Allgemeiner Farbgeschmack der Menschheit bis 1945: gedeckt und düster?

rrttdd

Mitglied
Hallo,

ausgehend von alten Fotos und Filmen frage ich mich ob bzw. wieso im 19. und frühen 20. Jahrhundert (und davor eigentlich auch) alles so düster war.

Graue Arbeiter im braunen Mantel und grauer Mütze in der Fabrik...
Ebenso die Schulkinder (braune Lederhose).

Frauen im grauen Mantel vor einer Schaufensterauslage...

Dazu grauer Himmel wegen der Industrieabgase.

Auch die Inneneinrichtung: Im 19. Jahrhundert oft dunkle Tapeten und braun geöltes Holz mit schwarzem Ledersofa und gusseisernem Kronleuchter. Irgendwo habe ich auch mal gelesen, dass die Villa Hügel recht dunkle Räume aufweist: weil es damals als elegant galt? Vertäfelungen in einfacheren Räumen von normaleren Wohnhäusern: meist grau angestrichen...

Oder die Farben erst der preußischen Eisenbahn, dann der Reichsbahn: schwarze Dampfloks, dunkelgrüne und dunkelblaue Personenwagen - in Württemberg kam teilweise noch braun und grau dazu.

Wieso gab es keine knalligen oder hellen Farben zu der Zeit? War das ein reines Chemiethema, dass knallige Farben noch nicht möglich waren, oder gab es kulturell bedingte Vorbehalte?

Gerade, wenn man sich z.B. auch manche Fliesenarbeiten in alten arabischen Städten ansieht, müssten zumindest im Keramikbereich auch fröhlichere Farben im 19. Jh. möglich gewesen sein. Das zieht sich bis in den Jugendstil mit seinen Ornamenten, welche oft in braun-ocker-oliv/dunkeblau-gold daherkommen.

Man könnte meinen, dass erst in den 1970ern die Menschheit den Mut gefasst hat, bunte und knallige Farben einzusetzen (vgl. Eröffnungsfeier Olympia München 1972 oder das Bierpinsel-Gebäude in Berlin-Steglitz).
 
Interessante Fragestellung!
Wenn deine Beobachtung zutrifft, dann müsste die Malerei des späten 19. und frühen 20. Jhs. (Realismus, Naturalismus, Impressionismus, Jugendstil/Symbolismus, Expressionismus) wegen ihrer Farbenpracht sozusagen fiktiver/idealisierender sein, als bisher kunsthistorisch gewertet.
 
Im Rokoko waren viele Farben, sehr viel in Rosé-Tönen, sehr viel auch in Gold und in Weiß. Es gibt leider nur wenige erhaltene bürgerliche Häuser und Wohnräume des Rokoko.

Auch im deutschen Biedermeier sind sehr viele helle Farben in den Kostümen, gerade auch in Accessoires wie z.B. Schirmen. Sehr viele Pastelltöne, sehr viel auch in Gelb.

Bei einem Besuch im Deutschen Tapetenmuseum in Kassel war ich überrascht über die vielen hellen und sehr schönen Farbkombinationen.

Im Historismus hingegen gibt sehr viele dunkle Töne in Holz. Es ist m.E. eine Modeerscheinung, es wurden Hölzer dunkel gebeizt.

Das damals viel preiswerter als heute erhältliche helle Obstholz wie Kirsche und Birne wurde oft dunkel gebeizt, das schöne Birkenholz wenig eingesetzt.

Es gab noch etwas anderes: auf Malereien des 18. Jahrhunderts ist in den Innenräumen mehr freier Raum zu sehen, vor allem weitaus weniger Gegenstände als in Malereien und Fotografien der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Wohn- und Empfangsräume übervoll in der Ausgestaltung (z.B. Kannelüren, Kamine, Simse) und überfüllt mit Möbeln, Vorhängen, Troddeln und Teppichen waren: ein Gefühl der Enge trotz hoher Decken.

Man kann spüren wie groß das Gefühl von Freiheit, Klarheit und Leichtigkeit demgegenüber im Jugendstil war.
Ich denke, hier würde @Mashenka viel erzählen können.
 
