Arminius = Siegfried ?

Otto von Freising erwähnte Arminius gar nicht namentlich, auch nicht die Cherusker.
Otto zitierte offensichtlich aus Suetons Augustus-Biografie. Bei Sueton kommt das komplizierte Intrigenspiel des cheruskischen Adels gar nicht vor. Tacitus war der einzige antike Autor, der Arminius zum tragischen Helden verklärte.
 
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Für mich zählen die Worte "tres vacuas legiones" was ist da so schwer dran ?
Diese Worte stammen aus einer fingierten, von Tacitus dem Marbod in den Mund gelegten Rede, in der dieser Arminius und dessen Leistung herunterzumachen versuchte. Es handelt sich dabei somit nicht um eine seriöse Quelle zur Varusschlacht und Varus' Truppenstärke, sondern um reine Propaganda. Was ist da so schwer daran?
 
Otto von Freising erwähnte Arminius gar nicht namentlich, auch nicht die Cherusker.
Otto zitierte offensichtlich aus Suetons Augustus-Biografie.
Oder (auch) aus Orosius (6,21): "Sub eodem vero tempore Quintilius Varus cum tribus legionibus a Germanis rebellantibus, mira superbia atque avaritia in subiectos agens, funditus deletus est. Quam reipublicae cladem Caesar Augustus adeo graviter tulit, ut saepe per vim doloris caput parieti conlidens clamaret Quintili Vare, redde legiones."
Zum Vergleich bei Otto: "... ut sepissime caput parieti collideret ac per vim doloris diceret: Quintili Vare, redde legiones."
 
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Für mich zählen die Worte "tres vacuas legiones" was ist da so schwer dran ?
Ich habe dich verstanden. Du hast nicht verstanden (bzw. wohl eher absichtsvoll nicht verstehen wollen), was Sepiola, ich und mittlerweile auch Ravenik dir versucht haben nahezubringen: dass es sich ausdrücklich um ein Zitat aus einer einem Warlord in einer bestimmten Situation (kurz vor der Schlacht) in den Mund geschobenen Rede handelt. Tu doch bitte nicht so, als würde dich jeder desinteressierte Sechstklässler bzgl. historischer Textanalyse mit derlei Leichtigkeit in die Tasche stecken. Ich gehe davon aus, dass ich, wenn ich mit einem erwachsenen Menschen diskutiere, ein Mindestmaß an Vernunft und Einvernehmen im Sinne der Intersubjektivität erwarten kann und man nicht hundert mal darauf hinweisen muss, was eine Motivationsrede ist.
 
Ich habe dich verstanden. Du hast nicht verstanden (bzw. wohl eher absichtsvoll nicht verstehen wollen), was Sepiola, ich und mittlerweile auch Ravenik dir versucht haben nahezubringen: dass es sich ausdrücklich um ein Zitat aus einer einem Warlord in einer bestimmten Situation (kurz vor der Schlacht) in den Mund geschobenen Rede handelt. Tu doch bitte nicht so, als würde dich jeder desinteressierte Sechstklässler bzgl. historischer Textanalyse mit derlei Leichtigkeit in die Tasche stecken. Ich gehe davon aus, dass ich, wenn ich mit einem erwachsenen Menschen diskutiere, ein Mindestmaß an Vernunft und Einvernehmen im Sinne der Intersubjektivität erwarten kann und man nicht hundert mal darauf hinweisen muss, was eine Motivationsrede ist.

Warum so aufgebracht, aber zum Thema.

