Legale Vorbereitung eines Angriffskrieges?

Ogrim

Aktives Mitglied
In einer aktuellen Debatte kam folgende Streitfrage auf:
"Ist es wirklich so, daß die Vorbereitungen in verschiedenen Ländern, besonders in Deutschland, auf den ersten Weltkrieg vor der UN Charta bzw. vor der Ratifizierung des Völkerstrafrechtsgesetzbuches keine Straftat darstellten? War die Vorbereitung eines Angriffskrieges damals international akzeptabel und juristisch unbedenklich?"
Wir sprachen darüber auf einem Schiessplatz, der bereits 1908 angelegt wurde und die Wälle und Gräben des ersten Weltkrieges bereits vollständig aufweist, ebenso wie die Stellungen für Maschinengewehre.
Ich habe einige Diskussionen hier verfolgt, unter anderem "Der Kult der Offensive" und war von der Tiefe der Beiträge ebenso beeindruckt wie vom Wissen der DiskuttandInEn.
Auf diese konkrete Frage fand ich leider noch keine Antwort.
 
"Ist es wirklich so, daß die Vorbereitungen in verschiedenen Ländern, besonders in Deutschland, auf den ersten Weltkrieg vor der UN Charta bzw. vor der Ratifizierung des Völkerstrafrechtsgesetzbuches keine Straftat darstellten? War die Vorbereitung eines Angriffskrieges damals international akzeptabel und juristisch unbedenklich?"
1. Der 1. Weltkrieg hat mit der UN-Charta insofern nichts zu schaffen, als dass diese erst nach dem 2. Weltkrieg begründet wurde.
Zu den Grundlagen des Rechts gehört das Rückwirkungsverbot, so dass Rechtsnormen nicht auf Ereignisse anwendbar sind, die vor deren Beschluss stattgefunden haben.

2. Es gab bis in die 1920er Jahre keine internationale Vereinbarung, die Angriffskriege per se für illegal erklärte. Das kommt erst mit dem Briand-Kellogg-Pakt am Ende der 1920er Jahre, dem Deutschland damals beitrat und der die Grundlage dafür bildete, dass man nach dem Krieg in Nürnberg gegen die Hauptkriegsverbrecher wegen Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges prozessieren konnte.

3. Es spricht, was den 1. Weltkrieg betrifft nicht viel dafür, dass von deutscher Seite ein dezidierter Angriffskrieg vorbereitet worden wäre, auch wenn diese Vorstellung noch viel durch die Literatur geistert.
Betrachtet man allerdings, dass Jahrelang (vor 1912) überhaupt keine Landrüstung getrieben, vor dem Krieg keine autarke Munitionsproduktion aufgebaut wurde etc. spricht das eher dagegen, dass hier ein Angriffskrieg vorbereitet worden wäre.

Allenfalls könnte man diskutieren, ob der "Blankoschek" an die Donaumonarchie einem solchen Handeln entsprechen könnte, wobei da eventuell einzuwenden wäre, dass man in Wien diesen Gedanken schon durchaus selbst hatte und mit der Bitte um Unterstützung an Berlin herntrat.
So gesehen könnte man eventuell Berlins Absicht diplomatisch den Boden zu bereiten, damit Wien einen Abrechnungskrieg gegen Serbien beginnen konnte, als Vorbereitung bezeichnen.

Wenn man allerdings bei Analogien zur Moderne und modernen völkerrechtlichen Auffassungen ist:

Mit der Anerkennung des NATO-Bündnisfalls im Fall der USA gegen Afghanistan, wegen der Anschläge des 11. September 2001, so wie der Weigerung der afghanischen Regierung Personen auszuliefern, die der Urheberschaft verdächtigt wurden, haben wenigstens die westlichen Staaten anerkannt, dass ein Terroranschlag und das anschließende Beherbergen und Schützen dafür verantwortlicher Terroristen, einen Verteidigungskrieg legitimieren kann.
Würde man diese Ansicht auf die Ereignisse von 1914 zurückprojezieren könnte man zu dem Schluss kommen, dass nach dem Attentat von Sarajevo und der Serbischen Ablehnung das zu untersuchen und österreichische Beamte (das Land war immerhin betroffen) daran zu beteiligen, möglicherweise mit einer ähnlichen Argumentation durchaus zu legitimieren gewesen wäre.


