Ab wann gibt es eine Gesellschaft die Politik betreibt und Kriege führt?

Ich möchte behaupten, dass Krieg im Wesen des Menschen verankert ist.

Bereits bei kleinen Kindern bemerkt man, dass es Streit um Spielzeuge gibt. Bringt man kleinen Kindern nicht bei, dass man nicht mit Bauklötzen auf das kleinere Geschwisterchen einschlägt, so könnte es theoretisch und praktisch ohne Eingreifen der Eltern im Totschlag enden... (mal krass ausgedrückt)

Die Erziehung und die Gesellschaft ist daher dafür verantwortlich, dass es keine Kriege gibt...
 
Themistokles schrieb:
Man müsste vieleciht noch klären ob man bewaffnete Auseinandersetzngen in der Steinzeit als Krieg begreft oder sagt "Krieg ist die Fortsetzung der Politik" und damit an eine gewisse Zivilisationsgrenze bindet.

Ich bin Mercys Link (http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de...Akuf/index.htm) mal gefolgt und da definiert man Krieg so:

In Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende (1917-1988) definiert die AKUF Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale aufweist:

(a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt;

(b) auf beiden Seiten muß ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.);

(c) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.
Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für den Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden.

Ohne diese Definition jemals für mich so formuliert zu haben....könnte sie von mir sein:D
Ich finds plausibel!

Trifft eines dieser Merkmale nicht zu spricht man von einem bewaffneten Konflikt.
Also:
Prügelt der eine Neanderthaler auf den anderen mit ner Keule ein, ist dies wohl kein Krieg!

Ob es nun kontinuierliche und zumindest relativ organisierte auseinandersetzungen in der Steinzeit(ich nenn sie Laienhaft mal so) gab, vermag ich nicht zu sagen, würde mich aber sehr interessieren!!!

nun noch ein wenig Halbwissen von mir:
hab mal im TV gehört das evtl. die eine "Menschen-Rasse", also die Homo-sowieso die Homo-dingensbums ausrotteten. kann auch sein das es nur ne wilde Theorie war...
Wenn dies so war warum? aus Zufall? aus Evulutionären Gründen? oder waren es vieleicht doch sowass wie Kriege?
weiss da jemand mehr drüber? Bestimmt!
(sorry hab da echt keine Ahnung von und ich glaub "Halbwissen" ist da noch geprahlt)


Zitat schrieb:
Von 10 000 Jahren Menschheitsgeschichte waren nur 200 Jahre friedlich
Da der Link tot und das Zitat nicht selbst von Hobbes ist sondern von irgendjemanden, tu ich diese Aussage mal als Unsinn ab, wenngleich mich erst diese provokante und herrausfordernde These ermutigt hat mich mit diesem Thema näher zu beschäftigen.

Wenn ich mir ansehe wieviele Konflikte momentan in unserer ach so zivilisierten Zeit toben, fällt es mir schwer zu glauben das die Welt jemals auch nur einen Monat ohne Konflikte auskam und auskommen wird.
 
@Mercy

Dies Zitat habe ich mir überlegt einzubauen, aber Du weißt ja, dass ich die Bibel nicht gerne zitiere :winke:
 
Lukrezia Borgia schrieb:
Hier eine Frage an unsere Frühgeschichts-Experten: Ist es möglich, den Menschen der Steinzeit mit noch lebenden "primitiven Stämmen" zu vergleichen? Wenn ja - seht ihr bei diesen noch lebenden Völkern nicht auch eine politische Gemeinschaft gegeben?
Ich glaube Manganite sagte mal "vergleihen kann man alles, nur gleichsetzen sollte man nicht sofort". Popes Einschränkung mit einbezogen ist es also durchaus möglich. Einige kleine Dinge, des Lebens in der Steinzeit hat man durch ethnologische Vergleiche festgestellt (z.B. die mögliche Nutzung von Rentiermageninhalt als "pflanzliche Zukost" in kalten Zeiten).
In bezug auf Kriegführung zeigt John Keegan in Kultur des Krieges, dass bei vielen primitiven Völkern (er zeigt 4 :rolleyes: ) Kampf stark ritualisieren um ungehemmter Gewalt gegenzuwirken. Etwas in dieser Richtung wurde auch schon im "Keulen als Waffen"Thread geschrieben.
 
Hatte drei Tage kein funktionstüchtiges Internet :motz: daher jetzt eine überfällige, schnelle Antwort.

Lungos schrieb:
Ich möchte behaupten, dass Krieg im Wesen des Menschen verankert ist.