Wer will heute schon noch was über die Gründe sagen, die Marbod für seine Schmährede gehabt haben könnte. Zweifellos lässt sich darin auch der Versuch erkennen auf diese Weise die Gemüter zu erhitzen. Aber wieviel Kämpfer sollten seine Worte vor dem möglichen Ausbruch der Schlacht gehört haben. Es standen sich einige Tausende gegenüber und das Mikrofon war noch nicht erfunden. Und wen wollte Marbod überhaupt damit erreichen. Naheliegend scheint, dass er damit seinen eigenen Leuten die Schwäche von Arminius vor Augen führen wollte, um sie damit anzuspornen, wenn sie es denn alle vernommen hätten. Andererseits erreichte er damit aber auf der Gegenseite das Gegenteil in dem er Arminius und seine Mannen umso mehr gegen sich aufbrachte die ihn nun von ihrer Kampfkraft überzeugen wollten. Er musste also damit rechnen, dass seine Worte auch nach hinten hätten los gehen können. Ein Nullsummenspiel. Was könnte er also noch mit seinen Worten bezweckt haben. Arminius trat mit der Unterstützung von Semnonen und Langobarden gegen ihn an und das sie ihm überlegen gewesen waren, dürfte er erkannt haben, obwohl einige Cherusker zu ihm übergelaufen waren. Vielleicht hatte Marbod sich aufgrund dieser Einschätzung einen Fluchtplan zurecht gelegt um zu entkommen Was könnte Marbod also noch für einen Grund gehabt haben Arminius gegen sich aufzubringen ? Ich sehe keinen sondern es eher so, als dass Marbod mit diesen Worten den Untergang der Varuslegionen ganz im Sinne Roms rechtfertigen und Varus von der Schuld an der Niederlage frei sprechen wollte. Damit erinnerte er an seine alte Loyalität gegenüber Rom, die er schließlich zwei Mal bewiesen hatte. Einmal in dem er den Pannonienaufstand nicht nutzte um Rom in den Rücken zu fallen und zum anderen hatte er sich nach dem man ihm den Kopf von Varus übergab, nicht auf die Seite von Arminius gestellt. So erhoffte er sich, dass man ihm nun im Falle einer Niederlage Asyl gewähren würde. Schließlich achtete er darauf, dass seine Worte den richtigen Adressaten erreichten und das Imperium davon erfuhr, denn sonst hätte Tacitus nicht über seine Ansprache schreiben können.
 
Andererseits erreichte er damit aber auf der Gegenseite das Gegenteil in dem er Arminius und seine Mannen umso mehr gegen sich aufbrachte die ihn nun von ihrer Kampfkraft überzeugen wollten. Er musste also damit rechnen, dass seine Worte auch nach hinten hätten los gehen können. Ein Nullsummenspiel.
Wenn das Mikrofon noch nicht erfunden war, dann die Wanze für den Lauschangriff auch noch nicht. Wie hätten "Arminius und seinen Mannen" Marbods Motiviationsrede - oder viel mehr die Motivationsrede, die Tacitus ihm in den Mund legt, denn wir wissen nicht, ob er jemals eine solche Rede hielt - wie hätten Arminius&Co diese Rede an Marbods Heer überhaupt wahrnehmen können?
 
Schließlich achtete er darauf, dass seine Worte den richtigen Adressaten erreichten und das Imperium davon erfuhr, denn sonst hätte Tacitus nicht über seine Ansprache schreiben können.

Natürlich konnte Tacitus zu jedem gewünschten Anlass eine Ansprache aus dem Ärmel schütteln, er war ja für das Verfassen von Reden berühmt. Antike Autoren griffen oft zum Kunstgriff, ihre Darstellungen durch direkte Reden zu würzen:

Durchsucht man die antike Literatur nach solchen Einlagen, stellt man immer wieder fest, dass die wiedergegebenen Reden vielmals frei erfunden sein müssen. Dies gilt für manche der so genannten letzten Worte der Kaiser, die Sueton in den Biographien niedergeschrieben hat. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Worte, die der jüngere Plinius seinem Onkel in den Mund legt, als dieser sich auf seine Exepdition zur Erkundung des Vesuvausbruchs 79 n. Chr. in Lebensgefahr brachte und darin umkam. Er soll zu seinem Steuermann, der angeblich dazu riet, wieder in den Hafen von Misenum zurückzukehren, gesagt haben: "Den Mutigen hilft das Glück, fahre zu Pomponianus (nach Stabiae)." Für diese Worte wird der jüngere Plinius wohl kaum noch Zeugen gefunden haben; denn sein Onkel und seine Begleiter kamen ums Leben. Aber die direkte Rede wirkt nun einmal markanter und macht den Leser quasi selbst zum Augen- und Ohrenzeugen innerhalb der historischen Szenerie. Wir sehen hier die antike Rhetorik in ihrer Vollkommenheit am Werk. Römer und Griechen liebten solche emphatischen Momente in der Berichterstattung. Man war verwöhnt.

