Shinigami, die ethnisch-sozialen Verhältnisse waren in Nord- und Lateinamerika nach der Unabhängigkeit nur bedingt vergleichbar. Das spanische Kolonialreich war praktisch ein Überschichtungsstaat, in dem eine dünne Minderheit an Kreolen über viele Millionen Indios und (Ex-)Sklaven herrschte.
Pardon, ich hatte diesen Beitrag gestern übersehen:
In den USA bildeten die europäischen Siedler dagegen die Masse der Bevölkerung. Die schwarzen Sklaven spielten nur in den unterentwickelten Südstaaten demographisch eine Rolle, Indianer fielen noch weniger ins Gewicht und die Kaste (casta) der Mestizen war klein.
Die europäischen, bzw. europäischstämmigen Siedler bildeten die Masse der Bevölkerung erstmal nur östlich der Appalachen, die Besiedlung westlich davon, erfolgte nach der Unabhängigkeit allerdings erst sukzessive.
Die europäistämmigen Siedler stellten stets die Masse der Bewohner der Bundesstaaten im Norden, aber durchaus nicht in den Territories im Westen und "Westen" meint im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert noch die Gebiete zwischen Appalachen und Missisippi, bzw. ab 1803 dann auch die Gebiete des "Louisiana Purchase".
Mestizen gab es in den USA nicht als große Bevölkerungsschicht, weil die vor allem britischen Siedler mit den Indigenen Gruppen anders umgingen als die Spanier und mehr dazu neigten sie zu verdrängen, als sie zu unterwerfen, aber an ihrem Platz zu lassen, dass ist richtig.
Industriell "unterentwickelt" (wenn man den Norden, Großbritannien und einige Gegenden Europas, nicht etwa den Rest der Welt zum Maßstab nimmt) und relativ bevölkerungsarm, waren die südlichen Staaten der USA vielleicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Aber man darf für das ausgehenden 18. und beginnende 19. Jahrhundert nicht übersehen, dass es noch keine Masseneinwanderung in die USA gab und dass die ersten zarten Pflänzchen der Industrie noch in den Kinderschuhen steckten.
Die Vereinigten Staaten veranstalten seit 1790 in regelmäßigen Abständen Volkszählungen.
Die Volkszählung von 1790 ergab für das Gebiet der ehemaligen 13 Kolonien eine Gesamtbevölkerung von etwas über 3,9 Millionen Menschen und davon waren fast 700.000 Sklaven.
de.wikipedia.org
Das waren damals an die 20% der Gesamtbevölkerung der USA.
Wenn du dir mal die damaligen Bevölkerungszahlen nach Bundesstaaten anschaust:
en.wikipedia.org
dann war der deutlich bevölkerungsreichste Brocken damals Virginia und Kolonien wie North Carolina und Maryland, die strukturell in der Zeit des Bürgerkriegs dem "upper south" zuzurechnen sind, spielten, was die Bevölkerungsgröße angeht durchaus in der selben Liga, wie Pennsylvania oder New York.
Bis zum Bürgerkrieg und vor allem im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert kamen auch die Mehrheit der Präsidenten gebürtig aus dem Süden:
Wenn wir die Anfangszeit und Formierungsphase der USA mal grob von der Unabhängigkeit bis zur Präsidentschaft von Andrew Jackson (1829-1837) begrenzen, hatten die USA bis dahin Jackson eingeschlossen 7 Präsidenten und von denen kamen nur 2, nämlich John Adams und John Quincy Adams aus dem Norden, nämlich aus Massachussets.
Vier der ersten 7. Präsidenten kamen aus der Grundbesitzerelite von Virginia, nämlich Washington, Jefferson, Madison und Monroe, Andrew Jackson ist (der genaue Geburtsort scheint ungeklärt) im grenzgebiet zwischen North- und South Carolina geboren und ebenfalls im Süden aufgewachsen.
Das nur um das demographische und politische Gewicht des Südens in der Gründungsära der USA einmal einzuordnen.
Aufgrund dieser sehr unterschiedlichen Mehrheitsverhältnisse stellte die amerikanische Revolutionvon 1775/76 trotz aller Defizite aus heutiger Sicht eine Demokratisierung weiter Bevölkerungsteile dar, der Unabhängigkeitskampf von Bolivar und San Martin aber nicht.
Das sehe ich nicht.
