Römische Minen in der Germania Magna

Ist denn im Siegerland auch ein Wechsel von eher "keltischer" zu eher "germanischer" Kultur um diese Zeit nachweisbar?
Wie sieht es mit der Kontinuität dort aus?
Danke für die schöne Frage!

Antwort: Eher keltisch. Ich muss aber zugeben, dass die von @Biturigos vorgestellte Arbeit von M. Zeiler über die Brandgräber von Netphen-Deuz nicht gelesen hatte. Mea culpa.

Die Grabbeigaben dort sind in der Sachkultur eher keltisch, auf jeden Fall aber mit Einfluss aus dem südlichen und westlichen Rheinischen Schiefergebirge.

Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurde durch Basaltabbau die größte (und dennoch kleine!) und wichtigste latènezeitliche Burganlage auf dem Hohenseelbachskopf vollständig und ohne archäologische Sicherung zerstört. Die reichhaltigen metallenen Funde wurden in einem metallverarbeitenden Betrieb gelagert und Anfang der 1940er Jahre irrtümlich als Metallschrott eingeschmolzen.

Die nächstgrößere Wallanlage, die dauerhaft besiedelt war, mit Schmiedewerkstätten, ist unmittelbar angrenzend im Lahn-Dill-Kreis die Wallanlage Rittershausen.

Die Wallanlage Alte Burg bei Netphen-Afholderbach ist fast fundleer:

Was archäologisch nicht dokumentiert ist, sind vielfältig kleinere Wallanlagen, die m.E. zur Sicherung kleinerer Vorräte von Erz dienten.

Zur materiellen Kultur: Es gibt die Handwerksgeräte der Metallverarbeitung, die im Rahmen der üblichen mittellatènezeitlichen Befunde sind.

Ein wenig zur Eisenverarbeitung dort:

Ansonsten gibt es kaum ungestörte Horizonte, die Erhaltungsbedingungen im ausgedünnten und humusarmen Schieferboden der Kuppen und Hänge sind ausgesprochen schlecht.

In den Talauen wird leider nicht gegraben und dokumentiert, dort wären Befunde im feuchten Auenlehm gut konserviert.

Ich denke dennoch, dass es keinerlei kriegerische Konflikte gab, es gab die Erz fördernden und verarbeitenden Spezialisten, die irgendwann friedlich und ungestört wieder abzogen.

Stellt Euch die Landschaft vor wie jetzt nach dem Waldsterben: Niederwald, verbuscht, kahle Hänge in steil hügeliger Landschaft, mit riesig weiter Sicht bis nach Belgien, die Eifel, den Soonwald und den Feldberg im Taunus. Rauchende Öfen und Kohlenmeiler, überall die tiefen Löcher der Pingen. Also Wildwest ohne Indianer, eher wie die Goldgräbersiedlungen in Brasilien.

Ansonsten: Alles ist ausgerichtet auf die Höhenverbindung der Eisenstraße, im Rothaargebirge, die in Richtung Marburg und Gladenbacher Bergland bzw. Dünsberg zieht.
Irgendwo zwischen Amöneburg, Dünsberg, und Wetzlar wird die Vermarktung erfolgt sein.
 
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Ansonsten: Alles ist ausgerichtet auf die Höhenverbindung der Eisenstraße, im Rothaargebirge, die in Richtung Marburg und Gladenbacher Bergland bzw. Dünsberg zieht.
Irgendwo zwischen Amöneburg, Dünsberg, und Wetzlar wird die Vermarktung erfolgt sein.

Und zumindest um Amöneburg tauchen plötzlich Osteuropäische Zuwanderer (Burgunden??) auf, die eine viel primitivere Landwirtschaft betreiben*, keine Überschusswirtschaft mehr, man kann also auch nicht mehr Eisen gegen Getreide eintauschen....

Und wo sind die Amöneburger Kelten hin? Inzwischen Landarbeiter in der Wetterau?

*siehe den oben verlinkten alten Beitrag von Biturigos
 
Ich neige ja sehr dazu, eine Änderung der Absatzmärkte als Ursache des Rückgangs der eisenzeitlichen Montanindustrie im Siegerland und Lahn-Dill-Gebiet anzunehmen. Insbesondere, da der Fernhandel definitiv nicht über das Siegerland organisiert war (keine schiffbaren Wasserwege), und anderes Eisenerz und Stahl vielleicht besser verfügbar und damit konkurrenzfähiger waren (norisches Eisen z.B.).

Eine ökologische Ursache ist aber sehr gut nachvollziehbar:
Noch während meiner Grundschulzeit hatten uns die Lehrer sehr anschaulich erläutert, dass der eisenzeitliche Bergbau zur massiven Bodenausschwemmung in die Talauen geführt hatte. Dies ging zurück auf die Berichte lokaler "Spatenforscher" (meist Lehrer) wie Otto Krasa und Hermann Böttger, die den latènezeitlichen Bergbau sehr genau untersucht hatten.
Ich bin nicht überzeugt, dass fehlende Absatzmärkte zum Rückgang der Montanindustrie führen mussten. Hypothetisch gab es, bei Integration ins römische Reich, mit der enormen militärischen Konzentration des römischen Heeres ab der frühen Kaiserzeit an der Rheingrenze einen großen Konsumenten, der extrem eisenhungrig war: von der Pionierschaufel bis zum Zelthering, vom Sandalennagel bis zum Gladius, der jährliche Verbrauch ist immens. Bei Mogontiacum war ein großes Produktionszentrum des Militärs, die fabricae des Legionslagers.
Nach einer Schätzung benötigt es 38 t Eisen um eine Legion zu bewaffnen, dabei sind der Eisenbedarf für andere Zwecke (Werkzeuge, Nägel, Baumaterialien) nicht mitgerechnet (Petrikovits, Römisches Militärhandwerk, S. 598). Der jährliche Bedarf der britannischen Legionen wird (30.000 Soldaten) mit jährlich vermutlich 350 t berechnet ( Wirtschaft an der Grenze-Studien zum Wirtschaftsleben in den römischen Militärlagern im Norden Britanniens, Björn Onken 2003, Seite 154). Alleine in Mogontiacum waren in der frühen Kaiserzeit mindestens 15.000 Legionäre stationiert.