Wahre Fiktion – Fiktive Wahrheit? Die Reden in der antiken Historiographie - Persée
 
(1) Warum so aufgebracht, (2) aber zum Thema.
(1)
Weil starrsinnige Beratungsresistenz, nachdem man sich ausführlich mit faktenbasierten Gründen Mühe beim erklären gegeben hat, schlichtweg nervt. Viel zu freundlich gesagt, ist dein weitschweifiges Blabla über "Marbods Rede" nichts anderes als rumfantasieren.
(2)
...dass die allerbilligsten rhetor. Tricks hier nicht greifen, hättest du seit längerem bemerken können... du bist es hier nicht, der zum Thema sachlich akzeptabel beiträgt.

Schließlich achtete er (Marbod) darauf, dass seine Worte den richtigen Adressaten erreichten und das Imperium davon erfuhr, denn sonst hätte Tacitus nicht über seine Ansprache schreiben können.
nach diesem ungemein luziden Argumentationsmuster musste Tiberius etliche Bedienstete mit Videohandys um sich versammelt haben, damit Sueton von seinen Spintriae berichten konnte :p:D:D

Es war ganz anders: Marbods Rede und Arminius drachentöterischer Name Siegfried wurden beide von der Bundeslade aufgezeichnet, welche dann auf geheimen Altwegen zum wahren Ort der Varusschlacht speditiert wurde, damit sie von druidenartigen Heimat"forschern" wohlverwahrt in weitschweifigen Blogs ausgeplaudert werden.
 
Ich erlaube mir, den Bogen zurück zum eigentlichen Thema zu schlagen: nämlich zur Frage, ob Siegfried auf Arminius zurückgeht.

Die erste Frage wäre, ob der Lindwurm für eine römische Legion steht, wie z. B. hier dargestellt:

Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß der Lindwurm eine Metapher für den römischen Heereszug, der sich ja über mehrere Kilometer erstreckte, sein kann. Wie hier schon erwähnt, gaben die Germanen ihre Heldentaten nur mündlich weiter und man brauchte Stichwörter oder ähnliches, um die die Geschichte herum aufgebaut wurde. Und für so etwas kann man durchaus Metaphern benutzen, so braucht man nicht lang und umständlich erklären, was denn ein römisches Heer ist und wie es aussieht. Allerdings wird bei so einer Tradierung die Geschichte natürlich über die Jahre, Jahrzehnte, und Jahrhunderte verfremdet - es tritt der Stille Post Effekt ein und man kann den Ursprung nicht mehr zurückverfolgen bzw. er ist nicht mehr ohne weiteres zu erkennen.

Jetzt müßte man natürlich erklären, wie so eine römische Marschkolonne zu einem Lindwurm wird. Die Analogie von einer römischen Heeressäule zu einer langgestreckten Schlange ist schon weit hergeholt. Andererseits will ich auch nicht ausschließen, dass in Erzählungen über Generationen hinweg eine Geschichte sich ändern kann. Da müßte man unterstellen, dass die germanischen Sänger über Generationen die Geschichte blumig weitergegeben haben. Vielleicht wurden die Legionen in ihrer Marschordnung erst mit einer riesigen Schlange verglichen. Später wären die Römer weggelassen worden und es blieb nur die Schlange übrig.