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Wieso gab es keine knalligen oder hellen Farben zu der Zeit?
Eine ungewöhnliche These, auch wenn die Industrialisierung sehr viel Dreck mit sich brachte. Um aber gedämpfte, dunkle Farben als Präferenz ausmachen zu können, müssten die privaten Bereiche angeschaut werden, d.h. die Farben, mit denen man sich gerne umgab, mit denen man sich gerne schmückte. Noch deutlicher gezeigt werden farbliche Vorlieben in der Malerei (wie bereits von dekumatland angesprochen), da, abgesehen von der Farbfunktion, von praktischen Überlegungen (Pflege, Anpassung an das Umfeld) unabhängig.

Es gab noch etwas anderes: auf Malereien des 18. Jahrhunderts ist in den Innenräumen mehr freier Raum zu sehen, vor allem weitaus weniger Gegenstände als in Malereien und Fotografien der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Wohn- und Empfangsräume übervoll in der Ausgestaltung (z.B. Kannelüren, Kamine, Simse) und überfüllt mit Möbeln, Vorhängen, Troddeln und Teppichen waren: ein Gefühl der Enge trotz hoher Decken.
Helle, weiträumige Interieurs galten als Ideal des Rokokos, insbesondere in Paris, was mit der Industrialisierung und der Urbanisierung verloren ging. Das Faible für gefüllte Räume (bspw. in Künstlerateliers) war einerseits die Folge der zusammengepferchten Lebensweise und andererseits Prahlerei, resp. das Sammelsurium fremder Güter ein weltmännisches, kolonialistisches Getue, gefördert vom Orientalismus und dem damit verknüpften Bazar-Feeling.
 
Wieso gab es keine knalligen oder hellen Farben zu der Zeit? War das ein reines Chemiethema, dass knallige Farben noch nicht möglich waren, oder gab es kulturell bedingte Vorbehalte?

Ich könnte mir vorstellen, dass es was Inneneinrichtung und Kleidung betrifft, durchaus mit dem Umstand zu tun hat, dass man im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert mit Kohlen heizte und bei dunkleren und matten Farben, Rußrückstände an der Einrichtung oder auf der Kleidung nicht so sehr auffielen.

Grundsätzlich (man schaue sich mal die Ausgehuniformen des Militärs im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert an (bevor sich Feldgrau und andere praktisch orientierte Farben durchsetzten), waren knallige Farben möglich, auch en masse.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass es was Inneneinrichtung und Kleidung betrifft, durchaus mit dem Umstand zu tun hat, dass man im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert mit Kohlen heizte und bei dunkleren und matten Farben, Rußrückstände an der Einrichtung oder auf der Kleidung nicht so sehr auffielen.
Wir haben bis etwa 1990 auch mit Kohlen geheizt, ohne ständig Rußflecken zu haben. In der Zeit war neonfarbene Kleidung angesagt.
 
Vielleicht treffen alle bereits genannten Gründe zu, allerdings wohl zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Anteilen, und jedenfalls wird man nach Periode differenzieren müssen. Was die Kleidung anlangt, würde ich aber einen klaren Trend seit dem Ende der Antike ausmachen: Gedeckte Farben dürften seither die meiste Zeit über einen höheren sozialen Stellenwert eingenommen haben.

Beispielsweise ist das Bild des tristen Mittelalters, als jeder Schwarz und Braun getragen haben soll, schon deshalb falsch, weil diese Farbtöne tatsächlich sehr schwer herzustellen waren. In Wahrheit war bunte Kleidung verbreitet (man kann auch die schlichtesten Lumpen mit Naturfarbstoffen wie der Brennnessel selbst färben), und Blau, Gelb und Grün waren die Farben des Bauernstands schlechthin.

Umgekehrt war v.a. schwarze Kleidung schwer zu bekommen und entwickelte sich rasch zu einem Statussymbol, assoziiert mit Klerus, Adel und höheren Akademikern. Die bunte Mode der Landsknechte und Studenten der frühen Neuzeit stellt einen Versuch dar, sich davon abzugrenzen und mit Konventionen zu brechen, welche gedeckten Farben offenbar das Etikett der Seriosität beilegten.

Hinzu kommen noch die Reformatoren, die mit dem "katholischen" Prunk des Mittelalters brechen wollten und gedeckte Farben in den Ruf der Frömmigkeit brachten. Calvin etwa forderte ausdrücklich dezente, dunkle Kleidung. Bunte Klamotten waren etwas für Bauern und fahrende Gaukler.