Wir sprachen darüber auf einem Schiessplatz, der bereits 1908 angelegt wurde und die Wälle und Gräben des ersten Weltkrieges bereits vollständig aufweist, ebenso wie die Stellungen für Maschinengewehre.
Schützengräben waren spätestens seit dem russich-japanischen Krieg von 1904/1905 ein Mittel der Kriegsführung, mit dem man rechnen durfte und selbstredend, werden Ausbildungen und Tests von Waffen unter möglichst realistischen Bedingungen, so weit sie zu antizipieren sind veranstaltet.
Das begründet allerdings allenfalls eine Kriegsvorbereitung im Allgemeinen, im Sinne der Landesverteidgung und für sich keine Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Ich habe einige Diskussionen hier verfolgt, unter anderem "Der Kult der Offensive" und war von der Tiefe der Beiträge ebenso beeindruckt wie vom Wissen der DiskuttandInEn.
Der "Kult der Offensive" als Thema ist aber im Kern eine Diskussion um das strategische, operative und taktische Mittel des Krieges.
Es ist richtig, dass die militärischen Planer und Truppenführer der damaligen Zeit eine offensive Operationsführung bevorzugten um einen Krieg schnell zur Entscheidung zu bringen und die Probleme eines Ermattungskrieges möglichst zu umgehen.

Das hat aber nichts mit dem völkerrechtlichen Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges zu tun. Generalabschefs und ihre modernen Entsprechungen entwerfen Kriegspläne in abstracto, weil sich so etwas bei modernen Massenheeren und der Geschwindigkeit moderner Kriegsführung eben nicht improvisieren lässt. Das ist deren Job und hat auch nichts mit irgendwelchen feindlichen Absichten zu tun.

Der Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges betrifft primär nicht die militärische (ausgenommen an den Schnittstellen, wie Kriegs/Verteidigungsministerien, sondern die poltische Ebene.
Maßgeblich für den Tatbestand einer solchen Vorbereitung ist nicht, dass auf irgendwelchen Schießplätzen Waffen getestet oder Personal ausgebildet wird, auch nicht dass in den Generalstäben Pläne für den Kriegsfall in abstracto gemacht werden, sondern maßgeblich ist, dass die zivile Politische Leitung eines Landes, als oberste Entscheidungsinstanz, der das Militär und andere Institutionen unterstehen Schritte unternimmt, die auf das Herbeiführen eines Angriffskrieges hinauslaufen.
Was von Schritten zur Vorbereitung eines Krieges im Allgemeinen zu unterscheiden ist, so lange es keine indizien dafür gibt, dass der Beginn eines solchen Krieges selbst oder positive Kriegsziele im engeren Sinne angestrebt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
keine Landrüstung
Hier muss ich präzisieren: Keine großen Heeresvermehrungen. Ausbau strategischer Bahnen, Einführung neuer Waffenmodelle und Ausrüstungsgegenstände, Festungs- un Eisenbahn-Ausbau sind natürlich irgendwo Rüstung, aber keine form von Rüstung, die daraf zielte einen kurzfristigen großen Vorsprung bei der militärischen Schlagkraft zu gewinnen, der sich für einen Agressionskrieg verwerten ließe, sondern, das waren im Wesentlichen Modernisierungs- und Anpassungsmaßnahmen.

Was ab 1912 betrieben wurde war der Ansatz zur Aufstockung von Heer und militärischer Schlagkraft im größeren Stil, verlief aber nicht autonom von der europäischen Entwicklung, so dass man die Absicht des Erreichen eines kurzfristigen Kräftevorteils konstatieren könnte, sondern korrespondierte mit französischen und russischen Rüstungsprogrammen.
 
Ich denke mal, hier ( WKI, deutscher Einmarschversuch in Frankreich) wird die "strategische" Führung eines Feldzuges von einigen "Zeitgenossen" mit einem Angriffskrieg verwechselt, sei es Bewußt oder in Unkenntnis der tatsächlichen militärischen Verhältnisse in Bezug auf die für einen "Angriffskrieg" nötigen Potenziale.
 