Andererseits könnte auch der Lindwurm auch ein anderer Mythos sein, der vielleicht von den Römern übernommen wurde. Im Wiki-Artikel zu Drachen wird aufgeführt, dass der Drachen als mythologisches Wesen in vielen Kulturen existiert: Drache (Mythologie) – Wikipedia

Mangels Quellen über die frühen germanischen Mythen wird es vermutlich kaum möglich sein, eine Aussage zu treffen, ob der Kampf gegen den Lindwurm ein genuin germanischer Mythos ist, oder ob da bereits eine Beeinflussung durch die römische Kultur gegeben hat (einige Jahrhunderte später haben die Wikinger teilweise auch ihre Schiffe mit Drachenköpfen ausgestattet).



Wie hier auch schon erwähnt, besteht das Nibelungenlied aus zwei Teilen. Der erste würde, wenn wir annehmen, daß es die Varusschlacht darstellt, im Jahre 9 n. Chr. spielen, der zweite erst zur Völkerwanderungszeit, als die Hunnen das Römische Reich bedrohten, wenn denn angenommen wird, das Etzel = Attila ist. Es sind also zwei Sagen in eine gepackt worden, was sicherlich auch seine Ursache in der mündlichen Tradierung hat. Damals hat sich sicherlich niemand Gedanken gemacht, wie alt die Geschichte ist, die vorgetragen wird, wann sie genau stattfand. War wahrscheinlich für die damaligen Leute eh' sehr unwichtig. Die Vergangenheit war Vergangenheit, egal wieviele Generationen vorher die Ereignisse stattgefunden haben.

Historisch greifbar sind einige Figuren aus der Nibelungensage, wie Etzel oder Dietrich. Da sind wohl verschiedene Quellen (seien es historische Ereignisse oder Mythen) zusammengeflossen.

Letztendlich teile ich die Aussage aus dem Wiki-Artikel:

Eine Verbindung zwischen dem Sieg des Arminius und dem Nibelungenlied bleibt daher insbesondere wegen der Annahme eines mehr als zwölf Jahrhunderte umfassenden Zeitabstands zwischen historischem Ereignis und seiner Verschriftlichung sehr fraglich. Die Verbindung Arminius-Siegfried gilt daher der großen Mehrheit der heutigen Fachwissenschaftler als unbeweisbare Spekulation.

Arminius – Wikipedia
 
Ich erlaube mir, den Bogen zurück zum eigentlichen Thema zu schlagen: nämlich zur Frage, ob Siegfried auf Arminius zurückgeht.

Die erste Frage wäre, ob der Lindwurm für eine römische Legion steht, wie z. B. hier dargestellt:



Jetzt müßte man natürlich erklären, wie so eine römische Marschkolonne zu einem Lindwurm wird. Die Analogie von einer römischen Heeressäule zu einer langgestreckten Schlange ist schon weit hergeholt. Andererseits will ich auch nicht ausschließen, dass in Erzählungen über Generationen hinweg eine Geschichte sich ändern kann. Da müßte man unterstellen, dass die germanischen Sänger über Generationen die Geschichte blumig weitergegeben haben. Vielleicht wurden die Legionen in ihrer Marschordnung erst mit einer riesigen Schlange verglichen. Später wären die Römer weggelassen worden und es blieb nur die Schlange übrig.

Andererseits könnte auch der Lindwurm auch ein anderer Mythos sein, der vielleicht von den Römern übernommen wurde. Im Wiki-Artikel zu Drachen wird aufgeführt, dass der Drachen als mythologisches Wesen in vielen Kulturen existiert: Drache (Mythologie) – Wikipedia

Mangels Quellen über die frühen germanischen Mythen wird es vermutlich kaum möglich sein, eine Aussage zu treffen, ob der Kampf gegen den Lindwurm ein genuin germanischer Mythos ist, oder ob da bereits eine Beeinflussung durch die römische Kultur gegeben hat (einige Jahrhunderte später haben die Wikinger teilweise auch ihre Schiffe mit Drachenköpfen ausgestattet).





