Da steht immer noch nichts von Göttin, es kann schon die göttliche Inspiration gemeint sein. Wenn er eine lateinische Quelle hatte, sogar ein Genius als Inspirator.
Ich verstehe es nicht. Wir wissen, dass Cassius Dio ziemlich häufig Sachverhalte hinzugedichtet hat, die in seinen Quellen oder anderen älteren Quellen nicht vorkommen und trotzdem versuchst du diese Passage immer noch als ereignishistorisch irgendwie
vielleicht verwertbar zu retten.
Ich bin nicht weiter darauf eingegangen, aber Dio wird die Begegnung auch ausgeschmückt und ihre Bedeutung erhöht haben, wenn er sie irgendwo vorgefunden hat. Genau solche Ausschreibung begegnen bei ihm ja ständig. Da mag aus einem Knochenorakel eine göttliche Inspiration geworden sein. Oder auch mehr. Das entspricht seinem Vorgehen. Ich erinnere nur an seine fliegenden Bäume und die Landschaftsbeschreibungen zur Varusschlacht. Die Überfälle bezweifelt deshalb ja auch niemand.
Es bezweifelt auch niemand, dass Drusus in Germanien auf einem Feldzug Richtung Elbe bzw. bei der Rückkehr verstarb. Was zu bezweifeln ist, ist dass er diese Erscheinung hatte. Du versuchst aber irgendwie diese Erscheiung als durch einen
Stille Post-Effekt verderbt zu retten, OBWOHL wir keinen Hinweis auf einen
Stille Post-Effekt haben und OBWOHL wir zig Stellen bei Cassius Dio haben, wo er ähnlich Unsinniges hinzudichtet. Um dich zu zitieren: "Das entspricht seinem Vorgehen." Wenn das also seinem Vorgehen entspricht, Dinge hinzuzudichten: Warum versuchst du diese für die Ereignishistorie zu retten?
Ein produktiver Umgang mit dieser Stelle sähe anders aus. Da würde man sich fragen, warum Cassius Dio einen solchen Narrativ wählt. Was will er seinen zeitgenöss. gedachten Lesern damit mitteilen?
Bezüglich der Germanenkriege, wissen wir, dass uns mehrere Darstellungen fehlen. Plinius ist ja nur wegen seiner Interessen und seiner Erfahrung vor Ort das Standardbeispiel.
Das ändert doch nichts daran, dass Cassius Dio nicht nur hier sondern auch an vielen anderen Stellen Eigengut aufweist und teilweise die Aussage seiner Gewährsleute verdreht.
Hatte Cassius überhaupt ein Exemplar der Germanenkrieg von Plinius zur Hand? Denn dies war keine häufig kopierte und weit zirkulierenden Schrift, wie wir von Symmachus wissen, sie wurde von Tacitus und Sueton benutzt.
Wir haben ihn ja schon öfter zum Thema gehabt und ich habe seine Hintergründe ja schon öfter referiert. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, trotz aller Übertreibungen und Verfälschungen, dass diese Szene nicht einfach gestrichen werden kann. Ja, es hat nur vielleicht stattgefunden. Und das hilft -jenseits der Möglichkeit dies als Merkhilfe zu nutzen- nicht weiter.
Du forderst damit nicht weniger, als einem unzuverlässigen Autor fast kritiklos jede Räuberpistole zu glauben, wenn auch nicht wortwörtlich. Du übergehst damit die von dir selbst als typisches "Vorgehen" des Autors charakterisierten Hinzudichtungen als solche.
Da wir uns im Geschichtsforum mit Geschichte beschäftigen und nicht mit Religion im religiös-wissenschaftlichen Sinn, sehe ich den ersten Teil des Satzes als korrekt an.
So geht kein Historiker vor. Wenn ich als Historiker die Evangelien lese oder wenn ich als Historiker Grimms Märchen lese, dann gehe ich auch nicht davon aus, dass alles was darin steht a priori wahr ist. Ob diese Texte für mich historische Quellen darstellen, liegt zunächst einmal daran, welche Fragen ich an sie stelle. Eine historiographische Quelle mit religiösem Inhalt zu lesen und diesen religiösen Inhalt als religiös zu erkennen, ist doch keine Theologie oder Religionswissenschaft (Rio weiß das, aber aus langer Erfahrung in der Forenkommunikation: Religionswissenschaft = wissenschaftliche Untersuchung einer oder mehrerer Religionen und ihrer Zeugnisse aus einer Außensicht, Theologie = Wissenschaft von Gott, Katholiken betreiben katholische Theologie, Protestanten evangelische, Sunniten sunnitische, Shi'iten shi'itische usw. usf.). Ich kann auch als Historiker wertfrei religiöse Äußerungen als solche erkennen und beschreiben und ggf. werten.
