7.300 BC: gab es eine ‘soziale revolution’ in cayönü (anatolien)?

Der Unterschied ist aber der, wie "gesund" definiert wird. Nicht überlebensfähig in der Steppe soll ein Rind sein, sondern es soll keinen Ärger machen viel Milch geben, und ein Schwein soll dicke Schinken haben (auch wenn es dadurch nicht mehr so schnell laufen kann).

Aus diesem Grund haben sich Kühe und Schweine in ihrem Aussehen auch deutlich von Auerochs und Wildschwein entfernt.

Richtig. Ich habe nichts gegenteiliges behauptet.
 
Basiert u.a. auf Özdogan, der hier auch schon erwähnt wurde.
Einen der von Brosius zitierten Aufsätze habe ich online gefunden, der ist allerdings schon etwas älter:
Persée

Leider ist mir von der Literatur, die Brosius zitiert, nur ein kleiner Teil zugänglich.


"Bezeichnend ist, dass auch diese älteste bisher bekannte Klassengesellschaft uns als patriarchale Gesellschaft (Hauptmann 1991: 161/3, 2002: 266f, Özdogan 1999b: 234/2) von bitterer Destruktivität entgegentritt: Die höhlenartig in den Berg gegrabenen, finsteren Tempel dienten der Aufrechterhaltung der Macht in einer offensichtlich straff organisierten Gesell*schaft (Özdogan 1994: 43, Özdogan 1999b: 231) durch offenen Terror - durch Menschen*opfer. In den Tempeln aller Bauschichten sind große Mengen [Menschen-]Blutes geflossen, ... "

Was das Menschenblut betrifft, bezieht Brosius sich auf folgende Literatur:

Dass es sich dabei meist um Menschenblut handelte, ergab die Analyse des isolierten Blutfarbstoffes Hämoglobin (Loy and Wood 1989, Wood 1998).
Wenn man bei Thomas H. Loy and Andrée R. Wood ("Blood Residue Analysis at Çayönü Tepesi, Turkey") nachliest, stellt man fest, dass Menschenopfer dort nur als eine von mehreren Möglichkeiten genannt werden. Auch ein Zusammenhang mit einem Bestattungsritual sei möglich.

Also Dekarnation?

Klaus Schmidt schreibt im Kapitel über Çatal Höyük (S. 56):
Mehrfach konnten klare Hinweise für Sekundärbestattungen beobachtet werden, was nichts anderes bedeutet, als daß die Toten nicht sofort in die bei der Ausgrabung vorgefundene Grablege gebettet worden sind. Ein solches sicheres Indiz liegt beispielsweise vor, wenn die Knochen mit Ocker eingefärbt sind, was ja nur dann geschehen konnte, wenn das umhüllende Fleisch bereits verschwunden war. Diese uns vielleicht befremdlich anmutende Vorgehensweise ist bei Hausbestattungen eigentlich zu erwarten, denn die Beerdigung "frischer" Leichname hätte sicher schnell zu hygienischen Problemen geführt.
 
Sekundärbestattungen sind im frühen Neolithikum nicht ungewöhnlich, siehe die geschmückten Schädel von Jericho. Da zeigt sich ein anderer Umgang mit dem Tod, vielleicht Ahnenkult. Man wollte die Verstorbenen nahe bei sich haben und bestattete die Knochen unter den Bettpodesten.
Deshalb hatte ich weiter oben die Frage in den Raum gestellt, inwieweit Skelette, die evtl. von Geiern entfleischt worden waren, noch Aussagen über einen friedlichen Tod zulassen. Es wäre mE vorstellbar, dass man nur heile, schöne Knochen unter die Betten legte.:winke:
 
für mich hat domestikation etwas mit zufall zu tun (einfangen, hüten und dann aufessen, auch mal zufallsgeburten) und zucht etwas mit vorsatz, also zielgerichtet - erst das eine und daraus dann das andere
Ich kann mir aber auch vornehmen Tiere einzufangen und zu hüten, um sie nach zuvor in der Wildbahn beobachteten Kriterien gezielt vermehren zu können.
Das ist die berühmte Frage nach dem Huhn und dem Ei.
Wenn ich mir den Verlauf der Menschheitsgeschichte so anschaue, ist ein Fixpunkt, an dem der Beginn der Domestizierung und Züchtung und deren Reihenfolge fest gemacht werden kann, wohl eher nicht auszumachen.
 
