Buchvorstellungen zur Marinerüstung und Marinepolitik 1871-1918

silesia

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Teammitglied
In einigen neueren neueren Publikationen zum Ausbruch des Weltkrieges vor 100 Jahren wird auch auf Themen wie Navalismus, Marinerüstung und ihr folgende politische Konfrontationen Bezug genommen.

Der Bereich hier soll dazu dienen, die einzelnen gelesenen Bücher (oder Aufsätze) vorzustellen. Sachdiskussionen über die vorgestellten Inhalte sind natürlich den entsprechenden Forenbereichen vorbehalten. Literaturnennungen gibt es auch schon hier, aber ohne Besprechung:
http://www.geschichtsforum.de/f58/literaturempfehlungen-f-r-die-zeitspanne-von-1870-1914-a-36907/

Mit der Vorstellung sollte eine kurze Darstellung des Inhaltes gegeben werden. Literatur kann auch mehrfach vorgestellt werden, wenn verschiedene Meinungen vorhanden sind. Die Vorstellung ist als Empfehlung gedacht, wer das zu einer ganzen "Rezension" ausbauen möchte, kann das gerne tun.

Alle Bücher werden mit Autor, Titel, usw. hier in diesem Eingangsbeitrag von der Moderation gesammelt (evt. auch sortiert), um eine Übersicht über die besprochenen Titel zu haben.

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Damit würde ich (wild gemischt :still: ) anfangen:
Nicolas A. Lambert, Sir John Fisher's Naval Revolution, 1999.
Joachim Schröder, Die U-Boote des Kaisers, Die Geschichte des deutschen U-Boot-Krieges gegen Großbritannien im Ersten Weltkrieg, 2003
Admirality, Battle of Jutland, 30th May to 1st June 1916, Official Despatches with Appendices, 1920
Gerhard Paul Groß, Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine 1918, 1989
Herwig, Holger H.: Politics of Frustation - The United States in German Naval Planning 1889-1941
Junghänel, Heinz, Marinehaushalt und Marinepolitik in Deutschland (1868 - 1930), 1932
 
Admirality, Battle of Jutland, 30th May to 1st June 1916, Official Despatches with Appendices, 1920, 720 Seiten

Zu diesem Werk nur folgendes: es enthält die offiziellen britischen Darstellungen über den Verlauf der Skagerrak-Schlacht, dargestellt anhand der Schiffsdokumente: Gefechtsberichte, signale und Meldungen, Augenzeugen, Karten und Skizzen.

Obwohl sich zahlreiche Darstellungen auch als ungenau oder fehlerhaft erwiesen haben, ist dieser Quellenband eine wichtige Grundlage zum Verständnis des Ablaufes der zwei Tage 31.5.1916/1.6.1916 aus britischer Sicht.

Digital unter www.archive.org verfügbar:
https://archive.org/details/battleofjutland300grearich




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Sir John Fisher's Naval Revolution. Nicholas Lambert. Columbia: University
of South Carolina Press, 1999. ISBN 1-57003-277-7. 426 Seiten.



Das Buch hat die Sichtweise auf die britische Marine vor 1914 grundlegend verändert. Es stellt die grundsätzlichen technischen, ökonomischen, militärstrategischen Umwälzungen der britischen Marine/Royal Navy 1898 bis 1914 im Kontext der außen- und innenpolitischen Auswirkungen dar.

Die alte Sichtweise einer auf Mahan, nur auf „Schlachtschiffe“ und „großer Entscheidungsschlacht“ fixierten, nicht visionären und nicht-innovativen Marine wird komplett beseitigt. Mit dem alten Bild, die Royal Navy nach 1904 sei komplett auf eine Absorption der Bedrohung durch die Kaiserliche Hochseeflotte ausgerichtet und dadurch gefesselt gewesen, wird ebenfalls aufgeräumt.

Lamberts Werk setzt auf der früheren richtungsweisenden Publikation von Jon Sumida (In Defence of Naval Supremacy - Finance, Technology and Naval Policy, 1889-1914) auf und entwickelt neue Sichtweisen.