Die Legionen am Rhein wurden auch aus lokalen Produktionen aus der Eifel und der Nordpfalz versorgt (H-P-Kuhnen: Frühe Eisengewinnung rechts und links des Rheins. Woher kam das Eisen im Dekumatenland?, 2009; Bernahrd/Braun/Himmelmann/Kreckel/Stickl: Der römische Vicus von Eisenberg, ein Zentrum der Eisengewinnung in der Nordpfalz, 2007) -warum sollten die Lagerstätten Lahn-Dill und Siegerland gegenüber der linksrheinischen Produktion nicht konkurrenzfähig sein? Der intensive Energiebedarf besteht im Siegerland genauso wie in der Eifel (siehe dazu den Text von Kuhnen S.249).
Die Entwaldung der Wetterau hat sicher auch mit dem Verbrauch der Salinen in Bad Nauheim zu tun, daher denke ich auch, dass mehrere hundert Jahre intensive Holznutzung im Siegerland, so wie du es plastisch beschreibst, große Spuren hinterlassen haben. Nur: angenommen, nach dem Rückzug 16 n.Chr. wären die römischen Truppen im Jahr 85 n.Chr. nicht nur bis Bad Ems an der Lahn vorgestoßen, dann wären die Montanregion Lahn-Dill wieder bewaldet gewesen. Kann es nicht sein, dass es politische Gründe sind, oder strategische, die zu dieser neuen Grenzziehung führten? Es ist jedenfalls nicht der fehlende Fernhandel oder die Konkurrenz des norischen Eisens (die nur in der frühen Kaiserzeit eine Rolle gespielt hat), die zum Ende der rechtsrheinischen Montanindustrie bis zum frühen Mittelalter führten.

 
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Mir kam heute Morgen ein Gedanke: könnte es sein, dass die umgesiedelten Ubier, bzw. die Familien und Genossenschafltichen Betriebe, die im Siegerland und Lahn -Dill auf Abbau, Verhüttung und Metallhandwerk spezialisiert waren, in der Eifel aktiv wurden? Ich habe den Text von Kuhnen auch das erste Mal gelesen, ich fand ihn über eine Fußnote auf der Suche nach den lokalen Produktionen, die die Legionen und germanischen Provinzen mit Eisen versorgt haben (ich fand meine Informationen dann im Tagungsband "Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, Vortrag Münze, Geld und Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet, H.M. v.Kaenel).

Es ist doch frappierend, dass linksrheinisch nur wenige Verhüttungsspuren der Frühkeltischer Zeit gefunden, stattdessen zahlreiche Funde aus der römischen Kaiserzeit gemacht wurden, und die Fundsituation rechtsrheinisch fast spiegelverkehrt ist.

Zitat:"Ähnlich verhält es sich mit der Mittelgebirgszone zwischen Lahntal und Siegerland (wie im Nordschwarzwald, Bitu): Auch hier konzentrieren sich die archäologisch fassbaren Spuren der Eisengewinnung auf die Latènezeit und das frühe Mittelalter. So gut wie leer geht dagegen die Römische Kaiserzeit aus, in der das Gebiet zum östlichen Vorfeld der Limeszone gehörte (Abb. 1). Zeitlich komplementär dazu liegen die Befunde der ältesten Eisengewinnung im linksrheinischen Schiefergebirge, das durch Caesar 58–51 v.Chr. unterworfen und durch Augustus und Agrippa auch administrativ dem Imperium Romanum eingegliedert wurde: Im Gegensatz zum Dekumatland und dem östlichen Limesvorland kennt die Archäologie in den linksrheinischen Provinzen Gallia Belgica, Ober- und Niedergermanien zahllose Spuren römischer Eisengewinnung (Abb. 2). Spätestens seit Josef Steinhausens Aufsatz von 1926 über die alten Eisenschmelzen der Südeifel herrscht Gewissheit darüber, dass die anstehenden Erze des Mittleren und Unteren Devon seit der Römerzeit abgebaut und wirtschaftlich genutzt wurden. Demgegenüber kommen im Unterschied zu den rechtsrheinischen Gebieten Verhüttungsplätze aus frühkeltischer und fränkischer Zeit nur spärlich zum Vorschein. Leicht verkürzt könnte man sagen, dass die Römer ihr Eisen in den linksrheinischen Mittelgebirgen zwischen Pfälzer Wald und Eifel gewannen, die Kelten und Alamannen dagegen rechts des Rheins zwischen Schwarzwald und Siegerland." (Kuhnen, Seite 240).

Was gegen meine Hyptothese "rechtsrheinische Spezialisten mit Erfahrungswissen setzen ihre Profession linksrheinisch fort" spricht:
1.nach Kuhnen wurden (Stand 2011) nur Funde ab dem 2.Jahrhundert AD gemacht, soweit Funde feinchronologisch einzuordnen waren, jedoch keine aus dem 1.Jahrhundert n.Chr. (S.247).
2. Es wäre interessant, ob es technologische Ähnlichkeiten zwischen Eifel und Siegerland gibt, im Siegerland wurden die größten Verhüttungsöfen Mitteleuropas betrieben, das wäre den Ausgräbern in der Eifel sicher aufgefallen, wenn der selbe Rennofentyp verwendet wurde.
Screenshot 2025-08-08 at 08-01-59 (87) Frühe Eisengewinnung rechts und links des Rheins Woher ...png
 
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Sehr interessante These!

