Bauernfamilie - Umgang

amberbernstein

Neues Mitglied
Hallo,


ich habe mal eine kurze, aber für mich wichtige Frage zu Bauernfamilien im frühen 18. Jahrhundert.

Der Vater hatte ja praktisch die Verfügungsgewalt über alle Mitglieder, stimmt das so?
Demnach war es sicher nur logisch, dass die Kinder ihn siezten (wie das ja wohl auch bei den anderen Gesellschaftsschichten der Fall war). Oder nicht?
Ebenso interessiert mich natürlich, ob Ehemann und Ehefrau einander gesiezt haben.

Ich wäre sehr dankbar um Antworten.
 
Hallo,


ich habe mal eine kurze, aber für mich wichtige Frage zu Bauernfamilien im frühen 18. Jahrhundert.

Der Vater hatte ja praktisch die Verfügungsgewalt über alle Mitglieder, stimmt das so?
Demnach war es sicher nur logisch, dass die Kinder ihn siezten (wie das ja wohl auch bei den anderen Gesellschaftsschichten der Fall war). Oder nicht?
Ebenso interessiert mich natürlich, ob Ehemann und Ehefrau einander gesiezt haben.

Ich wäre sehr dankbar um Antworten.

Ich kann dazu nur aus dem Gedächtnis zitieren, aber in seinem Buch "Arme Leute, bettler und gauner im Franken des 18. Jahrhunderts" schreibt Ernst Schubert, dass es wohl eher unüblich war, wenn in Bauernfamilien Kinder ihre Eltern siezten. Einige beamte, die das flache Land bereisten, mokierten sich darüber, doch die Bauern sagten, dass man ja auch Gott duze.
 
Gesiezt hat man sich damals wohl schon deshalb kaum, weil als Höflichkeitsanrede noch das "ihr" und nicht das "Sie" üblich war. Ansonsten stimme ich Scorpio zu.
 
Gesiezt hat man sich damals wohl schon deshalb kaum, weil als Höflichkeitsanrede noch das "ihr" und nicht das "Sie" üblich war. Ansonsten stimme ich Scorpio zu.
Meines Wissens war das "Ihr" im 18.Jh. in Deutschland schon aus der Mode gekommen und vom "Sie" abgelöst.
Geihrzt wurde noch unter älteren Leuten von Stand. Allerdings darf man nicht vergessen, dass ja die Oberschicht ohnehin noch viel auf Französisch verkehrte.

Wenn man höflich jemanden, der vom Stand her unter einem selbst stand, ansprach, so wurde dieser geerzt. Bsp.: "Bring er mir bitte den Krug." oder sowas.
 
Es kam sicher darauf an, wie persönlich und/oder herzlich man zu einander war. Lebensformen Europas: eine ... - Google Buchsuche
Es gab Familienväter die unbedingten Respekt und also die förmliche Anrede verlangten, andere aber nicht. Ich hörte von einem kürzlich verstorbenen Künstler (wer war das noch einmal? Ich komm leider nicht drauf), da verlangte es die Mutter noch und die Mutter eines Freundes, sie ist über 80 siezte ihre Eltern auch noch.
 
Meines Wissens war das "Ihr" im 18.Jh. in Deutschland schon aus der Mode gekommen und vom "Sie" abgelöst.
Geihrzt wurde noch unter älteren Leuten von Stand. Allerdings darf man nicht vergessen, dass ja die Oberschicht ohnehin noch viel auf Französisch verkehrte.

Wenn man höflich jemanden, der vom Stand her unter einem selbst stand, ansprach, so wurde dieser geerzt. Bsp.: "Bring er mir bitte den Krug." oder sowas.

Da die Geschichte in Frankreich spielen soll, ist es sowieso 'Ihr'. Trotzdem interessant zu wissen :)
 
Da die Geschichte in Frankreich spielen soll, ist es sowieso 'Ihr'. Trotzdem interessant zu wissen
Also normalerweise wird aber das "Vous" mit "Sie" übersetzt. Oder irre ich da?:grübel:

Ansonsten kenne ich mich in Frankreich nicht so aus. Quellen, welche ein Siezen unter Eheleuten belegen würden, stelle ich mir schwierig auffindbar vor. Ich würde sie sich Duzen lassen, aber vielleicht findet sich ja noch ein Beleg für eines von beiden.
 
