Augusteische Lager – seltsame Türme

Auf FB zeigte sich das Lager Haltern recht offen, was die Hintergründe der Anlage anbelangt. Vielleicht sind sie auch offen für Experimente. Muss mal anfragen.
 
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Aber umgekehrt wird ein Schuh draus. Man schieße aus optimaler Kampfentfernung Pfeile, Schleuderbleie oder Wurfspeere auf ein Weidengeflecht in der Höhe ab, und schließe daraus, wie dicht das sein muß. Weidengeflecht an sich ist kein Problem. Andere Völker haben daraus Schilde gebaut....
Was spricht gegen die Annahme, dass die Römer auf dem Turm ihre Schilde dabei hatten ? Angesichts des Höhenvorteils eine recht vorteilhafte Lage. Den Schild auf dem Boden aufgesetzt und dahinter gekniet wenn es allzu dicke kam, oder es deckte jeweils einer einen Schützen. Wenn Bogenschießen anstrengend ist, was ich vermute, könnten die sich dann auch abgewechselt haben.
 
Ich bin bislang eigentlich davon ausgegangen, dass diese Geländerbrüstungen nicht für den Kampf gedacht waren, sondern damit der Wachtposten um den Turm herumgehen kann und so einen 360°-Rundumblick hat, wesentlich besser als wenn er im Turm von einem Fenster zum anderen gehen und hinausschauen muss.
Sehe ich auch so (ohne alle Beiträge durchgelesen zu haben). Die Aufbauten müssten eigentlich nur für die Wachen sein. Man stelle sich die Wachen vor, ohne diese Gerüste. Die latschen im Halbschlaf herum und müssen sich immer wieder über die Scharten lehnen um sicherzugehen, dass unten niemand zündelt. Das gibt Rückenprobleme und die Beeinträchtigung der Sicht ist außerdem gefährlich, wenn sich der Wachmann hinsetzt. Außerdem braucht es mehr Wachen.
Zuoberst aber kann ein Mann herumgehen und hat eine bessere Sicht sowohl in die Ferne als nach unten (deshalb nur Geländer). Auch kann er selbst besser überwacht werden, ob er tatsächlich seine Runden dreht, oder betrunken herumliegt. Bei Gefechten werden sich die Leute vom Gerüst wohl verzogen haben.
 
Die Türme eines Lagers würde ich bei letzteren einsortieren …

Genau das sind die entscheidenden Fragen:

1. War es auch für die Römer sinnhaft, zumindest in einem Standlager / Winterlager, Wehrtürme mit geschlossener Brüstung statt reine Wachtürme mit offener Brüstung aufzustellen?

2. Hat der Künstler der Trajansäule eine eher historisch korrekte Darstellung gewählt, oder legte er wert auf Erkennbarkeit, auch aus größerer Entfernung, und hat die Türme daher wie Pictogramme gestaltet, mit den für jeden Einwohner Roms allseits bekannten offenen Balkongeländern?

Ich neige dazu beide Fragen mit Ja zu beantworten. Leider haben wir aber keine eindeutigen Belege zur Beantwortung dieser Fragen.
 
2. Hat der Künstler der Trajansäule eine eher historisch korrekte Darstellung gewählt, oder legte er wert auf Erkennbarkeit, auch aus größerer Entfernung, und hat die Türme daher wie Pictogramme gestaltet, mit den für jeden Einwohner Roms allseits bekannten offenen Balkongeländern?
Oder zugespitzt, wusste der Kuenstler ueberhaupt, was die Legionaere so bauten?

Auch ist unbeantwortet, ob es abhaengig vom Befehlshaber und militaerischen Belangen, auch Zugang zu Baumaterial, unterschiedliche Varianten gegeben hat.

Gruss, muheijo
 
Wie schaut das eigentlich mit permanenten Lagern aus, die aus Stein gebaut waren? Waren da die Türme auch zurückgesetzt und aus Holz? Oder aus Stein? Oder in die Mauer integriert und aus Stein?