Wir müssen allerdings ohnehin sehen, dass es gegenläufige Entwicklungen im Gebiet gab.
Abbruch bzw. starke Einschränkung der Produktion im Siegerland, Kontinuität in Dalheim.
Für Dalheim schreibt Schäfer:
Bemerkenswert für die Frage einer technologischen Kontinuität oder Diskontinuität zwischen Eisenzeit und Römischer Kaiserzeit ist die enge schlackentypologische Verzahnung spätlatènezeitlicher (Fundplatz C32) und frühkaiserzeitlicher (Fundplatz C86) Abfälle, einhergehend mit der Nutzung der gleichen (hämatitischen) Erzgrundlage. Hier deuten sich auf technologischer Grundlage Traditionsstränge von der vorrömischen Eisenzeit in die ältere Römische Kaiserzeit an, die einen Bevölkerungswechsel zwischen „Kelten“ und „Germanen“ zu konterkarieren scheinen.
 
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Die Überlegung, dass hinter der Umsiedlung der Ubier nicht eine Strafaktion oder eine Befriedungsaktion stand, sondern ein wirtschaftliches Konzept, ist faszinierend.
Was mir an dem Artikel von Kuhnen besonders gefällt, ist die Erläuterung, dass der Fernhandel von Eisenerz zugunsten einer lokoregionären Ressourcennutzung und Produktion von Stahl- und Eisenerzeugnissen zurückgedrängt wurde.
 
Mir kam heute Morgen ein Gedanke: könnte es sein, dass die umgesiedelten Ubier, bzw. die Familien und Genossenschafltichen Betriebe, die im Siegerland und Lahn -Dill auf Abbau, Verhüttung und Metallhandwerk spezialisiert waren, in der Eifel aktiv wurden? Ich habe den Text von Kuhnen auch das erste Mal gelesen, ich fand ihn über eine Fußnote auf der Suche nach den lokalen Produktionen, die die Legionen und germanischen Provinzen mit Eisen versorgt haben (ich fand meine Informationen dann im Tagungsband "Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, Vortrag Münze, Geld und Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet, H.M. v.Kaenel).
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Was gegen meine Hyptothese "rechtsrheinische Spezialisten mit Erfahrungswissen setzen ihre Profession linksrheinisch fort" spricht:
1.nach Kuhnen wurden (Stand 2011) nur Funde ab dem 2.Jahrhundert AD gemacht, soweit Funde feinchronologisch einzuordnen waren, jedoch keine aus dem 1.Jahrhundert n.Chr. (S.247).
2. Es wäre interessant, ob es technologische Ähnlichkeiten zwischen Eifel und Siegerland gibt, im Siegerland wurden die größten Verhüttungsöfen Mitteleuropas betrieben, das wäre den Ausgräbern in der Eifel sicher aufgefallen, wenn der selbe Rennofentyp verwendet wurde.
Kurze Selbstkorrektur:1. Truppenstationierung in Mogontiacum: im 2.Jahrhundert AD war nur noch eine Legion (Legio XXII Primigenia)
in Mainz stationiert, jedoch kamen die Grenztruppen vom Limes dazu.
2. Rennöfen: M. Zeiler meint, die Größe der siegerländischen Brennöfen hätte von den unvermeilerten verfeuerten Buchenholzscheiten abgehangen - in Wetzlar-Dalheim wurde im 1.Jahhundert AD ein anderer Brennofentyp genutzt. Ein kleinerer Schachtofen, der mehrfach bestückt werden konnte. Bei Kuhnen habe ich keine Beschreibung der Brennöfen der Eifel gefunden.
3. Datierung: in der Nordpfalz (Eisenberg) begann die Verhüttung schon im 1.Jahrhundert n.Chr. https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/6897/4/Dokument04.pdf

Daraus ergäbe sich die vorläufige Abfolge:
1. Spätlatène: Montanindustrie in Siegerland, Westerwald und Lahn-Dill (Ende Lat. D2)
2. FKZ:/1.Jahrhundert n.Chr.: Montanindustrie in Lahn-Dill (Schluss Ende 1.Jahrhundert AD) und Nordpfalz
3. MKZ: 2./3.Jahhundert AD: Montanindustrie in Eifel und Nordpfalz (Ende Spätantike 4.Jahrhundert?)
 
Zum zeitlichen Ablauf im Siegerland und zu den Schachtöfen Thomas Stöllner (2010):


Was schon immer betont wurde, ist das Fehlen früher kaiserzeitlicher Nachweise in dieser Landschaft. Der jüngste La-Tène-Horizont fällt zusammen mit der Besiedlung im südöstlich gelegenen „Oppidum“ am Dünsberg bei Biebertal/Fellinghausen und seines Umfeldes.
Es gibt kein Fundmaterial, das jünger zu datieren wäre als der sogenannte Lt D2a-Horizont, welcher am besten am Fundplatz von Neunkirchen-Zeppenfeld durch Gräber und eine Siedlungsstelle nachgewiesen ist.
Vor nahezu 25 Jahren hat H. Laumann auf diesen Umstand verwiesen, indem er paralleles Fundmaterial zwischen dem südwestfälischen Bergland im Norden, dem Lahntal im Süden und der Wetterau im Osten beschrieb. Jedenfalls datieren wir heute diesen Fundhorizont zwischen der 5. und der 2. Dekade v. Chr. und wir haben anzuerkennen, dass weder der Dünsberg noch die anderen Höhensiedlungen, wie auch das Siegerland, eine Fortsetzung ihrer La-Tène-Besiedlung in die Zeiträume danach fanden. Das mag die engen wirtschaftlichen Beziehungen unterstreichen, die einst zwischen dem Siegerland und seinen umliegenden Regionen existiert hatten. Es ist besonders bemerkenswert, dass die spätlatènezeitlich-frühkaiserzeitliche Eisenproduktion des mittleren Lahntales nun in größerem Ausmaß begonnen wurde und dabei ein neues technologischen Konzept (Schachtöfen) angewendet wurde, wie man es zeitgleich eher östlich z. B. in Böhmen kannte. Es wurde kontinuierlich bis weit in die römische Periode und darüber hinaus angewendet. Das Ende der Siegerländer Eisenproduktion muss daher in den weiteren historischen Wandel eingebettet werden, das die deutsche Mittelgebirgszone am Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. erfasste.
 
