Der berühmteste römische Linkshänder war Gaius Mucius Scaevola (Linkshand), der nach dem missglückten Attentat auf den König Porsenna seine rechte Hand vor den Augen des Königs abbrennen ließ um zu zeigen, dass Schmerzen ihn nicht schreckten. Porsenna soll ihn daraufhin freigelassen haben. Ich würde aber annehmen, dass er ohnehin Linkshänder war, denn sonst wäre es äußerst dumm gewesen seine wichtigste Hand abzufackeln. Von da ab trug seine Familie den Beinahmen Scaevola, auch die Rechtshänder.
Damit gibst du dieser "Heldengeschichte" aber eine ganz neue Deutung, die das "Heroische" ins Gegenteil verkehrt. Gaius Mucius Scaevola ist bei dir der Listige, nicht etwa der ohnehin "Tapfere" oder der aus Verzweiflung "Tapfere". Weiter kommt hinzu, dass in diesem Fall Mucius der Held ist, während die Darstellung bei Titus Livius Porsenna und Mucius als positiv besetzte Figuren zeigt.
Mucius will König Porsenna umbringen, was schief geht. Eigentlich hat König Porsenna gar keine Wahl, als ihn dafür töten zu lassen, zudem es eindeutig ein politischer Anschlag auf ihn als König ist und keine private Sache zwischen ihm und Mucius. Mucius rettet jedoch nun sein Leben, indem er sich selbst für eine Form der (Selbst-)Bestrafung entscheidet. Freiwillig hält er seinen rechten Arm (also den Arm mit jener Hand, mit der er das Attentat wohl ausführen wollte) ins Feuer, bis dieser verkohlt ist.
Wobei Titus Livius das aus seiner Sicht Heldische noch steigert, indem Mucius das Ganze stoisch erträgt. (Jeder der schon einmal versehentlich an einer eingeschalteten Herdplatte angekommen ist, wird wissen, wie weh bereits so eine kleine Brandblase tut.)
(Das "aus seiner Sicht Heldische": heute dürften wir die Tat des Mucius wohl eher für eine Verzweiflungstat oder eine Verrücktheit halten, aber kaum mehr für eine Heldentat.)
Die Tat des Mucius lässt im Kontext bei Titus Livius zwei Deutungen zu:
Erstens: Mucius nimmt es so König Porsenna ab, ihn für das Attentat bestrafen zu müssen. (Nachdem sich der Attentäter selbst einer Bestrafung unterzogen hat, ist es nur ehrenhaft, wenn König Porsenna nun auf eine weitere Strafe verzichtet. Das tut Porsenna, er lässt Mucius nach Rom zurückbringen.)
Zweitens: Mucius bestraft sich selbst dafür, dass er nicht imstande war, das Attentat erfolgreich durchzuführen. (Durch die Selbstbestrafung stellt Mucius sozusagen auch seine eigene Ehre wieder her.)
Wenn wir davon ausgehen, dass Mucius in Wirklichkeit ein Linkshänder war, ist dagegen Porsenna eindeutig auch noch der Düpierte, denn in diesem Fall wurde er von Mucius hereingelegt.
Sich darüber Gedanken zu machen, ob Scaevola in Wahrheit ohnehin Linkshänder war und er den König somit hereingelegt hat, geht an der Intention der ganzen Geschichte vorbei. Spekulationen darüber würden nur Sinn machen, wenn er eine historische Gestalt und die Geschichte über ihn eine historische Begebenheit gewesen wäre, was aber wohl ziemlich unwahrscheinlich ist. Ich vermute eher, dass die Mucii Scaevolae die Geschichte in die Welt gesetzt haben, um ihren Beinamen zu erklären und sich zugleich einen ruhmvollen Ahnen zu verschaffen. Derartiges war nicht ungewöhnlich; in der römischen Früh"geschichte" tauchen so manche Personen aus Geschlechtern und Familien, die in Wahrheit erst Jahrhunderte später (wieder) Bedeutung erlangten, auf.