Ausgangspunkt von Lamberts Darstellung ist der Nachweis, dass die Vorkriegs-Royal Navy in allen Entscheidungen massiv von finanziellen Einflüssen geprägt worden ist. Dieser innenpolitische Faktor hatte erstens beachtliche Rückwirkungen auf technologische Umsetzung und erklärt außenpolitische britische Reaktionen. Er erklärt zweitens Fishers intensive Beschäftigung mit den kommenden technologischen Entwicklungen und radikalen Strategieänderungen und seine Vorstellungen über die Konfiguration der Navy, inkl. Kleinstreitkräfte, den aufkommenden U-Boote und Flugzeugen. Der Rüstungswettlauf mit Großkampfschiffen ist nur ein erzwungener Nebenschauplatz, der Geld kostete: dominierend waren Fishers Ansätze zum Schutz des globalen britischen Handelsverkehrs. Fisher rechnete in einem Nordseekrieg vorwiegend mit Kleinflottillen, Minenkrieg und der relativ neuen Torpedowaffe („flotilla defence“). In dieser Hinsicht führte er einen ständigen politischen Kleinkrieg mit anderen, die die Rüstung in Reaktion auf die deutsche Hochseeflotte vorwiegend auf Großkampfschiffe ausrichten wollten.

Fisher Ziel einer „balanced fleet“ ging in dem ständigen Gerangel um Rüstungsetats, technischen Entwicklungen wie Ölfeuerung etc. und öffentliche politische Reaktionen auf die deutsche Rüstung weitgehend unter. DerVorkriegsweg wird dadurch zu einer Serie von Kompromissen und Engpässen, fast die Hälfte der britischen Marine-Ausgaben wurde durch die Großkampfschiffe gebunden. Folgenreich war dann der Ausgang von Fishers Visionen: seine nicht für die Hauptschlacht gedachten „battlecruiser“ (die Idee der Großschlacht sollte durch Fishers Konzeption der „flotilla defence“ in der Nordsee komplett ausgeschaltet werden) erlitten hohe Verluste am Skagerrak.

Das Buch vermittelt die Hintergründe des deutsch-britischen Rüstungswettlaufs aus britischer Sicht, und erklärt zugleich die Brisanz dieses Themas im Streit um Haushalts-Budgets, dem Einfluss von Schiffsbau-Lobbies, der innenpolitischen Konkurrenz mit Ausgaben im britischen Sozialsystem, und den wechselweise scharfen außenpolitischen Reaktionen wie auch der Hintergründe der britischen Suche nach einem Stopp des kostspieligen Rüstungswettlaufs. Die außenpolitischen Folgen waren in dieser Sichtweise nur Konsequenzen.

Lambert belegt dieses Spannungsverhältnis, das die Brisanz und Dynamik des Rüstungswettlaufes erst erklärt:

(1.) das britische strategische Denken und die Konzeption der Royal Navy war keinesfalls durch die deutsche Rüstungskonkurrenz gebunden gewesen; vielmehr war die globale, empire-orientierte Ausrichtung bestimmend (Fernost, Mittelmeer, Handelswege), die jedoch aufgrund des Rüstungswettlaufes immer weniger bedient werden konnte,

(2.) sich jedoch scheinbar widersprüchlich zugleich (2.) eine ökonomische Fesselung durch diesen Rüstungswettlauf mit dem Deutschen Reich ergab, die intern die politischen Reaktionen zwischen Navy und Regierung bestimmte. Zugespitzt: die Royal Navy war immer weniger in der Lage, ihrer globalen Funktion nachzukommen. Diese Friktion ist entscheidend, und wird in vielen Werken zur Politikgeschichte schlicht übersehen: die Bedeutung des Rüstungswettlaufs wird dann mit den zu kurz greifenden Betrachtungen relativiert. Hier hat man "den Lambert" (und den Sumida) nicht verstanden.

Die Feinheiten und Entwicklungen der Außenpolitik werden vor dem Hintergrund der von Lambert aufgezeigten innenpolitischen und marine-internen Auseinandersetzungen verständlich.

Ein Eindruck von den Kapitelinhalten:
Sir John Fisher's Naval Revolution - Nicholas A. Lambert - Google Books

siehe auch:
https://www.sc.edu/uscpress/books/2002/3492.html

P.S. Vorstellungen können natürlich auch kürzer gehalten werden :devil:
 
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