit Figuren in Horrorfilmen reden ("geh nicht dem gruseligen Geräusch im Keller nach, geh nicht dem gruseligen Geräusch im Keller nach... *seufz* ...sie geht dem gruseligen Geräusch im Keller nach"), die Verkehrsampel beschwören ("Bleib grün, bleib grün, bleib grün.... Mist!... Werd grün, werd grün, werd grün")...).
 
Also Augustinus und vor allem Thomas von Aquin haben geistig und theoretisch das Fundament für Hexenverfolgung gelegt?

Im gesamten Opus von Augustinus dürfte es schwerfallen, überhaupt auch nur das Stichwort Hexe ausfindig zu machen. Augustinus lebte in der Spätantike im 4. und 5. Jahrhundert. Da gab es vielleicht Lamien, Harpyien und Halbgöttinnen wie Kirke, die Odysseus Männer in Schweine verwandelte, aber es gab noch keine Hexen und keine Hexenverfolgung, und Augustinus hatte ganz andere Sorgen, statt Klimakatastrophen, und Hexensekten waren es die Vandalen, die seinen Bischofssitz Hippo Regius bedrängten.
Gekannt hat er die Idee aber vermutlich schon. Schon das Zwölftafelgesetz stellte ja das Wegzaubern oder Zu-sich-herüber-Zaubern von Feldfrüchten und allgemein den Schadenszauber (wenn man "malum carmen" so übersetzen will) unter Strafe.

Daran waren Augustinus, Thomas von Aquin und Luther dann aber vermutlich wirklich unschuldig. :)
 
Ich möchte behaupten, dass selbst heute, die meisten Leute von sich weisen würden an Magie zu glauben, trotzdem sehr viele davon "magische" Handlungen vollziehen (z.B. auf Holz klopfen, die 13 meiden etc., mit Figuren in Horrorfilmen reden ("geh nicht dem gruseligen Geräusch im Keller nach, geh nicht dem gruseligen Geräusch im Keller nach... *seufz* ...sie geht dem gruseligen Geräusch im Keller nach"), die Verkehrsampel beschwören ("Bleib grün, bleib grün, bleib grün.... Mist!... Werd grün, werd grün, werd grün")...).

Klar und Leute vertrauen auf Horoskope oder Glücksbringer und Talismane.

Fast jeder Angler oder Jäger hat besondere Glücksbringer, die Büchse, mit der man immer trifft, die Angel oder den Wobbler/Blinker mit der man Erfolg hat, vertraut auf einen bestimmten Locker, schwört auf Geheimzutaten.
Sportler tragen ein bestimmtes Trikot das alles ist eigentlich völlig irrational, nicht empirisch belegbar, aber dennoch hält man an solchen Ritualen fest, greift man auf magische Praktiken zurück, um den Sechzehnender oder 10 Kilo-Hecht oder den einen kapitalen Bock aus der Reserve zu locken.

Ich möchte wetten, dass die meisten Wildlocker oder Kunstköder nicht gekauft werden, weil sie den Füchsen, Böcken oder Hechten so gut gefallen, sondern weil sie die Angler und Jäger ansprechen.
 
Das ist bei Herbert Eiden nachzulesen: https://www.forum.lu/wp-content/uploads/2015/11/4393_198_Herbert.pdf

Hier ein paar (Ab)Sätze daraus, die ich für wesentlich halte:

Weder die Bibel noch die Römer kannten den Begriff der Hexe oder des Hexers.

Im 1. Buch Samuel (Samuel 1, 28, 3-25) nimmt König Saul nach dem Tod des Richters Samuel den Rat der Hexe von Endor in Anspruch, die sozusagen eine Seance mit dem schon verstorbenen Samuel herstellt. Da kann man sich streiten, ob das eine Hexe war. In der Calwer Bibelkonkordanz kommt das Wort nicht vor, wir übersetzt als Frau mit Wahrsagegeist begabt, Totenbeschwörerin.


