Caput Iuliae/Lupiae fluminis

Flussnamen sind bis zu 4000 Jahre alt und sehr "übertragungssicher".
Jein... Mir fallen durchaus Flüsse ein - auch bedeutende, die in historischer Zeit ihre Namen geändert haben, eigentlich alle rein arabischen Flussnamen in Spanien (die Hybride, wie Guadalupe und Guadaiana zähle ich nicht), teilweise sogar mit erneuter Namensänderung nach der Reconquista. Aber auch wenn die arabische Welt ein Extrembeispiel sein mag, es gibt das auch woanders, etwa als französische Valliscaulianermönche den Abhainn nam Manach zum beau lieu erklärten und dort eine Abtei (Prioratus de Bello Loco - bello = beau, loco = lieu) gründeten, woraus der heutige Name Beauly sich herleitet.

Die Lippe, die Ems und die Mosel sind weiblich, weil es deutsche Namen sind.
Sagen wir keltische oder germanische Namen (Mosella > Mosel, Mosa > Maas, Amisia > Ems, Luppia > Lippe, aber auch Sequana > Seine, Sacoanna > Saône...)

Hier geht es darum, ob ein Römer einem Fluss einen weiblichen Namen gegeben hätte. In seinem Denken, welches ja von der Muttersprache geprägt ist, wären Flüsse aber männlich. Daher ist das äußerst unwahrscheinlich.
Ein echter lateinischer weiblicher Flussname ist die heutige Ariège: 'Die Goldführende': Aurigera.

EDIT: Im Deutschen ist sogar 'das Mädchen' sächlich. Ein Römer würde so etwas vielleicht als äußerst barbarisch, unzivilisiert und seltsam empfinden.
Das allerdings hat grammatische Gründe. Mädchen ist eine Ableitung von Magd > (g)dchen. Es ist der Diminutiv, der hier versächlicht. Auch das Männchen.
 
Sagen wir keltische oder germanische Namen (Mosella > Mosel, Mosa > Maas, Amisia > Ems, Luppia > Lippe, aber auch Sequana > Seine, Sacoanna > Saône...)

Nein, Maas, Mosel, Lippe und Ems sind deutsche Namen.

Will heißen: So werden die entsprechenden fließenden Wasseransammlungen im Deutschen genannt. Aus welchen Sprachen diese Namen stammen ist dafür unerheblich. Wenn wir alle Worte aus dem Deutschen streichen, die aus einer anderen Sprache stammen sind wir bei Siegfriedisch, oder wie sich das nannte. Es ging ja nicht um die Herleitung, sondern um das Geschlecht.

Auch das Mädchen ist jenseits der Bildung ganz einfach ein Beispiel. Puella ist weiblich, Mädchen sächlich.
 
Diese Flüsse waren aber bereits in der Antike weiblich, wie der Rhein (Rhenus) männlich war. Die Frage war ja, welches Geschlecht Flüsse bei den Römern hatten. Die heutigen Genera tun eigentlich nichts zur Sache, außer für die Feststellung, dass die heutigen Genera weitgehend mit den antiken Genera identisch sind.
 
Mosella (und Mosa) war aber im Lateinischen eben nicht weiblich. Das ist doch das klassische Beispiel.
Luppia und Amisia sind ebenfalls männlich. (Zur Sicherheit im Georges nachgeschlagen.) Im Mittellatein war das nicht unbedingt der Fall. Im deutschsprachigen Raum wohl regelmäßig nicht.

Es geht auch nicht um fremde, ins Lateinische übernommene Namen -da müssten doch sicher Ausnahmen zu finden sein-, sondern um eine angenommene lateinische Benennung nach des Augustus Tochter. Da der Grammatik nach das natürliche Geschlecht eines Flusses männlich war, war er das auch im Denken der Muttersprachler. Daher kommt eine weibliche Umbenennung nicht in Betracht. Und damit gab es keinen Fluss Iulia.

(Wenn man nicht annimmt, dass es sich um einen germanischen oder keltischen oder anderssprachigen Namen handelt.)
 
Welche Möglichkeiten haben wir denn?

Ich sehe folgende:

  1. einen Abschreibfehler beim Werk des Paterculus (ärgerlich, dass das einzige Manuskript perdu ist und die Abschrift davon wohl auch lauter Fehler ist) und der richtige Name etwas anderes ist. Immerhin ist der Weg von Iulia zu Lupia nicht so weit (I und l sehen sich ohnehin ähnlich und beim p mag vielleicht eine Bücherwurm den Bogen weggefressen haben.)
  2. einen ansonsten aus der antiken Literatur unbekannten Namen eines Flusses in Germanien, der später aus irgendwelchen Gründen anders bezeichnet wurde. Dass die Römer einen Fluß nach dem julischen Kaiserhaus benannt haben sollten, wäre wohl ein Novum. Aber möglicherweise steckt ein einheimischer Name dahinter, der für die Römer so ähnlich wie Iulia klang.

