Meine Frage wäre warum und wann Italien seine Funktion als Hauptrekrutierungsbasis für die Legionen aufgegeben hat und welche anderen Regionen, ich denke vor allem an Illyrien, diese wann übernommen haben.
Meist war der Kriegsdienst freiwillig, Zwangsrekrutierungen die Ausnahme. Somit hing die Herkunft der Soldaten davon ab, wo sich genug Freiwillige fanden.
Generell (und vielleicht etwas vereinfachend) kann man wohl sagen, dass Männer umso geeigneter und auch williger zum Wehrdienst waren, je "barbarischer" sie noch waren, außerdem war auch Wohlstand nicht unbedingt förderlich für die Bereitschaft zum Kriegsdienst. (Das sieht man auch andernorts in der Weltgeschichte: Z. B. waren die Hauptherkunftsgebiete für Söldner meist eher ärmere Regionen, oft obendrein mit kriegerischer Bevölkerung.) Dass die Illyrer noch im frühen 3. Jhdt. recht "barbarisch" drauf waren und ihr Land nicht sehr wohlhabend, bezeugt Cassius Dio, der selbst Statthalter von Dalmatien und Pannonien war, sie also aus eigener Anschauung kannte.
Italien selbst hingegen war wohl irgendwann einfach zu "zivilisiert" als dass das Soldatenleben noch einen großen Reiz auf die Masse seiner Bewohner ausgeübt hätte.
Hat diese Abkopplung Italiens von den militärischen Belastungen des Reiches vielleicht auch etwas mit der verminderten Wehrfähigkeit des römischen Reiches in spätantiken Zeiten zu tun
Sicher nicht, ganz im Gegenteil. Es war vollkommen sinnvoll, die für den Wehrdienst geeignetsten Männer zu rekrutieren. Wenn man diese im 3. Jhdt. anscheinend u. a. in Illyrien fand, warum hätte man stattdessen Italiker nehmen sollen?
Ich bin nicht der Ansicht, dass die "verminderte Wehrfähigkeit" etwas mit der Rekrutierung von Provinzialen zu tun hatte. Das passt schon vom zeitlichen Zusammenhang her nicht. Niederlagen hatte es in der römischen Geschichte immer gegeben, und alles in allem schlugen sich die römischen Armeen noch im 3. und auch einem Großteil des 4. Jhdts. erfolgreich. "Vermindert" wurde die Wehrfähigkeit in der Spätantike eher dadurch, dass mehrmals Legionen in recht verlustreichen Bürgerkriegsschlachten gegeneinander verheizt wurden. Insbesondere von der Schlacht am Frigidus scheint man sich nie wieder richtig erholt zu haben. Dennoch schlugen die Römer auch im 5. Jhdt. noch manche erfolgreiche Schlacht, wenngleich freilich hauptsächlich mit Truppen ausländischer Herkunft.
Spätantike Rekrutierungsprobleme waren wohl u. a. darauf zurückzuführen, dass die Großgrundbesitzer kein Interesse daran hatten, dass ihre Landarbeiter zur Armee gingen (und wenn es sich nicht vermeiden ließ, schickten sie wohl am ehesten die unbrauchbarsten).
oder irre ich mich vielleicht mit dieser Beoabachtung bzgl. des Anteils italischer Legionäre in der mittleren und späteren Kaiserzeit überhaupt?
Nein. Allerdings sind kaum präzise Zahlen möglich. Es wird angenommen, dass bereits im 1. Jhdt. n. Chr. der Anteil von Italikern in den Legionen rapide sank. Während sie zu Zeiten der julisch-claudischen Dynastie noch die klare Mehrheit stellten, dürfte ihr Anteil unter den Adoptivkaisern bereits unter 10% gelegen haben. (Die beiden unter Mark Aurel während der Markomannenkriege neu aufgestellten Legionen Legio II Italica und Legio III Italica dürften aber wieder hauptsächlich aus italischen Rekruten bestanden haben.) Allerdings muss man berücksichtigen, dass es auch außerhalb Italiens viele Bürger italischer Herkunft gab, z. B. in Veteranenkolonien, die lange Zeit für die Rekrutierungen eine wichtige Rolle gespielt haben dürften.
Mit der Verleihung des Bürgerrechts an alle freien Reichsbewohner stand dann ohnehin das gesamte Reichsgebiet als Rekrutierungsreservoir unbegrenzt zur Verfügung.