Alles Bürger, oder was?

ich habe im Forum einen ähnlichen Beitrag schon endeckt, leider ist er ein wenig in eine Grammatikdiskussion entartet.
Schon eine ganze Weile suche ich Antwort auf folgende Fragen:

-War die Anrede Bürger vorgeschrieben? Oder nur Brauch?
-Galt das auch für die besetzten Gebiete, z.B. linksrheinisches Deutschland,Cisalpinische Republik, etc?
-Bis wann wurde sich so angesprochen?

Wenn jemand bei seinen Studien über Hinweise dazu gestolpert ist wäre ich dankbar für eine Info oder einen Quellenverweis wo ich das nachlesen kann.

hoffnungsvoll :winke:
 
Vorschriften ga es m.W.direkt nicht,aber es war die offielle Anrede,die von den Revolutionsbehörden gebraucht wurde.Und während des terreurs benutze man die tunlichst auch im privaten Bereich, da alles andere als ein Zeichen antirepublikanischer Gesinnung angesehen, was einem schnell die Hochzeit mit Madame La Guillotine auf der Place Grave einbringen konnte. In der Mainzer Republik wurde ebenfalls offiziell die Anrede "Bürger" gebraucht,es bestand aber ebenfalls keine verbindliche Vorschrift. google hierzu mal unter "Mainzer Republik " und Dokumente
 
Das "bis wann" ist nicht hundertprozentig zu klären. Ich glaube das "Madame" kam schon nach 1795 wieder auf, aber in offiziellen Dingen wurde noch immer von "Citoyen Bonaparte" gesprochen. Aber das ist eine gute Frage.:grübel:
 
Das "bis wann" ist nicht hundertprozentig zu klären. Ich glaube das "Madame" kam schon nach 1795 wieder auf, aber in offiziellen Dingen wurde noch immer von "Citoyen Bonaparte" gesprochen. Aber das ist eine gute Frage.:grübel:


Jedenfalls schien die Anrede "Citoyen" zur napoleonischen Zeit bereits vor 1804 ein Anachronismus gewesen sein, jedenfalls wies ein französischer Würdenträger einen russischen Diplomaten recht verärgert darauf hin, dass es in Frankreich nicht üblich sei, sich mit "Bürger" anzureden.

In einer zeitgenössischen Quelle über das Banditenunwesen in den Rheinprovinzen, dass 1804 in Köln erschien, spricht der Verfasser allerdings immer von Br. Anton Keil, statt von Herrn Keil, dem späteren Generalprokurator des Roerdepartements.
 
@ Citoyen Scorpio:cool:
Da schien man in der Tat zwischen privatem oder halbprivatem Verkehr und offiziellen unterschieden zu haben. So nannte Talleyrand einmal eine Dame (um 1800) "Madame" und Bonaparte nannte Madame de Stael schon 1797 "Madame", während aber im offiziellen Umgang noch vom Bürger Konsul etc. die Rede war. Ich denke mal auch der Übergang auch dort war wohl 1803/1804 wie mir scheint.
 
Im Gegensatz zum Tragen der Kokarde war es glaube ich nie Pflicht sich mit "Citoyen" anzusprechen, war aber wohl in der Zeit des Terrors eine gute "Überlebensmaßnahme" (wurde ja aber schon gesagt).
Daher kann man wohl auch nicht genau sagen wann sie aus der Mode kam, da ja kein Gesetz oder Ähnliches rückgängig gemacht wurde.

Ich denke es kam auf die einzelen Bevölkerungsschichten an, in Kreisen der Royalisten und der "Jeunesse dorée" sprach man sich sicher anders an, bei den Neojakobinern und Frühsozialisten um Babeuf war es sicher noch länger brauch.

Ich habe eben noch im Geo Epoche über die Franz. Revolution nachgelesen, im zitierten Teil geht es um die Zeit nach dem Sturz Robespierres, also wie die Thermidorianer die Diktatur abgebaut haben und die Gesellschaft sich veränderte:
"... Der Klimawechsel wird auch im Alltag sichtbar, an der Kleidung und an den Umgangsformen. Die demonstrative Schlichtheit der Jakobiner kommt aus der Mode, die rote Freiheitsmütze zu tragen, ist geradezu verpönt. Die revolutionäre Anrede citoyen, "Bürger", und die Sitte des die Gleichheit betonenden Duzens verschwinden aus den Gesprächen."
(Geo Epoche Nr.22: Die Französische Revolution, S.163)
 
Dank an Alle

:winke:Schönen Dank für eure Tipps.
die Geo versuch ich zu bekommen,
@scorpio
In einer zeitgenössischen Quelle über das Banditenunwesen in den Rheinprovinzen, dass 1804 in Köln erschien,
Die bezeichnung der Quelle wäre nett.

Ich wage also zu mutmaßen, obwohl mir das immer ein Greul ist,
lieber wäre mir ein Rückgriff auf Fakten:
Wenn es schon die Franzosen nicht so genau nahmen war in den besetzten Provinzen nach 1804 nicht mit der Anrede zu rechnen...
Dazu passt ja auch die Abschaffung des Revolutionskalenders Ende1805
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei Fournier heißt es:

"Man sprach sich nicht mehr mit "Bürger", sondern mit "Herr" an, ja, der offizielle Almanach von 1803 schrieb den Titel "Madame" statt "Citoyenne" geradezu vor. War auch noch der revolutionäre Kalender im Gebrauch, so war doch schon statt des Dekadi der alte Sonntag wieder zu seinem Recht gelangt, und man versäumte nicht, an diesem Tag der Messe beizuwohnen."
(August Fournier: Napoleon I., Essen, o.J., Band 2, Seite 3)

Grüße
excideuil
 
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