Grinsen, lachen, Zähne fletschen

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Heute hatte ich eine Situation auf der Arbeit: ich wollte auf unsere Mitarbeitertoilette. Gleichzeitig mit mir kam ein Kollege, der raus wollte. Wir machen uns gegenseitig Platz, wir gehen beide einen Schritt vor, wir müssen lachen. Der Klassiker.

Aber das war der Anlass, dass ich mich an eine Behauptung erinnerte, die ich vor Jahren (Jahrzehnten?) mal gelesen habe: das grinsen und lachen evolutionsbiologisch auf das Zähne fletschen zurück ginge. Begründung: Schimpansen, die so aussehen, als würden sie lachen oder grinsen, sind tatsächlich in Verteidigungs- oder Angriffshaltung.

Was ist davon zu halten?

Ich finde das einerseits total plausibel, andererseits habe ich Zweifel daran, dass das stimmt, denn lachen ist ja eigentlich gefühlsmäßig ganz woanders angesiedelt - oder?
 
mangels Aufzeichnungen dürfte es kaum möglich sein, eine Geschichte der nonverbalen Signale (Gestik, Mimik etc) zu schreiben?
 
mangels Aufzeichnungen dürfte es kaum möglich sein, eine Geschichte der nonverbalen Signale (Gestik, Mimik etc) zu schreiben?
Das Thema habe ich zwar im Unterforum Urzeit ab- und es evolutionsbiologisch angelegt, weil ich natürlich davon ausgehe, dass grinsen und lachen für den HSN und HSS immer dieselbe Funktion hatten, aber du wirfst da einen interessanten Punkt auf: wie haben frühere Schriftkulturen das Lachen betrachtet?
 
mir fällt noch ein: grinsen ist nicht zwangsläufig freundlich/freudig, lächeln ist eher überwiegend freundlich - aber sehr ähnlich schaut´s aus. Aber seit wann gibt es eine Unterscheidung zwischen grinsen und lächeln?
 
Paar Gedanken zum Thema beim morgendlichen Kaffee :rolleyes:

Generell: Die Fähigkeit, durch Mimik zu kommunizieren, müsste angeboren sein. Wäre es fürs Überleben im sozialen Umfeld unwichtig, hätte die menschliche Gesichtsmuskulatur im Laufe der Evolution nicht die hohe Komplexität entwickelt. (Ein anderes Beispiel für die Entwicklung und Nutzung körperlicher Fähigkeiten wären die Beine: obwohl das Kleinkind das Gehen erlernen muss, würde es sich auch ohne menschliche Vorbilder irgendwann aufrecht fortbewegen, nehm ich mal an.)

Grinsen vs. Lächeln: Rein von der Mimik her ziemlich gleich. Die Unterscheidung tut hauptsächlich der Betrachter durch Hintergrundwissen, wie auch bei genau gleichen Computer-Animationen (inkl. sonstigem Action), die je nach Situation völlig anders interpretiert werden.

Ekel: Ebenfalls angeboren, wenn auch dem Ausdruck von Schmerz entsprechend. Gelernt ist aber die hohe Empfindlichkeit, bei der sie bereits ausgedrückt wird. Kinder lassen sich auch psychisch von Lärm und Gestank kaum stören. Die müssten gesundheitsschädigende Ausmaße haben, damit sich das Kind mit schmerzverzerrtem Ausdruck davonmacht.

Zähne Fletschen vs. Lachen: eng verwandt, da das Lachen eigentlich durch Überraschung hervorgerufen wird, was erst mal Abwehr hervorruft. Erzählt dann der Chef einen Witz, werden halt die Zähne gezeigt, weil man damit gute Erfahrungen gemacht hatte … :D
 