Historisch greifbar sind einige Figuren aus der Nibelungensage, wie Etzel oder Dietrich. Da sind wohl verschiedene Quellen (seien es historische Ereignisse oder Mythen) zusammengeflossen.

Letztendlich teile ich die Aussage aus dem Wiki-Artikel:

Eine Verbindung zwischen dem Sieg des Arminius und dem Nibelungenlied bleibt daher insbesondere wegen der Annahme eines mehr als zwölf Jahrhunderte umfassenden Zeitabstandes zwischen historischem Ereignis und seiner Verschriftlichung sehr fraglich. Die Verbindung Arminius-Siegfried gilt daher der großen Mehrheit der heutigen Fachwissenschaftler als unbeweisbare Spekulation.

Arminius – Wikipedia

Spekulation ist immer unbeweisbar, aber doppelt hält besser.
Der Wyrm ist das eine, der Draca das andere. Der Drache verdeutlicht die gegnerische Stärke, wird aber zum Wurm wenn er unterliegt. Wenn man es erforschen möchte, dann ginge es nur mithilfe eines Abgleichs der germanischen Form der Geschichtsschreibung ( Völsungen Genealogie ) mit der antiken Form der Geschichtsschreibung (Cherusker Genealogie). Damit beschäftige ich mich gegenwärtig. Ist aber ein sehr hartes Brot und es steckt viel Spekulation drin.
 
Ich kanns nicht abschätzen, hörte sich jedenfalls interessant und soweit schlüssig an. Ist aber eine umstrittene These, und ich kenn die Gegenargumente nicht.
Zu Haefs kann ich nichts sagen; zu Ritter haben sich schon einige Leute geäußert, die es abschätzen können, siehe weiter unten.

Mittlerweile habe ich über Google books ein paar Schnipsel von Ritters Buch "Die Nibelungen zogen nordwärts" einsehen können, so kann ich wenigstens ein bisschen beisteuern.

Ritter hält die relativ spät (um 1500) überlieferte schwedische Version der Thidrekssaga für die ursprüngliche. Sie sei keine Dichtung, sondern ein authentischer Bericht:
"Die Thidrekssaga wird ihre wirkliche Bedeutung erst langsam zu erkennen geben. Aus einer für Norddeutschland stummen Zeit spricht sie mit einem Mal deutlich und vernehmlich, stellt uns plastisch und dramatisch die handelnden Personen jener Zeit vor Augen und die bedeutenden Verflechtungen und Schicksale, die sich zwischen ihnen und um sie abspielten. Sie dichtet nicht, sie berichtet. Und wo sie zu Dichtung wird, ist sie Bericht in dichterischer Form, keine willkürliche Erfindung."
[...]
'Sie dürfen die Thidrekssaga nicht wie eine Chronik behandeln!' wurde mir von fachkundiger Seite geschrieben. 'Es ist eine Saga, kein Bericht!' - Ich möchte erwidern: 'Im Gegenteil! Da sich die Thidrekssaga wie ein Bericht gibt, muß zunächst geprüft werden, ob und wieviel Wahrheit in diesem (vorgeblichen) Bericht steckt. Diese Prüfung ist früher nicht vorgenommen worden. Meine bisherigen Bemühungen darum aber haben mich nicht enttäuscht.' "​

Ziemlich schnell bin ich auf Ritters "Erklärung" des Namens der Niflungenburg gestoßen, der in der schwedischen Fassung gar nicht überliefert ist. Ritter zieht die Namenvarianten der sog. "Membrane" heran, wo sich Formen wie Werminza/Verminza/Verniza finden (vgl. die mittelalterlich überlieferten Formen Warmacia/Wormez für Worms) - und stellt die Frage: "Wie würden nun diese Namen VERNIZA und VERMINZA heute lauten, wenn sie aus dem 5.-8. Jahrhundert stammten?"

Diese Frage ließe sich nun anhand von frühmittelalterlich überlieferten Namen wie Mogontia oder Constantia (in frühmittelalterlicher Aussprache also Mogonzia und Konstanzia) recht klar und eindeutig beantworten: Mit einem auslautendem -z, sieheMainz und Konstanz.Oder allenfalls mit einem auslautenden -s, siehe Worms.