Die zitierten Texte aus #45 und #48 widersprechen sich ein wenig, indem der erste die Kontinuität der Techniken in Dalheim zwischen Spätlatene und Römischer Kaiserzeit hervorhebt, während der zweite für Dalheim von einer neueren Technologie aus Böhmen spricht.
 
Die zitierten Texte aus #45 und #48 widersprechen sich ein wenig, indem der erste die Kontinuität der Techniken in Dalheim zwischen Spätlatene und Römischer Kaiserzeit hervorhebt, während der zweite für Dalheim von einer neueren Technologie aus Böhmen spricht.
Das ist mir auch aufgefallen. Möglicherweise

1. wurden im Lahn-Dill-Montanrevier auch in der Latènezeit keine großen, birnenförmigen Rennöfen (Siegerländer Kuppelofen) betrieben , sondern den Schachtöfen mit Schlackengruben (slag-pit furnaces) ähnliche Typen.
2. bezieht sich die Kontinuitätsthese auf die naturwissenschaftlichen Untersuchungen von Guntram Gassmann, und meint mit schlackentypologisch, dass das Roteisen (Hämatit) zuerst geröstet wurde (zu Magnetit reduziert), spezifisch geschmolzen (bestimmte Temperaturen) und mit spezifischen Zusätzen (z.B. Kalk als Flussmittel) gemischt, um Schmiedeeisen zu erzielen, und "Auskohlen" und andere Prozesse zu verhindern, und den richtigen Mangangehalt zu erreichen. Dazu könnte @Mittelalterlager mehr wissen. Leider habe ich keinen Text von Gassmann zu Dalheim im Internet gefunden.

Eine kleine Nebenspur im Thema: Andreas Schäfer schreibt, dass der in Wetzlar in römischer Zeit verwendete Rennofentypus einen geographischen Bezug nach Böhmen und Mähren hätte:

"Sucht man nach Vergleichen für die Öfen und die Rennofenanlage als Ganzes, eröffnen sich zwei geographische Bezugsrichtungen. Die eine, deutlich ausgeprägt, weist nach Osten, nach Böhmen und Mähren, die andere, vielleicht nur forschungsgeschichtlich bedingt eher vage, nach Nordwesten, nach Westfalen und in die Niederlande. Aus Böhmen wurden seit den 1940er und 1950er Jahren zahlreiche Grubenwerkstätten hauptsächlich der älteren Römischen Kaiserzeit bekannt, in denen ein oder mehrere Rennfeueröfen betrieben worden waren. Meist handelt es sich um sehr kleine Gebäudegrundrisse, in deren Wände die Öfen eingebaut waren....Daneben liegen aber auch Fundstellen vor, von denen bereits für die Latènezeit kleine freistehende Ofentypen belegt sind. So konnten R. Pleiner und M. Princ bei Mšec in Nordwestböhmen eine Fundstelle untersuchen, wo während zweier Nutzungsphasen insgesamt 18 Öfen betrieben worden waren. Mit rekonstruierten Schachthöhen von 40-50 cm sind sie als ausgesprochen klein zu bezeichnen. Sie scheinen für den mehrmaligen Gebrauch bestimmt; es handelte sich nicht um echte Schlackengrubenöfen im Sinne eines nur einmaligen Gebrauchs. Darauf weisen die Ausgräber hin, dafür spricht auch die Sekundärlage einiger Klötze in einem Ausheiz- oder Schmiedeherd, der am Rande der kleinen Anlage zu Tage kam."
Zwischen“ Dünsberg und Waldgirmes. Wirtschaftsarchäologische Untersuchungen an der mittleren Lahn", Seite 85).

Dazu fiel mir heute ein, was in einer Zusammenfassung einer Tagung stand, deren Vorträge noch nicht veröffentlicht wurden (nach Aussage von M.Schönberger soll dies dieses Jahr erfolgen).
Entwicklungsdynamiken am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Mitteleuropa: Kontinuität und Diskontinuität, Chronologie und Geschichte.
Internationale Tagung in Mainz, 7.-8.11.2022)
Schönfelder, Meyer, Luczkiewicz: Entwicklungsdynamiken

Etwas lapidar steht dort im Überblick der Vorträge: "In jüngster Zeit rücken weitere, nicht historisch benennbare Bevölkerungsbewegungen im Bereich der westlichen Mittelgebirge (Westerwald, Nordhessen) in den Fokus von archäologischen Untersuchungen. Hier wurde von Sabine Hornung der Zuzug von Bevölkerungsgruppen aus Böhmen anhand von Siedlungsbefunden des 1. Jahrhunderts v. Chr. beobachtet."