Ich glaube, diese Einteilung wirkt bis heute im europäischen Kulturkreis nach. Zum Beispiel bieten viele Nobelmarken grelle Farben gar nicht oder nur gegen Aufpreis an, und wenn uns ein Porsche in giftigem Neongrün entgegenkommt anstelle von dezentem British Racing Green, denken da nicht die meisten von uns: Was für ein Proll, viel Kohle, aber keinen guten Geschmack?

Wir verbinden gedeckte Farben ganz automatisch mit Qualität, Seriosität, Noblesse, das steckt tief drin in unserer Kultur. "Königsblau" heißt diese Farbe. Aber nicht diese Farbe, das ist ordinäres Himmelblau. Und das Bordeauxrot hat die Savoir-vivre schon im Namen, wogegen ein kräftiges Rot wie dieses aus einem Farbraum mit Namen wie "Ketchup" und "Feuerwehrrot" kommt …
 
Man kann spüren wie groß das Gefühl von Freiheit, Klarheit und Leichtigkeit demgegenüber im Jugendstil war.
(Sorry, hab ich vorher übersehen…) Bin ganz Deiner Meinung; der Jugendstil war eins der Stilepochen, die viel Lebensfreude ausdrücken.(das franz. Art nouveau ist nicht von ungefähr eng mit dem {Neu-}Rokoko verwandt.) »Freiheit« ist übrigens sogar die italienische Bezeichnung für Jugendstil (it. liberty, obschon ursprüngl. ein Firmenname.) In vielen Regionen ist Jugendstil hell und bunt, wenn nicht sogar manchmal etwas naiv. Die Secession in Wien war z.B. an Frische, trotz der Vorliebe für Gold kaum zu übertreffen.(siehe das Werk von Klimt) Hinzukommen die Pointillisten, ihre Theorien hervorgegangen aus den Farb-Ideen der Impressionisten; bunter geht's nicht. Schön farbig konnte es auch in der Keramik und Glaskunst werden; beide erlebten 1890–1915 eine Glanzzeit. Dass die Architektur des Jugendstils nicht bunter war (mal von Ausnahmen wie Gaudí abgesehen), war sicherlich auch dem einheitlichen Ortsbild geschuldet.
 
Da täuschen Sie sich.
Grau in Grau redete man den Städten in der DDR nach. Hat sich zwischenzeitlich dank der Wiedervereinigung schon merklich verbessert.

Hier mal ein Beispiel aus der Zeit um 1460.
Diesen Wandteppich habe ich 2013 im Ursulinenkloster in Erfurt fotografiert. Dieser Wandteppich erzählt die Geschichte der Maria Magdalena - ihren Wandel von der Hure zur Heiligen.

Ursulinenkloster im Erfurter Stadtzentrum/Anger:
Gründung -> 1136, Friedrich I. (Barbarossa) des HRR stellte 1183 einen Schutzbrief für dieses Kloster aus. Dieser Schutzbrief liegt im Original im Stadtarchiv.

Das Foto ist zwar nicht von bester Qualität, sollte aber als Beispiel genügen.

upload_2023-11-24_10-43-33.jpeg
 
Der entscheidende Grund für die "Farblosigkeit" vergangener Zeiten dürfte das liebe Geld gewesen sein. Nach heutigen Maßstäben gemessen, gehörte die Masse/Mehrheit der Bevölkerung bis nach dem 2. Weltkrieg der Unterschicht an. Bis zum 1. Weltkrieg rund 80%!

Es gab keine "Wegwerfmode". Kleidungsstücke waren eines der wenigen Dinge, die der Arbeiter, der Bauer, der Knecht, das Dienstmädchen nicht selbst herstellen konnte sondern kaufen musste. Kleidung musste etwas aushalten, dreckig werden dürfen und "leicht" zu pflegen sein. Eine Hose, ein Kleid musste jahrelang getragen werden. Der gute Anzug, das gute Kleid waren ein Zeichen, dass man es in die untere Mittelschicht geschafft hatte.

Was man auf gemalten Bildern sieht, ist meistens die Abbildung von Wohlstand, die obersten 1% bei Gemälden, die 10% bei frühen Fotografien. Die arbeitende und arme Masse wurden selten gemalt und wenn, dann häufig in festlichen Situationen oder idealisiert. Erst als die Fotografie zum Massenmedium wurde, ist der "Alltag" bildlich dokumentiert worden.

Warum war bunt = teuer?

