Das ganze Thema ist zwar schon uralt, ich hoffe aber man verzeiht mir dennoch wenn ich das nochmal aufgreife. Nachdem ich alle Beiträge hierzu nochmal überfliegen durfte scheint das Thema an sich wohl immernoch nicht vollends geklärt zu sein, deshalb hoffe ich dazu noch etwas beitragen zu können.
Über den ominösen Papststuhl wurde bereits sehr viel gesagt deshalb lass ich den auch an dieser Stelle aus
Frau Cross aber grundsätzlich zu unterstellen hier Phantasterei zu betreiben ist natürlich auch nicht gerecht. Wie bereits hier festgestellt wurde ist Päpstin Johanna in der Tat eine Person die zumindest historisch tradiert ist. Das wohl älteste Zeugnis stammt von einem Eintrag Jean de Mailly's in die
Chronika Universalis Mettensis aus dem frühen 13.Jh. Hier ist die Rede von einem weiblichen Papst, der/die nach einer plötzlichen Niederkunft mitten in Rom sofort durch die römische Liga hingerichtet und in der Nähe des Lateran bestattet wurde. An dieser Straße entstand eine Art Gravur:
Petre Pater Patrum Papisse Prodito Partum. Sinngemäß: Papstvater Petrus, verrate die Kindesgeburt der Papisse (hier also sowas wie Päpstin gemeint).
Datiert ist das ganze (vorbehaltlich) auf das Jahr 1099, wo wir allerdings schon das erste Problem haben, da sich das mit dem Pontifikat des Paschalis II überschneidet, der bedingt durch den Investiturstreit recht gut belegt ist.
Ein zweiter Hinweis auf die Päpstin existiert aus dem Jahr 1277 im "
chronicon pontificum et imperatorum" von Martin von Troppau.
"
Von dem Bopst Johanniß [...]. Diser Bopst was ein wip als Man saget."
Er datiert ihr Pontifikat auf das Jahr 856 für 2 Jahre 5 Monate und 30 Tage.
Fast gleich jedoch ist die Beschreibung ihrer Niederkunft in der Nähe des Lateran und ihr Tod. Ein ähnlicher Eintrag existiert im "
Flores Temprum" ebenfalls Ende 13.Jh. und datiert ihr Pontifikat auf das Jahr 854 für 3 Jahre und 5 Monate.
So weit so gut und ich denke, dass diese 2 Einträge (die einzigen historisch gesicherten) auch Frau Donna Cross dazu getrieben haben diesen "auf Tatsachen beruhenden Roman" zu schreiben. Ihre "Beweise" und Thesen:
1. genannter Toilettenstuhl
2. Päpstin Johanna war 800 Jahre lang eine bekannte Gestalt und wurde erst im 17.Jh durch die Kirche schriftlich vernichtet
3. der Liber Pontificalis enthält die Päpstin als handschriftlichen Nachtrag.
4. Die fehlende Überlieferung zu Johanna ergibt sich aus geringer Alphabetisierung und Schriftlichkeit des 9.Jh
zu 1. wurde bereits genug gesagt.
2. Diese These beißt sich doch recht heftig mit These 4. Und ergibt rein nüchtern betrachtet auch wenig Sinn. Wie soll eine Institution etwas vernichten was 800 Jahre lang Zeit hatte sich schriftlich zu verbreiten? Ganz zu schweigen davon wie beliebt gerade zu Reformationszeiten Geschichten waren welche die katholische Kirche in Misskredit brachten. Möglicherweise wurde in reformatorischen Kreisen Troppau oder Mailly zitiert, einen stichhaltigen Kontext konnte und wollte man jedoch nie vorweisen. Soweit ich weiß existiert auch kein Flugblatt von Luther über eine weibliche Päpstin.
3. Das scheint wohl der ausschlaggebende Punkt zu sein. Es existiert tatsächlich ein Eintrag im Liber Pontificalis der von einer Päpstin Johanna spricht. ABER: Es ist kein offizieller Eintrag sondern eine Notiz am unteren Rand des Manuskripts. Fast wortgetreu nach der Darstellung von Troppau und ein eindeutiger Nachtrag aus dem 14. Jahrhundert. Weshalb wir davon ausgehen müssen das derjenige der den Nachtrag vorgenommen hat nur Troppau gelesen haben kann. Am Manuskript selbst wurden nach modernen Untersuchungen keine Radierungen oder Manipulationen vorgenommen, die etwa künstlich das Pontifikat Leo's IV verlängert haben könnten und damit Johanna überdecken würden.