Es geht um Folgendes: bei der Untersuchung (2011-2012) der temporären, cäsarischen Legionslager im Limburger Becken (sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Rheinübergängen 55 und 53 v.Chr. J.Cäsars) fiel den Forschenden auf, dass es in der benachbarten keltischen dorfartigen Siedlung (5 ha groß) Keramik gab, die nicht der regionalen Typologie entsprach. In der entsprechenden Veröffentlichung der Hessenarchäologie 2020 wird darüber noch vorsichtig gesprochen. S. Schade-Lindig (Hrsg.), in Zusammenarbeit mit I. Balzer, J. Bohatý, S. Hornung, J. Meyer, A. Kreuz, A. Schäfer, E. Schallmayer, D. C. Tretola Martinez, F. Verse, St. Wefers, Archäologie am Greifenberg bei Limburg a. d. Lahn. Spuren von der Jungsteinzeit bis zur Römischen Republik. Hessen-Arch. Sonderbd. 4 (Darmstadt 2020).

Die Siedlung scheint nach der Analyse der Fundgruppen nur ein oder zwei Generationen exisitert haben (Latène D2a im Übergang zu Lat. D2b), d.h. genauer im 2.Viertel des 1. Jahrhunderts BC.

Ein großer Teil der Keramik entspricht in der Typologie der Nordostgruppe des Rheinischen Schiefergebirges nach Behagel, oder der Lahn-Sieg-gruppe bzw. Dünsberg-Gruppe nach moderner Einteilung. Aufgefallen in der Siedlung ist die zahlreiche Ornamentik der Wellenglättverzierung, die vom Gebiet der Treverer über Thüringen bis Nordwestböhmen verbreitet ist (Annahme einer West-Ostachse kulturellen Austauschs und Handels), während die stark vertretene wulstverzierte, kalkgemagerte Ware mit Pichung von Nordwestböhmen in Lat. D2 nach Westen "wanderte" - dies wird dann mit der Mobilität von Einzelnen und Gruppen verbunden, ohne dies weiter auszuführen (S.154-156). Insgesamt ist es im Forschungsbericht ein Nebenaspekt, der im Kapitel Keramik unter überregionale Kontakte subsumiert wird, und der in der historischen Betrachtung von Egon Schallmayer (S.250 ff) nicht auftaucht.

Daher muss etwas zwischen 2020 bis 2022 passiert sein, weswegen die Funde neu bewertet wurden, und zur Konkretisierung einer unbekannten Einwanderung boischer Gruppen nach Westen in die Mittelrheinzone führte. Schon 2018 veröffentlichte Sabine Hornung einen Fundbericht zu einer spätlatènezeitlichen Fundstelle in Wetzlar-Blasbach, die Hinweise auf Kontakte nach Böhmen oder eine Einwanderung lieferte.

Zusammenfassende Zitate: "Das Material von Podium 3, darunter die mit einer Reihe von Fingernagelkerben auf dem Umbruch verzierte Wandscherbe eines groben Topfes oder einer Schüssel sowie die Randscherbe eines steilwandigen Gefäßes (Abb. 8,2 – 3), fügen sich ebenfalls in eine spätlatènezeitliche Datierung ein. Parallelen kamen jüngst in einer weitläufigen Spätlatènesiedlung auf dem Greifenberg bei Limburg-Eschhofen (Lkr. Limburg-Weilburg) zutage. Hier konnte das Auftreten einer dem oben genannten Stück entsprechenden, wulstverzierten Ware auf nordwestböhmische Einflüsse zurückgeführt und in die Stufe LT D2 bzw. konkret den Horizont zwischen 70/60 und kurz vor der Jahrhundertmitte datiert werden. )... Weitere Funde dieser für das rechtsrheinische Gebirge typischen regionalen Fazies kamen zwischenzeitlich auch in Waldbrunn-Lahr (Lkr. Limburg-Weilburg) zutage, wo die Vergesellschaftung mit einer Fibel des Typs Almgren 18a ebenfalls für östliche Einflüsse spricht. In diesen Kontext fügt sich wohl auch das Silberregenbogenschüsselchen der „Boier“ von Podium 5 ein. Auf dem stark abgegriffenen Avers ist vermutlich ein Rolltier, auf dem Revers ein Torques mit vier Pünktchen darin zu erkennen, womit dieses Stück den Goldprägungen des Typs dlT 9421 an die Seite gestellt werden kann.(S.242).

Falls es tatsächlich eine boischen Einwanderung (parallel zum Zug eines Teils der Boier mit den Helvetiern nach Gallien zu Beginn des Gallischen Kriegs) in die Mittelrheinzone gab, dann könnte der neue Rennofentyp von Dalheim / bzw. der Technologietransfer so erklärbar sein.

Leider ist der Vortrag von Sabine Hornung von 2022 (Mainzer Tagung) noch nicht veröffentlicht.
Es gibt eine Veröffentlichung auf englisch 2024:
A. Braun / S. Hornung, Westwards! Population dynamics along the Middle and Upper Rhine during the 1st century BC. In: H. van Enckevort / M. Driessen / E. Graafstal / T. Hazenberg / T. Ivleva / C. van Driel-Murray (Hrsg.), Strategy and Structures along the Roman Frontier. Proceedings of the 25th International Congress of Roman Frontier Studies 2 (Leiden 2024) 33-41. Diesen habe ich noch nicht gelesen. Hier eine PDF.
 
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Ich habe angefangen den englischen Text von Hornung/Braun (die PDF von 2024) zu lesen - sie haben die gleiche Hypothese - ich muss jetzt mal ganz unwissenschaftlich "krass!" sagen. Ich wusste das ehrlich nicht.:oops:
 
Ich bin immer noch ein wenig fassungslos. Eigentlich wollte ich gestern Nacht nur auf @Stilicho reagieren, weil mir der Widerspruch zwischen Verhüttung in regionaler Kontinuität und neuem Rennofentyp in Wetzlar-Dalheim auch aufgefallen war.