Allerdings war der Glaube an Zauberer und die Wirkung magischer Handlungen offenbar in allen Kulturen und zu allen Zeiten vorhanden.
(…)
Damit aus einer ‚Zauberin‘ eine ‚Hexe‘ wurde, bedurfte es noch der Durchsetzung der Positionen einflußreicher geistlicher Autoren.
Mit der immer wieder zitierten Schlüsselstelle aus dem Bundesbuch im Alten Testament „Eine Zauberin sollst Du nicht leben lassen“ (Exodus 22, 17) erhielt die Verfolgung dieser Personen gewissermaßen göttliche Autorität und Auftrag. Gemeint waren hier heidnische Praktiken wie Astrologie, Totenbeschwörung und Magie, um deren Bekämpfung sich das Christentum von Anfang an bemühte. Die Kirche sah im Schadenzauber, den sie für durchaus real hielt, einen Beweis für den Götzendienst der Zauberer. Auf diesen Grundlagen entwickelte der hl. Augustinus (354-430) seine fatale Theorie des Teufelspaktes.
(…)
Zwar wurde die Möglichkeit eines teuflischen Zauberwesens nicht prinzipiell in Frage gestellt, aber doch weitgehend als Aberglaube verurteilt, der durch Kirchenstrafen wie Bußen oder – in schweren Fällen – durch Ausschluß aus der Gemeinschaft geahndet werden sollte.
In diesen weitgehend harmlosen Bahnen hätte die Entwicklung weiterlaufen können, wenn nicht der althergebrachte Zauberglaube von den Gelehrten der Hochscholastik – allen voran Thomas von Aquin (1224-1274) – mit der spätantiken Dämonenlehre in Zusammenhang gebracht worden wäre. Anknüpfend an die Teufelspakttheorie des Augustinus und unter Berufung auf mehrere Bibelstellen über die Gefährlichkeit der Zauberer entwickelte Thomas von Aquin die Vorstellung von einer teuflischen ‚Gegenkirche‘, die schärfstens bekämpft werden müsse.
(…)
Mit ihrem Abfall vom christlichen Glauben und dem Pakt mit dem Teufel machten sich die Zauberer der schwersten Untat schuldig: des Verbrechens gegen die göttliche Majestät. Damit geraten nun die Ketzer wieder in den Blick.
Wegen des starken Anwachsens der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Oberitalien war die Kirche bemüht, die Gefährlichkeit der Häretiker für die etablierte Ordnung in immer grelleren Farben zu malen. So unterstellte man ihnen magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Menschen oder Tiergestalt erscheine. In diesem Glauben an das Treiben der Ketzersekte liegt die Keimzelle für die späteren Vorstellungen des Hexensabbats. Jetzt war es nur noch ein kleiner Schritt, den traditionellen Zauberglauben mit Häresie in Verbindung zu bringen. Denn wenn Ketzer Schadenzauber verübten und den Teufel anbeteten, wenn Zauberei nur durch Glaubensabfall mit Hilfe des Teufelspaktes bewerkstelligt werden konnte, dann hatte man es in beiden Fällen mit ähnlich schweren Verbrechen zu tun. Die Zauberei wurde zu einem Unterfall der Ketzerei. Da war es nur folgerichtig, daß man auch den Zauberern vorwarf, ihre Praktiken nächtens nach Art einer organisierten Untergrund-Sekte zu betreiben. Allmählich kristallisierte sich mit Schadenzauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: das crimen magiae, das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) geradezu die Aufmerksamkeit der Ketzerinquisitoren verlangte.
(…)
Während in den früheren Schadenzauberprozessen einzelne Delikte zur Aburteilung gelangten, wurden nun Teufels- und Dämonenlehre, Volksaberglauben, zauberische Praktiken, Vorstellungen vom nächtlichen Flug der Unholden und den Ketzersabbaten zu einem „rechtlichen kumulativen häretischen Hexenbegriff“ (Trusen) subsumiert. Hexen handelten nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer großen Verschwörung. Die ihnen zur Last gelegten Übeltaten verdichteten sich immer mehr zu fünf Kerndelikten – Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber –, die von allen Hexen gemeinsam begangen wurden. Darin liegt auch die große Bedeutung, die der durch Folter erpreßten Angabe von Namen vermeintlicher Mittätern in den Hexenprozessen zukam. Denn zur Verschwörung bedurfte es Komplizen auf dem Hexensabbat.