Mit der Anerkennung des NATO-Bündnisfalls im Fall der USA gegen Afghanistan, wegen der Anschläge des 11. September 2001, so wie der Weigerung der afghanischen Regierung Personen auszuliefern, die der Urheberschaft verdächtigt wurden, haben wenigstens die westlichen Staaten anerkannt, dass ein Terroranschlag und das anschließende Beherbergen und Schützen dafür verantwortlicher Terroristen, einen Verteidigungskrieg legitimieren kann.
Würde man diese Ansicht auf die Ereignisse von 1914 zurückprojezieren könnte man zu dem Schluss kommen, dass nach dem Attentat von Sarajevo und der Serbischen Ablehnung das zu untersuchen und österreichische Beamte (das Land war immerhin betroffen) daran zu beteiligen, möglicherweise mit einer ähnlichen Argumentation durchaus zu legitimieren gewesen wäre.
Wichtiger für die völkerrechtliche Einordnung war, dass der UN-Sicherheitsrat dieses Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten legitimierte. 1914 gab es mangels einer entsprechenden internationalen Organisation natürlich keine vergleichbare Legitimationsgrundlage.
 
Wichtiger für die völkerrechtliche Einordnung war, dass der UN-Sicherheitsrat dieses Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten legitimierte. 1914 gab es mangels einer entsprechenden internationalen Organisation natürlich keine vergleichbare Legitimationsgrundlage.
Natürlich nicht.

Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wenn man versucht ein Werturteil auf Grund modernerer Sichtweisen über die Ereignisse zu fällen, man vielleicht auch mal in diese Richtung denken könnte.

Neben den entsprechenden legitimierenden Institutionen gab es damals natürlich auch die Figur des "War on Terror" noch nicht (mal davon ab, dass man die ja nicht unbedingt für sinnvoll halten muss, die Vorstellung Ideen oder terroristische Gruppen mit konventioneller Kriegsführung zu bekämpfen, ist vom praktischen Standpunkt her ja meist eher fehlgeleitet, weil das Mittel nicht wirklich geeignet ist das Ziel zu erreichen, wenngleich es sich sicherlich im Fall von Terrorismus moralisch rechtfertigen lässt, es zumindest zu versuchen).

Wollte man unter Prämissen heutiger Anschauungen die damaligen Vorgänge bewerten, könnte man nämlich durchaus zu dem Schluss kommen, dass die Ereignisse Wien möglicherweise dazu berechtigt haben würden eine Art "War on Terror" gegen Serbien zu führen.
Wenn man sich das Österreichsiche Ultimatum anschaut, finden sich da nämlich durchaus einige Punkte, die in eine solche Argumentations- und Handlungslogik passen würden, wie neben der Untersuchung unter beteiligung österreichischer Beamter, auch das Unterbinden von gegen die K.u.K-Monarchie gerichteter Propaganda, das Auflösen der "Narodna Odbrana" und anderer Vereine (die man modern evt. mindestens zum Teil als Vorfelsorganisationen terroristischer oder des Terrors verdächtiger Vereinigungen betrachten könnte/würde), Verhaftung mutmaßlich in das Attentat involvierter Personen etc.

Betrachtet man das unter diesem Gesichtspunkt und auch unter demjenigen, dass wir durch Überlieferung wissen, dass sich der gemeinsame Ministerrat der K.u.K.-Monarchie darauf festgelegt hatte auf Annexionen zu verzichten, also zumindest keinen Eroberungskrieg zu führen, könnte man schon durchaus darüber diskutieren, ob unter heutigen Gesichtspunkten, dass was Wien da betrieb als übermäßig agressiv und jenseits der Spielregeln wahrzunehmen wäre.
Ich sage ausdrücklich Wien. Berlins Motive das mitzutragen und zu befeuern, wird man durchaus nochmal anders ausdeuten können, weil die berliner Motivlage anders als diejenige in Wien weniger auf Serbien und der Abstellung der problematischen Entwicklungen dort lag, als mehr dahin ging, eine Einhegung Serbiens als ein "nice to have" zu betrachten, in der Hauptsache aber auf die Spaltung der Entente zu zielen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In einer aktuellen Debatte kam folgende Streitfrage auf:
"Ist es wirklich so, daß die Vorbereitungen in verschiedenen Ländern, besonders in Deutschland, auf den ersten Weltkrieg
Diese Debatte geht hier von der völlig irrigen Annahme aus, Deutschland hätte sich auf einen Weltkrieg!!! vorbereitet. Dem kam man keinesfalls zustimmen, dem sprechen auch schon die tatsächlichen Auswirkungen des Krieges in Deutschland in Bezug auf die Versorgungslage von Industrie und Bevölkerung entgegen. Bei einem Vergleich zwischen dem Kaiserreich und "Hitlerdeutschland" finden wir auch diesbezüglich eklatante Unterschiede.
 