Da ich gestern Abend überraschend Zeit hatte, wollte ich "nur einmal kurz" den Text von Andreas Schäfer zu den entsprechenden Textstellen lesen. Mir erschien dann schnell plausibel, dass die schlackentypologische Verzahnung von Latènezeitlichen und RKZ-Schlacken entscheidend ist, und begann nach der chemischen Studie von Gassmann im Internet zu suchen. Ich fand sie nicht, dafür aber Hinweise auf das Flussmittel Kalk. ich habe einen Heidenrespekt vor dem Know-How der frühen Schmiede, die ohne Messgeräte und naturwissenschaftliches Wissen um chemische Prozesse
Schmiedeeisen erzeugt haben.

Um meine erste Vermutung auszuschließen, traditionell anderer Rennofentyp in Lahn-Dill, las ich eigentlich abschließend noch einmal den Teil, in dem es um die Herkunft der Schachtöfen geht. Plötzlich erinnerte ich mich an die Zusammenfassung der Tagung, und das Thema von Sabine Hornung. ich hatte im Frühling aus der Zusammenfassung der Tagung schon im Thread zur Helvetiereinöde zitiert, da ging es um Keramikfunde, die die Einwanderung aus Würtemberg in die Mittelschweiz belegen könnten. Mich hat daher die Veröffentlichung allgemein interessiert, und fragte Martin Schönfelder per Mail, wann der Band herauskommen wird. Er antwortete, dass nur noch eine Autorin fehlen würde, es sollte dieses Jahr publiziert werden, drei Jahre wäre noch in Ordnung (Tagung in Mainz war 2022).

Mir war der Inhalt des Vortrags von Sabine Hornung natürlich aufgefallen, weil ich mich seit vielen Jahren mit der Mittelgebirgszone in der Eisenzeit beschäftige. Ich fand heraus, dass auch Funde bei den Ausgrabungen bei Limburg-Eschhofen eine Rolle für die neuen Erkenntnisse gespielt haben. Da ich den Sonderband besitze, suchte ich entsprechende Stellen. Entgegen meiner Erwartung war dies jedoch kein Schwerpunktthema. Im Kapitel 6 Fundmaterial aus der spätlatènezeitlichen Siedlung und den römischen Militärlagern im Abschnitt Keramik (6.2) beim Fundmaterial unter kalkgemagerte Grobkeramik (S.138-144) wird die wulstverzierte Ware als regionale Fazies erwähnt, regional produziert- sehr unspektakulär war dies beim Lesen für mich. In der Auswertung wird der kulturelle Austausch kurz rezipiert, die Lahn als Achse im Kontakt von Ost nach West, aber auch dies ohne vertieft auf eine mögliche Migration einzugehen. Die geschweifte Fibel Almgren 18 wird erwähnt, ein östlicher Bezug jedoch nicht hergestellt (Fund aus Waldbrunn-Lahr). Der Vergleich der Keramik mit Produkten aus Nordwestböhmen, besonders aus Lovosice und dem Bilina-Gebiet wird jedoch gemacht. Abschließender Satz des Unterabschnitts: Die Verbreitung einer formal in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Waren (handaufgebaut, Pichung, plastische Rippe unterhalb der Halszone, Bitu) im rechtsrheinischen Mittelgebirge mag somit durchaus als weiterer Beleg für intensive O.-W.-Kontakte während der Spätlatènezeit dienen."

Ich legte das Thema beiseite, ein Link zu den Schachtöfen in Wetzlar-Dalheim hatte ich zum Beispiel nicht gelesen (der Band hat immerhin 410 Seiten). Ich wollte die Veröffentlichung des Tagungsbands mit dem Vortrag von Sabine Hornung abwarten. Bis gestern Nacht. Ich suchte noch einmal nach Veröffentlichungen, und fand den Fundbericht zu Wetzlar-Blasbach, der meine neue Vermutung unterstützte, "boische" Funde auch noch auf einem Verhüttungsplatz!

Danke ans Geschichtsforum, das gemeinsame Denken und Grübeln ist großartig, ich wäre ohne diesen Thread nicht zu diesem Erkenntnis gekommen. Als @Carolus das Thema Römische Minen in der Germania Magna aufwarf, fand ich es spannend, bezüglich der Germanienpolitik Roms, und nicht bezogen auf die Latènezeit, eher für den Übergang zwischen eisenzeitlicher Latènekultur und Romanisierung. Das dabei am Ende eine boische Migration herauskommt, Ich hätte das nicht erwartet.
 
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Zu den Thesen in Westwards!Population dynamics along the Middle and Upper Rhine during the 1st century BC, 2024 von Arno braun und Sabine Hornung

Überraschend für mich beginnen die AutorInnen mit dem Fundplatz des Vicus Eisenberg in der Nordpfalz, den ich weiter oben als eine Eisenproduktionstätte linlsrheinisch erwähnt hatte, die das römische Heer versorgte. Die Siedlung lässt sich bis zu Latène D2b (treverische Chronologie 40-30 BC) verfolgen. In 15 Fällen wurden Gebäude der Metallverarbeitung zugeordnet, zehn Areale wurden mit der Verhüttung in Verbindung gebracht.
Als ich dann folgendes las, wurde mir schlagartig bewusst, dass eine noch nie erkannte Migration sichtbar wird, wie als würde sich ein neues Fenster in die Frühgeschichte öffnen: "Sunken-featured buildings are unparalleled in regional building traditions but very common in areas further to the east, for example in the Late La Tène Culture of north-western Bohemia (Salač & Kubálek 2015, catalogue)." o_O
Die produzierte Eisenmenge scheint mir zu gewaltig, eine jährliche Produktion von 500 bis 600 t scheint mir unvorstellbar.

