Attila, der Hunne

Interessant finde ich die von ihm beschrieben Änderung in Attilas Strategie, weg von der größtmöglichen Distanzierung hin zu einer möglichen Integration, wie sie dann in der Folge gotische und fränkische Kriegerscharen realisierten.
Bezieht sich das auf Attilas (angebliches?) Projekt, in die römische Kaiserfamilie (Honoria, umstrittenes Heiratsangebot) einzuheiraten bzw anzusippen?
 
Bezieht sich das auf Attilas (angebliches?) Projekt, in die römische Kaiserfamilie (Honoria, umstrittenes Heiratsangebot) einzuheiraten bzw anzusippen?

Unter anderem, ja. Ob nun an der Geschichte etwas dran war oder nicht, mit der Forderung nach der Hälfte des weströmischen Reiches stellte Attila erstmals Forderungen nach Grundbesitz - im Gegensatz zur bisherigen Reiterkrieger-Strategie.

Die ebenfalls angeblich(?) stattgefundenen Verhandlungen mit Geiserich gingen in eine ähnliche Richtung.

Seinem Einmarsch in Gallien begründete er mit dem Schutz der römischen Bevölkerung gegen die Westgoten, Prosper nannte ihn custos Romanae amicitae. Er wechselte also vom Schrecken Roms zum Verteidiger Roms, ein diametraler Wechsel der Blickrichtung.
Allerdings stand im da Aetius im Weg, gegen welchen er deshalb vorrangig vorging, auch und gerade auf den katalaunischen Feldern.

Meier vermutet als Begründung für diesen Strategiewechsel, dass Attila möglicherweise erkannt habe, dass sein Konstrukt als Beutegemeinschaft kurz vor der Überdehnung stand, immer mehr und mehr Beute erforderte, was kaum noch zu schaffen war. Daran war letztlich schon Uldin gescheitert. Daher der Versuch Attilas, sich innerhalb der römischen Welt zu etablieren. Bis zu seinem Tod gelang das allerdings nicht.

Seine Söhne hatten weder das Prestige noch die Persönlichkeit, die Beutegemeinschaft fortzusetzen, da waren die Ambitionen seiner "logades" ("Auserwählte" - die Warlords in Attilas nächster Umgebung, wie etwa Ardarich, Edekon und Valamir) zu groß.
 
Seinem Einmarsch in Gallien begründete er mit dem Schutz der römischen Bevölkerung gegen die Westgoten, Prosper nannte ihn custos Romanae amicitae. Er wechselte also vom Schrecken Roms zum Verteidiger Roms, ein diametraler Wechsel der Blickrichtung.
Das war aber nicht Prospers eigene Ansicht. Die Stelle lautet:
"Attila post necem fratris auctus opibus interempti multa vicinarum sibi gentium milia cogit in bellum, quod Gothis tantum se inferre tamquam custos Romanae amicitiae denuntiabat." = "Nach der Ermordung des Bruders zwingt Attila, durch die Mittel des Getöteten bereichert, viele tausend der ihm benachbarten Völker in den Krieg, obgleich er verkündete, dass er ihn gleichsam als Wächter der römischen Freundschaft nur über die Goten bringe."
Es war also Attilas Propaganda, die Prosper da wiedergibt. Prosper nahm ihm das freilich nicht ab. Die Bewohner Galliens wohl auch nicht. Dass Attila diverse Städte angriff, zeigt, dass sein Einmarsch keineswegs im Einverständnis mit den "Beschützten" erfolgte. Zum "Verteidiger Roms" ernannte er sich nur selbst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es war also Attilas Propaganda, die Prosper da wiedergibt.
Selbstverständlich, das habe ich undeutlich zitiert.

Aber vor allem ist doch die 180°-Wende in Attilas Selbstdarstellung bemerkenswert, vom schlimmsten Alptraum, den man sich mit viel Gold vom Leib halten muss, zum selbsternannten Beschützer. Auch wenn ihm den keiner glaubt.
Um diese Wende geht es Meier.
 
Aber vor allem ist doch die 180°-Wende in Attilas Selbstdarstellung bemerkenswert
Erst gewaltsam vollendete Tatsachen schaffen (wir haben jetzt hier die Zügel in der Hand) und sich das dann kaiserlich legitimieren lassen: diese rustikale "Politik" sollte doch dann Schule machen! Etliche große Warlords marodierten erst gegen Rom/Byzanz, um dann eben doch zum Konsul oder Magister militium ernannt zu werden.
 
Etliche große Warlords marodierten erst gegen Rom/Byzanz, um dann eben doch zum Konsul oder Magister militium ernannt zu werden.

Trotzdem war die Lage etwas anders. Nicht zu Unrecht wird ja von der "hunnischen Alternative" gesprochen, praktisch der Gegenentwurf zu Rom, streng getrennt. Nicht zufällig bestanden die Hunnen immer sehr darauf, Überläufer auszuliefern.
Eine etwa "gotische Alternative" gab es nie, da waren immer Landzuweisung und hohe Titel das Ziel. Wurde das nicht gewährt, griff man zu den Waffen.

Konstantinopel versuchte anscheinend durchaus, Attila durch Ernennung zu Magister militum "einzufangen". Priskos erwähnt, Constantiolus hätte ihn als solchen bezeichnet, der Kaiser hätte ihm den Titel verliehen, um das Wort "Tribut" zu verschleiern. Anscheinend aber hat Attila diese Ernennung abgelehnt, um nicht das Vertrauen seiner Logades (Anführer im engeren Kreis) zu verlieren, so Meier.

Die Wende in Attilas Strategie kam erst nach dem versuchten Mordanschlag, den ihm Edekon offenbarte (449), danach scheint er sich mit neuem Plan verstärkt Westrom zugewandt zu haben.
 
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