Nun, ob Stump, wirklich ein Mörder und Vergewaltiger war, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Er kann auch, wie so viele Opfer des Hexenwahns geworden sein, ohne realen Hintergrund. Wo möglich, stammt der Kannibalismus auch von Tierbiss. Das konnte man damals nicht einwandfrei ergründen. Soviel ich weiß, wurde er und seine Tochter gefoltert. So kann sich die ganze Sache auch viel weniger spektakulär abgespielt haben und eher sadistische Gelüste der Richter oder der Berichtschreiber spiegeln. Es dürfte wohl auch nicht wundern, wenn man die Geschichte mit der Zeit immer grausamer und reißerischer wiedererzählt.
Die Prozessakten sind nicht erhalten, die einzigen Quellen, die zu dem Fall existieren, sind Flugschriften, darunter mehrere deutsche und eine englische Quelle. Die Flugblätter sind alle recht zeitnah entstanden, und in zahlreichen Details berichten sie das Gleiche. Die englische Quelle ist ausführlicher, und sie überliefert einige Details, die in deutschen oder niederländischen Flugblättern sich nicht finden. Da die Flugblätter in vielen Details die gleichen Informationen überliefern, auch relativ zeitnah entstanden sind, kann man schon davon ausgehen, dass die Autoren aus den Prozessakten zitierten.
Ob und wieweit Peter Stubbe gefoltert wurde, ob man Geständnisse von ihm erpresst hat, ist fraglich. Durchaus nicht unwahrscheinlich. Nach Weinsbergs Chronik verhielt sich Stubb wie ein reuiger armer Sünder. Weinsberg schrieb, dass Stubb gestanden habe, ohne Folter, dass man ihm die Geräte gezeigt und er daraufhin gestanden habe.
In einigen Punkten stimmen alle Quellen überein:
1. Wolfsverwandlung
2. Inzest und Missbrauch mit der Tochter Beel (Sibylle) Stump.
3. Mord an 13 Kindern, darunter dem eigenen Sohn, dessen Gehirn Stump verzehrte.
Vergewaltigung an mehreren Frauen, Mord an Schwangeren, Verzehr ihrer Föten, Tötung von Vieh erscheint in verschiedenen Flugschriften, es gibt aber zur Überführung des Täters verschiedene Überlieferungen, und in einigen Punkten widersprechen sich die Quellen, finden sich in einem englischen Flugblatt Informationen, von denen die anderen Quellen nichts wissen.
In wesentlichen Punkten gibt es aber eine Übereinstimmung, die Quellen sind zeitnah entstanden, man kann davon ausgehen, dass die Autoren aus den Prozessakten zitierten. Die Übereinstimmung in zentralen Punkten spricht doch eher gegen die These, dass die Autoren der Flugschriften völlig unbelegte Behauptungen überlieferten, dass es sich um einen Schauprozess handelte, bei dem das Urteil von vornherein feststand.
Es ist auch fraglich, ob von Stubb oder seiner Tochter tatsächlich Geständnisse durch die Folter erpresst wurden, es gibt durchaus Indizien dafür, dass Peter Stubb freiwillig gestand und sich in die Rolle des "armen Sünders" einfügte. Die Quellenlage ist wie gesagt dürftig. Die Prozessakten sind nicht erhalten, lediglich Flugblätter, und diese überliefern teilweise widersprüchliche Informationen. Einiges was zur Überführung des Täters überliefert wurde, bewegt sich im Rahmen zeitgenössischer Mythen, die sich auch in anderen Werwolf-Prozessen finden.
Was sich anhand der Quellen an Fakten rekonstruieren lässt, ist wenig. Die Flugblätter berichten aber relativ zeitnah, es gibt Detail, die andere Quellen nicht kennen. In vielen Punkten stimmen die Quellen aber überein. Man muss ihnen durchaus nicht alles glauben. Wolfsverwandlung, Teufelspakt-das sind Dinge, die der erfahrbaren Realität widersprechen. Grausam war Stubbes Hinrichtung zweifellos. Sie entsprach aber der Logik der frühneuzeitlichen Strafjustiz, dass die Strafe die Tat wiederspiegeln sollte. Die Faktenlage ist dürftig, was sich aber aus den Quellen rekonstruieren lässt, reicht durchaus aus, einem den Magen umzudrehen.
Man muss den Quellen, den deutschen und englischen Flugblättern und Weinsbergs Chronik durchaus nicht alles glauben, vieles ist durchaus fraglich. Wir haben aber nur diese Quellen, man kann ihnen misstrauen, man kann Indizien anzweifeln.
Wenn man sie aber völlig verwirft, wenn man sagt, es kann auch ganz anders gewesen sein, es kann Peter Stubbe ein Justizopfer gewesen sein, es kann seine Exekution auch Ausfluss sadistischer Motive der Richter gewesen sein, es kann Peter Stubb ein Opfer eines Justizmordes gewesen sein, dann verlässt man völlig den Bereich der Quellen, dann begibt man sich auf das Feld der reinen Mutmaßung. Man kann Quellen misstrauen, kann ihre Objektivität in Frage stellen. Ohne Quellen aber sind wir gar nichts, und wenn man Quellen verwirft, weil einem das Ergebnis ideologisch nicht gefällt, dann verlässt man den Bereich der Wissenschaft und begibt sich auf das Gebiet der Pseudo-Wissenschaft.