Wann begann de Eisenverarbeitung und Verhüttung?
"With regards to a possible start of these activities, a terminus ante quem around the transition between the early and middle Augustan periods (c. 15 BC) can be specified, but, since even the oldest ground surfaces already contained slag, it is highly probable that the settlement foundation and the iron smelting both date to about the same time (Braun in press, 444). Metalworking then continued for at least 90 years and can be divided into three horizons (a-c). Horizon a ended during the middle Augustan period, horizon b comprised the late Augustan and Tiberian periods and horizon c lasted from the Claudian to early Flavian period (AD 71-79 terminus post quem) (Braun in press, 530, table 1)."
Daher muss ich die vermutete zeitliche Abfolge der Eisenproduktion nach Standorten und Regionen von gestern korrigieren (Beitrag 47).

Mit welchen Rennofentypus wurde in Eisenberg gearbeitet?
Auch hier wieder der eindeutige Bezug zu Böhmen, die Nutzung der kleinen Schachtöfen mit Schlackengruben (in Gebäuden oder freistehend):
"Direct parallels to the sunken workshops with shaft furnaces from Eisenberg are known from Bohemia, for example from Lovosice (district of Litoměřice/CR, Pleiner& Salač 1987) (fig. 2). The earliest examples seem to date to the Late La Tène period, as smelting sites from Mšec
(district Rakovmík/CR), Chýnĕ (district of Prague-west/CR) or in the vicinity of the oppidum of Stradonice (district of Kladno/CR) suggest (Pleiner 2000, 64-65), although their early dating has recently been discussed critically (Lehnhardt 2019, 301-307 and 331-336). At any rate, most
known sites of the same type relate to the Early Roman Iron Age (Eggers 1955: RKZ A-B).Apart from Lovosice, similar installations were discovered in Ořech (district of Prague-west/CR) and can be dated to the second half of the 1st century BC here (Motyková & Pleiner 1987), but also in Tuklaty (district of Kolín/CR), Dubeč (district of Prague/CR) and several other places (Pleiner 1964; 2000, 65-67)."

Und der vermisste Link zu Wetzlar-Dalheim:
"
Further to the west, a sunken-featured bloomery workshop of Augustan to Neronian/Vespasianic date was excavated in Wetzlar-Dalheim and, therefore, in the traditional distribution area of the La Tène domed furnaces of the type Siegerland (Schäfer 2010). Apparently, new technological ideas and the people making use of them had moved in from areas further to the east."

Gibt es noch andere Funde, die eine boische Migration unterstützen?
Auch in Eisenberg gibt es Funde von Keramik, die einen böhmischen Ursprung haben: "Thus, it is hardly surprising that a part of the earliest
Eisenberg pottery shows similar cultural relations. A selection of pots has striking formal parallels to vessels from the eastern part of the Late La Tène Culture, including its northern periphery, and particularly in high-quality wheel-thrown ware (fig. 3, 1a-4a). This type of pottery has

no regional LT D1 predecessors and also lacks comparisons in Gaul. Moreover, a rough but very hard fired, handmade ware is common in Eisenberg, too (fig. 3, 5a). With respect to their situla-like shape, such vessels are characteristic for the transitional period between the pre-Roman
and Roman Iron Age on the northern periphery of the eastern Late La Tène Culture, i.e. during the second half of the 1st century BC (fig. 3, 5b)"


Wie kann dieser Kulturtransfer erklärt werden?
Schon lange bekannt sind die besonders ab dem Frühlatène sich verstärkenden Ost-West-Kontakte zum Beispiel entlang der Achse Main-Eger oder über Nordhessen und Thüringen. "How can these possible relations be explained? In general, contacts between the eastern Late La Tène
Culture, particularly in Bohemia, and the Rhine-Main-Moselle region already existed during LT Dl and can be traced back even into the Early La Tène period (Salač & Von Carnap-Bornheim 1994). Bearing the topography of the wider region in which Eisenberg is located in mind, such cultural contacts seem hardly surprising. Yet all relevant local finds are without parallels in native LT D1-contexts along the northern Upper and Middle Rhine regions and there is, of course, a chronological conflict."

Hier wurde mir klar, was ich im Sonderband zu den Ausgrabungen im Limburger Becken noch nicht begriffen habe:
die dort gefundene Keramik mit Wellenbandverzierung endet im Treverischen und rechtsrheinischen Kulturgruppen in Latène D1 - die Keramik in Greifenberg (Limburg-Eschhofen) lässt sich jedoch, wenn sie keine chronologisch unempfindliche Grobkeramik ist, nur in Latène D2a einordnen (ostgallische Chronologie LT D1b/LT D2a 85/80 v.Chr., LT D2a/LT D2b 55/50 v.Chr.). Kein einziger gefundener Kermiktyp muss zwingend LT D1 zugeordnet werden bzw. setzt den Siedlungsbeginn damit in LT D1. Die Homgenität der Funde scheint gerade eine kurze Siedlungstätigkeit zu bestätigen.
Hornung und Braun stellen fest:" Taking all presented aspects into account, particularly the transfer of ideas rather than material culture only,
the evidence from Eisenberg suggests that people from the east, meaning from the eastern Late La Tène sphere or its northern periphery, were physically present here. The local iron ore district surely functioned as an economic attractor pushed by the Roman authorities or, respectively, a growing Roman demand for iron in the freshly established province of Gaul before and during the Augustan campaigns into Germania. But this cultural phenomenon does not seem to be just a local one either, it becomes increasingly visible in the entire northern Upper Rhine area from a rising number of small settlements."


