Ab wann begann die systematische wissenschaftliche Forschung?

Auch die Existenz, wissenschaftlicher Fachbereiche, bildete sich erst langsam Heraus. Siehe den Herrn Leibnitz.
Die Herausbildung von Fachbereichen und Feingliederungen ist eigentlich ein seit der Antike bis zum heutigen Tage kontinuierlich stattfindender Prozess.
Das hat in einigen Bereichen länger gedauert, als anderswo, aber das ist doch am Ende eher eine organisatoriche Frage.
Keine Universität der frühen Neuzeit bot einen wie auch immer gearteten Studiengang "Biologie" an. Trotzdem wurden seit der Antike Aufzeichnungen und teilweise recht systematische Arbeiten über Teilbereiche dieser heutigen Disziplin geleistet und verbreitet.
Nur eben noch im Konglomerat mit anderen Bereichen und noch nicht als eigene Disziplin davon getrennt.


Aber man kann nicht leugnen, dass speziell Deutschland bis zur 2. Hälfte des 19. jhrd. erheblichen Nachholbedarf hatte. Was ja auch die eher langsame Industriealisierung erklärt.

Die "langsame" Industrialisierung (ich vermute mal, du meinst im Vergleich zu Großbritannien) hängt mit einer ganzen Menge faktoren zusammen:

- Die Kleinstaaterei und die damit verbundenen Probleme diverser Zollgrenzen, der größeren Schwierigkeit qualifizierte Arbeitskräfte an einem Platz zu verdsammen.
- Die Verkehrstechnisch eher ungünstige Lage der meisten deutschen Staaten, das Fehlen größerer Handelsflotten und einer adäquaten maritimen Macht um die Freiheit des eigenen Handels durchzusetzen.
- Das Fehlen von Kolonien, als mehr oder minder exklusiver Absatzmärkte für eigene Fertigerzeugnisse.
- Das Fehlen ergiebigerer Eisenerzvorkommen um die eigenen Kohlevorkommen, or allem im preußischen Gebiet wirklich effektiv nutzen zu können. (England hatte das Glück sowohl bei Kohle, als auch bei Erzen relativ unabhängig zu sein).

Alles vergleichen mit Großbritannien ziemlich ungünstige Rahmenbedingungen für eine Industrialisierung.
Dann kommen noch wehrtechnische Probleme oben drauf.

Großbritannien hat nie ein großes Landheer besessen. Brauchte es auch nicht, weil es eben die Flotte hatte und damit nicht angreifbar war.
Nun hat eine Flotte im Gegensatz zu einem Landheer, das einfach nur Ressourcen verschlingt, den Vorteil, dass sie sich in Friedenszeiten durch die Beherrschung der Handelsrouten durchaus rentiert.

Auch gab es in Grßbritannien im Gegensatz zu Kontinentaleuropa, und Preußen und Österreich im Besonderen keine Wehrpflicht.
Man muss sich vor Augen führen, in der postnapoleonischen Zeit bis zur Systematischen Einführung von Hinterladern sind die aktiven Ausbildungs und Dienstzeiten für Wehrpflichtige auf Grund der Schwierigkeiten beim Bedienen der Waffen und der damit noch notwendigen Taktiken, ziemlich lang.
Das sind 3-4 Jahre Dinestzeit in den Linien-Einheiten, in denen die Rekruten der Wirtschaft mit ihrer Arbeitskraft natürlich nicht zur Verfügung standen, dafür aber ernährt werden wollen und reichlich Steuermittel verschlingen.

hat man solche Wehrverfassungen, fehlt natürlich manpower-Potential um die Fabriken wachsen zu lassen und dann ist auch ziemlich rigorose Besteuerung notwendig, was dem Kapital der Fabrikanten natürlich auch nicht besonders gut tut.


Aber ich denke, es ist wohl nicht falsch wenn, zumindest für Europa, England eine Vorreiterrolle zugesteht. Dort hat Schulbildung, eine lange Tradition. Was sich durch die vielen Internate belegen lässt. Dies wiederum begünstigte natürlich die Forschung. Und das dürfte seinen Teil zum Aufstieg Englands zur See und Weltmacht beigetragen haben.
Besonders in den technischen Bereichen, Bauwesen, Schiffsbau, Architektur.

Das vernachlässigt mir in recht eklatanter Weise den Profit aus dem maritimen Imperium, den wirtschaftlichen Vorteil davon keine unrentable Armee unterhalten zu müssen und die für Großbritannien außerordentlich günstige Positionierung der Bodenschätze.
Ich würde an dieser Stelle einfach mal dreist behaupten, wenn die Briten nicht den Vorteil gehabt hätten, sowohl über sehr ergiebige Kohle- als auch Erzvorkommen zu verfügen, hätte man in Großbritannien gebildet sein können, wie man wollte, man hätte keine Industrialisierung in dieser Form hingelegt.

Frankreich hat reiche Erzvorkommen, denen fehlte die Steinkohle, Preußen hatte die Steinkohle, ihm fehlte das Eisenerz, Österreich hatte beides, aber nur in recht geringem Umfang.

Das das einzige kontinentaleuropäische Land, dass für eine Industrialisierung ähnlich gut gerüstet war wie Großbritannien, was die Rohstoffbasis angeht, war im Prinzip das russische Zarenreich.
dann kommt, was Rohstoffreichtum angeht auch Belgien noch ganz gut daran, dem aber natürlich die Größe und die demographischen Potentiale abgingen, eine ähnliche Entwicklung wie Großbritannien hinzulegen.
 
Wenn ich mir die Abschlüsse in den Naturwissenschaft und der Technik angucke, ist die Frage nicht so ohne weiteres zu beantworten. Nach der Promotion wird ja der Titel Doktor verliehen. Früher waren Naturwissenschaftler keine Naturwissenschaftler sondern Philosophen. Zumindest dem Doktor nach. Und ein Dr. in der Technik ist immer noch ein Dr. Ing.
Man könnte eventuell damit argumentieren das mit systematischer Forschung mit realen Experimenten begonnen wurde. Nur davor muss man beobachten und sich Gedanken machen was man herausfinden will.
Schönes Beispiel ist das Avogadroches Gesetz. Welches schon 1811 postuliert wurde.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Avogadrosches_Gesetz
 
Die ältesten Universitäten im Heiligen Römischen Reich waren Prag und Heidelberg ...

Kleine Korrektur:
Die erste Universität im Heiligen Römischen Reich war die Prager Universität: 1348 - das ist richtig.

Die nächste Universität im Heiligen Römischen Reich war aber eindeutig die Wiener Universität: 1365.

Die Universität Heidelberg wurde erst 1386 gegründet.
 
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