Zudem frage ich mich, wie man mit den 1914 vorhandenen Waffen einen effektiven "Angriffskrieg" gegen einen/mehrere!! etwa gleichwertige Gegner hätte führen können/sollen. Die waffentechnische Entwicklung seit Einführung des Hinterladers und des Schnellfeuergeschützes hat die Verteidigung wesentlich mehr gestärkt als den Angriff.
 
Zudem frage ich mich, wie man mit den 1914 vorhandenen Waffen einen effektiven "Angriffskrieg" gegen einen/mehrere!! etwa gleichwertige Gegner hätte führen können/sollen. Die waffentechnische Entwicklung seit Einführung des Hinterladers und des Schnellfeuergeschützes hat die Verteidigung wesentlich mehr gestärkt als den Angriff.
Sagen wir es mal so: Wenn man vor dem Krieg an den entsprechenden industriellen Stellschrauben gedreht hätte, wäre das ggf. möglich gewesen.

Hätte man genügend Kraftwagen angeschafft um wenigstens eine der Armeen auf dem rechten deutschen Angriffsflügel zu motorisieren, ohne dass das auch auf der Gegenseite der Fall gewesen wäre, hätte das mit dem Schlieffenplan ggf. klappen können,
Dann wäre es ggf. möglich gewesen die zurückgehende englische Expeditionsstreitkraft und/oder die französische 5. Armee unter Lanrezac auf dem Rückzug stellen und vernichten können, bevor Joffre Zeit gehabt hätte aus anderswo abgezogenen Truppenteilen die 6. Armee zusammen zu schustern und den kollabierenden linken französischen Flügel zu stabilisieren.

Autarke Munitionsproduktion hätte möglicherweise auch ein Gamechanger sein können, wenn man wenigstens zweitweise die einzige Partei gewesen wäre, die in der Lage gewesen wäre ohne Rücksicht auf Nachschubprobleme unter optimaler Ausnutzung aller vorhandenen Geschütze zu feuern.
Dann hätte man mindestens phasenweise, wenn man auf einen längeren Krieg gesetzt hätte massive Feuerüberlegenheit gehabt und was sich damit anfangen ließ das haben die letzten Kriegsjahre ja gezeigt, sowohl in Russland, als auch an der italienischen front, als am Ende auch im Westen (nur da eben zu Gunsten der Entente).
 
Diese Debatte geht hier von der völlig irrigen Annahme aus, Deutschland hätte sich auf einen Weltkrieg!!! vorbereitet. Dem kam man keinesfalls zustimmen, dem sprechen auch schon die tatsächlichen Auswirkungen des Krieges in Deutschland in Bezug auf die Versorgungslage von Industrie und Bevölkerung entgegen.
So völlig irrig ist die Annahme nicht, Deutschland hat sich ja auf den großen Krieg unter Beteiligung aller Großmächte vorbereitet. Nur mit der Länge des Kriegs hat niemand gerechnet, auch auf der Seite der Entente nicht. Die Versorgungslage war bald bei allen kriegsführenden Parteien prekär, in Russland so desaströs, dass 1917 die Revolution ausbrach.


in Unkenntnis der tatsächlichen militärischen Verhältnisse in Bezug auf die für einen "Angriffskrieg" nötigen Potenziale.