Stattdessen fährt Ritter mit atemberaubender Unlogik fort: "Aus VERMINZA konnte (oder mußte?) entsprechend VIRMINICH-VIRMENICH werden."

Eine kurze Rezension verfasste Henry Kratz in: The German Quarterly, Vol. 56/4 (1983).
Kritikpunkte sind:
- Ritter ignoriert den größten Teil der Thidrekssaga und sucht sich nur heraus, was in sein Schema passt. Dazu gehören historische Figuren wie Ermanarich und historische Ereignisse wie die Ravennaschlacht, die geographisch beim besten Willen nicht ins Rheinland oder nach Norddeutschland passen. Folgt man Ritter, müsste man von zwei verschiedenen Theoderichs ausgehen, die in zwei verschiedenen Veronas residierten und sich mit zwei verschiedenen Attilas auseinandersetzten.
- Ritter ignoriert auch den größten Teil der vorliegenden Forschungsliteratur.
- Ritter hält die Thidrekssage für eine realistische Chronik, ungeachtet aller Drachen, Riesen, Zwerge und unmöglichen Ereignisse.*
- Ritter übersieht auch die Anachronismen (Beschreibungen von Burgen und Waffen des 13. Jahrhunderts), die seiner Prämisse widersprechen.
- Ritter leistet sich auch sprachwissenschaftliche Klopper, etwa die Fehlinterpretation von Bertangaland als "Bardengau".

Ausführlicher siehe dazu die Rezension von Johannes Janota und Jürgen Kühnel:

https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a138413.pdf

"Da werden Fakten verschwiegen und sachliche wie argumentative Zusammenhänge zerrissen, wobei offen bleiben muß, ob Ritter-Schaumburg selbst die notwendige fachliche Kompetenz fehlt, oder ob er seinen mit der Probolematik ja nicht grundsätzlich vertruaten Lesern bewußt etwas verschweigt, um sie auf diese Weise nur um so mehr von seinen eigenen Ansichten zu überzeugen. Wie dem auch sei, es gehört zu den Grundübeln des Buchs, daß seine Überzeugungskraft für den interessierten Laien sehr stark auf mangelnden Informationen beruht.

Nicht anders zu beurteilen ist das Verfahren des Autors, Zusammenhänge herzustellen oder wenigstens zu suggerieren, die schlechthin falsch, für den Leser aber eben nicht nachprüfbar sind und sich dabei doch so schön in Ritter-Schaumburgs Argumentation 'einpassen'.

[...]

Alle bisher dargestellten Fehler und Unzulänglichkeiten seines Buches beruhen auf einer grundsätzlichen Fehleinschätzung der handschriftlichen Überlieferungslage. Eine eingehende Beschäftigung mit mittelalterlichen Texten und erst recht die angestrebte Revolutionierung der fast 200jährigen germanistischen Bemühungen um die Nibelungensage und ihre literarischen Gestaltungen erfordern fundierte Kenntnisse im philologischen Bereich - Kenntnisse, die Ritter-Schaumburg vollkommen abgehen.

