ABERGLAUBE IN ROM - Literaturtipps

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Jam_Master_Jay

Gast
Hallo,
ich bin gerade dabei, eine Facharbeit im Leistungskurs Latein über "Aberglaube in Rom" zu schreiben. Dabei sind besonders Christenverfolgungen unter dem Blickpunkt des Aberglaubens (nach römischer Auffassung) relevant.
Könnte mir denn jemand einen Tipp für nützliche Literatur über dieses Thema geben? Meine Recherchen in Bibliothekenverbänden brachten leider nicht die gewünschten Resultate...
Ich wäre sehr dankbar für viele Anregungen!!!
 
Auf Anhieb fällt mir nur ein Autor ein der in diese Richtung argumentiert.

Es gibt eine Textstelle (ein Satz) in "Yann le Bohec- Die römische Armee" wo der Verfasser als Grund für Christenverfolgung eine Art "Sündenbockrolle" für die Christen annimmt:
Während der Reichskrise im 3. Jhd. (Ständige Barbareneinfälle bis weit ins Innnere des Reiches, wirtschaftliche Schieflage) suchte man einen Schuldigen dafür und fand die "impietas" der Christen, danach begannen die Verfolgungen.
 
Im Wikipedia-Artikel "Christenverfolgung" gibt es einige Literturhinweise.

Von mir als Tipp außerdem noch ein Klassiker: Edward Gibbon - Verfall und Untergang des römischen Imperiums.
Zu den Christenverfolgungen darin v.a. die Kapitel 15 und 16 im zweiten Band der DTV-Ausgabe.

Wale
 
Eine Idee wäre es vielleicht auch sich die Quellen zu Christenverfolgungen anzuschauen. Vielleicht entdeckt man da auch Äußerungen, die man mit Aberglauben in Verbindung bringen kann. Ansonsten würde ich auch einfach ein allgemeines Buch zur Christenverfolgung anschauen, ob sich da was findet.
 
Alles konzentriert sich immer nur auf die Christen.
Versuchs mal mit "Apollonius von Tyana " von Philostratus oder die Geschichten um Alexander von Abonoteichos. Stichwort Glykon und die Ankunft von Asclepios.
 
"Pietas" ist ein interessanter Begriff, er bedeutet nämlich neben der gängigen Übersetzung "Frömmigkeit" auch "Pflichterfüllung". Die fanatische Ablehnung der römischen Staatsreligion war in einem römischen Sinne also nicht nur Ablehnung der Religion, sondern auch Ablehnung der gesellschaftlichen und politischen Staatsidee, und die Empörung, die den Christen entgegenschlug, war so echt und tiefbegründet wie irgendeine heutige gegen "Feinde der demokratischen Grundordnung".

Das hat aber mit römischem Aberglauben nichts zu tun (es sei denn, man will die römischen Staatsreligionen als Aberglauben diskreditieren, was bei einer nicht wertenden Erörterung nicht akzeptabel sein kann) – vom eigentlichen Aberglauben wie z. B. Bösem Blick, Hexenglauben, Zauberei und dem Glauben an "Glückstage" und "Unglückstage" hat sich das meiste - wenn auch teilweise in christlicher Transkription - in die christliche Kultur hinübergerettet.
 
Jein,
Bohec argumentiert ja so daß man die Schuld für die Krisen bei den Christen suchte, weil deren "Pflichtvergessenheit" gegenüber den Göttern der Staatsreligion die Ursache für selbige Krisen war. Damit zielt er ja in Richtung Aberglaube.
Man kann sich dieser Argumentation insofern anschließen als daß systhematische Verfolgungen tatsächlich erst im 3. Jhd. beginnen als es überall kriselte.


Über die Intoleranz der monotheistischen Religionen müssen wir ja nicht streiten, es steht auch außer Frage daß die politische Dimension wie du richtig andeutest im Vordergrund stand (wer die Staatsreligion ablehnt der lehnt auch den Staat ab). Dazu kommt das zu diesen Zeitpunkt die Anzahl der Christen erstmals so bedeutend wurde daß sie in den Focus der öffentlichen Wahrnehmung gerieten.
Ich schließe mich auch nicht jeder Aussage von Bohec an, aber diese Stelle fiel mir als erstes ein zum Thema Aberglaube.
 
Jein,
Bohec argumentiert ja so daß man die Schuld für die Krisen bei den Christen suchte, weil deren "Pflichtvergessenheit" gegenüber den Göttern der Staatsreligion die Ursache für selbige Krisen war. Damit zielt er ja in Richtung Aberglaube.