Zuletzt bearbeitet:
... die Trobriander, denen Malinowski die Kenntnis der physiologischen Vaterschaft abspricht, eine ziemlich strenge Exogamie. "Zwei Menschen entgegengesetzten Geschlechts, die im Verhältnis von Bruder und Schwester im weitesten Sinn stehen, also demselben Clan angehören, dürfen weder heiraten, noch geschlechtlich verkehren, ja nicht einmal irgendwelches geschlechtliche Interesse füreinander zeigen" (S. 388). Verkehr zwischen Bruder und Schwester gilt als "furchtbares Verbrechen".
in kürze wird dieser thread vermutlich zu de thema exogamie übergehen - vorher werde ich aber erstmal die suchfunktion bedienen, ob es da schon diskussionen zu gab

nicht nur die ... - das thema züchten stell ich für mich erst mal zurück, bis mir in einer tiefen meditation in die zeit klar wird, wie es sich für mich richtig anfühlt und mir dann die uns fehlenden argumente einfallen ... hoffentlich
Wer im Blutrausch tötet ...
das machst du aus meinen worten 'weil ihnen das jagen im blut lag' - zufall, unverständnis oder absicht?
(ich frage nur, um dich als diskussionspartner für die zukunft richtig einschätzen zu können)
Natürlich gibt es den Jagdtrieb, der mit einem Lustgefühl gepaart ist, aber dabei gibt es auch eine Grenze.
ethische, ökologische oder auch ökonomische

ich weiss nicht mehr, wieviel diese ein-nashorn-erlegen-lizens den gewinner der versteigerung gekostet hat, es war aber viel geld!
Schmidt schreibt ...: nicht das hausrind
Bott behauptet ...: rinder fehlen
auerochse = wild ... rind = hausrind

rinder jagt man nicht, also ich kenne keinen bauern, der mit geladener schrotflinte zu seiner eingepferchten herde geht, um seine jagtgelüste zu befriedigen

also ich sehe in beiden aussagen KEINEN widerspruch!
... es soll keinen Ärger machen viel Milch geben, und [...] dicke Schinken haben
ich persönlich hätte wohl derzeit auch den versuch einer eierlegenden wollmilchsau gewagt ... :)

lg
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mir den Verlauf der Menschheitsgeschichte so anschaue, ist ein Fixpunkt, an dem der Beginn der Domestizierung und Züchtung und deren Reihenfolge fest gemacht werden kann, wohl eher nicht auszumachen.

Doch. Ursprung aller Hausrinder liegt in einer kleinen Auerochsen-Herde im Nahen Osten

Wie es aussieht, wurde wohl eine nur eine einzige Herde gezielt eingefangen und gezähmt. Züchterisch bearbeitet wurde diese wohl erstmal nur mit dem Ziel, sie "ruhiger" zu machen. Wenn dann ca. 2000 Jahre später erste deutliche Unterschiede in der Anatomie auftreten, war wohl die Zähmung alleine schon ein sehr bedeutendes Ereignis, denn Rinder sind wesentlich schwerer zu zähmen als Schafe oder Ziegen.
Das sich dann aus diesem Ereignis ein Rinder-Kult entwickelt, ist wohl nachvollziehbar.
Erst als man dann allgemein ruhigere ruhigere Tiere hatte, wird man mit der Auslese nach anderen Gesichtspunkten angefangen haben.
Insofern scheinen mir die 2000 Jahre ganz gut zu passen. Zumal ja erst mal Erfahrungen gesammelt werden mußten, auch im Umgang mit Weidemanagement und ähnlichem. Rinder kann man, da sie ursprünglich Wald- und Schwemmland-Bewohner waren, nicht wie Schafe und Ziegen auf den abgeernteten Feldern, steinigen Trockenwiesen und gerodeten Waldflächen halten, sondern die brauchen "fette" Gras- und Buschlandschaften.

Soweit erstmal kurz, hab nicht viel Zeit...
 