(1) Die Fähigkeit, durch Mimik zu kommunizieren, müsste angeboren sein. (2) Wäre es fürs Überleben im sozialen Umfeld unwichtig, hätte die menschliche Gesichtsmuskulatur im Laufe der Evolution nicht die hohe Komplexität entwickelt.
Bei (1) neige ich auch zu dieser Überzeugung, weil sie mir plausibel vorkommt. Aber Kopfzerbrechen bereitet mir (2), falls das als Begründung für (1) verstanden werden soll. Das Zusammenwirken von angeborener Muskulatur samt Nerven hat zu etlichen hochkomplexen Bewegungsmustern geführt, die weder für das soziale noch überhaupt für das Überleben notwendig sind: man denke an Zirkusartistik und ähnliche Sportarten oder auch komplizierte und komplexe Instrumente (Gitarre) - dergleichen ist fürs Überleben nicht nötig, trotzdem ist die Körper"maschine" dafür nicht ungeeignet nach entsprechendem Training.
 
man müsste eruieren, was der kulturellen Evolution geschuldet ist und was älter als diese ist - aber das erscheint mir unmöglich.
 
[…] Aber Kopfzerbrechen bereitet mir (2), falls das als Begründung für (1) verstanden werden soll. […]
Aus meiner Sicht, ja: Komplexität, weil fürs Miteinander unbedingt nötig. Immer wieder erstaunlich, was der Mensch nicht alles tut, um dazuzugehören.(Lässt sich bspw. volltätowieren, mit Metall behängen und das permanente in der Hand Halten eines Smartphones aufschwatzen. Besonders Aufgeschlossene hantieren bereits mit mehreren Geräten.) Das Eingebundensein ist für uns lebenswichtig, fast so, als wären wir Ameisen.
 
Alle menschlichen Eigenschaften, auch die angeborenen, werden von der jeweiligen Kultur geprägt. Lachen ist sicherlich eine (jetzt-) menschliche Universalie, aber dennoch ist es (auch) von der Kultur abhängig, wann oder worüber Menschen lachen. In Japan wird Lachen bspw oft (und unbewusst) genutzt, um eine peinliche Situation zu überspielen. Wenn man in Deutschland einen Fehler macht, und darüber in Gelächter ausbricht, wirkt das hingegen seltsam. Ähnliches lässt sich auch zu anderen universalen menschlichen Verhaltensweisen sagen. Ekel bspw ist grundsätzlich auch universal, aber was genau Ekelgefühle auslöst ist stark von der kulturellen Prägung abhängig.

Lachen ist außerdem untrennbar mit Komik und Humor verbunden; wann, wie und warum sich das entwickelt hat (und ob Tiere Ähnliches kennen) wäre also eine weitere Frage.

Zur Entstehung des Lächelns: Eine Theorie ist, dass sich das Lächeln aus einer Unterwerfungs- oder Beschwichtigungsgeste entwickelt hat, um Spannungen abzubauen und (unnötige) Konfrontationen innerhalb der Gruppe zu vermeiden. Dabei hat das zweifellos eine (starke) genetische Komponente. Schon menschliche Neugeborene erkennen ein Lächeln, und zeigen unterschiedliche Reaktionen, wenn man ihnen eine gebogene Linie zeigt, je nachdem, ob die ausfwärts oder abwärts gebogen ist (smiley oder nicht...).
 
@Mashenka nachweislich hat die Evolution uns mit einer Körpermaschine ausgestattet, deren Muskel-&Nervensystem allerlei nützliche für soziale Kommunikation und Überleben wie auch allerlei unnütze (rein dekorative, siehe Zirkusartistik etc) hochkomplexe Bewegunsmuster ermöglicht - ergo trifft dein Argument (2) eigentlich nicht zu.
 
Grinsen vs. Lächeln: Rein von der Mimik her ziemlich gleich. Die Unterscheidung tut hauptsächlich der Betrachter durch Hintergrundwissen, wie auch bei genau gleichen Computer-Animationen (inkl. sonstigem Action), die je nach Situation völlig anders interpretiert werden.
Ich kenne folgende Defintion, die womöglich aus dem demselben vor Jahren gelesenen Artikel stammt, wie die Behauptung im Eingangsbeitrag:

Lächeln: der Mund ist geschlossen, die Zähne unsichtbar.
Grinsen: die Zähne sind sichtbar - im Sinne der obigen These - gebleckt.