Wenn der Scaevola der Sage aber fiktiv ist und nur als literarische Gestalt existierte, kann man sein Handeln nur aus der literarischen Überlieferung über ihn heraus deuten, und sie enthält, soweit ersichtlich, keinen Hinweis darauf, dass er Linkshänder gewesen sei und den König mit der Verbrennung der rechten Hand hereinlegte. Vielmehr geht es meist darum, seinen Mut und seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren und ihn als ein Vorbild altrömischer Tugenden darzustellen.
Bei Livius (2,12) deutet Mucius nach seiner Gefangennahme an, es gebe noch weitere Verschwörer gegen den König. Porsenna droht ihm, ihn mit Feuer zu foltern, falls er keine Details nenne, woraufhin Mucius ihm demonstriert, wie wenig ihn das schrecke, indem er seine Rechte ins Feuer hält. Später, als er von Porsenna begnadigt wird, nimmt er sogar selbst für sich in Anspruch, aus "virtus" (Tapferkeit/Tugend) heraus gehandelt zu haben.
Dionysios von Halikarnassos (5,27-30) erwähnt die Selbstverstümmelung übrigens gar nicht. Bei ihm stellt sich Mucius nach seiner Gefangennahme eher feige und bietet dem König an, ihm von einer Verschwörung gegen ihn zu berichten, wenn er ihn dafür von Folter verschone; die Todesstrafe hingegen würde er akzeptieren. Durch den Bericht erschreckt er den König so, dass sich dieser zu Friedensverhandlungen entschließt. Hier geht es Mucius also ganz im Gegenteil darum, sich durch Vortäuschung von Angst vor Folter Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
Plutarch (in seiner Biographie des Valerius Publicola) erzählt die Geschichte wiederum etwas anders: Als Mucius nach seiner Gefangennahme verhört wird, hält er seine Rechte ins Feuer, ohne dass dafür eine bestimmte Motivation genannt würde. Porsenna ist davon so beeindruckt, dass er ihn begnadigt; erst danach erzählt Mucius ihm "aus Dankbarkeit" von der angeblichen Verschwörung.
Wieder anders schildert die Geschichte Valerius Maximus (3,3,1): Der Autor ist sich nicht sicher, ob es die rechte Hand war, die Mucius verbrannte, nennt aber als (zumindest vorgeschobene) Motivation Selbstbestrafung: Mucius versucht den König während eines Opfers zu töten, wird dabei aber ergriffen (von der versehentlichen Tötung des Schreibers weiß Valerius nichts; bei ihm scheitert Mucius direkt beim Anschlag auf den König). Während er verhört wird, verbrennt er seine Hand, weil sie beim Anschlag versagte. Valerius wertet das als Beispiel für Gleichgültigkeit gegen Schmerz bzw. sich selbst.
Im Lateinischen bedeutet links "sinister", ein Hinweis darauf, dass schon damals "links" eine negative, da von der Norm abweichende Bedeutung hatte.
Wohl eher andersherum: Das an sich eigentlich neutrale Wort für "links" wurde auch als Wort für "unglücklich", "übel" verwendet.
Der Figur des Odysseus wird nachgesagt, er wäre Linkshänder gewesen, was auch als ein Argument dafür verwendet wird, dass diese Figur ursprünglich eine negative Figur war. (Weitere Hinweise sind z. B. bei den griechischen Dramatikern zu finden und Autoren außer Homer, die über den Trojanischen Krieg geschrieben haben.)
Eigentlich umgekehrt: Ursprünglich, bei Homer, war Odysseus noch eine positive Figur. Von späteren Autoren wurde er hingegen eher negativ gesehen, als treuloser Ränkeschmied, insbesondere in Zusammenhang mit der Geschichte, wie er den Tod des Palamedes veranlasste.