Einen der von Brosius zitierten Aufsätze habe ich online gefunden, der ist allerdings schon etwas älter:
Persée

Leider ist mir von der Literatur, die Brosius zitiert, nur ein kleiner Teil zugänglich.
danke für deine bemühungen!

dass Menschenopfer dort nur als eine von mehreren Möglichkeiten genannt werden. Auch ein Zusammenhang mit einem Bestattungsritual sei möglich.
brosius beschreibt für cayönü ein ritualgebäude/tempel, in dem sich eine grosse steinplatte befand, von der aus eine rinne nach draussen führte, als blutablauf ... grösstenteils menschenblut - was das mit bestattung zu tun haben soll ist mir schleierhaft!

lg
 
Soweit erstmal kurz, hab nicht viel Zeit...
danke für den link

langsam, wir haben alle zeit der welt - deine idee, den bott-text zusamen zu fassen ist ein umfangreicher job, wenn man all die verschiedenen thema, die sich wie linien da durch ziehen und sich berühren, erfassen will

gutes gelingen!

lg
 
brosius beschreibt für cayönü ein ritualgebäude/tempel, in dem sich eine grosse steinplatte befand, von der aus eine rinne nach draussen führte, als blutablauf ... grösstenteils menschenblut - was das mit bestattung zu tun haben soll ist mir schleierhaft!

Wenn man nur die Knochen bestattet, muss vorher das Fleisch von den Knochen entfernt werden.
Bei Interesse verlinke ich Fotos von einer "Himmelsbestattung". Oder selber danach googeln. Aber Vorsicht, appetitlich ist das nicht!
 
rinder jagt man nicht, also ich kenne keinen bauern, der mit geladener schrotflinte zu seiner eingepferchten herde geht, um seine jagtgelüste zu befriedigen
Hausrinder jagt man nicht.
Wildrinder jagt man.
In Europa gab es bis in die Neuzeit Hausrinder und Wildrinder. Die Wildrinder hat man gejagt, die Hausrinder natürlich nicht.
In Amerika hat man Hausrinder gehalten und Wildrinder (Bisons) gejagt.
In Çatal Höyük hat man wohl auch Hausrinder gehalten und Wildrinder gejagt.

Was hast Du für ein Problem?

also ich sehe in beiden aussagen KEINEN widerspruch!
Schmidt schreibt, auf den Bildern seien Wildrinder zu sehen.
Bott behauptet, auf den Bildern seien keine Rinder zu sehen.
Wenn Du Dich von Bott hinters Licht führen lassen willst, lass Dich von Bott hinters Licht führen. Daran kann und will ich Dich nicht hindern.
 
jagen ist bei männern ein trieb der auch heute gerne noch befriedigt wird
Ich möchte die Existenz eines generellen Jagdtriebs bei Menschen verneinen.

Wie ich oben schon versucht habe zu erläutern, ist "die Aggression" Teil des Brunftverhaltens (in der Tat des Männnchens/Mannes) und kann, wie alle "Triebe", für andere - z. B. gesellschaftliche - Aufgaben in "zweckentfremdeter" Form eingespannt werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Khoi-San-Männer deutlich weniger Testosteron im Blut haben als Europäische. Warum ? Die brauchen ihre Kräfte für andere, wichtigere Dinge - z. B. für das Überleben - und können sie nicht für einen Luxus wie permanentes Balzverhalten verschleudern.
 
ob es daran liegt, dass mit dem übergang von der rinderdomestikatiion zur rinderzucht sich die vormals matrilinearen gemeinschaften zum heute weltweit verbreiteten patriarchat entwickelten?

Ich verstehe nicht, warum Rinderzucht zur Aufgabe der Matrilinearität führen soll.
Die Tuareg als "klassisches nomadisches Viehzüchtervolk" bilden eine matrilineare und stark hierarchisch (bis hin zu Sklaven) gegliederte Gesellschaft.
 