Im Gegensatz zur bisherigen Forschung (aber ohne sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen) nimmt er nicht die um 1260 entstandene 'Membrane' (vgl. S. 32 f.) als Haupthandschrift der Thidrekssaga, sondern die aus dem 15. Jahrhundert stammende altschwedische Handschrift 'Sv', deren Sigle (es ist die Abkürzung für 'Svenska Didrikskronik' = "Schwedische Dietrichs-Chronik") Ritter-Schaumburg merkwürdigerweise und ohne Erklärung als 'Svava' (vgl. S. 33) auflöst. Grundsätzlich kann natürlich eine jüngere Überlieferung in einzelnen Fällen den älteren Text bieten, doch müssen dafür eindeutige Beweise erbracht werden. Ritter-Schaumburg aber begnünt sich mit der lapidaren Erklärung: Ich möchte sie [nämlich seine 'Svava'] ... als eine ganz wichtige Quelle ansehen, aus der besonders rein zu schöpfen ist; denn ihr fehlen - 'noch', möchte ich sagen - die vielen Ausmalungen, Überlegungen und Empfindungen, welche vor allem die Membrane 'schmücken' (S. 33). Das ist eine grundlose Spekulation, mit der er die Überlieferungsverhältnisse auf den Kopf stellt. Denn ein genauer Vergleich zwischen der 'Membrane' und der Handschrift Sv zeigt deutlich, daß Sv von der 'Membrane' abhängig ist: Sv stellt eine Übersetzung des altnorwegisch-altisländischen Text gleichzeitig im Sinne chronikalischer Knappheit kürzt. [...]
Fazit auch hier: Da Ritter-Schaumburg den Anspruch erhebt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln, kann ihm der Vorwurf nicht erspart bleiben, er wolle auf unredliche Weise dem Leser Hirngespinste als Fakten unterschieben und werte dabei anderslautende Forschungsmeinungen entweder (ohne zu argumentieren) ab oder verschweige sie ganz.

[...] Erwähnt seien nur seine sprachgeschichtlich unhaltbaren Etymologien. Altnordisch 'Niflunga land' und 'Bertanga land' z. B. sind laut Ritter-Schaumburg Gaunamen; er interpretiert (vgl. S. 98 und 124) sie als Nifflun-ga-land und Bertan-ga-land = Neffel-gau-land und Barden-gau-land. Dabei weiß jeder Germanistikstudent, der ein altnordisches Proseminar absolviert hat, daß 'Niflunga' und 'Bertanga' schlicht und einfach Formen des Genitivs im Plural sind, und 'Niflunga land' nichts anderes heißt als 'Land der Niflungen'. Aber offensichtlich bringt Ritter-Schaumburg nicht einmal diese minimale Voraussetzung für die Arbeit an seinem altnordischen Text mit. 'Bertanga land' heißt übrigens 'Land der Bertangar = Britonen', deren König auch in der Thidrekssaga Artus/Arthur ist; die Identifizierung mit dem Bardengau ist so unsinnig wie die meisten anderen Identifizierungen Ritter-Schaumburgs auch."​

Einen Rezensionsartikel verfasste etwa gleichzeitig auch Gernot Müller, Allerneueste Nibelungische Ketzereien, in: Studia Neophilologica LVII (1985).
Positiv beurteilt er (wie auch Janota/Kühnel) immerhin die Interpretation der Stelle, wo "Donau und Rhein zusammenfließen":

"Ritter liefert nun für die irritierende Ortsangabe eine überzeugende Lösung, in dem er auf eine in den Rhein mündende Duna bei Wiesdorf-Leverkusen aufmerksammacht. Die heutige Dhün fließt zwar über die Wuppermündung in den Rhein, ist aber 1117 und 1189 als selbständiger Nebenfluß des Rheins belegt."​

Ansonsten beschäftigt sich der Artikel eher mit den Prämissen, auf denen Ritters seine Konstruktionen errichtet. Diese werden als nicht tragfähig eingeschätzt

"Ritters Kardinalfehler ist, daß er nach den Stoffen der Heldendichtung aus einseitig realgeschichtlicher Perspektive fragt, die Stoffrage um ihren literaturgeschichtlichen Aspekt verkürzt. Dieser Aspekt hat aber zum Wachstum von Heldensage mehr beigetragen als die reale Geschichte. Gerade im Nibelungenstoff mit seinen vier Hauptkreisen Jung-Siegfried-Abenteuer, Siegfrieds Tod, Burgundenntergang, Attilas Ende finden wir eindeutig mehr literarische Konventionen als historische Realien einer frühen Zeit."​