Ich möchte sogar fast sagen, dass umgekehrt ein Schuh draus wird: Gerade
weil Geschichtswissenschaft keine Theologie ist, wäre es fatal, den ersten Satzteil ohne weiteres als "korrekt" anzusehen. Bei einem anderen,
weil sonst zuverlässigen Autor als Cassius Dio könnte man
vielleicht in Betracht ziehen, dass es sich
vielleicht um einen
Stille-Post-Effekt handelte. aber grundsätzlich ist es die Aufgabe des Historikers, seine Quellen auf ihre Überliefeurng und Glaubwürdigkeit abzuklopfen. Und da steht Cassius Dio, der ständig unserem praktischenn und physikalischen Wissen der Welt widerspricht, einfach schlecht da.
Ich bin auch schon mal ins Wasser gefallen und das Handy in meiner linken Hand blieb trocken.
Das mag ja sein.
Aber bist du von einem Schiff ins Wasser gefallen?
Wie tief war das Wasser?
Bist du danach 200 Meter Richtung Land geschwommen, hast dich im Wasser eines schweren Mantels entledigt und das Handy war immer noch trocken?
Sagen wir mal so: Wenn du am Ufer eines Sees gestolpert bist und ins - sagen wir mal - etwa 1 Meter tiefe Wasser gefallen bist, ist das was anderes, als wenn du nicht direkt Grundberührung hattest und schwimmen musstest.
Ansonsten sehe ich bei der Szene mit der Warnerin einfach nicht den Hintergrund für eine erfundene Zutat Dios. Ich betone ja immer, dass dies bei gut untersuchten Geschichtsschreibern gegeben sein muss.
Die Aussage verstehe ich nicht, was willst du damit sagen?
Wir haben doch folgende Fakten:
- Cassius Dio fügt gerne seinen Quellen etwas phantastisches/physikalisch unmögliches hinzu. "Das entspricht seinem Vorgehen", hat mal ein kluger User aus diesem Forum gesagt (veröffentlicht am 3.6.2020 um 12:21 h).
- Cassius Dio steht im Widerspruch zu anderen Quellen bzgl. Drusus' Tod. Cassius: Drusus starb an "irgendeiner Krankheit" (νόσῳ τινί) Livius: Drusus starb an einem Bruch des Unterschenkels, 30 Tage, nachdem er sich diesen beim Sturz vom Pferd zugezogen hatte (Ipse ex fractura, equo super crus eius conlapso XXX die quam id acciderat, mortuus.)
- Wir haben keine anderen Quellen zu dieser übernatürlichen Erscheinung. Sie taucht bei Cassius das erste Mal auf. [Edit: Das ist ein Irrtum meinerseits, danke an Opteryx für den Sueton-Hinweis]
An die Geister oder die göttliche Inspiration werden wir nicht glauben, daran, dass auch im Altertum angebliche Wahrsager auftraten, hingegen schon. [...]
Und genau hier sehe ich eben keinen Ansatz die Wahrsagerin gänzlich zu verwerfen. Sie braucht keine Göttin zu sein und ist damit möglich.
Von einer "Wahrsagerin" steht aber nichts in der Quelle, insofern ist auch keine Wahrsagerin zu verwerfen. In der Quelle steht etwas von einer übermenschlich großen Frau, die im Satz darauf als
Gottheit (δαιμονίου) bezeichnet wird und dass Cassius Dio diese Räuberpistole glaube, denn - Achtung, hier kommt der Beweis!!! - Drusus sei tatsächlich
stante pede umgekehrt und auf dem Rückweg an "irgendeiner Krankheit" verstorben.
Woher stammt die Wahrsagerin? Ohne es genau zu wissen, möchte ich bei dieser geradezu an die Nationalromantik gemahnenden Interpretation der Stelle vermuten, dass irgendein national gesinnter Gelehrter um 1850 bis 1920, der die Stelle im Stile des 19. Jahrhunderts zwar romantisch verklärt aber dennoch für die Nachwelt gerettet haben wollte und aus der Göttin eine heroische Germanin machte, die sich dem Drusus mitsamt seinem Heer entgegenstellte und seinen Untergang prophezeite. Jedenfalls würde die Interpretation der Göttin als menschliche Seherin ganz in den Stil der damaligen Zeit passen.