Verstehe ich auch nicht, und umgekehrt sind die Schlußfolgerungen von (archäologisch nachgewiesenen) Prestigeunterschieden zu hierarchischen Gliederungen völlig schwammig:

"According to some very well-known authors (e.g., Gimbutas 1991; Hodder 1990), the early Neolithic ideology not only insisted on the dichotomy between the natural and the domesticated worlds, but also on the social or symbolic predominance of the feminine element. Yet, the reader will certainly have noticed the quasi-absence of reference in this analysis to the respective roles of men and women in the organization of society. The major reason is that I see little in the data that would shed light on this problem, or indicate any inbalance in favour of one or the other gender. Hodder (1990: 68–9, 137) has underlined the emphasis on the ‘domus’, on nurturing and rearing in the south-eastern European villages, and hence on the feminine elements of society. However, as he himself indicates, this does not imply that women ‘played a central role in production’ or had any ‘real power’ (Hodder 1990: 68). To the contrary, Vitelli (1993) and Björk (1995), basing their interpretation on their familiarity with Early Neolithic pottery from Greece, have suggested that potters enjoyed an especially prestigious status. According to Vitelli, pottery making was done by women, who also mastered the knowledge of medicinal plants and drugs. Accordingly, she believes that women-potters would have been endowed with a high status and special healing powers, akin to shamanistic powers. This is a possibility to be considered, although numerous ethnographic examples show that such healing powers are frequently shared by individuals of both sexes. On the other hand, highly skilled stone-working is a masculine activity in the few historical cases known to us. Thus the production and exchange of exotic stone tools can be considered more probably a masculine activity. Since stone artefacts are, among the recoverable remains, the most widely traded during the Early Neolithic, the control of long-distance trade, and the prestige attached to it, can be more plausibly attributed to men. Thus, here again, the scant evidence upon which we can rely – or rather, the most plausible inferences – points to a differentiation of masculine and feminine roles, rather than to the predominance of one sex."

Und schlußfolgernd:

"Despite their limits, the currently available data indicate that socioeconomic differentiation was already developing along distinct lines in the Early Neolithic. Some individuals or families possessed objects that few others pos- sessed, whether for ritual, social or cultic reasons. Some individuals practised crafts that others did not, and different status may have been attached to these different crafts. Some individuals were exhumed after burial, and their skulls grouped together. None of this, however, indicates ‘social inequalities’ in a classic sense. I am certainly not suggesting here that Early Neolithic society in Greece was based on any kind of institutionalized, hereditary hierarchy. Indeed, Halstead noted that there were ‘powerful constraints on the maximum size of Neolithic set- tlements in Thessaly’, with a maximum figure of about 300 inhabitants. This figure would have been precisely the limit of an egalitarian society, in order to avoid internal conflicts (Broodbank 1992; Halstead 1984: 6.4.3, 1995 and refer- ences therein). What I am suggesting, however, it that Early Neolithic society was organized along different lines, with complementary roles and status, and that the latter included specialized economic functions. Part-time craft specialization, embedded within subsistence tasks, would have served not only a more efficient technological organization, but above all a more efficient social organization. It is indeed noteworthy that none of the raw materials or artefacts traded in the Early Neolithic of Greece can be considered as strictly indispensable: even for chipped-stone tools, local or regional substitutes were available. Without denying its technical and economic benefits, trade should be viewed here primarily as a social mechanism (Mauss 1960; Sahlins 1974)."

Perles, S. 297, 300.

Zu den Relationen Rinderzucht/Jagd, Relation domestizierte Rinder/sonstige Zuchttiere, Folgen für die Siedlungsgrößen, Ausdifferenzierung der Gemeinschaften siehe oben #152.
Perles stellt auch siedlungsübergreifend das statistische Material zusammen. Da werden u.a. Nahrungsanteile aus der Zucht von 3 bis 9%, sowie starke Schwankungen bis zur Bronzezeit konstatiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Frage der zeitlichen Einordnung, "Punktierbarkeit" der Revolution

"„In the domain of subsistence, the sites revealed an overwhelming predominance of wild resources over possible cultigens and domesticated animals. Early efforts at cultivation, such as at Abu Hureyra (cf. Moore, Hillman, and Legge 2000), seem to have had a highly restricted, local impact; it was not until the eighth millennium that the communities were firmly tied to the farming economy. Middle PPNB Abu Hureyra had a range of domestic plants which occurred together with their wild counterparts. In contrast, nearby Halula contained no evidence for wild crop plants, suggesting that its settlers brought species such as wheat, barley, and flax in a fully domesticated form. The contribution of domestic animals (sheep and goats) to the diet was modest in the beginning but increased significantly in the late eighth millennium (up to 65–75% of the animal bone at Abu Hureyra; e.g. Moore, Hillman, and Legge 2000).

