Aberglaube und tote Seelen

Ein Fehler liegt schon darin, von „der griechischen Kultur“ und „der germanischen Kultur“ zu sprechen, als wären das feste und statische Gebilde.
Falls du damit sagen willst, ich hätte mich präziser ausdrücken können, muß ich zustimmen. Auch will ich nicht abstreiten, dass ein solch umfassender Begriff eine Verallgemeinerung beinhaltet, die Ausnahmen zumindest im Wortsinn ausklammert.
Aber weder klammert dieser Begriff Entwicklungen aus, noch macht er aus einer Kultur ein statisches Gebilde. Jede gute Abhandlung über eine "Kultur" behandelt auch verschiedene Epochen und Entwicklungen. Dementsprechend beinhaltet auch der Bezug mit wörtlicher Nennung einer Kultur diese Entwicklungen und Tendenzen.
Das dabei Charakteristika einer Kultur, die schaglichartig beleuchtet werden i.d.R. nicht aus dem Nirvana auftauchten sondern sich entwickelten, wird oftmals gut unterstrichen und lesbar vorgetragen.

Nur so kann man behaupten, bei „den Griechen“ hätte eine bestimmte Geisteshaltung existiert. In Wirklichkeit treten hier im Lauf der Zeit, im Lauf der Geschichte starke Veränderungen und Entwicklungen auf, sodass sich die Geisteshaltung eines Griechen des 8. Jahrhunderts wesentlich von der eines Griechen des 5. Jahrhunderts und diese wieder von der eines Griechen des 3. Jahrhunderts unterscheidet – und so weiter.
1. Ich schrieb, wie von dir zitiert, allgemeinsprechend
(...)dass also eine Geisteshaltung bei den Griechen existiert, heißt nicht, das es diese auch bei den Germanen geben mußte...
Aus der Formulierung wird, wie ich finde ersichtlich, dass ich den Griechen NICHT eine bestimmte, durchgehende oder allgemeingültige Geisteshaltung unterstelle. Vielmehr führt dieser Satz aus: wenn es sie in dieser Kultur gibt (NICHT dominiert, allein steht oder unveränderlich vorherrscht), muß es sie deshalb auch in anderen Kulturen geben.
2. Im Kontext mit der Formulierung und den anderen Beispielen, etwa:
was den Thailändern schmeckt muß den Inuit nicht gleich verlockend vorkommen.
und dem Inhalt des Postings wird gerade ersichtlich, dass ich mich gegen Verallgemeinerungen erwehre, wie sie dann auftauchen würden, wenn man aus anderen Kulturen auf eine spezielle schließen würde.



Während wir auf der einen Seite große Unterschiede „innerhalb“ einer sogenannten Kultur registrieren, sind umgekehrt zwischen Vertretern „verschiedener Kulturen“ teilweise große Übereinstimmungen festzustellen. So kann man ohne weiteres sagen, die Geisteshaltung Epikurs (eines prominenten Vertreters der griechischen Kultur) habe mehr mit der Geisteshaltung eines Lukrez, der materialistischen Philosophen im antiken Indien und China sowie vieler Menschen im Westeuropa des 21. Jahrhunderts gemein als mit jener von Homer und Hesiod.
Zwischen der reien Feststellung von Ähnlichkeiten und daraus hervorgehenden Rekonstruktionen unüberlieferter Elemente liegt ein riesiger Unterschied.

Ebenso haben z.B. die Römer der frühen Republik mehr geistige Gemeinsamkeiten mit den archaischen Griechen und den archaischen Chinesen als mit Römern der späten Republik wie Quintus Mucius Scaevola, Lucullus oder Cicero. Was also bleibt noch von „der römischen Kultur“?
Mir wird nicht ersichtlich, worauf du hinaus willst. Eine Beeinflußung der italischen Halbinsel durch die archaischen Chinesen? Ein generelles, im Gengut der Menschheit verankertes bestreben?
Dagegen müßte ich mich entschieden verwehren.

Sicherlich haben sich an verschiedenen Orten bei verschiedenen Gruppen auch spezifische und daher verschiedene Geistesvorstellungen entwickelt, und sicherlich gibt es auch eine Tradierung dieser Geisteswelt – insofern kann von verschiedenen Kulturen geredet werden. Aber es ist unangemessen, so zu tun, als wären diese dauerhaft und stabil oder gar ihrem Wesen nach voneinander unterschieden.
"Unangemessen" nach welchem Verhaltenskodex?
Davon abgesehen tut hier niemand so, "als wären sie dauerhaft", allerdings sind in den Traditionen durchaus mehr oder minder "stabile" Tendenzen zu erkennen. Das Kulturen verschiedene Wesenzüge tragen magst du als unangemessene Behauptung ansehen, dementsprechend betrachte ich einen Generalvergleich aller Kulturen als fragwürdige Vorgehensweise.
Im Gegenteil finden sich Geisteshaltungen, die jeder Kulturgrenze spotten und sich regelrecht als universelle Erscheinungen erweisen, gerade im Bereich der Religion und der Totenvorstellungen. Drei Beispiele: Der Glaube an magisch mächtige Wesen; die Annahme von Gottheiten, die zugleich in anthropomorpher Form wie auch in Gestalt von Tieren, Bäumen, Flüssen und Bergen gedacht werden; das Auftreten der Gefolgschaftsbestattung.
Nur halten diese Aussagen, schon anhand deiner eigenen Beispiele einer genaueren Betrachtung eben nicht stand.
Bereits die erste Aussage wird vom Budhismus widerlegt. Ein Generalvergleich hätte uns also bei einem großen Teil der Menschheit ins Bockshorn gejagt.
Weiterhin:
Sind die von dir angesprochenen mächtigen Wesen bei den Griechen i.d.R. abstrakte, menschenähnliche Figuren, die sich sehr aktiv Beteiligen und eigene Ziele sehr emotionaler Natur verfolgen, beten andere Kulturen vorwiegend "natürliches" an, mitunter sicher auch in Personifizierungen, in vielen Kulturen mischen sie sich aber weder von sich aus ein noch Verfolgen sie einen "menschlichen Kurs".
Einige dieser Religionen sind Monotheistisch, andere polytheistisch, einige verehren demütig, andere "spielen" mit ihren Göttern.

Auch der Pauschalisierung der Gefolgschaftsbestattung als vertreter in jedem Kulturkreis möchte ich widersprechen, nicht zuletzt aufgrund der von dir selbst vorgenommen Forderung nach Differenzierung. Selbst bei Skythen findet sich dieser Brauch bei weitem nicht flächendeckend.


Kurzum und Zusammenfassend:
Weder verstehe ich, was diese Diskussion um Verallgemeinerung soll, nachdem es mir schlicht darum ging zu besagen, dass der Auftritt eines "Gespenstes" im klassischen Griechenland keineswegs ein Beweis für eine verbreitete Angst vor spukenden Römern im Raum Osnabrück um Christi Geburt sein kann.
Noch verstehe ich, den von dir konstruierten "Einheitsgeist" der Menschheit, wo er sich eben nicht beweisen läßt.
 
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