Zudem frage ich mich, wie man mit den 1914 vorhandenen Waffen einen effektiven "Angriffskrieg" gegen einen/mehrere!! etwa gleichwertige Gegner hätte führen können/sollen. Die waffentechnische Entwicklung seit Einführung des Hinterladers und des Schnellfeuergeschützes hat die Verteidigung wesentlich mehr gestärkt als den Angriff.

Man kann natürlich hinterher behaupten, der Schlieffenplan sei in Unkenntnis der tatsächlichen militärischen Verhältnisse entworfen worden, der dort einkalkulierte Zweifrontenkrieg von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Fakt ist aber, dass es einen Plan A (Einmarsch ins neutrale Belgien*, vernichtender Schlag gegen Frankreich binnen weniger Wochen, anschließend Offensive gegen Russland) gab, jedoch keinen defensiven Plan B.

* sicher nur eine militärstrategische Spezialoperation, wer wird da gleich von einem Angriffskrieg reden...
 
Ihr habt beide nicht Unrecht.

Aber es wurden vorher weder genügend LKW noch MGs produziert, ebensowenig ausreichend Munition, noch wurden Mangelrohstoffe bevorratet.
All dies, weil man nur mit einem kurzem Krieg rechnete.

Deutschland konnte sich nur auf einen großen Krieg gegen die Kontinentalmächte vorbereiten, nicht aber gegen GB.
 
Allerdings scheint mir das von Sepiola zitierte "In Un...." hier in falschem Zusammenhang verwendet worden zu sein.

Im übrigen habe ich nicht behauptet, der Schlieffenplan sein in Unkenntnis der militärischen Verhältnisse entworfen worden, die Mängel waren durchaus bekannt.

Vielleicht sollten wir "Angriffskrieg" etwas genauer definieren! Ich möchte Dich, Sepiola, auch bitten, solche Kommentare wie Du unten mit Sternchen vermerkt hast bitte zu unterlassen, das ist wenig zielführend und schafft sicherlich keine gute Diskussionsgrundlage.
 
"War die Vorbereitung eines Angriffskrieges damals international akzeptabel und juristisch unbedenklich?"
Ja. (allerdings nicht für die Nation die sich bedroht fühlte.)

Wie ist das heute? Ist da bereits die Vorbereitung eines Angriffskrieges untersagt, oder der nur Angriffskrieg?
Beim Angriffskrieg wird heute im Völkerrecht, so wie ich es verstehe, zwischen preventive und preemptive unterschieden.
(wir haben im Deutschen leider nur das Wort präventiv welches beides umfasst.)
Preemptive heißt einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Gegenseite zuvor zu kommen. (Israel handelt 1967, Sechstage Krieg, preemptive.)
Das ist durch das Völkerrecht gedeckt.
Nicht gedeckt ist "preventive", was heißt durch einen Angriffskrieg das künftige Erstarken eines Widersachers zu verhindern.
 
Man kann natürlich hinterher behaupten, der Schlieffenplan sei in Unkenntnis der tatsächlichen militärischen Verhältnisse entworfen worden, der dort einkalkulierte Zweifrontenkrieg von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Fakt ist aber, dass es einen Plan A (Einmarsch ins neutrale Belgien*, vernichtender Schlag gegen Frankreich binnen weniger Wochen, anschließend Offensive gegen Russland) gab, jedoch keinen defensiven Plan B.
Das kein anderer Plan vorhanden war, ist ja nun kein Nachweis für die Tauglichkeit dieses Plans.

Ich denke nicht, dass es, stand der letzten Jahre vor Kriegsausbruch Moltke mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt möglich war einen einigermaßen tauglichen und erfolgsversprechenden Kriegsplan zu entwerfen, jedenfalls wenn man die nicht wirklich gut kalkulierbare Haltung Großbritanniens, von der die Möglichkeit einen Erschöpfungskrieg zu führen, aber abhing oder abzuhängen schien mit einkalkuliert.
 
(Israel handelt 1967, Sechstage Krieg, preemptive.)
Das behauptet Israel. Mir sind keine historischen Belege bekannt, dass tatsächlich ein solcher Angriff unmittelbar bevorstand.