Also normalerweise wird aber das "Vous" mit "Sie" übersetzt. Oder irre ich da?:grübel:

Aus dem Langenscheidt Französisch - Deutsch, S. 1140:

Vous: pr| p. nom., dat., acc. pl. der zweiten Person: ihr, euch, Sie, Ihnen, Sie; allg. einem; rfl sich (in der 2. Person Pluralis der Höflichkeitsanrede);

Aud dem Langenscheidt Schulwörterbuch Französisch, S. 302:

Vous: 1. ihr; euch, 2. Sie; Ihnen 3. einem; einen
 
Eine Handlung, die in Frankreich spielt, aber auf deutsch geschrieben wird, kann mit solchen Feinheiten auch schnell kaputt gemacht werden.
Lasse ich zwei Kinder sich mit "Ihr" ansprechen?
 
Naja, es ist schon so, dass untere Schichten obere Schichten im Sprachgebrauch imitieren, was wiederum die oberen Schichten dahin bringt, neue Anredeformen zu entwickeln, um sich abzugrenzen.
Die spanische Anrede 'Sie', Usted hat sich z.B. seit dem 16. Jahrhundert über Vusted aus Vuestra Merced, 'Euer Gaden' entwickelt. Insofern würde eine korrekte Anrede schon etwas von der Geisteswelt transportieren. Unser 'Sie' ist ja auch nicht im luftleeren Raum als höflich-distanzierte Anrede entstanden.

Kinder allerdings sprachen sich mit Sicherheit nicht mit Sie/Vous an.
 
Ich stelle mir das sehr schwierig vor, ein Buch zu schreiben, wenn man nicht mal über so ein fundamentales Wissen verfügt.
Alle Achtung.

Ist das sarkastisch gemeint?
Ich studiere Geschichte, aber auch da kann man nur 'Inseln des Wissens' anhäufen. Mit Adel und Bürgertum kenne ich mich schon ganz gut aus, nur über Bauern weiß ich bislang noch nicht so viel.
 
Kinder allerdings sprachen sich mit Sicherheit nicht mit Sie/Vous an.
Geschwister vielleicht nicht, Freunde oder Bekannte unter Umständen schon. In England z.B. wo es das sonst übliche "Sie " oder "Ihr" in der Form nicht gibt, sprach man sich zumindest im Bürgertum (Gentry), selbst wenn man befreundet war mit dem Nachnamen an, um also die höfliche Distanz zu bezeugen. Nur wenn man unter sich war und in besonderen Fällen nannte man sich mit dem Vornamen, was schon ein ausnehmend herzliches Verhältnis bekunden würde.

Witzig dargestellt hat dies eine meiner liebsten englischen Autorinnen in einer Verlobungsszene. Da geht es darum, wie Emma Woodhouse ihren Verlobten/Gatten zukünftig ansprechen wird. Sie sagt, sie wird ihn "mein liebster Mr. Knightley" nennen. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Geschwister vielleicht nicht, Freunde oder Bekannte unter Umständen schon. In England z.B. wo es das sonst übliche "Sie " oder "Ihr" in der Form nicht gibt, sprach man sich zumindest im Bürgertum (Gentry), selbst wenn man befreundet war mit dem Nachnamen an, um also die höfliche Distanz zu bezeugen. Nur wenn man unter sich war und in besonderen Fällen nannte man sich mit dem Vornamen, was schon ein ausnehmend herzliches Verhältnis bekunden würde.
Für den Adel oder gebildete Bürgerschicht ist das schon einleuchtend. Ich denke aber El Quijote meinte die Bauernkinder.

Wenn man nur das Sie hört, gewöhnt man es sich wohl eher für jede Gelegenheit an. Kinder der Oberschicht wuchsen ja mit dem Siezen ganz anders auf.
 
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