Hatte drei Tage kein funktionstüchtiges Internet :motz: daher jetzt eine überfällige, schnelle Antwort.
Lungos schrieb:
Ich möchte behaupten, dass Krieg im Wesen des Menschen verankert ist.
Was Du beschreibst ist eher "Gewalt". Oder "gewaltsam ausgetragener Konflikt". Zudem testen Kinder Verhaltensformen an ihrer Umwelt. Wenn sie durch Anwendung von Gewalt "erfolgreich" sind (also belohnt werden), werden sie weiterhin Gewalt als Machtmittel einsetzen. Es sei denn, die Gesellschaft treibt es ihnen aus - oder lenkt dieses Gewaltpotential in eine produktive Richtung.
Aber ob zwei sich balgende Kinder schon Krieg führen?
Die Archäologen finden im Europa am Ende des Neolithikums (= grob Steinzeit + Ackerbau + Keramik) einen interessanten Bruch. Ich meine die Ablösung der Megalithiker durch die Glockenbecher- und Schnurkeramik-Kultur.
Merkmale der Megalithiker
- Monumentalbauten als gemeinschaftliche Leistung.
- Bestattungen in anonymen Massengräbern (Schachtgräber)
- Ausbreitung über kulturellen Austausch, d.h. keine Bevölkerungswandel feststellbar
-> Diese und andere Erkenntnisse ergeben das Bild einer Kulturform, die den Einzelnen hinter das Kollektiv bzw. die Idee stellt. Alles deutet darauf hin, dass es keine politischen Hierarchien gab, die einen Einzelnen aus der Gesellschaft hervorhebten, sondern dass die Gemeinschaft auf ein geistige, tradierte, möglicherweise religiöse Form der Organisation aufbaute. Die Bauleistungen waren - im Gegensatz zu früheren Ansichten - keine Sklaven- oder Fronarbeiten zugunsten eines Herrschers, es war der freiwillige Beitrag im Dienste an der Gemeinschaft. Und auch die Art und Großräumigkeit der Verbreitung deutet auf das Ausstrahlungsmoment einer durchdringenden Ideologie hin.
Merkmale der Glockenbecher (z.T. auch Schnurkeramiker)
Um 2.800 v.Chr. finden sich in Mitteleuropa vermehrt Einzelgräber mit ganz typischen Eigenheiten: die Bestatteten sind je nach Geschlecht in eine bestimmte Richtung gebettet, und es finden sich Grabbeigaben, darunter die typischen Trinkgefäße sowie Dolche, Äxte und andere Waffen. Man erkennt eine stark geordnetes Gesellschaftsgefüge, dass auf Bewahrung sowie Abgrenzung zu anderen Kulturen ausgerichtet war. Der Kontrast zu den Megalithikern könnte größer nicht sein.
Es scheint sich dabei um eine neue, individualistische Ideologie zu handeln. Idividualistisch im Sinne von einer Denkweise, die den Beitrag und die Bedeutung des Einzelnen hervorhebt. Auch wenn es sicherlich den Kollektivgedanken weiterhin gab, entschieden doch nun Einzelne die Geschicke der Gemeinschaft. Die Trinkgefäße und Waffen werfen immer noch viele Fragen auf, aber wir spekulieren einfach mal, was für ein Typ Mensch sich - analog - mit Bierkrug und Revolver begraben lässt...
Fazit
M.E. sehen wir hier das Aufkommen einer - vor allem im Kontrast zu den Megalithikern - macht- und stärkebetonten Gesellschaft. Einzelne Personen heben sich von der Masse ab und nehmen persönlich Einfluss auf die Gesellschaft. Der Kampf rückt in den Vordergrund und die Um- bzw. Unterwerfung der Megalithkultur spricht eine deutliche Sprache. Ich sehe in den Gruppen ambitionierter Menschen, die sich Platz, Macht, Respekt und Wohlstand verschafften, den ersten nachweisbaren Schritt hin zu einer erfolgreichen und politisch organisierten Gewaltanwendung. Ob's schon Krieg war? :grübel:
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Soweit die eine Theorie.
Was ich gerade über die Yanomamo lese, ist auch interessant. Die sollen früher (vor 1500) garkeine Urwaldbauern gewesen sein. Und die oft beschriebene Gewalttätigkeit kam erst auf, als Europäer einzelnen Stämmen "Geschenke" machten, die den Neid anderer weckten.
Auch könnten wir hier die Mongolen nennen, die heute ihr friedlich-buddhistisches Dasein in den Weiten der mongolischen Steppen führen, während sie vor langer Zeit mehrere Hundert Jahre lang Europa und Asien in Angst und Schrecken versetzten, Städte gründeten und Handelswege kontrolierten. Ohne die Vorgeschichte zu kennen würde man sie heute wahrscheinlich auch zu den "primitiven Völkern" zählen.
Denkaufgabe: Sind unsere klassischen "primitiven" Völker denn wirklich so primitiv?
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Helfen uns klassische "primitive" Völkern die Steinzeit zu verstehen?
Das Beispiel Höhlenmalerei:
Wandbild aus der Höhle von Lascaux (ca. 15.000 v.Chr.)
Rock Art der Khoisan nahe Queenstown, Südafrika (undatiert)
Wir wissen leider weder, warum die mesolithischen Mitteleuropäer diese Bilder malten, noch warum die Vorfahren der Khoisan jene malten. Das Wissen ist in beiden Fällen verloren. Würden wir es nun schaffen, die einen zu entschlüsseln, wüssten wir noch lange nicht, ob dieser Schlüssel auch für die anderen passt.
Und da sehe ich - bei all dem Erkenntniswert, den ein solcher Vergleich durchaus hätte - vor allem das Risiko, dass wir zu schnell von Ähnlichkeiten auf Gleichartigkeiten schließen. (Siehe Pyramiden!!)
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Puh! Mehr dazu gibt's ein ander Mal ...