Wenn ich das richtig verstanden habe ist die mtDNA nur ein ziemlich kleiner Teil des von der Mutter angebotenen Erbgutes und größtenteils zudem funktional unbedeutend.
Die mtDNA ist alles andere als funktional unbedeutend. Das
Mitochondrium gilt als "Kraftwerk der Zellen", mit wesentlichen Funktionen für Stoffwechsel (insbesondere Fette), Nervensystem (Ca2+-Ströme), sowie wohl auch (da besteht noch viel Forschungsbedarf) in der Immunabwehr (es gibt z.B. sehr auffällige Unterschiede in der HIV-Anfälligkeit verschiedener mtDNA-Haplogruppen). Die Tatsache, dass bislang keine Neandertaler mtDNA in heute lebenden Menschen gefunden wurde,
könnte somit auf entsprechende Defizite der Neandertaler hindeuten, die letztendlich zu ihren Aussterben führten.
.
Was Hellhäutigkeit etc. betrifft, scheinen hier auch die Kausalitäten komplexer zu sein, als zunächst angenommen wurde. Schon relativ lange bekannt ist z.B. der Zusammenhang zwischen
Sichelzellenanämie und Malaria, genauer gesagt die Tatsache, dass Sicherzellenanämie das Risiko schwerwiegender Malaria-Erkrankung mindert, und offenbar auf entsprechende
positive Selektion unter der schwarzafrikanischen Bevölkerung zurückzuführen ist. Die zugehörige Genmutation hat nebenbei auch Auswirkungen auf den Zucker-Stoffwechsel.
In ähnlicher Weise wird derzeit diskutiert, ob nicht andere "Anomalien", wie Hellhäutigkeit oder Lactose-Verträglichkeit letztendlich nur "Nebeneffekte" genetischer Anpassung an Krankheitserreger sind. Das Immunsystem wird durch die
Toll-like receptors (TLR) gesteuert, die zum einen "schädliche" von "unschädlichen" Stoffen im Stoffwechsel unterscheiden, zum anderen Art und Ausmaß der Immunreaktion auf erkannte "schädliche" Stoffe steuern. Die Forschung steht noch ziemlich am Anfang, insbesondere bezüglich TLR 10, die vielleicht Steuerungsfunktionen übernehmen. Hier wird u.a. vermutet, dass einzelne Elemente von TLR 10 eine "Überreaktion" hervorbringen, die zwar auf der einen Seite Allergien und Auto-Immunerkrankungen fördert, auf der anderen Seite aber dazu führt, dass Zelldegeneration (Krebs, Alzheimer etc.) vom Körper früh erkannt und wirksam bekämpft wird. Ein anderer vermuteter Zusammenhang ist die Dämpfung von Entzündungsreaktionen, die in warm-feuchten Klimata mit entsprechend hoher Entzündungswahrscheinlichkeit von offenen Wunden
negativ selektiert, in kalt-trockenen Klimata dagegen
positiv selektiert wurde, und möglicherweise auf bislang nicht im Detail geklärter Art und Weise (Körperansprache auf Milchsäure-Bakterien?) mit Lactose-Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit zusammenhängt.
In den letzten Jahren ist insbesondere das Zusammenwirken von TLR 4 (Immunreaktion auf körpereigene Zellen), TLR 7 (Erkennung von RNA-Viren wie Grippe, HIV, Ebola, Tollwut) und TLR 10 (Reaktionssteuerung?) in den Blickpunkt geraten - auch aufgrund der oben genannten Unterschiede in der HIV-Anfälligkeit zwischen verschiedenen mtDNA-Haplogruppen. Es mag durchaus sein, dass hier genetische Unterschiede zwischen HSS und Neandertaler vorlagen, die letztendlich dazu führten, dass HSS bestimmte durch Retroviren übertragene Krankheitsepidemien besser überstanden als die Neandertaler. Hier käme u.a. die Grippe in Frage (dazu separater Post).
Andere interessante Kandidaten sind
Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) und
Human parainfluenza viruses (HPIV), jeweils typische "Kinderkrankheiten" mit grippeähnlichen Symptomen, die bei Säuglingen problematisch (früher Kindstod, Pseudo-Krupp, Asthma etc.) ablaufen können, im Erwachsenenalter jedoch meist unter "Erkältung" rangieren. Jedoch gibt es Schätzungen, dass etwa ein Viertel aller "Grippetoten" nicht auf Influenza-Viren, sondern auf RSV zurückgeht. Forschungen in den USA zeigten bei über 90% aller Zweijährigen Antikörper gegen RSV, und bei 50% aller Säuglinge und fast allen Sechsjährigen Antikörper gegen
HPIV Typ 3. Beide Erreger sind auch die häufigsten Ursachen späterer "Erkältungen".
Für RSV und HPIV Typ 3 ist Übertragung vom Menschen auf Affen nachgewiesen, der Mensch gilt als Primärwirt. Interessanterweise wurde RSV zuerst bei Schimpansen festgestellt, bei denen es in den 1950er-Jahren ganze Horden ausrottete (sog. Chimpanzee Coryza Agent / CCA). Berücksichtigt man weiterhin, dass ausserafrikanische Affen z.T. hohe Immunisierung aufweisen (z.B. knapp 50% HPIV Typ 3-Immunisierung bei wilden indonesischen Makaken, vgl. folgenden Link), scheint eine Virus-Entwicklung
außerhalb Afrikas wahrscheinlich. Somit ist ein Szenario, in dem nicht-immunisierte Neandertaler auf bereits in Süd(-ost)-Asien immunisierte HSS bzw. Denisova-Menschen trafen, und diese Begegnung mehrheitlich nicht überlebten, durchaus denkbar.
Identification of Simian Agent 10 as Human Parainfluenza Virus Type 3 Suggests Transmission of a Human Virus to an African Monkey
Hier ist im Übrigen erwähnenswert, dass das Risiko schwererer RSV-Erkrankungen scheinbar einerseits genetisch bedingt ist, zum anderen aber auch deutlich ansteigt, wenn die Erstinfektion nicht in den ersten sechs Lebensmonaten erfolgt. [
Letzteres ist ein wesentlicher Punkt der medizinischen Kritik an Frühimpfungen. Insbesondere Polio-, aber möglicherweise auch Mumps- und Masernimpfungen (beide Erreger mit RSV verwandt) könnten die letztendlich unvermeidliche RSV-Erstinfektion verzögern, und damit das Risiko eines komplikationsbehafteten, möglicherweise tödlichen Verlaufs erhöhen.]
http://www.whale.to/v/contamination-Chimpanzee-coryza-agent2.pdf