Für die Lippe/Lupia spricht die Bedeutung des Flusses als wichtiger Transportweg (s. auch hier: https://books.google.de/books?id=D0...C#v=onepage&q=caput lupiae paterculus&f=false bzw. https://books.google.de/books?id=A0...A#v=onepage&q=caput lupiae paterculus&f=false)

Mit dem Rasiermesser von Ockham plädiere ich für den Abschreiber.
 
Mosella (und Mosa) war aber im Lateinischen eben nicht weiblich. Das ist doch das klassische Beispiel.
Luppia und Amisia sind ebenfalls männlich. (Zur Sicherheit im Georges nachgeschlagen.)

Tacitus arbeitete halt mit dem Material, das er hatte. Beispielsweise ist die Ems die Ems, trotzdem der Fluss Ems. Ebenso die Lippe/der Fluss Lippe. Da den Namen keine Attribute beigesellt sind, können wir im Grunde genommen das Geschlecht der Flüsse - zumindestens bei Tacitus - nicht erlesen. Ich lese mich jetzt aber nicht durch den Caesar um das für Sequana, Ligara, Mosa und Mosella zu überprüfen.
 
Was bedeutet eigentlich Lupia? In -a wird wohl noch eine Urform von -aha drinstecken. Wer oder was ist aber Lupi- ?

Tante Wiki schreibt dazu:

Als Grundform des heutigen deutschen Namens und der antiken lateinischen Form ist das germanische *Lipjā anzusetzen mit der später erfolgten Konsonatengemination -pp-. Gemäß einer häufiger dargestellten Sicht handelt es sich bei der römischen Form um eine offizielle volksetymologische Anpassung des germanischen Namens an das lateinische Lexem Lupus für „Wolf“.[7] Dieser Sicht hält Albrecht Greule entgegen, dass nicht auszuschließen ist, dass eine lokale dialektale germanische Variante des Lippe-Namens (mutmaßlich der Unterlaufregion) als Vorlage der lateinischen Form aus germanisch *Lipjō diente. Daraus folgt, dass beide möglichen Formen germanisch *Lupjō und *Lipjō schwachstufige j-Ableitungen von Verben darstellen, die die Fließcharakteristik der Lippe beschreiben wie durch germanisch (*s)leup-a-, altenglisch slūpan, mittelniederdeutsch sleūpen mit der Bedeutung von „schlüpfen, schleichen“. Des Weiteren ergeben sich vergleichsweise Belege wie das althochdeutsche sliofan für „schlüfen“ als Glosse zum lateinischen lūbricus „glatt, schlüpfrig“ sowie germanisch *(s)leip-a- für „schleifen“ oder „gleiten“ und altenglisch slipor für „glatt“, die sich zu griechisch olibrōs „schlüpfrig“ stellen lassen. Greule erklärt den Schwund des anlautenden s- mit der Sprecherleichterung durch die Vermeidung der erschwerenden Konsonantengruppen /sl- -pj-/ > /l- -pj-/.[8]

https://de.wikipedia.org/wiki/Lippe_(Fluss)#Name
 
Was bedeutet eigentlich Lupia? In -a wird wohl noch eine Urform von -aha drinstecken. Wer oder was ist aber Lupi- ?
Eher unwahrscheinlich. Nimm -a mal als Deklinationssuffix, mit grammatischer, nicht mit lexikalischer Bedeutung.
Und lies dir noch mal deinen Link durch. Schon demzufolge verbietet sich die Deutung des Deklinationssuffixes als Lexem.
 
Was bedeutet eigentlich Lupia?

Die germanische Form wird als Lupjō oder *Lipjō rekonstruiert.

"Sowohl (gm.) *Lupjō als auch *Lipjō können als schwundstufige j-Ableitungen auf Verben bezogen werden, die den Fluss durch den sanften Lauf, auf dem ein Schiff dahingleitet, charakterisieren: gm. (*s)leup-a-, ae. slūpan, mndd. slūpen ‘schlüpfen, schleichen’, ahd. sliofan ‘schlüfen’ (lat. lūbricus ‘glatt, schlüpfrig’) und gm. *(s)leip-a- ‘schleifen, gleiten’, ae. slipor ‘glatt’, ahd. slīfan ‘schleifen’ (gr. olibrós ‘schlüpfrig’) → Leppe. Der Schwund des anlautenden /s-/ im Namen kann durch Sprecherleichterung /sl- -pj-/ > /l- -pj-/ (Vermeidung zweier Konsonantengruppen) erklärt werden."

(Albrecht Greule, Deutsches Gewässernamenbuch)


EDIT: Carolus hat es ja schon aus Wiki kopiert. Da steht es ja auch fast richtig drin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tacitus arbeitete halt mit dem Material, das er hatte. Beispielsweise ist die Ems die Ems, trotzdem der Fluss Ems. Ebenso die Lippe/der Fluss Lippe. Da den Namen keine Attribute beigesellt sind, können wir im Grunde genommen das Geschlecht der Flüsse - zumindestens bei Tacitus - nicht erlesen. Ich lese mich jetzt aber nicht durch den Caesar um das für Sequana, Ligara, Mosa und Mosella zu überprüfen.

Willst Du jetzt behaupten, dass wir die lateinische Grammatik, wie seit über zweitausend Jahren gelehrt wird, umschreiben müssen, weil es im Deutschen /Germanischen/Keltischen anders ist?
 