@ Shinigami: Ich wollte darauf hinaus, dass das heute nur deshalb so eindeutig ist, weil es die UN & den Sicherheitsrat gibt. Hätten die USA so gehandelt, wie sie gehandelt haben, obwohl bspw ein anderes ständiges Mitglied sein Veto eingelegt hätte, wäre das nicht so eindeutig gewesen, egal was die NATO beschlossen hätte. Nicht so eindeutig völkerrechtswidrig wie andere Kriege der USA/NATO, aber sicher umstrittener...

War die Vorbereitung eines Angriffskrieges damals international akzeptabel und juristisch unbedenklich?
Das Recht souveräner Staaten, Krieg zu führen, war damals sicher weiter gefasst als heute, würde ich sagen. Nicht völlig unbedenklich, der Angriff auf Belgien bspw, dass mit dem eigentlichen Kriegsgrund nichts zu tun hatte und nur aus strategischen Gründen hineingezogen wurde, war mWn eine sehr viel offenere Verletzung damaliger Standards, als die Mobilisierung und Eröffnung von Kampfhandlungen seitens der Großmächte.
 
Das kein anderer Plan vorhanden war, ist ja nun kein Nachweis für die Tauglichkeit dieses Plans.
Ich habe auch nicht behauptet, dass der Plan hätte gelingen können. Ich nehme aber stark an, dass Schlieffen, Moltke & Co. davon ausgegangen sind, dass er hätte funktionieren können. Wir haben natürlich gut reden, wir wissen ja, dass der Plan in die Hose gegangen ist.



Allerdings scheint mir das von Sepiola zitierte "In Un...." hier in falschem Zusammenhang verwendet worden zu sein.

Die Pläne für einen Angriffskrieg gab es, einer der Schlieffen-Entwürfe war sogar ausdrücklich mit "Der Angriffskrieg gegen Frankreich" betitelt. Wenn Du nun meinst, das Potenzial für einen Angriffskrieg sei gar nicht vorhanden gewesen, schiebst Du den militärischen Planern genau diese Unkenntnis bezüglich des Potenzials in die Schuhe.


Vielleicht sollten wir "Angriffskrieg" etwas genauer definieren!
Wenn es Dir widerstrebt, für den Einmarsch in Belgien den Terminus Angriffskrieg zu verwenden, schlag eine Definition vor.

Einstweilen lasse ich mich gerne zu den "Zeitgenossen" rechnen, die die "strategischen" Operationen in Belgien mit einem Angriffskrieg verwechseln.

wird die "strategische" Führung eines Feldzuges von einigen "Zeitgenossen" mit einem Angriffskrieg verwechselt
 
Ich habe auch nicht behauptet, dass der Plan hätte gelingen können. Ich nehme aber stark an, dass Schlieffen, Moltke & Co. davon ausgegangen sind, dass er hätte funktionieren können. Wir haben natürlich gut reden, wir wissen ja, dass der Plan in die Hose gegangen ist.
Schlieffen ist eine völlig andere Thematik.
Der mag sicherlich davon ausgegangen sein, dass das funktionieren könnte, er hatte aber als die Planungen vorlegte nur mit einer größeren Landmacht als Gegner zu tun.
Den Plan gegen Frankreich allein einzusetzen, evt. noch mit österreichischer oder italienischer Verstärkung, je nach Konstellation, wäre sicherlich machbar gewesen.

Die Situation in der Moltke sich befand war aber eine andere und es ist ja durchaus nicht so, dass unter Moltke der Schlieffenplan von Anfang an konkurrenzlos gewesen wäre.
Die alternative Planung des Ostaufmarsches wurde ja erst in 1913 aufgegeben.
Wahrscheinlich korrespondierend mit den russischen Heeresvermehrungen und dem Ausbau der russischen strategischen Bahnen, was einen schnellen Vorstoß einigermaßen tief in das russische Territorium hinein als Eröffnungsszenario eines potentiellen Krieges erschweren musste.

Ich denke nicht, dass Moltke besonderes Zutrauen in den Schlieffenplan hatte, nur dürften andere Optionen einfach noch weniger erfolgsversprechend und ähnlich gefährlich erschienen sein.