Zur Entstehung des Lächelns: Eine Theorie ist, dass sich das Lächeln aus einer Unterwerfungs- oder Beschwichtigungsgeste entwickelt hat, um Spannungen abzubauen und (unnötige) Konfrontationen innerhalb der Gruppe zu vermeiden. Dabei hat das zweifellos eine (starke) genetische Komponente.
Das würde im Sinne der obigen These durchaus Sinn ergeben. Man bleckt die Zähne, um seine Verteidigungsbereitschaft zu zeigen, greift aber nicht an, wenn es dabei bleibt, ist der Konflikt "gelöst".

Schon menschliche Neugeborene erkennen ein Lächeln, und zeigen unterschiedliche Reaktionen, wenn man ihnen eine gebogene Linie zeigt, je nachdem, ob die ausfwärts oder abwärts gebogen ist (smiley oder nicht...).
Stichwort: "Spiegelneuronen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Duchenne Lächeln wird vom limbischen System gesteuert und setzt bei Babys ab dem 2. Monat ein. Das Duchenne Lächeln unterscheidet sich vom gesteuerten Lächeln, bei dem die Muskeln um die Augen bewusst nicht angesteuert werden. Oder anders formuliert – beim emotionalen oder echten Lächeln steuert das limbische System Augen und Mund ohne deine bewusste Kontrolle an. Bei einem falschen oder aufgesetzten Lächeln steuert dein Bewusstsein Mund und Augen an, wobei die Steuerung der Augen mehr Übung braucht. Also Amygdala vs. motorische Kortex, oder Emotionen vs. bewusste Bewegungen. Und wer das beim Baby auf das abschauen bei der Mutter zurückführt – auch blinde Babys lächeln.

Ab wann er in der heutigen Form Lächeln kann ist allerdings noch unklar. Da sich ja Muskeln nicht erhalten, kann man von anthropologische Seite aus annehmen - ab dem Homo erectus sind alle Menschenformen von den Muskeln her in der Lage echt zu lächeln. Vor diesem haben sie zwar die nötigen Muskeln am Mund, aber der Bereich der starken Brauenwülste erschwerten Augenfältchen – kein unmöglich, sondern eher unwahrscheinlich.
 
Ich kenne folgende Defintion, die womöglich aus dem demselben vor Jahren gelesenen Artikel stammt, wie die Behauptung im Eingangsbeitrag:

Lächeln: der Mund ist geschlossen, die Zähne unsichtbar.
Grinsen: die Zähne sind sichtbar - im Sinne der obigen These - gebleckt.


Das würde im Sinne der obigen These durchaus Sinn ergeben. Man bleckt die Zähne, um seine Verteidigungsbereitschaft zu zeigen, greift aber nicht an, wenn es dabei bleibt, ist der Konflikt "gelöst".


Stichwort: "Spiegelneuronen".
Möglich natürlich, dass ich mich irre, habe aber bisher angenommen, dass ein Grinsen vom Grund des Lächelns oder vom Charakter des Ausführenden abhängig sei, und nicht von der Sichtbarkeit der Zähne. Man grinst aus Schadenfreude, gerne auch mit breitgezogenem, geschlossenem Mund. Und ein hässlicher Kerl, sagen wir ein Halbstarker in einem Roman wird eher »grinsen« als »lächeln«. Hingegen grinst das süße Baby nie.

[…] - ab dem Homo erectus sind alle Menschenformen von den Muskeln her in der Lage echt zu lächeln. Vor diesem haben sie zwar die nötigen Muskeln am Mund, aber der Bereich der starken Brauenwülste erschwerten Augenfältchen – kein unmöglich, sondern eher unwahrscheinlich.
Lachfältchen im Bereich der Brauenwülste?
 
Lachfältchen im Bereich der Brauenwülste?
Für das Duchenne Lächeln typische "Krähenfüße" oder Fältchen um die Augenwinkel sind Teile des Musculus orbicularis oculi*, genauer gesagt die Pars orbitalis und Pars palpebralis, nötig und die können wegen dem Überaugenwulst und sonstigen anatomischen Merkmalen bei Australopithecus und Co in der nötigen Form nicht nachgewiesen werden bzw. sind unwahrscheinlich aber theoretisch möglich. Also die ganze Schädelform erschwert eine feine Mimik.

* Das ganze ist auch für den Tränenfluss zuständig.
 
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