Spengler war der erste, der den Eurozentrismus des westlichen Geschichtsverständnisses hinter sich gelassen hat und Geschichte als Weltgeschichte begreift und darstellt. Nur wenn man die verschiedenen historischen Entwicklungsstränge, Kulturen, Zivilisationen oder wie immer man das nennen will, den antiken Strang, den neueren europäischen, chinesischen, arabischen usw. nebeneinanderhält und vergleicht, kommt man zu einem halbwegs realistischen Geschichtsbild, so Spengler. Aber das ist nur ein Aspekt. Das Buch ist in vieler Hinsicht ein Hammer. (Was nicht bedeutet, dass Spengler immer recht hat.)
Zunächstmal muss ich hier vorrausschicken, dass ich nicht das gesamte Buch gelesen habe, sondern nur den ersten Teil davon. Der wiederrum erschien mir ziemlich eurozentrisch und in methodischer Hinsicht mangelhaft, was schon bei der vollkommenen überzogenen und recht exklusiven Wertung verschiedener "abendländischer" Zivilisationen/Nationen anfängt.
Da war man in früherer Zeit schonmal deutlich weiter, wenn ich auch etwa Ranke oder Mommsen nicht unterstellen möchte in irgendeiner Form von persönlichen Vorlieben befreit geschrieben zu haben.
Von einer tatsächlichen wissenschaftlichen Würdigung außereuropäischer Geschichte, die diese Bezeichnung verdienen würde, war mindestens das, was ich gelesen habe ziemlich weit weg. Gut, den könnte man gegebenenfalls noch zugestehen dass viele Irrtümer einfach der Tatsache geschuldet sein werden, dass die Fachdisziplinen außereuropäischer Geschichte da noch nicht annähernd so entwickelt waren, wie das heute der Fall ist.
Krasser Eurozentrismus ist, meine ich jedenfalls keine immer da gewesene Angelegenheit sondern eine spezielle Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts. Jedenfalls lassen etwa die unterschiedlichen Darstellungen des Asien-Bildes, wie Oserthammel das noch für das 17. und 18. Jahrhundert im Gegensatz zum 19. Jahrhundert darstellt nicht auf einen derart überzogenen Selbstfokus schließen.
(Osterhammel, Die Entzauberung Asiens)
Dieser Fokus scheint sich erst in dem Moment ergeben zu haben, in dem man in der Lage war die meisten außereuropäischen Zivilisationen mit Gewaltmitteln zu überwinden und somit den Verlauf der Geschichte weitgehend selbst zu bestimmen.
Auch das bekommt aber bereits im späten 19. Jahrhundert mit dem Aufstieg Japans deutliche Risse und bereits das Schlagwort von der "gelben Gefahr", dass noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert aufkommt, zeigt eigentlich, dass schon zum damaligen Zeitpunkt Geschichte nicht mehr als einziges Produkt der Triebfeder der europäischen Mächte und Kulturen/Zivilisationen begriffen wurde. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte, war das der Russisch/Japanische Krieg 1904/1905, der ihn lieferte. Das ist, je nachdem, wo man das jetzt ansetzen will so zwischen 10 und 30 Jahren bevor Spengler den "Untergang des Abendlandes" herausbrachte.
Man könnte es auch auf anderer Ebene diskutieren und etwa Marx bemühen. Dessen geflügeltes Wort:
Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft, ist die Geschichte von Klassenkämpfen
(Manifest der kommunistischen Partei)
spiegelt ja durchaus auch keinen völlig auf Europa und die europäische Entwicklung konzentrierten Ansatz wieder, sondern eine dezidiert globale Sicht (über deren Richtigkeit man sicherlich streiten kann. In seinen Schriften finden sich auch zahlreiche Rekurse auf außereuropäische Verläufe und Wirtschaftsformen und Traditionen (auch wenn die in Teilen zeitgenössische Zerrbilder wiedergeben).
Das war in den 1840er-1860er Jahren, um nur ein Beispiel zu nennen.
Selbst wenn man Spengler eine nicht eurozentrische Perspektive zugestehen wollte. Der Erste mit einer nicht eurozentrishen Geschichtsauffassung, war er nie im Leben.
Zur gleichen Zeit wie Spengler oder früher hatte auch die systematische Erforschung der Geschichte Indiens, Chinas, Japans Ägyptens und anderer Erdteile längst begonnen (wenn auch natürlich nicht auf heutigem Niveau). Such das ist von einem fundamentalen Eurozentrismus weit weg.
Was mir persönlich an Spengler missfallen hat, ist (neben der bereits monieten fehlenden Sachlichkeit und Nachvollziehbarkeit seiner Schlüsse) sein radikaler Idealismus (im Sinne philosophischer Kategorien Idealismus vs. Materialismus) und die bei ihm vorgetragene von der materiellen Basis weitgehend befreite Art Geschichte zu betrachten, die ich demnach eher "Ideologie" als methodisch fundierte Wissenschaft nennen würde.