Seit Diokletian ist es eher Letzteres. Aber wie war es vorher?
 
Wobei diese Dinge relativ mobil sind und überall im Reich vom Künstler gesehen werden können. Ein Feldlager findet sich dann doch eher im Grenzbereich des Reiches.
 
Nun,ich gehe mal davon aus,daß die römischen Lagerbefestigungen sich in ihrer Bauweise
kaum von den Stadtbefestigungen unterschieden
Und da wir in Mainz beides hatten und ich im Besitz einer Kopie des berühmten Lyoner Bleimedaillions vom Ende des dritten Jahrhunderts bin,auf dem Mainz und Mainz-Kastell nebst Römerbrücke abgebildet ist kann ich Euch folgendes dazu sagen:
Dort sind die Türme rund und scheinen halb in die Umwallung integriert zu sein. Die Wälle wie auch die Türme weisen oben eine Zinnenbekrönung auf, auf die bei den Türmen niedrige Kegeldächern aufgesetzt sind-vorkragende Brüstungen oder gar hölzerne Wehrgänge und Balustraden fehlen- und wären im übrigen im Falle eines Angriffs auch kontraproduktiv-drei Brandpfeile von unten in den Boden geschossen und der Turm fackelt grandios ab, ohne dass jemand drankommt um zu löschen.
 
Nun,ich gehe mal davon aus,daß die römischen Lagerbefestigungen sich in ihrer Bauweise
kaum von den Stadtbefestigungen unterschieden

Bis ins 2. Jahrhundert vielleicht schon.

Nochmal aus Johnson, Römische Kastelle:

S. 70:
Zwischen den Kastellmauern der frühen und hohen Kaiserzeit und den meisten antiken Stadtmauern gab es einen wichtigen Unterschied. Die antiken Stadtmauern mußten sturmfrei sein und so schwer gebaut, daß sie einer längeren Belagerung trotzen konnten.
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Die Forderung der Sturmfreiheit brauchte das geübte und in dieser Epoche meist überlegene römische Heer an seine Wehranlagen nicht zu stellen. Auch mit längeren Belagerungen rechnete man nicht, weil das Heer damals in der Bewegung kämpfte, sich durch einen Ausfall Luft schaffte und sich nicht hinter Mauern verschanzte.

S. 93:
Seit dem späten 2. und dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr. wurde die Notwendigkeit spürbar, festungstechnisch stärkere Umwehrungen zu bauen. Ein Kennzeichen der neuen Wehrarchitektur des römischen Militärs waren weit vorspringende Türme. Sie standen nicht nur an den Toren, sondern auch in regelmäßigen Abständen an der gesamten Mauer. Das erste Auxiliarkastell mit stark vorspringenden Türmen wurde bald nach 185 n. Chr. in Niederbieber (Rheinland-Pfalz) errichtet. Diese Türme erlauben es, feindliche Angriffskolonnen aus sicherer Deckung von der Seite her zu beschießen, sobald sie dicht an die Mauer herangekommen waren.
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Wie schon eingangs gesagt, kämpfte das römische Heer der frühen und mittleren Kaiserzeit in der Bewegung und hielt nichts davon, sich hinter Mauern zu verschanzen. Aus diesem Grunde besaßen die Militärlager zunächst nur leichte Umwehrungen und hatten keinen Festungscharakter. Seit der Krisenzeit der Markomannenkriege unter Mark Aurel begann beim römischen Militär eine Umorientierung. Das Reich geriet in die Defensive, und auch bei den Militärbauten erwies sich eine Verstärkung der Defensivmittel als notwendig.
Wie schaut das eigentlich mit permanenten Lagern aus, die aus Stein gebaut waren? Waren da die Türme auch zurückgesetzt und aus Holz? Oder aus Stein? Oder in die Mauer integriert und aus Stein?

