Maßeinheiten - ein Chaos

MatSoe

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Ich beschäftige mich mit den Maßeinheiten der frühen Neuzeit. Meine Recherche liefert mir erstaunliches. So waren Längenmaße oft nach Körperteilen definiert: Es gab z.B. die Spanne (Handspanne), die Elle (Unterarm)- bis zu 130 verschiedene angaben - , den Fuß, den Schuh, die Rute, die Meile und wahrscheinlich viele weitere Bezeichungen. Und überall wurde anders gemessen. Ein Meile konnte zwischen 1,5 und 11 km lang sein. Ähnlich chaotisch geht es mit den Masseinheiten für Flüssigkeiten, Flächen und Gewichten. Ich frage mich, wie man im frühen 17. Jahrhundert mit so einen unübersichtlichem System überhaupt Handel betreiben konnte. Mussten die Geschäftsleute und Bauern die Werte alle kennen? Kaum vorstellbar.
 
Mussten die Geschäftsleute und Bauern die Werte alle kennen? Kaum vorstellbar.
Mussten sie nicht. Es gab an der Fassade vieler Rathäuser in Stein gehauene Längenmasse. Und oft enthielten die Rathäuser im Erdgeschoss eine Kaufhalle, oder waren aus der "Waag" oder der Kaufhalle hervorgegangen.

Für die Bauern waren die Hohlmasse wichtiger, sie gab es in Burgen oder Zehnthäusern, zumindest da wo Abgaben entrichtet werden mussten. Im Château de Tournoël in Volvic, im französischen Zentralmassiv gibt es z.B. ein perfekt erhaltenes, in Basalt gehauenes Hohlmass für Getreide, das oben mit einem Brett glatt gestrichen und seitlich mit einem Schieber entleert werden kann.

Auf die Schnelle fand ich das hier:
 
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Ich habe auch schon von den 'in Stein gehauenen' Refernzmaßen gehört. Vielen Dank für deine Bestätigung, Pardela.
 
Dann kommt noch hinzu, dass mit den meisten Gütern nicht allzu weit überregional gehandelt wurde, weil insbesondere auf dem Landweg die Transportkosten sehr hoch waren.
Das ändert sich dann im 18. und 19. Jahrhundert mit dem massiven Ausbau von Straßen und Kanälen, so wie mit dem Aufkommen der Eisenbahn und Massenproduktion.

Du kannst aber bei den meisten einfachen, nicht spezialisierten Gütern davon ausgehen, dass Handel wenn die Strecke über einige Tagesreisen hinaus ging, vor allem bei Massengütern schnell unrentabel wurde, wenn man das ganze nicht irgendwie auf Flüssen oder zur See per Schiff abwickeln konnte.

Die meisten Güter dürften dementsprechend in einem Umkreis verhandelt worden sein, wo es villeicht eine Hand voll verschiedene Maßeinheiten gab, mehr dann aber auch nicht.
 
Ich kann ergänzen, dass es tatsächlich auch sogenannte „Normstäbe“ und „Eichgewichte“ gab, die von Stadt zu Stadt unterschiedlich waren, aber regelmäßig überprüft wurden. In Nürnberg etwa wurden im 16. Jahrhundert die offiziellen Elle-Maße in der Stadtwaage aufbewahrt und einmal im Jahr mit einer Referenz aus Augsburg verglichen.
Interessant ist auch, dass einige Handelsgesellschaften eigene interne Maßsysteme verwendeten, um den Austausch zwischen Regionen zu vereinfachen – z. B. die Hanse oder große Tuchhändler. Das war eine Art „Vorläufer“ des metrischen Systems, lange bevor die Revolution in Frankreich die Vereinheitlichung brachte.
Wer sich dafür interessiert: Auf https://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Maßsystem gibt’s eine gute Übersicht über die regionalen Unterschiede, mit Beispielen aus Deutschland, Italien und den Niederlanden.
 
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