Wir müssen uns also den Troppau Artikel nochmal genauer anschauen um der Sache auf die Spur zu kommen. Hier ist die Rede davon, dass die Päpstin irgendwo zwischen "St.Peter und dem coliseo" begraben wurde und die Päpste seitdem diesen Weg mieden. Gehen wir noch etwas zurück und betrachten uns das älteste Zeugnis von Mailly, finden wir eine ähnliche Darstellung und eben das
Petre Pater Patrum Papisse Prodito Partum eine Grabsteingravur. Dazu ist zu sagen, dass zwischen St.Peter und dem Kollisseum für gewöhnlich keine päpstlichen Prozessionen stattfanden, weshalb es auch unwahrscheinlich ist, dass die Päpstin dort in einer Straße ihre Niederkunft hatte und auch dort begraben liegt. Ein Grabstein jedenfalls ist nicht weiter überliefert, übrig blieb eine Gasse in der Nähe des Lateran mit dem Namen "
via papessa". und eine Hauswandgravur "P.P.P.P.P.P." die volle bezeichnung
Petre Pater.... existiert zwar nirgends, aber nun kann man ja von "
Papessa" sich so einiges in Richtung "Päpstin" herleiten und mit dem 6 fachen "P"gleich den nächsten Hinweis.
Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass die männliche Linie des einflussreichen Adelsgeschlechts der "Papes" zu Beginn des 10.Jh.ausstarb und lediglich eine weibliche Erbin übrig blieb die in der Nähe von Rom residierte und eben dann wegen ihres Familiennamens "Papessa" genannt wurde. Wer ein bisschen Einblick in italienische Adels- und Klerikerverhältnisse hat muss dann auch berücksichtigen, dass ein Papst oder Bischhof natürlich auch nicht ganz ohne Einfluss des Adels leben konnte und eine mächtige Adlige in Rom ganz schnell mal die Fäden hinter den Kulissen ziehen und den Papst zu ihrer Marionette machen konnte. Eine polemische Überlieferung der "
Papessa als erste weibliche Päpstin" liegt also nicht nur als Wortspiel Nahe. Den Faden will ich aber hier fallen lassen.
Das mysteriöse P.P.P.P.P.P. kann nicht in Gänze aufgelöst werden, enthält aber vermutlich 2 termini technici. Zum einen war ein "P.P." ein gängiger Titel für Priester des römischen Mithras - Kultes "
pater patrum". Eine zweite gängige Abkürzung war das "P.P.P." die Kurzform für "
proprie pecunia posuit", -es wird für eine Geldgabe gedankt- oder so ähnlich. Da ein pater patrum meistens auch noch mit Namen angesprochen wurde, ist das erste P. wohl eine Art "Petronius" oder ähnlich, weshalb das 6 fache P genauso gut heißen kann. "
Petronius pater patrum proprie pecunia posuit" eine Art Danksagung, welche als vollständig formulierter Satz auch an anderer Stelle in Rom zu finden ist (leider weiß ich nicht mehr wo genau). Wahrscheinlicher wird das ganze dadurch dass in dieser "via papessa" tasächlich eine Art Heiligtum des Mithras Kult existierte der sogar heute noch unter dem San Clemente zu besichtigen ist.
Es ist also durchaus möglich, dass sich aufgrund einer Hausgravur, einem missverständlichen Straßennamen und einer mächtigen Adligen ein Mythos konstituiert hat, der nach über 300 Jahren mündlicher Tradition seine Niederschrift bei Mailly und Troppau fand. In Form einer skandalösen Päpstin Johanna, und Gott weiß, Geschichtsschreiber lieben Skandale
. Zwar existiert auch die Behauptung ein gewisser Papst Johannes wurde aufgrund seiner Weichlichkeit polemisch als "Johanna" überliefert, das jedoch scheint mir wieder zu spekulativ.
Hier ist also festzuhalten, dass Frau Cross wohl eindeutig andere Absichten hatte als "gesicherte Tatsachen" zu präsentieren. Es scheint ja recht modern zu sein, dunkle Geheimnisse der Kirche ans Tageslicht zu bringen und dem ganzen am besten noch einen feministischen Anstrich zu verpassen. Der Erfolg ist garantiert
. Spannend ist die Geschichte aber allemal und ich will der armen Frau auch ganz gewiss keine Bösartigkeit unterstellen.
Ich hoffe sehr jemand macht sich die Mühe und liest sich das durch, und kann eventuell sogar noch das ein oder andere beitragen.