Was Du beschreibst ist eher "Gewalt". Oder "gewaltsam ausgetragener Konflikt". Zudem testen Kinder Verhaltensformen an ihrer Umwelt. Wenn sie durch Anwendung von Gewalt "erfolgreich" sind (also belohnt werden), werden sie weiterhin Gewalt als Machtmittel einsetzen. Es sei denn, die Gesellschaft treibt es ihnen aus - oder lenkt dieses Gewaltpotential in eine produktive Richtung.

Aber ob zwei sich balgende Kinder schon Krieg führen?

Die Archäologen finden im Europa am Ende des Neolithikums (= grob Steinzeit + Ackerbau + Keramik) einen interessanten Bruch. Ich meine die Ablösung der Megalithiker durch die Glockenbecher- und Schnurkeramik-Kultur.

Merkmale der Megalithiker

- Monumentalbauten als gemeinschaftliche Leistung.
- Bestattungen in anonymen Massengräbern (Schachtgräber)
- Ausbreitung über kulturellen Austausch, d.h. keine Bevölkerungswandel feststellbar

-> Diese und andere Erkenntnisse ergeben das Bild einer Kulturform, die den Einzelnen hinter das Kollektiv bzw. die Idee stellt. Alles deutet darauf hin, dass es keine politischen Hierarchien gab, die einen Einzelnen aus der Gesellschaft hervorhebten, sondern dass die Gemeinschaft auf ein geistige, tradierte, möglicherweise religiöse Form der Organisation aufbaute. Die Bauleistungen waren - im Gegensatz zu früheren Ansichten - keine Sklaven- oder Fronarbeiten zugunsten eines Herrschers, es war der freiwillige Beitrag im Dienste an der Gemeinschaft. Und auch die Art und Großräumigkeit der Verbreitung deutet auf das Ausstrahlungsmoment einer durchdringenden Ideologie hin.

Merkmale der Glockenbecher (z.T. auch Schnurkeramiker)

Um 2.800 v.Chr. finden sich in Mitteleuropa vermehrt Einzelgräber mit ganz typischen Eigenheiten: die Bestatteten sind je nach Geschlecht in eine bestimmte Richtung gebettet, und es finden sich Grabbeigaben, darunter die typischen Trinkgefäße sowie Dolche, Äxte und andere Waffen. Man erkennt eine stark geordnetes Gesellschaftsgefüge, dass auf Bewahrung sowie Abgrenzung zu anderen Kulturen ausgerichtet war. Der Kontrast zu den Megalithikern könnte größer nicht sein.

Es scheint sich dabei um eine neue, individualistische Ideologie zu handeln. Idividualistisch im Sinne von einer Denkweise, die den Beitrag und die Bedeutung des Einzelnen hervorhebt. Auch wenn es sicherlich den Kollektivgedanken weiterhin gab, entschieden doch nun Einzelne die Geschicke der Gemeinschaft. Die Trinkgefäße und Waffen werfen immer noch viele Fragen auf, aber wir spekulieren einfach mal, was für ein Typ Mensch sich - analog - mit Bierkrug und Revolver begraben lässt...

Fazit

M.E. sehen wir hier das Aufkommen einer - vor allem im Kontrast zu den Megalithikern - macht- und stärkebetonten Gesellschaft. Einzelne Personen heben sich von der Masse ab und nehmen persönlich Einfluss auf die Gesellschaft. Der Kampf rückt in den Vordergrund und die Um- bzw. Unterwerfung der Megalithkultur spricht eine deutliche Sprache. Ich sehe in den Gruppen ambitionierter Menschen, die sich Platz, Macht, Respekt und Wohlstand verschafften, den ersten nachweisbaren Schritt hin zu einer erfolgreichen und politisch organisierten Gewaltanwendung. Ob's schon Krieg war? :grübel:

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Soweit die eine Theorie.

Was ich gerade über die Yanomamo lese, ist auch interessant. Die sollen früher (vor 1500) garkeine Urwaldbauern gewesen sein. Und die oft beschriebene Gewalttätigkeit kam erst auf, als Europäer einzelnen Stämmen "Geschenke" machten, die den Neid anderer weckten.

Auch könnten wir hier die Mongolen nennen, die heute ihr friedlich-buddhistisches Dasein in den Weiten der mongolischen Steppen führen, während sie vor langer Zeit mehrere Hundert Jahre lang Europa und Asien in Angst und Schrecken versetzten, Städte gründeten und Handelswege kontrolierten. Ohne die Vorgeschichte zu kennen würde man sie heute wahrscheinlich auch zu den "primitiven Völkern" zählen.

Denkaufgabe: Sind unsere klassischen "primitiven" Völker denn wirklich so primitiv?