Und rechtsrheinisch?
Erst jetzt kommen die AutorInnen zum Dorf bei Limburg: "Fortunately, however, further evidence to help us better understand the processes leading to an appearance of foreign cultural influences on the Upper Rhine now comes from the Taunus and Westerwald mountains, i.e. from the eastern part of the Rhenish Massif. It mainly relates to a LT D settlement discovered in the area of the Late Republican military camp II on the Greifenberg near Limburg-Eschhofen and superimposed by this Roman fortification (Schade-Lindig 2020, 68-105; Schallmayer 2020)....The supposed Caesarian dating of camp II therefore provides us with a terminus ante quem for all recorded settlement traces, which comprise postbuilt structures but also a number of sunken-featured buildings, mostly with roof-bearing posts on their short sides – a building tradition once more missing in native LT D1 contexts from this region. Pottery finds from the Limburg-Eschhofen settlement are no less remarkable (Hornung et al. 2020). Particularly striking is a large percentage of high-quality wheel-thrown ware often bearing impressed, horizontal wave decoration. This type of pottery is known from the areas west of the Middle Rhine, but dating no later than LT D1 there. However, it is very common in LT C2/D1 contexts in north-western Bohemia, where it seems to live on well into the middle of the 1st century BC (Salač & Von Carnap-Bornheim 1994, 99-106). Similiar cultural influences are reflected in the handmade pottery from Limburg-Eschhofen (Hornung et al. 2020, 136-152). Beside a number of thin-walled sherds decorated with crescent-shaped imprints and illustrating contacts with the ‘Germanic’ sphere, another type of handmade pottery with plastic rib decoration on the rim and shoulder seems remarkable, the latter often appearing in combination with pitch coating (‘Pichung’). Parallels are found mainly in north-western Bohemia and Moravia, particularly in the Bílína region (Salač & Kubálek 2015), but are also known from the contact zone further to the north. Yet this particular type of handmade pottery is once more missing in native LT D1 context and, therefore, represents a foreign cultural influx in the areas east of the Middle Rhine. Since there is no doubt as to its local production in Limburg-Eschhofen, it clearly illustrates the mobility of the people who made it."

Ich bin immer noch etwas "sprachlos", weil einige Themen wie die der Gründung der Civitas Vangionum neu gedacht werden müssen (Eisenberg liegt ca. 20 km vom Hauptort Borbetomagus/Worms entfernt) - waren die Vangionen ein Pagus der Boier, aus Sicht der Römer "Germanen", weil sie aus der Germania kamen? Aber die vielen Fragen in meinem Kopf sprengen den Rahmen dieses Threads.

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Aber die vielen Fragen in meinem Kopf sprengen den Rahmen dieses Threads.

Um dich noch mehr zu verwirren:
Wie passt eine boische Zuwanderung in augustäischer Zeit zu einer für Mardorf für das 1.Jhdt. v.Chr. angenommenen Zuwanderung aus der Przewosk-Kultur? (Meyer 1994)? Und weiteren "elbgermanischen" Funden an gleicher Stelle?
Stellt das unsere Chronologie auf den Kopf? Keltische Zuwanderung nach germanischer?
Oder wahrscheinlicher: Wie "germanisch" waren diese Kelten und wie "keltisch" diese Germanen?
 
Um dich noch mehr zu verwirren:
Wie passt eine boische Zuwanderung in augustäischer Zeit zu einer für Mardorf für das 1.Jhdt. v.Chr. angenommenen Zuwanderung aus der Przewosk-Kultur? (Meyer 1994)? Und weiteren "elbgermanischen" Funden an gleicher Stelle?
Stellt das unsere Chronologie auf den Kopf? Keltische Zuwanderung nach germanischer?
Oder wahrscheinlicher: Wie "germanisch" waren diese Kelten und wie "keltisch" diese Germanen?
Nee nee nee, für heute ist es genug, mir reichen die Boier. Ich muss ja noch einkaufen, putzen, waschen, Sport machen....bin dann mal weg! :)
 
Ich hoffe, wir sitzen hier nicht wieder alten Denkmustern auf.
Dass ich ein japanisches Auto fahre, macht mich nicht zum Japaner.
Und dass der Fürst von Wetzlar sich einen neuen Rennofen bei Skoda kauft, macht keinen Böhmen aus ihm.
 
Ich hoffe, wir sitzen hier nicht wieder alten Denkmustern auf.
Dass ich ein japanisches Auto fahre, macht mich nicht zum Japaner.
Und dass der Fürst von Wetzlar sich einen neuen Rennofen bei Skoda kauft, macht keinen Böhmen aus ihm.
Mich haben die fremden Häuser in Eisenberg überzeugt, nicht die Keramik oder eine einzelne Münze oder Fibel.. Im schon genannten Band Archäologie am Geifenberg ist im Kapitel zu den Häusern nichts dazu. Es wurden auch nur Pfostenlöcher von kleinen Grubenhäusern und eines Großbaus (8x25m) gefunden. Die ForscherInnen müssen also erst nach der Veröffentlichung 2020 auf die fremden Bautraditionen (aus dem englischen - Firstpfosten an der kurzen Hausseite) aufmerksam geworden sein.

Ich setze einmal darauf, dass Sabine Hornung und Arno Braun da fachlich genug kompetent sind, um diese Hypothese begründen zu können.
Die Forschungsgeschichte ist in kleinen Schritten gegangen, die letzten drei Jahrzehnte.
 
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Da habt Ihr doch fast einen Titel für diese Diskussion gefunden.
ich werde mich jetzt erst einmal auf die Boier konzentrieren.
Ich verspreche demnächst die wissenschaftlichen Kontroversen um die "Boier" zusammenzufassen. Wird ein wenig Lesearbeit.
Kommt aber im Keltenordner, unter einem Tagungstitel: Die Boier - neuere Forschungen
Da hatte ich 2017 versprochen, etwas zu schreiben.
Alle die ich damals schwer enttäuscht habe, entschuldigt bitte! :confused: Acht Jahre später mache ich es. Mea culpa!
 
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