* Wie weit Ritter geht, um auch die offensichtlich märchenhaften Züge noch irgendwie zu "retten", mag folgende Passage verdeutlichen:
"Von Sigfrid heißt es in aller Überlieferung, daß seine Haut 'hürnen' war, 'hart wie Horn', und daß er die Vogelsprache verstand. Das klingt zunächst sehr märchenhaft. Nehmen wir aber einmal an, es wäre wahr, was die Thidrekssaga überliefert - und das ist ja nichts Unmögliches -, daß Sigfrid im Walde aufwuchs, von einer Hirschkuh gesäugt, mit den Hirschjungen spielend und rennend; dann mußte er, um zu überleben, hart von Haut sein oder dicht behaart, und er hatte dies von Jugend auf, ohne sich erst in Drachenfett zu baden; dann verstand er auch die Sprache der Tiere, mit denen er gelebt hatte, also auch die der Vögel, ihre Lock- und Zorn- und Drohrufe und vielleicht mehr [...]"​
 
Ritter-Schaumburg aber begnügt sich mit der lapidaren Erklärung: Ich möchte sie [nämlich seine 'Svava'] ... als eine ganz wichtige Quelle ansehen, aus der besonders rein zu schöpfen ist; denn ihr fehlen - 'noch', möchte ich sagen - die vielen Ausmalungen, Überlegungen und Empfindungen, welche vor allem die Membrane 'schmücken' (S. 33). Das ist eine grundlose Spekulation, mit der er die Überlieferungsverhältnisse auf den Kopf stellt.

Lectio difficilior potior - die schwierige Lesung ist die ältere -
weil Kopisten die Angewohnheit haben, den Text zu glätten.
 
Der Wyrm ist das eine, der Draca das andere. Der Drache verdeutlicht die gegnerische Stärke, wird aber zum Wurm wenn er unterliegt.
Aha ---- und wenn der starke Drache mit dem (beinah succubisch) unterliegenden Wurm Bungabunga macht, entsteht dann aus dieser Mesalliance der Lintdrache des Nibelungenlieds? :D:D:D (und kräht dann der Lintdrache "Tri-Tra-Trullala der Armin heißt Sigi und ach wie gut das niemand weiß, dass ich die Römer bin"?)

Spaß beiseite: statt den heiligen Spekulatius über alle Maße zu strapazieren, solltest du dich erst mal kundig machen, wie es um die nachweislichen Überlieferungen der Drachen jeglicher Couleur in der antiken und mittelalterlichen Literatur bestellt ist. Um nur eine von vielen Lektüreanregungen zu nennen:
https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a108253.pdf
 
dann verstand er auch die Sprache der Tiere, mit denen er gelebt hatte, also auch die der Vögel
Hurra, endlich hat der Schaumritter den Nachweis erbracht, dass es sich beim (musikalisch grandiosen!!) Waldweben um Naturalismus handelt und dass der dritte Teil der Operntetralogie "Armin" heißen muss :D:D:D:D:D:D:D
 
Hurra, endlich hat der Schaumritter den Nachweis erbracht, dass es sich beim (musikalisch grandiosen!!) Waldweben um Naturalismus handelt und dass der dritte Teil der Operntetralogie "Armin" heißen muss :D:D:D:D:D:D:D

Fairerweise muss man sagen, dass Ritter zwar den modernen Siegfried-Arminius-Mythos en passant erwähnt, dass er ihn aber für seine Zwecke nicht nutzen kann, da seine Grundthese ja lautet, dass die Thidrekssaga (zumindest in ihrer sehr späten schwedischen Version) keine Dichtung, sondern eine bis in kleinste Details wahrheitsgemäße Chronik von Ereignissen des 6. Jahrhunderts ist: "Unser Sigfrid ist nicht Arminius, sein Kampf mit dem 'Drachen' ist ein Kampf mit einem Wegelagerer und Räuber, nicht ein Kampf mit dem römischen Heerwurm." Der "Drache" war laut Ritter nichts anderes als ein schnöder Wegelagerer, "der sich mit einem Drachenhelm tarnte, der die Leute überfiel und sie ausraubte."
 
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