Er zielt, aber er trifft nicht: denn diese "Verschuldung durch Pflichtvergessenheit" ist immer noch eine Frage des Glaubens, nicht des Aberglaubens. Ich störe mich am Begriff: eine andere Religion, auch eine ausgestorbene, als Aberglaube zu bezeichnen ist intolerant - und verweist nur darauf, dass der Bezeichnende offensichtlich einer sich für besser haltenden Religion angehört.

Trotzdem ist Aberglaube existent und relevant: im nichtformulierten, nahe an der Alltagskultur stehenden Bereich der persönlichen Ängste, Vorlieben, Riten und Gepflogenheiten nehmen Aberglauben einen großen Platz ein. Aber diese Aberglauben wurden durch das Christentum nicht substantiell verändert, sondern nur auf die neuen Verhältnisse umcodiert.

Übrigens wurde das institutionelle Rahmenwerk der "Staatsreligion" später fugenlos auf den christlichen Glauben übertragen, danach war die Pflichtvergessenheit der Heiden gegenüber den christlichen Sitten und Regeln Schuld an den Krisen.

Und noch ein übrigens: längst nicht alle monotheistischen Religionen sind intolerant. Juden z. B. ist völlig Wurst, was für Religionen die Nichtjuden nachsteigen, Buddhisten ebenfalls, die Ba'hai tun keiner Fliege was zuleide, und unter den ausgestorbenen Religionen konnten z. B. Mithras und Sol Invictus gut neben den (streng genommen geleugneten) "Staatsgöttern" leben.
 
Wohl gesprochen Mummius Picius!
Beim Thema "Aberglaube in Rom" denke ich eher an so was wie, Gladiatorenblut solle gegen Epilepsie helfen.
Da aber schon römische Autoren in Bezug auf die Christen das Wort Aberglaube verwenden, ist das wohl der Hintergrund für das Thema der Facharbeit.
@Jam Master Jay:
Vielleicht kannst Du mit diesem kleinen Überblick was anfangen: http://www.catacombe.roma.it/de/ricerche/ricerca2.html
 
@ Mummius Picius: Zum Großteil kann ich mich deinem Beitrag anschließen. Womit ich allerdings nicht einverstanden bin, ist dein "zweites übrigens". Ich denke, man kann die Religionen nicht pauschal in tolerant und intolerant einteilen. Es gibt vielmehr in jeder Religion bzw. Glaubensgemeinschaft tolerante und intolerante Strömungen. Im Mittelalter war das Christentum, vertreten durch die Katholische Kirche, sicher intolerant, während man der Kirche heutzutage keine Intoleranz mehr vorwerfen kann. Jedenfalls spricht sie sich eindeutig für ein friedliches Nebeneinander der Religionen aus. Und innerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaft gibt es sicher auch intolerante Zeitgenossen, da muss man nur in das israelische Parlament schauen, in dem die extreme Rechte (orthodoxe Juden) gut vertreten ist und auch immer wieder auf der Regierungsbank sitzt.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Bei Rom und Aberglaube fallen mir als erstes die Wahrsager ein. Sie lasen die Handlinien oder zogen Lose, um den Menschen die Zukunft vorherzusagen. Die wichtigste Rolle spielte aber die auf Astrologie gegründete Weissagung. Da kommen wir aber auch wieder zum Thema Toleranz. Politisch waren die Wahrsager einigen Leuten suspekt, in der Republik fürchtete man durch sie die Zersetzung der altrömischen Religion, später hatten die Kaiser Angst davor, die Wahrsager könnten Unruhen schüren. Deshalb wurden Wahrsager regelmäßig aus Rom vertrieben. In derselben Regelmäßigkeit kehrten sie aber wieder in die Stadt zurück.
Viele Römer glaubten auch an Geister, die nachts in den Häusern spukten. Man stellte sich diese Geister als ruhelose Seelen von Menschen vor, die durch Gewalteinwirkung getötet worden oder nicht begraben worden waren. Am Fest der Lemuria wurden um Mitternacht vom Hausvater Riten vollzogen, die diese Geister vertreiben sollten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich muß bei Aberglauben auch immer an die Fluch- und Defixionstäfelchen denken, mit denen fanatische Rennsportfans die Pferde und Fahrer der gegnerischen Partei verfluchten. Du findest in Dr. Junkelmanns Buch "Die Reiter Roms" dazu Material und Literaturverweise.

Eine sehr schöne Originalquelle ist aber auch der "Satyricon" des Petronius. In der "Cena Trimalchionis" unterhalten sich die neureichen Freigelassenen über einen Werwolf. In Plinius "Historia naturalis" gibt es, den vielleicht ersten Bericht, über ein Haus in Rom, in dem es spukte. Ich habe leider im Moment die entsprechende Passage nicht im Kopf.
 
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