Willst Du jetzt behaupten, dass wir die lateinische Grammatik, wie seit über zweitausend Jahren gelehrt wird, umschreiben müssen, weil es im Deutschen /Germanischen/Keltischen anders ist?

Mitnichten, wie käme ich dazu?
Aber i.d.R. ist doch die a-Deklination im Lateinischen für das weibl. Geschlecht reserviert. Seltene Ausnahmen sind agricola ('Bauer') bzw. der Eigenname (Cognomen) Agricola, nauta ('Seemann') oder auch Caecina (Eigenname, Cognomen).
Also ist doch zuerst einmal anzunehmen, dass diese aus dem Keltischen und/oder Germanischen entlehnten Eigennamen, da sie der a-Deklination unterliegen, auch weiblich verstanden wurden. Bei uns ist der Fluss ja auch maskulin und trotzdem sind die meisten (aber nicht alle) Flüsse für uns weiblich.
 
Ah, jetzt verstehe ich.

Dazu hatte ich die entsprechenden Paragraphen aus dem Rubenbauer-Hoffmann doch schon angegeben. (§ 21, 1, a und § 27, 1)

Namen von Völkern, Flüssen und Winden sind eben -wie die genannten Bezeichnungen männlicher Personen- Maskulina. Bei ihnen gilt Natürliches, nicht Grammatisches Geschlecht.
 
Welche Möglichkeiten haben wir denn?

Ich sehe folgende:

  1. einen ansonsten aus der antiken Literatur unbekannten Namen eines Flusses in Germanien, der später aus irgendwelchen Gründen anders bezeichnet wurde. Dass die Römer einen Fluß nach dem julischen Kaiserhaus benannt haben sollten, wäre wohl ein Novum. Aber möglicherweise steckt ein einheimischer Name dahinter, der für die Römer so ähnlich wie Iulia klang.

Salve,
eine super Idee. Ich habe dann mal nachgesehen und die UUlda oder auch Uuldaha (Name von ca. 750 n.Chr.) gefunden. Wenn das ein alter Germane in seinen Rauschebart grummelt, weiß der Römer sofort: Das muss Julia heißen!
Und es ist......die Fulda. Das wäre dann zunächst im Rahmen der Political Correctness gegenüber der Tiberiussippe, da wunderschön und keine stinkende Kloake. Zudem ein Fluss der ggf. keine so große milit. Bedeutung hatte, was erklärt, dass er (in den wenigen) Zeugnissen aus dieser Zeit nicht auftaucht. Dann zur Frage Mündung oder Quelle entscheide ich mich für Mündung, da es sich hier um eine geografische Mitteilung handelt. Diese versteht man nur, wenn man weiß, wo die Lokalität ist, dass ist bei Quellen eher nicht so gegeben und Velleius spricht hier so, als wenn er die Kenntnis voraussetzt.
Und zum Schluss die Strategie, wenn es um den Ort der ersten Überwinterung geht. Hannoversch-Münden ist der neuralgische Punkt bei der Expansion in Richtung Elbe. Hier kreuzen sich Nord-Süd und Ost -Weststraßen, zudem kreuzen Flüsse in Nord, Ost und Süd-Westrichtung.
Der Punkt ist gleichermaßen über die Lipperoute als auch über die Wetterauroute zu erreichen, insofern wäre Verstärkung aus versch. Richtungen als auch Fluchtmöglichkeiten vorhanden. Schließlich konnte der Handel kontrolliert bzw. über Spione unter den Händlern die Stimmung im Lande und ggf. Aufstiegspläne am ehesten festgestellt werden.

Ob Hedemünden oder ein anderer Ort in der Umgebung gemeint waren, wird man eines Tages feststellen, jedoch ist die Ortsangabe militärisch präzise und lässt keine Fragen offen.
Ich persönlich entscheide mich dann mal dafür und sehe meine Frage an dieser Stelle beantwortet. Ich danke bis hierhin für die engagierte Diskussion!:yes:
 
Nein, Maas, Mosel, Lippe und Ems sind deutsche Namen.

Will heißen: So werden die entsprechenden fließenden Wasseransammlungen im Deutschen genannt. Aus welchen Sprachen diese Namen stammen ist dafür unerheblich. Wenn wir alle Worte aus dem Deutschen streichen, die aus einer anderen Sprache stammen sind wir bei Siegfriedisch, oder wie sich das nannte. Es ging ja nicht um die Herleitung, sondern um das Geschlecht.

Auch das Mädchen ist jenseits der Bildung ganz einfach ein Beispiel. Puella ist weiblich, Mädchen sächlich.

Salve,
ich habe noch eine Anmerkung: Ich habe Ems auch schon als Amissis und Amasis gelesen, weiß leider nicht mehr wo. Lippe auch schon als Lippia.

Das wären dann wohl eher männliche Namen, nur, würde das nicht bedeuten dass Amisia, vielleicht auch Luppia dann die Städte wären? Man würde doch etwas Amasis und gleichzeitig Amisia nennen? :grübel:
 
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