Was Caligula angeht: Das Buch von Winterling habe ich gelesen und kann es nur jedem empfehlen, so wie ich seiner These eines kühl kalkulierenden Herrschers nur zustimmen kann. Als Kaiser war er nicht grausamer als Vorgänger und Nachfolger, von Wahnsinn im psychologischen Sinne ist bei Zeitgenossen (zu denen weder Cassius Dio noch Suten gehörten, sehr wohl aber Seneca und Philon) nie die Rede.
Ein festes Konzept kann ich übrigens schon erkennen, allerdings nur insofern als dass auch Caligula den Senat entmachten und eine Monarchie nach hellenistischem Vorbild errichten wollte, was beides aber wohl so unmöglich war wie die Wiederherstellung der ursprünglichen Republik. (Übrigens ist es schwierig von einer "Wiederherstellung" der Republik zu sprechen, da sie in den Augen der Zeitgenossen von Augustus ja wiederhergestellt worden war)
Das Prinzipat hatte sich innerhalb kürzester Zeit derart etabliert, dass es selbst Tiberius und Claudius, die dem Senat hohen Respekt entgegenbrachten und ihn sogar bewusst an der Macht teilhaben ließen, die "Freundlichkeit" nicht gedankt wurde. Beide wurden von der Geschichtsschreibung niedergemacht.
Von einer "absoluten Monarchie" zu sprechen ist in meinen Augen auch sehr überzogen. Eine derart durchstrukturierte Verwaltung wie zu Zeiten des Absolutismus, in die der Kaiser problemlos durchgreifen konnte, hatte es unter den julisch-claudischen Kaisern nicht gegeben. Historiker wie Fergus Millar gehen sogar von einem äußerst passiven Kaisertum aus, das auf Anfragen der Statthalter (die zur Hälfte vom Senat nach eigenem Gutdünken ernannt wurden) reagierte und sonst ausschließlich über Rom und Italien regierte, während die Provinzen und in diesen v. a. die Städte ein relativ hohes Maß an Selbstverwaltung genossen. Der Kaiser konnte nicht alles bestimmen, der Senat hatte ein höheres Mitspracherecht als man glauben möchte.
Was generell die "bösen" Kaiser angeht: Ja, Domitian ist tatsächlich etwas erfolgreicher gewesen als manch anderer, doch auch Caracalla hat Siege gegen äußere Feinde errungen und mit der Constitutio Antoniniana ein Gesetz von hoher Bedeutung erlassen; in Neros Regierungszeit fielen bedeutende Siege gegen die Parther, auch wenn er selbst nicht als Feldherr hervorgetreten ist; Caligula hat laut dem bereits erwähnten Aloys Winterling die Eroberung Britanniens durch Claudius vorbereitet. Jeder der "schlechten" Kaiser hat also seinen Beitrag zur Entwicklung des Reiches geleistet. Und die Schilderungen von Caracallas Bruderhass auf Geta beruhen auf Quellenaussagen bei Herodian und der Historia Augusta, die nich glaubwürdiger sind als ihre Kollegen aus dem vorhergehenden Jahrhundert (bzw. im Falle der Historia Augusta sogar noch deutlich unglaubwürdiger).
Wenn doch Caligula gar nicht absolut, jedenfalls nicht so absolut wie er wollte, regieren konnte, wenn er doch den Senat brauchte, warum hat er dann diese Körperschaft permanent beleidigt und brüskiert, obwohl ihm eine andere Politik möglich war, obwohl Senat und Volk von Rom ihm reichlich Vorschusslorbeeren streuten? Als Urenkel des Augustus und des Antonius, als Enkel des Agrippa und Sohn des Germanicus hatte Caligula die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Regierung, zumal sich unter Tiberius ein großer Reformstau angesammelt hatte und Tiberius ihm sichere Provinzen und eine gut gefüllte Kasse hinterließ, die Caligula durch unsinnige Projekte verprasste, worauf er auf würdeloseste Erpressung zurückgriff. Selbstständige Aktenarbeit und administrative Aufgaben hat Caligula im Gegensatz zu Claudius nicht übernommen.
Eine Eroberung Britanniens hat schon Augustus in Erwägung gezogen. zwischen Südbritannien und Rom bestanden bereits Handels- und Klientelbeziehungen, als Claudius schließlich zur Invasion Britanniens aufbrach. Caligula hat sich in dieser Hinsicht wohl versucht, doch das Projekt war eher eine Farce, als Caligula den Soldaten befahl, Muscheln zu sammeln. Damit provozierte er ganz unnötig die Armee, ebenso wie er einen Aufstand der Juden provozierte, weil er durchaus sein Bild im Tempel aufstellen lassen wollte, was sein eigener General Petronius ablehnte. Dem römischen Volk erklärte er den Hunger und ließ die Getreidespeicher schließen, womit er sich selbst die plebs urbana zum Gegner machte, die Nero und Commodus vergötterte.
Caligulas Marotten und Projekte deuten für mich auf nichts weniger, als kühle Kalkulation hin- Vielmehr deuten sie auf einen überaus gewalttätigen Psychopathen hin, der wirklich kein einziges Fettnäpfchen ausließ, und den nur seine grotesken Gewalttaten und seine Macht davor bewahrten, sich vollends lächerlich zu machen.
Erstaunlich an Caligula finde ich vielmehr, dass es fast vier Jahre brauchte, bis sich wirkliche Opposition formierte und dieser Paradiesvogel ermordet wurde- was wiederum für die eher Stabilität des augusteischen Systems spricht, als für die Begabung Caligulas.
Nero war vielschichtiger, als sein Onkel und ein aufrichtiger Freund der griechischen Kultur, weshalb ihm der griechische Osten über den Tod hinaus Sympathie zollte, und mit der Krönung des Tiridates als König von Armenien konnte er zumindest in den Beziehungen zum Partherreich auf eine eigenständige Politik zurückblicken, während Caligula keines seiner Ziele verwirklichen konnte. Die Kassen waren leer, und das Ansehen der julisch- claudischen Dynastie befand sich nach seinem gewaltsamen Ableben auf einem Tiefpunkt.