Jeder Versuch auf einen Erschöpfungskrieg zu setzen, musste implizit vorraussetzen, sich auf die britische Neutralität verlassen zu können, oder von vorn herein eine Ersatzwirtscahft zu implementieren um potentielle Mangelgüter durch eine Seeblockade substituieren zu können, dafür waren die politischen und industriellen Voraussetzungen nicht gegeben und darauf sie zu schaffen, hatte Moltke wenig Einfluss.

Vor dem Hintergrund, dass die zivile Politik die Voraussetzungen für eine Verständigung mit Großbritannien nicht schuf oder schaffen konnte und auch nicht versucht wurde eine Autarkiepolitik zu forcieren um die Fähigkeit zu schaffen einen Erschöpfungskrieg bei feindlicher Haltung Großbritanniens durchhalten zu könnten, blieb eigentlich konsequent nur sich auf einen möglichst schnellen Krieg festzulegen und der war nur im Westen zu führen.
 
Die Pläne für einen Angriffskrieg gab es, einer der Schlieffen-Entwürfe war sogar ausdrücklich mit "Der Angriffskrieg gegen Frankreich" betitelt. Wenn Du nun meinst, das Potenzial für einen Angriffskrieg sei gar nicht vorhanden gewesen, schiebst Du den militärischen Planern genau diese Unkenntnis bezüglich des Potenzials in die Schuhe.

Als Schlieffen seine Entwürfe verfasste gab es allerdings die Triple-Entente noch nicht, weil die britisch-russische Verständigung noch nicht stattgefunden hatte und auch das Flottenwettrüsten noch nicht die Brisanz hatte, wie knapp 10 Jahre später.
Damit war zu Schlieffens Zeit die Wahrscheinlichkeit einer Neutralität Großbritanniens, die das Kräfteverhältnis ändern konnte größer.

1904/1905 gegen Ende von Schlieffens Amtszeit war wegen des russisch-japanischen Krieges klar, dass Russland nicht oder nur mit schwachen Kräften würde eingreifen können, was für Deutschland damals einen freien Rücken bedeutet hätte.

Das waren etwas andere potentielle Möglichkeiten, als diejenigen, die Moltke später hatte.
 
@ Shinigami: Ich wollte darauf hinaus, dass das heute nur deshalb so eindeutig ist, weil es die UN & den Sicherheitsrat gibt. Hätten die USA so gehandelt, wie sie gehandelt haben, obwohl bspw ein anderes ständiges Mitglied sein Veto eingelegt hätte, wäre das nicht so eindeutig gewesen, egal was die NATO beschlossen hätte. Nicht so eindeutig völkerrechtswidrig wie andere Kriege der USA/NATO, aber sicher umstrittener...
Der Unterschied ist, dass vor allem der Sicherheitsrat sehr stark von Fall zu Fall entscheidet und es sehr von den Konstellationen abhängt, was durchgeht und was nicht.
Dabei gibt es durch diesen Modus keine Präzedenzfälle, zumal die dort vertretenen Mächte nur zum Teil aneinander gebunden sind.

Das sieht bei der NATO etwas anders aus, weil reine Einzelfallentscheidungen darüber ob man etwas denn als Bündnisfall anerkennen könnte, die von historischen Vorgängen losgelöst wären, wie beim Sicherheitsrat, dass Bündnis unterminieren würden.

Deswegen ist die Anerkennung durch das NATO-Bündnis eine Schlüsselentscheidung auch für die Zukunft, wohingegen, der UN-Sicherheitsrat, beim nächsten ähnlich gelagerten Fall möglicherweise nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommt, da die Interessen eines Veto-Players anders sein können, wohingegen die Interessen innerhalb der NATO wenigstens einigermaßen definiert aufeinander abgestimmt sind und auf kollektive Sicherheit der Mitglieder zielen.
 
Aber eine Entscheidung der NATO-Staaten hat doch keine Auswirkung darauf, ob etwas völkerrechtlich legitim ist. Zumindest werden das mit einiger Berechtigung die Staaten so sehen, die keine NATO-Mitglieder sind. Das ist der Unterschied zwischen dem Standpunkt einzelner Staaten oder Bündnissysteme, und der UNO, so unvollkommen die auch immer sein mag.
 
Zurück
Oben