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Helfen uns klassische "primitive" Völkern die Steinzeit zu verstehen?

Das Beispiel Höhlenmalerei:

lastroupombre.jpg
Wandbild aus der Höhle von Lascaux (ca. 15.000 v.Chr.)

Kingsglen a.JPG
Kingsglen b.JPG
Rock Art der Khoisan nahe Queenstown, Südafrika (undatiert)

Wir wissen leider weder, warum die mesolithischen Mitteleuropäer diese Bilder malten, noch warum die Vorfahren der Khoisan jene malten. Das Wissen ist in beiden Fällen verloren. Würden wir es nun schaffen, die einen zu entschlüsseln, wüssten wir noch lange nicht, ob dieser Schlüssel auch für die anderen passt.

Und da sehe ich - bei all dem Erkenntniswert, den ein solcher Vergleich durchaus hätte - vor allem das Risiko, dass wir zu schnell von Ähnlichkeiten auf Gleichartigkeiten schließen. (Siehe Pyramiden!!)

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Puh! Mehr dazu gibt's ein ander Mal ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Können wir nicht den Beginn kriegerischer Handlungen (Vorraussetzung: Alle Kriegen wurden um Land (=Ressourcen) geführt) mit der neolithischen Revolution gleichsetzen? Diese These wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, dass die neolithische Revolution durch Knappheit nötig geworden sein könnte.
 
Kristoph schrieb:
Diese These wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, dass die neolithische Revolution durch Knappheit nötig geworden sein könnte.
Diesen Teil deines Gedankengangs versteh ich nicht? :ichdoof:.
Wenn die neol. Revolution durch Mangel an Nahrungsmitteln entfacht wurde, wieso kann es danach zu Kriegen kommen?
Für verstärkte kriegerische Aktivitäten mit Einführung des Ackerbaus spricht, dass die Nahrungsvorräte deutlich größer sind als in der Altsteinzeit (Keramik machts möglich) udn haltbarer sind (denke ich zumindest beim Vergleich Fleisch -eventuell gefriegetrocknet- vs. Getreide)
 
Themistokles schrieb:
Wenn die neol. Revolution durch Mangel an Nahrungsmitteln entfacht wurde, wieso kann es danach zu Kriegen kommen?
Wie ich schon an anderer Stelle ausgeführt habe
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=148366&postcount=31
widerspricht sich das nicht.

Da jede Kultur (außer der unsrigen) mehr Kinder hervorbringt, als zur Erhaltung der Bevölkerungszahl nötig ist, gerät sie jeweils an das Limit, das meistens durch die Ernährung vorgegeben ist (außer bei uns).

Danach sind die Alternativen:
- Verhungern, bzw. die Kinder verhungern lassen - die schlechteste Option.
- In unbewohntes Gebiet ausweichen - ist schon lange her, dass das möglich war.
- In bewohntes Gebiet ausweichen - das bedeutet, einene Krieg zu führen.
- Neue Technologien entwickeln (z.B. Ackerbau), um das Nahrungsangebot zu steigern - das ist der Königweg. Aber was dann ? Die Leute freuen sich uns vermehren sich kräftig; schneller sogar als sie das als Jäger & Sammler taten, denn mit festen Wohnsitz kann man die Geburtenfrequenz steigern (N.B. noch heute erlegen sich die Pygmänen nach einer Geburt eine 3-jährige sexuelle Abstinenz auf, da mehr Kleinkinder beim Umherziehen nicht zu verkraften wären).

Mit voller Wucht stößt die Population irgendwann an ihre neue Nahrungsgrenze - und das Spiel wiederholt sich.

Besonders verlockend ist dann der Krieg von Ackerbauern gegen Jäger & Sammler, denn denen ist man aufgrund der wesentlich höheren Populationsdichte überlegen (die Alternativen heißen dann : Ausweichen in unbewohntes - von Jägern & Sammlern bewohntes - von anderen Ackerbauern bewohntes Gebiet).
 
Klaus schrieb:
Wie ich schon an anderer Stelle ausgeführt habe
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=148366&postcount=31
widerspricht sich das nicht.
Ich habe keinen Widerspruch gesehen, sondern kam nicht mit dem Gedankensprung Ursache neolithische Revouliton - Kriege führen klar.
Lohnt es sich überhaupt Jäger und Sammler zu bekriegen? Nach kurzer Zeit wandern die doch eh ab so dass man das von ihnen genutzte Land in ihrer Abwesenheit beackern kann.
Zumal die frühen Ackerbauern bestimmt genug Ausweichland hatten. Als das Weg war hat aber auch der Anteil an Jägern und sammlern enorm abgenommen.
 
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