In the late PPNB (c.7500–7000 cal. BC), the number of sites increased substantially—dozens of sites have been identified for this period, usually in the form of settlement mounds with proof of sustained occupation over long spans of time. Early farming villages also began to appear in regions used rarely or not at all by settled communities so far, such as the Khabur and Balikh Basins. Most sites were small, one hectare or less, although there were a few larger settlements as well (Abu Hureyra, Halula, Bouqras, and Seker al-Aheimar). They were characterized by regularity and order in the pattern of house construction, indicative of the careful planning and organization of occupation.“

Auszug aus: „The Oxford Handbook of the Archaeology of the Levant: c. 8000-332 BCE (Oxford Handbooks in Archaeology).“ 2013.
Aufsatz Akkermans, The Northern Levant during the Neolithic Periode - Damascus and beyond.

Das ist jetzt aber Deine eigene Definition.
Ich kenne keine einzige Fachpublikation, die "pastoral" als Fachbegriff in diesem Sinn nutzt.
Vielleicht bringst Du zwei verschiedene Dinge durcheinander:
1. "Pastoral" als Begriff aus der christlichen Theologie
2. "Pastoralismus" als Begriff aus der Wirtschaft

Zum Pastoralismus (bzw. der damit verbundenen "Revolution") in der Viehwirtschaft, Beispiel Südliche Levante/Cisjordan:

"„The shift from foraging to pastoralism in the southern deserts remains poorly documented, although it was probably introduced from southern and eastern Transjordan (and/or the southern coastal plain) some time during the seventh millennium,* and thence eventually to the Nile Delta (Bar-Yosef and Khazanov 1992). Qadesh Barnea 3 and Beer Ada, the latter with what appears to be an animal corral, probably represent early manifestations of this process (Gopher 2010). However, with the rapid shift away from foraging (and especially hunting) to pastoralism, site visibility declines, since the material culture remains rarely include diagnostic attributes amongst the lithic assemblages (except for specialized bead workshops) and pottery is absent.

* ab ca. 6400 BC

Quelle siehe oben, Artikel Südliche Levante.
 
Halbesel als Pferdevorgänger? Falls man diese Tiere je domestiziert hat, ist deren Haltung wohl nicht sehr lange praktiziert worden. Jedenfalls sind mir keine Haustierrassen bekannt, die vom Onager abstammen könnten.

Du hast Recht. Man kann antike Quellen so interpretieren, dass versucht wurde, Onager zu domestizieren, der Versuch aber wegen fortgesetzter Übellaunigkeit seitens der Wildesel eingestellt wurde, sobald Ersatz (Pferde, afrik. Esel) vorhanden war.

Aus Arm und Reich von Jared Diamond

Aus sumerischen und späteren Quellen wissen wir, daß Onager regelmäßig gejagt, eingefangen und mit Eseln und Pferden gekreuzt wurden. Einige Schilderungen pferdeähnlicher Tiere,die zum Reiten und als Zugpferde dienten, beziehen sich möglicherweise auf Onager. Jeder, der über sie schrieb, von den alten Römern bis hin zu modernen Zoologen, äußerte sich jedoch mißbilligend über ihre Übellaunigkeit und Bissigkeit. Die Folge war, daß Onager trotz ihrer großen Ähnlichkeit mit anderen Vorfahren unseres Hausesels nie domestiziert wurden.
Behauptet wurde das für die Trobriander (Bronislaw Malinowski, Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien, 1929 / Neuausgabe Frankfurt 1979) und für die Aborigines.