Erstens der Farbstoff. Nur wenige Farben waren günstig herzustellen, blau z.B.. Die preußischen Uniformen waren blau, weil das die billigste Farbe war. Andere, wie Purpur, so absurd teuer, dass nur ganz wenig verwendet wurde.

Der Prozess des Färbens war ein weiterer Arbeitsschritt, der bezahlt werden musste und nicht unbedingt notwendig war. Und nicht jede Faser ließ sich beliebig färben.

Farbige Kleidung ist empfindlicher beim Waschen, immer noch. Naturbelassene Stoffe bleichen nicht aus.

Bunte Uniformen als Gegenbeispiel zu nennen, ist nicht ganz richtig. Zum einen gab es eine militärische Notwendigkeit, Freund und Feind mit bloßem Auge erkennen zu können, die die Zusatzkosten rechtfertigten. Zum anderen wurden dann günstige Farbstoffe verwendet, siehe Preußischblau.
 
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Der Eindruck, den uns alte Schwarzweiß- und sepiafarbene Fotografien vermittelt, täuscht natürlich. Dass nicht nur erdige und graue Farben Verwendung fanden, zeigen Gemälde und die ersten Farbfilme. Auf der anderen Seite waren knallige Farben wie Pink und Neonfarben noch nicht verfügbar. Sicherlich gab es auch Farbregeln. So wie wir heutzutage in schwarzer Kleidung auf eine Beerdigung gehen und die Braut in der Regel im weißen Kleid heiratet, hätte eine verwitwete Frau nicht im roten Kleid auf einen Ball gehen können. Hinzu kommt, dass in Kriegs- und Nachkriegszeiten das Überleben und Trauer um verlorene Angehörige im Vordergrund standen und farbenfrohe Kleidung weder verfügbar war noch der allgemeinen Stimmungslage entsprach.
 
Die arbeitende und arme Masse wurden selten gemalt und wenn, dann häufig in festlichen Situationen oder idealisiert. Erst als die Fotografie zum Massenmedium wurde, ist der "Alltag" bildlich dokumentiert worden.
daran hatte sich der Realist Ilja Repin 1844-1930 nicht gehalten, wie z.B. zwei seiner berühmtesten Gemälde zeigen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Wolgatreidler
https://de.wikipedia.org/wiki/Ilja_...ia/Datei:Modest_Músorgski,_por_Iliá_Repin.jpg
(Mussorgsky kurz vor seinem Tod, im geliehenen (!) Bademantel, ist kein upper class Portrait, der war bitter verarmt)
 
Bunte Uniformen als Gegenbeispiel zu nennen, ist nicht ganz richtig. Zum einen gab es eine militärische Notwendigkeit, Freund und Feind mit bloßem Auge erkennen zu können, die die Zusatzkosten rechtfertigten. Zum anderen wurden dann günstige Farbstoffe verwendet, siehe Preußischblau.

Ich hatte ja die Uniformen gerade als Beispiel dafür herangezogen, dass bunte Farbtöne auch in größerem Stil relativ günstig hergestellt werden konnten, das also durchaus kein Problem war, dass an der Leistungsfähigkeit der chemischen Industrie gelegen hätte.

Sicherlich, Preußischblau, ist wieder ein Beispiel für einen recht matten Farbton, aber wenn man sich die Uniformen in den immer größeren Heeren international und über das gesamte lange 19. Jahrhundert gestreckt ansieht, dann ist das schon ziemlich farbenfroh da gehen dann munter auch das deutlich hellere Blau der Franzosen, Rot, Weiß, Grün usw. durcheinander.
Und das ging am Ende dann doch durchaus über das reine Unterscheidenkönnen von Freund und Feind hinaus.
 
Wir haben bis etwa 1990 auch mit Kohlen geheizt, ohne ständig Rußflecken zu haben. In der Zeit war neonfarbene Kleidung angesagt.

Habt ihr diese Form von Heizung auch in stark beengten Räumen verwendet zudem, in einer städtischen Umgebung, einer Industrielandschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in der es nur bedingt möglich war vernünftig zu lüften, weil je nachdem, wie der Wind steht die Abgase der noch in keiner Weise reglementierten Industrie, was das angeht, mitunter durch die umliegenden Wohngebiete zogen?
 