Wie bereits oben festgehalten, waren an die 20% der Bewohner der damaligen USA Sklaven. Lass von den übrigen 80% noch 2/3 Frauen und Kinder/minderjährige männliche Personen gewesen sein, die ebenfalls keine politischen Rechte hatten, und ziehe dann noch frich eingewanderte Personen ab, die man noch nicht als Amerikaner betrachtete (ab wann Einwanderer politische Rechte bekommen sollten, war in den USA immer ein umstrittenes Thema).
Dann bleiben vielleicht 15, oder wenn wir großzügig sind 20% der Bevölkerung übrig, die als volljährige, freie (noch nicht unbedingt "weiße", dass kam später) Männer politische Rechte gehabt hätten, wenn es keine Vermögensqualifikation für das Wahlrecht gegeben hätte, die es in den meisten Bundesstaaten aber durchaus in den ersten Jahrzehnten der USA gab.
Geh mal davon aus, dass nochmal die Hälfte, vielleicht auch 2/3 der Männer erstmal kein Wahlrecht hatten, weil sie nicht vermögend genug waren, oder aber (je nach lokalem Wahlrecht in den Bundesstaaten) vermögend waren, aber nicht genügend Landbesitz hatten um zur Wahl zugelssen zu werden, bleiben am Ende vielleicht noch 10%, möglicherweise weniger der Gesamtbevölkerung der USA an ihrem Beginn, die tatsächlich politische Rechte hatten und partizipieren konnten.
Die gleichen Leute hatten übrigens auch in der britischen Kolonialzeit schon politische Rechte, insofern sie die kolonialen Parlamente wählen und dort politik machen konnten.
Die US-Amerikanische Unabhängigkeit hat also erstmal vor allem die Partiziptaionsrechte derjenigen, die ohnehin schon welche hatten auf die neuen landesweiten Institutionen und das Präsidentenamt ausgeweitet.
Der Rest der Bevölkerung hatte erstmal nichts davon.
Das änderte sich für den männlichen Teil der weißen Bevölkerung (wobei "weiß" damals ein durchaus nicht unbedingt einheitlich verstandener Begriff war, z.B. gab es Gruppen, die dieses Attribut und damit volle politische Rechte irischstämmigen Katholiken nicht zubilligen wollten), im Laufe der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, aber das war keine direkte Folge der Revolution, sondern der Transformationsprozesse, die die Revolution anstieß.
Der springende Punkt ist aber noch ein anderer. Makrohistorisch betrachtet waren Mesoamerika und das nördlich-zentrale Andenhochland über Jahrtausende die beiden Zivilisationszentren des amerikanischen Doppelkontinents gewesen. Die heutigen USA und Kanada waren dagegen tiefstes und allertiefstes Hinterland. Das war auch noch bei der Landung der Spanier und Engländer der Fall.
Ne, das ist zwar eine populäre Vorstellung, aber die ist so nicht zutreffend.
Im Gebiet der heutigen USA und Kanada sind keine steinernen Monumentalbauten errichtet worden, die heute weit bekannt wären, aber gerade im Bereich der Gegenden östlich des Missisippi gab es durchaus relativ weit entwickelte indigene Gesellschaften, die in festen Siedlungen lebten, Ackerbau betrieben, etc.
Als diese wieder abzogen, hatten diese traditionellen nordamerikanischen 'backwater' aber schon deutlich aufgeholt. Und nach dem Unabhängigkeitskampf Bolivars und San Martins hat sich das politische und ökonomische Gewicht auf dem amerikanischen Kontinent vollends von Süd nach Nord verlagert. Solch ein Deklassierungsprozess, der die longue durée der Geschichte auf den Kopf stellte, sieht man sonst fast nirgendwo in der jüngeren Weltgeschichte.
Das wirtschaftliche und technologische Neuerungen, im Besonderen die Industrialisierung vorherige Verhätlisse auf den Kopf gestellt haben, sieht man eigentlich überall.
Ich hatte oben auf die Machtverhältnisse in den frühen USA hingewiesen. Die Industrialisierung hat sie Umgedreht und einen mächtigen Norden geschaffen, während der Süden im Binnenverhältnis immer weiter verlor.
Solche Prozesse hat die Industrialisierung viele produziert.
Es ist auch durchaus insofern etwas völlig normales, als dass unterschiedliche Sutfen menschlicher Entwicklung natürlich auch nach unterschiedlichen Rohstoffen verlagen und das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein, muss nicht zwingend, aber kann, die sehr schnelle Entwicklung bestimmter Regionen in einem bestimmten Stadium begünstigen.