Über diese Behauptung bei den Aborigines habe ich gelesen, der Grund für diesen Irrtum seien die völlig andersartigen Verwandtschaftsstrukturen gewesen (und vermutlich haben einige Vorbehalte, die frühere weiße Forschergenerationen ihren nicht-weißen Studienobjekten entgegenbrachten, das ihrige getan...). Bei diesen spielte die biologische Vaterschaft tatsächlich keine Rolle, daher die Behauptung, die Aborigines seien sich der zu Grunde liegenden biologischen Prozesse nicht bewusst gewesen.

und sie wurden zahmer, weil sie gezielt so gezüchtet wurden ... oder kann es auch gentechnisch so sein, dass der auerochse durch das vermehrte zusammenleben mit dem menschen zahm-gene entwickelt hat, und das in 1.000 bis 2.000 jahren?

Darauf ein klares Jain! ;)

"Gene" entstehen nie gezielt, insofern nein. Es kann aber durch nicht bewusst gesteuerte Prozesse eine zufällige Entwicklung von Merkmalen in eine bestimmte (gewünschte oder nicht gewünschte) Richtung eintreten. Bei diesem Beispiel: Menschen müssen weder wissen, dass sich Merkmale wie Aggressivität vererben, nocht wie man Tiere züchtet. Wenn sie aus reinem Eigenschutz die aggrssivsten Tiere töten (bspw die, die einen Menschen schwer verletzt haben), kann das zu einer Verringerung dieses merkmals in der Herde führen, da sich agressivere Tiere nicht mehr oder weniger fortpflanzen, da sie ja getötet werden. Das ist keine gezielte Züchtung, aber eine Veränderung im Rahmen der Dokstizierung, die (bei gefährlichen Tieren) fast schon autoamtisch eintreten wird. Gleichzeitig könnte dies ein Grund für die Verkleinerung der domstizierten Arten sein. Wenn man annimmmt, das größere Tiere auch ein größere Verletzungpotential haben, werden sie eher wegen dieser Verletzungsgefhar aussortiert, überleben nicht und haben keine bzw weniger Nachkommen. Wieder kann das dazu führen, dass ein bestimmtes Merkmal, was in freier Wildbahn ein Vorteil war, in der Obhut des Menschen zu einem nachteil wird und sich per Evolution verändert, ohne dass Menschen gezielt planen mussten, die Tiere auf eine bestimmte Art zu verändern bzw zu züchten.

Doch. Ursprung aller Hausrinder liegt in einer kleinen Auerochsen-Herde im Nahen Osten

Wie es aussieht, wurde wohl eine nur eine einzige Herde gezielt eingefangen und gezähmt. Züchterisch bearbeitet wurde diese wohl erstmal nur mit dem Ziel, sie "ruhiger" zu machen.

Zur "züchterischen Bearbeitung" (auch nett ausgedrückt ;)) siehe oben. Zu dem Link: Ich bin ja nun kein Fachmann, aber wenn ich was über solche Schlüsse aus genetischem Material gelernt habe: Die Fehlerspanne ist enorm*. So würde sich bei nur 80 Tieren ein erhebliche Inzestproblem ergeben. Auch wurde das Rind mWn mehrfach domestiziert, indische Rinder sollen so von einem anderen Domstikationsereignis abstammen als die vorderasiatischen.

* Erinnert mich an folgende Passage, wenn auch weitgehend usammenhanglos...

Neandertaler ? Wikipedia

Wie aussagekräftig dieser Schätzwert ist, ist allerdings umstritten. Zum einen wurde aus ihm abgeleitet, dass die Gesamtpopulation zu einem bestimmten Zeitpunkt dieser Spätphase der Neandertaler nur bei 7000 Individuen gelegen habe; zugleich wurde in einem Begleitartikel zur Studie in der Zeitschrift Science aber auf Modellrechnungen zur heutigen Einwohnerschaft in Schweden verwiesen, wo rund neun Millionen Menschen leben. Ein vergleichbares Vorgehen wie beim Neandertaler würde für die heutige schwedische Homo-sapiens-Population aber nur auf 100.000 Individuen kommen;[117]
Deshalb hatte ich weiter oben die Frage in den Raum gestellt, inwieweit Skelette, die evtl. von Geiern entfleischt worden waren, noch Aussagen über einen friedlichen Tod zulassen. Es wäre mE vorstellbar, dass man nur heile, schöne Knochen unter die Betten legte.:winke:

Stellt sich mir die Frage, ob von Geier entfleischte Knochen überhaupt "schön und heil" seien können. ;)

Tatsächlich sind manche Verletzungen an Knochen (bspw von Pfeilen) für Archäologen interessant, obwohl es nur kleine Krantzer sind. Wohlgemerkt, am Knochen; die Wunden, aus denen solche Male stammen, waren natürlich mehr als Kratzer. Ich kann mir aber nur schwerlich vorstellen, dass deswegen solche Knochen nicht mehr beigesetzt wurden, va wie gesagt, wenn man nachher eh noch die Aasfresser drüber lässt.