Habt ihr diese Form von Heizung auch in stark beengten Räumen verwendet zudem, in einer städtischen Umgebung, einer Industrielandschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in der es nur bedingt möglich war vernünftig zu lüften, weil je nachdem, wie der Wind steht die Abgase der noch in keiner Weise reglementierten Industrie, was das angeht, mitunter durch die umliegenden Wohngebiete zogen?
Die Masse der Bevölkerung war im 19. und frühen 20. Jahrhundert in der Landwirtschaft beschäftigt, nicht in der Industrieproduktion. Daher hinkt dein Vergleich.
 
Wir kennen einerseits die alltägliche Armut in den Städten. Und andererseits den Wunsch dem Alltag Farbe abzugewinnen, das Leben ein wenig bunter zu gestalten:
Die schwarz-blaue Arbeitskleidung der kleinen Wäscherinnen, Näherinnen. Die graublaue Kleidung der Frauen an den Werktoren.

Und dann die Gegenwelt, kleinen Tanzvergnügungen in den Straußenwirtschaften am Stadtrand, wo man samstagabends sich etwas herrichtete, "herausputzte".
In Wien, im 6. Bezirk, und auch in der Josefsstadt, habe ich anfangs der 1970er Jahre noch gestaunt über die Vielfalt der Geschäfte für Putzmacherbedarf: es gab alles!

Im ganzen 19. Jahrhundert war schon ein Stilwechsel hin zu industriell verarbeiteten Kleidungsstücken.
Es waren die Tuche der Arbeitskleidungen, vor allem Leinen, dann Baumwolle, früher mit Färberwaid, später mit Indigo gefärbt, bearbeitet mit Holzmodeln z.B. im bergischen Blaudruck. Das ganze wurde aufgehübscht, in Eigenarbeit, durch Applikationen, Rüschen, Bündchen, Bänder.

Edler, und weltweit exportiert, die Stoffe der Schweizer Textilindustrie in den Manufakturen und Textilfabriken im Tösstal (südlich von Winterthur) bis hinauf nach Turbenthal. Wenn man die alten Musterkataloge durchblättert, ist man begeistert.

Die Links funktionieren leider nicht ganz perfekt:

Textilindustrie Tösstal – damals und heute - Treffpunkt - SRF

Textilmuseum St. Gallen – Wikipedia

Ausstellungen

Besuch

Liste von Textilmuseen – Wikipedia

tim | Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg

Deutsches Tapetenmuseum (Hessen Kassel Heritage)

Wenn wir die - sicherlich gedeckteren - Farben in einer stereoskopischen Zeitreise sehen könnten, wären wir begeistert...
 
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Kann die DDR nicht als Muster gelten dafür, wie grau-braun die Welt im früheren industriellen Deutschland wirkte? Dass ein Westdeutscher Ostdeutschland als farblos empfand, lag erst mal am Braunkohlenstaub und am häufigen Nebel, der von den unzähligen Kohleöfen verursacht wurde (ähnlich dem berüchtigten Londoner Nebel des 19. Jahrhunderts). Die Farben an Kleidern und Häusern kamen dagegen nicht recht an, vielleicht auch weil sie geringere Beständigkeit hatten als die des Westens.
 
So sahen die Leute im 19. Jh. beim Tanz in Paris gemalt von Renoir aus:

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Das waren nicht "die" Leute, sondern "Leute, die sich Tanzvergnügen leisten konnten".

Noch einmal, wenn man sich die Kunstgeschichte bis Mitte/Ende des 19. Jhdt. ansieht, dann gibt es nur wenige "realistische", sprich ungeschönte Darstellungen der breiten, armen und arbeitenden Bevölkerung. Die Ausnahmen davon fallen auf, z.B. Menzels Eisenwalzwerk.

Ich würde so eine Art Faustformel aufstellen, dass 90% der Gemalten den obersten 10% der Gesellschaft angehörten. Was ganz einfach daran liegt, dass die Masse der Bevölkerung sich ein Porträt von sich nicht leisten konnte und die wenigen, die es konnten, sich in allem Prunk und Herrlichkeit darstellen ließen. Wie gesagt, meine Faustformel.

Ja, neben der militärischen Notwendigkeit der Unterscheidbarkeit im Pulverdampf des Schlachtfelds spielte bei Uniformen auch das Zurschaustellen eine Rolle. Ähnlich wie bei ihren Galaroben zeigten die Fürsten damit auch, dass sie es sich leisten konnten, ihre Soldaten bunt und aufwendig zu kleiden.
 
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