Augustinus war selbst einmal ein Häretiker gewesen und war Anhänger des Manichäismus, bis er durch ein Bekehrungserlebnis (Augustinus Confessiones VIII.) zum "rechten" Glauben fand.

Augustinus wie Thomas von Aquin gehören auch zu den Autoren, die vom Verfasser des Hexenhammers zitiert werden. In Augustinus ganzen Opus steht nichts von Hexen, und die Vorstellung, dass es eine Hexensekte gibt, dass Hexen durch die Luft reiten und sich verabreden, um Schadenszauber zu verüben, war Augustinus völlig fremd. Er starb im Jahre 430 als die Vandalen Hippo Regius bedrängten, das ist gut und gerne 1000 Jahre, bevor in einer Urkunde aus der Schweiz (1419 in Luzern) das erste Mal das Wort "Hexe" auftauchte. Das ist mehr als 1000 Jahre bevor es in Savoyen, Lothringen, Wallis und Oberitalien zu ersten Prozessen kam und zwischen Augustinus Tod und dem Höhepunkt des Hexenwahns 1560-1660 liegen mehr als 1200 Jahre.

Franz Irrsiegler und Arnold Lasotta beschäftigten sich in den 1980er mit Außenseitern in einer mittelalterlichen, besser frühneuzeitlichen Stadt. In Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker schreiben die Autoren, dass anscheinend Zauberbücher wie das 6. und 7. Buch Moses recht weit verbreitet waren, und besonders häufig Geistliche solche Bücher besaßen. In seinen Tischgesprächen erwähnt Luther einen Studenten, der angeblich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, damit der ihm durchs Examen half- da war eine Kirchenbuße das Höchste, was dabei rauskam.

Hast du das auch gelesen? Aus dem verlinkten Artikel S. 37:


Damit fiel auch die Verfolgung von Zauberei und Häresie in ihren Zuständigkeitsbereich (Der Glaubenskongregation oder Römischen Inquisition)... Zwar glaubten die Kardinäle durchaus an die Realität magischer Verbrechen, aber insgesamt wurden erstaunlich wenige Hexenprozesse vor den Kardinal-Inquisitoren geführt. In den Quellen lässt sich sogar ein großes Unverständnis der römischen Inquisitoren für das Ausmaß der Hexenverfolgung nördlich der Alpen erkennen. Die um das Jahr 1620 entstandene römische Anweisung zur Praxis in Hexerei oder Zauberei-Verfahren fasste den Rahmen für solche Prozesse eng. So musste ein konkreter Schadensfall vorliegen, um ein Verfahren einzuleiten, eine einfache Denunziation reichte nicht aus. Ein Arzt sollte feststellen, ob es keine natürlichen Ursachen für eine Schädigung gab. Erst wenn der Arzt und ein zweiter Gutachter keine natürliche Erklärung fanden, wurde ein Verfahren eingeleitet. Beklagte konnten Zeugen schriftlich vernehmen und Eingaben zu ihrer Verteidigung machen. Grundsätzlich war der Einsatz der Folter erlaubt, diese durfte jedoch nur in milder Form, durch aufziehen an Seilen erfolgen. Zwar konnte die Inquisitionsbehörde auch den Feuertod verhängen, sie war aber offensichtlich mehr an der Läuterung, der von Gott abgefallenen Hexen und Tauberer interessiert sowie an deren Rückführung in die christliche Gemeinschaft. Die massenhaften Prozesse während des Höhepunkts der mitteleuropäischen Hexenverfolgung zwischen 1560 und 1700 waren das Werk weltlicher Gerichte.

Das passt zu dem, was ich anderswo schon schrieb: Die Römische Inquisition war in ihrem Vorgehen gegen Hexen weitaus zurückhaltender und maßvoller als jede beliebige Gericht nördlich der Alpen.
 
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