Ist aber natürlich immer noch eine Menge Archäologen-Glück dabei, so was zu finden, insofern hast Du Recht: Aus fehlenden bzw nicht gefundenen Verletzungen an beigesetzten Skeletten läst sich wenig über die Friedfertig oder Kriesglust der damaligen Menschen sagen.
 
ich denke mal, auch bei Studien sollte man ordentlich lesen....
Aus der Studie geht hervor, das die Hausrinder wahrscheinlich auf 80 Kühe aus dem vorderen Orient hervorgegangen sind. Und auch, das die Beteiligung von männlichen Tieren aus anderen Regionen nicht ausgeschlossen werden kann. Ein Grund für die Bejagung des Urs war ja , das immer wieder Ur-Bullen in Hausrindherden eindrangen und "die Zucht versauten".
 
Mit geht es ein bißchen wie rena8 ein Stückchen weiter vorne im Thread, ich habe irgendwie etwas den Faden verloren. Worum dreht sich die Argumentation in Bezug auf die Ursprungsthesen überhaupt, wenn man mal von Einzelfragen wie Zucht und Domestikation oder die Rolle des Geschlechtsverkehrs im Wissen der Leute absieht? Es ging doch irgendwie um Friedlichkeit und Gewalt sowie deren gesellschaftliche Einbindung, oder? Gibt es ein Fazit?

Ich sag mal, was ich für wichtig halte. Im Neolithikum kommt es zu vermehrter Seßhaftigkeit der Menschen. Die hauptsächliche Nahrungsgrundlage bilden Feldfrüchte, später ergänzt um Tierhaltung. Die Jagd tritt zurück; allerdings kann man mit Fortschreiten der Zeit in bestimmten Gegenden eine zunehmende Jagd auf wehrhafte Tiere verzeichnen, parallel zu einer Entwicklung der Funde von Werkzeug-Waffen zu Waffen-Werkzeugen und reinen Waffen. Das wird teilweise als eine Funktion der Jagd als Mutprobe und Begleitung einer kriegerischen Denkweise interpretiert.

Es gibt (wie bereits im Mesolithikum) Anzeichnen für einen Fernhandel mit Luxusgütern und wichtigen Rohstoffen, z.B. bestimmten Steinmaterialien. Oft bestehen zumindest zeitweise neben den Ackerbauern parallel weiterhin Wildbeuter- und Sammlergemeinschaften. Bei den Bauerngesellschaften gibt es Hinweise zu Differenzierungen zwischen einzelnen Menschen, die sich an Grabfunden nachweisen lassen, allerdings ist dies bereits ebenfalls für einige mesolithische Gesellschaften der Fall. Es gibt im Großen und Ganzen keine klaren Hinweise auf eine dominante Stellung eines Geschlechts. Man kann von spezialisierten Herstellungsweisen bestimmter Produkte ausgehen, z.B. der sich im Laufe der Zeit weit verbreitenden großen einteiligen Pfeilspitzen, die keine Mehrleistung gegenüber mikrolithischen Spitzen oder einfach zu fertigenden Querschneidern bieten und daher als eine Art Prestigeobjekt interpretiert werden können.