Selbes Buch, S. 89:
Die Ausstattung mit Eck- und Zwischentürmen war auch bei Steinkastellen üblich. Die Türme konnten entweder ganz aus Stein bestehen, oder wie das wohl in Gelligaer der Fall war, Holzaufbauten über einer Steinbasis besitzen. In Gelligaer ist diese Bauweise daraus erschlossen worden, daß die Mauern der Zwischentürme wesentlich leichter gebaut waren als die der Tortürme.
Die Türme waren normalerweise in die Steinmauer integriert, ohne Vorsprünge nach außen.

Vielleicht in diesem Zusammenhang auch ganz interessant:
Die Bauphasen des Kastells Künzing:
Kastell Künzing ? Wikipedia


Einen Sonderfall stellt Canovium dar, wo es tatsächlich zurückgesetzte Türme gab. Diese ergaben sich wohl aus zwei Bauphasen (die Türme sind älter, die Kastellmauer jünger):
Kanovium Reproduction
 

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Ich denke schon. Zumindest sind die Objekte die wir aus archäologischen Funden kennen: Rüstungen und Waffen, darunter auch Ballisten bzw. Skorpione, sehr detailgenau dargestellt.

Andere Dinge sind echt grob vereinfacht, z. B. die Helme, und Junkelmann biss sich an der Trageweise der Ausrüstung die Zähne aus. Man kann halt nie generalisieren.
 
Andere Dinge sind echt grob vereinfacht, z. B. die Helme, und Junkelmann biss sich an der Trageweise der Ausrüstung die Zähne aus. Man kann halt nie generalisieren.

Es sind Vereinfachung und maßstabliche Verzerrungen enthalten aber grundsätzlich ist alles was wir kennen korrekt dargestellt, so auch z.B. die Schiffe.

An ein paar Stellen sind z.B. verschiedene Arten von Wurfgeschützen dargestellt. Diese stimmen mit den archäologischen Funden überein. Mit der Kombination der Darstellung und der Funde konnte man sie rekonstruiren.

Bezüglich der Bauten sind auf der Säule eine ganze Reihe von Befestigungen und sonstigen Bauten dargestellt, sowohl zinnenbewehrte Steinmauern in Quadern errichtet wie auch verschiedene Palisadenarten. An mindestens drei Stellen sieht man diese Gerüstartigen Türme über die Umwallung hervorstehen. Daeben gibt es auch Tore mit Fensteröffnungen wie sie hier und dort noch erhalten sind. (Interessant auch ein hölzernes Amphitheater). An anderen Stellen sind auch zinnenbewehrte Türme dargestellt di im Mauerkranz integriert sind. Es gint auch eine art überdachten Häuschen die über die Mauer hinausstehen, was auch für die "Wachturm" funktion sprechen würde nur in beständigerer Form.

Weiss übrigens jemand, was die beräderten Objekte im mittleren Bild darstellen?
 

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Hier sind noch einige Darstellung von Bauten und Objekten auf der der Trajanssäule.

Beim ersten Bild wird m.E. die Perspektive von der Innenseite der Mauer dargestellt, der Turm buchtet nach aussen aus.

Nummer zwei ist etwas unklar ob das ein Turm oder ein Pfeiler ist.

Nr. drei stellt eine feindliche Befestigung dar mit einem Tor mit Kampfplattform drüber.

Nr. vier ist eine römische Feldbefestigung bzw. Belagerungswerk mit einem Skorpion,

auf Nr. fünf ist über einem Tor ein Geländer wie die für diese Diskussion ursächlichen, neben dem Oberteil von zwei weiteren Skorpionen.

Also ich habe auf dem Bau schon schlechtere Darstellungen gehabt nach denen gebaut werden sollte. Ich halte die Darstellung für plausibel und denke es waren lediglich Beobachtungsturme.

Bei den römischen Lagern bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts waren die Türme immer innenseitig angeordnet, da wie oben erwähnt, man den Kampf im freien suchte und die Befestigungen nur gegen Überraschungen schützen sollten. Erst danach traten sie vor die Muerkränze (wie vorher schon bei Stadtbefestigungen) und erfüllten eine aktive defensive Rolle.
 

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