Für die These, dass mit Peter Stubb ein berüchtigter Serienmörder und Kannibale exekutiert wurde, der mehr als 20 Jahre sein Unwesen trieb, der mit seiner Tochter jahrelang Missbrauch trieb, der zugab, seinen Sohn getötet zu haben und sein Gehirn verspeiste- dafür gibt es Indizien und Quellen, man mag ihnen nicht alles glauben, mag ihnen in manchen Punkten misstrauen, aber es gibt diese Quellen.
Für die These, dass Stubb ein unschuldiges Justizopfer war, dass es die Taten gar nicht gab, dass seine Verurteilung nur dem Sadismus der Richter und dem Voyeurismus und der Sensationsgier der Zeit geschuldet war- dafür gibt es gar keine Indizien, Quellen oder Berichte. Es ist diese These eine bloße Behauptung, und sie kann nicht aufrecht erhalten werden, denn eine These muss verifizierbar sein.
An der Sache mit der Blutgräfin muss man auch ein großes Fragenzeichen dahinter stellen. Vor allem das bekannteste Detail, das sie im Blut von Jungfrauen badete, um ihre Schönheit zu erhalten, ist erst Jahrzehnte nach ihrem Tod aufgekommen. Aber um auf Stump zurückzukommen, ja, es klingt stark nach dem Muster eines Serienmörders und ja, es kann sehr gut sein, dass dies eben einer der frühesten bekannten Fälle, die wir kennen ist, der in diese Richtung weist. Auch der Ritter Gilles de Rais war wohl, zweihundert Jahre früher einer. Bei de Rais dürfen wir wohl sogar sicher sein, dass er wirklich ein Monster war.
Auch bei Elisabeth Bathory muss man den Quellen nicht alles glauben, kann man die Objektivität stellenweise in Frage stellen. Die Indizien und Quellen, die dafür sprechen, dass Bathory tatsächlich eine Serienmörderin war, lassen sich ähnlich wie im Fall Stubb nicht einfach wegdiskutieren. Györky Pollack und Michael Farin, die als Herausgeber einer aktuellen Quellensammlung zum Fall Bathory sich eingehend mit den zeitgenössischen Quellen und der Entstehung der historischen Legenden um Bathory beschäftigten, halten beide Bathory keineswegs für unschuldig.
Doch ob es nun ein Justizmord war oder er für unglaubliche Verbrechen bestraft wurde, werden wir nie mit Sicherheit wissen können. Doch dass die Hinrichtung grausam war, das ist wohl außer Frage.
Für die These, dass Stubb ein Serienmörder und Kannibale war, dafür gibt es zumindest Quellen und Indizien. Denen muss man nicht alles glauben, in einigen Punkten stimmen die Flugblätter überein, in anderen widersprechen sie sich.
Für die Justizmord-These gibt es dagegen überhaupt keine Indizien, keine Quellen, gar nichts! Die Hinrichtung war nach heutigem Empfinden grausam. Wir wissen aber nicht, ob Stubb noch lebte, als ihm der Henker die Glieder brach, wir wissen nicht, ob seine Tochter noch lebte, als man sie verbrannte. Nach modernem Verständnis war Beel Stump ein Missbrauchsopfer, wieweit sie Mittäterin war, das wissen wir nicht.
Stubb muss seine Taten gestanden haben. Es ist fraglich, ob Geständnisse erfoltert wurden. Wenn man Weinsberg glaubt, verhielt sich Stubb als reuiger Sünder, gestand seine Verbrechen ohne, dass er gefoltert wurde. Alle Flugschriften erwähnen Mord an 13 Kindern.
Stubbs Exekution war eine spiegelnde Strafe, nach modernem Verständnis zweifellos barbarisch. Aber hat der Täter das auch so empfunden? Wenn man Hermann Weinsberg glaubt, hat Stubb sich konform verhalten, sich als reuiger, armer Sünder gezeigt. Es ist durchaus möglich, dass er freiwillig gestand. Ein Täter, der gestand, der sich als reuiger armer Sünder hinrichten ließ.
Man muss den Quellen nicht alles glauben, mag ihre Objektivität bezweifeln. Wolfsverwandlung, Teufelspakt-das sind Dinge, die der erfahrbaren Realität widersprechen. Man kann eingestehen, dass wir vieles einfach nicht sicher wissen.
Quellen aber völlig verwerfen und etwas hineininterpretieren, was dort nicht steht, heißt die Basis des Verifizierbaren verlassen, heißt aus dem Bauch heraus zu argumentieren. Man muss Quellen nicht alles glauben, mag aus guten Gründen ihre Neutralität bezweifeln. Vieles wissen wir einfach nicht, vieles bleibt fraglich. Aber das kann ja keine Rechtfertigung dafür sein, dass man Quellen völlig verwirft und das, was man nicht genau weiß füllt mit reinen Vermutungen.