Bereits im Neolithikum kann man mit erheblichen Konflikten zwischen Gruppen, die über rein individuelle Auseinandersetzungen hinausgehen, rechnen. Die wichtigste Quelle dafür sind Befestigungen mit militärischem Charakter. Diese sind sehr zahlreich vorhanden, wobei der militärische Bezug nicht einfach feststellbar ist, da eine Befestigung auch anderen Zwecken als der Verteidigung dienen kann, z.B. dem Schutz vor Raubtieren oder kultischen Zwecken. Allerdings sprechen Skelettfunde mit Verletzungen sowie erhebliche Pfeilspitzenfunde im Zusammenhang mit zerstörten Befestigungen eine recht deutliche Sprache. Daneben kann man im Laufe der Zeit eine Zunahme von Gegenständen, deren Waffencharakter deutlicher ist als der Werkzeugcharakter, verzeichnen. Das könnte auf das Herausbilden einer Art kriegerischen Einstellung deuten. Das bedeutet keinesfalls, daß die Menschen vorher friedlich waren, es gab nur weniger Anlässe für organisierte Gewalt; Zeichen für erhebliche Gewalt zwischen Menschen findet man bereits in einigen Kulturen im Mesolithikum.

Die Gründe für Konflikte sind nur zu erschließen. Am plausibelsten erscheinen Streitigkeiten um landwirtschaftliche Flächen sowie um Rohstoffquellen; daneben kann man mit manchmal entstehenden Konflikten zwischen Bauern und Jägern rechnen. Was dagegen als reinste Spekulation mit ideologischem Hintergrund erscheint, sind Erklärungen sekundärer Art, wie die zwangsweise Entstehung der Gewalt durch zunehmende Klassenunterschiede, durch eine bestimmte Produktionsweise, durch die Herrschaft eines Geschlechts oder ähnliches. Dagegen spricht vor allem, daß es Gesellschaften mit vergleichbarer Produktionsweise gibt, für die es einmal Anzeichen kriegerischer Verwicklungen, zum anderen langer Friedensperioden gibt. Zum "Krieg" kommt es wahrscheinlich dann, wenn Ressourcen nicht mehr ausreichen (was eine subjektive Note einschließt) und andere den Zugang zu neuen Ressourcen verbauen.

Noch ein Wort zu Marija Gimbutas, von der die These stammte, eine friedliche neolithische Balkankultur wäre von kriegerischen Leuten aus der russischen Steppe unterworfen und dann militarisiert worden: das kann eigentlich als widerlegt angesehen werden. Die "friedlichen" neolithischen Balkangesellschaften weisen ein hohes Maß an Waffen- und Befestigungsfunden auf und zwar schon lange vor der angeblichen Ostinvasion (übrigens ein weitaus höheres Maß als die spätere Steppenkultur aus dem pontischen Raum), waren also bereits aus sich selbst heraus kriegerisch.

Es erscheint als nicht gerade weit hergeholt, wenn man zunehmende Hierarchisierung und Zentralisierung zunächst als Antwort auf reale Probleme der Produktionsweise sowie auf aus kulturellen (z.B. religiösen) Sichtweisen resultierenden "Notwendigkeiten" interpretiert. Denkbar ist die Förderung des Feldbaus durch Bewässerung oder die Verwirklichung größerer Projekte; letztere können kultisch-religiösen Charakter haben oder militärischen Zwecken dienen. Wer schon mal versucht hat, eine auch nur geringe Zahl von Menschen zu einem gemeinsamen Projekt von gewisser Dauer anzuleiten, wird verstehen, wieso wohlklingende anarchistische Selbstorganisation dazu ausscheidet, die Leute damals hatten schließlich keine anderen im Hintergrund, auf deren Leistungen man sich notfalls hätte ausruhen können. Nach dem Entstehen einer Hierarchie kann der Mißbrauch der Macht aber nie ausgeschlossen werden. Man kann wahrscheinlich über die Zeit von einer gewissen Verselbständigung der Eliten ausgehen, was in Verbindung mit dem Entstehen eines "Kriegerethos" für zusätzliche, sozusagen produktionsunabhängige, Gründe für organisierte Gewalt gesorgt haben könnte. In der Bronzezeit tritt das dann ganz klar ins Licht.

Noch mal: aus beengten Wohnverhältnissen, irgendwelchen "Blutrinnen", Schnittmarken an Knochen, Tierzeichnungen etc. auf bestimmte Klassenstrukturen oder gar eine "Terrorherrschaft" zu schließen, geht mir eindeutig zu weit. Man muß viel vorsichtiger bei der Interpretation sein und sollte tunlichst Werturteile sparsam einsetzen.
 
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