"Bei der Missionierung war die Tatsache, dass Polytheisten weniger Probleme haben, einen neuen Gott in ihre Pantheon aufzunehmen, bestimmt hilfreich und ich bin mir sicher, dass die Missionare dies wissentlich ausnutzten."
Dafür gibt es auch nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Die Dämonisierung der alten Götter setzte sofort ein.
Zu Nr. 4: Die chrstlichen Missionare haben nie die Aufnahme des Christengottes in das Pantheon betrieben, gefördert oder auch nur geduldet. Dafür gibt es keinen Beleg.
Ich gebe zu, an diesen beiden Stellen reine Vermutungen geäußert zu haben, die ich im Fall von Nr. 4 ebenfalls als solche hätte deutlich machen sollen. Es ist halt meine Vorstellung, wie sich der Vorgang der Missionierung bei einzelnen Personen abgespielt haben könnte und ergab sich aus dem vorangegangenen Gedankenaustausch mit beorna. Aber belegbar ist es mit Sicherheit nicht, anfechtbar dafür schon.
"1. Die Missionierung einer fremden Region ließ sich mit Machtansprüchen verbinden. Dabei fragte niemand nach, wie fest der Glaube der Missionierten nun wirklich war."
Das klingt danach, als ob die Heimatländer der Missionare Machtansprüche verfolgt hätten. Weder Hamburg noch England verfolgten territoriale Ziele in Norwegen. Vielmehr ging es um die Machtansprüche christianisierter Könige gegenüber der - noch - heidnischen Aristokratie im eigenen Land. Dem diente vor allem der Kult um Olav d. Heiligen. Dein Satz ist zwar nicht falsch, aber mißverständlich.
Ich verweise nochmals auf die Behauptung Adam von Bremens, die Missionierung Dänemarks sei durch den deutschen Kaiser vorangetrieben worden und möchte diesmal die entsprechende Stelle aus dem Buch "The Oxford Illustrated History of Vikings" von Peter Sayer (Hg.) zitieren, das mir als Übersetzung in der zweiten deutschen Auflage vorliegt. In Kapitel 9 "Alte und Neue Religion", das von Preben Meulengracht Sörensen verfasst wurde, steht auf Seite 229:
"Über die Bekehrung Harald Blauzahns existieren zwei Berichte. Der ältere findet sich in Widukinds um 970 geschriebener Sachsengeschichte. Laut Widukind überzeugte ein Priester namens Poppo den König durch ein Wunder von der Macht des christlichen Gottes...Etwa ein Jahrhundert später behauptete Adam von Bremen, dass Haralds Bekehrung auf Druck des deutschen Kaisers zustande gekommen sei. Dies ist ein typisches Beispiel für politische Propaganda krichlicherseits. Hatte der Kaiser das Christentum in Dänemark eingeführt, hätte dies der christlichen Reichsideologie zufolge die Unterwerfung des Dänenkönigs unter den Kaiser bedeutet. Im Angesicht einer solchen Bedrohung war Haralds Behauptung auf dem Runenstein in Jelling, dass er "die Dänen christlich machte", eine bedeutsame politische Aussage, eine Beteuerung der Unabhängigkeit Dänemarks."
Ich glaube nicht, dass Adam von Bremen diese Darstellung ohne Hintergedanken niederschrieb. Die einzige sinnvolle Motivation, die ich mir vorstellen kann, ist ein Interesse Adams an einem Herrschaftsanspruch des Kaisers in Dänemark, denn darauf läuft die Darstellung hinaus. Nach einem Blick in den dtv-Atlas bin ich mir auch sicher, dass Hamburg damals zum Hoheitsgebiet des deutschen Kaisers gehörte.
Dass christianisierte Herrscher Skandinaviens den gleichen Kniff anwendeten, ist natürlich richtig. Allerdings hatten auch deren Widersacher gelernt. So bekräftigte der Allthing von Island, dass er den Religionswechsel beschlossen hätte und keineswegs von Olaf Tryggvasson bekehrt wurde.
Nr. 2: Von Rivalitäten zwischen den Missionaren, die zu großer Eile mahnten, ist mir in diesem Zusammenhang nichts bekannt. Die kenne ich nur zwischen der römisch orientierten vom Festland und der griechisch-orthodox orientierten kirche in Irland, die dann zum Osterfeststreit führte. Norwegen unterstand zwar formell dem Erzbistum Hamburg, wurde aber von England aus missioniert. Von besonderen Rivalitäten habe ich in Quellen nix gefunden.
Da möchte ich nochmals aus dem oben genannten Buch zitieren.
"...sein (Adam von Bremens) Werk spiegelt nicht nur die zeitgenössische christliche Ideologie wieder, sondern auch eigene Sympathien un die kontinentale Kirchenpolitik. Besonders offenkundig ist dies in seiner Behandlung von Herrschern, die in ihren Reichen den Einfluss der angelsächsischen Kirche förderten. Wir erfahren, dass Sven Gabelbart, der dänische König, der England eroberte und englische Missionare bevorzugte, in Dänemark Christen verfolgt habe. Olaf Tryggvasson, der in den nordischen Sagas als der große Bekehrer Norwegens und Islands dargestellt wird, ist in Adams Bericht praktisch ein Heide. Olaf wurde wahrscheinlich in England getauft und wurde von englischen Geistlichen begleitet, als er dem heidnischen Jarl Hakon Norwegen wegnahm. Dies brachte ihn in Konflikt mit den Missionspraktiken Hamburgs, und Adam wies ihn in die Schranken, indem er berichtete, dass manche Leute sagten, er sei ein Abtrünniger, und alle sich einig seien, dass er Zauberei praktiziere und Omen von Vögeln empfange."
Ich entnehme daraus, dass die englische und kontinentale Kirche sehr wohl in einem Konflikt bzw einer Rivalität in Skandinavien zueinander standen. Scheinbar hat es Adam nicht gefallen, dass englische Missionare unter seinen potentiellen Schäfchen wilderten oder ist dir eine andere Motivation bekannt, warum er Herrscher mit Verbindungen zur englischen Kirche derart verleumdete.
Die Erzdiözese Hamburg wurde 832 gegründet und erhielt den Auftrag, im heidnischen Norden zu Missionieren. Hätte sie damals schneller Einfluss auf die dänischen und norwegischen Herrscher ausgeübt, wäre es vermutlich nie dazu gekommen, dass englische Missionare ins Land geholt wurden. Dazu hätte vermutlich die Bekehrung der Oberschicht genügt, selbst wenn die Landbevölkerung weiterhin heidnisch geblieben wäre.
Zu Nr. 3 hätte ich gern die Quelle. Denn nach meiner Kenntnis wollte Hamburg lediglich die Oberhand behalten und ein Patriarchat werden, unter welchem dann das vom Dänenkönig gewünschte Erzbistum stehen könnte. Dass Rückfälle in heidnische Gepflogenheiten gegen die Gründung eines eigenen Erzbistums gestanden hätten, kann ich nirgends finden, wäre auch unlogisch. Adalbert hatte gegen das Erzbistum nichts, wenn er sein Patriarchat bekäme.
Hier ist mir in der Tat ein Fehler unterlaufen. Ich hatte die die oben zitierte Textpassage nur noch grob im Kopf. Mein Gedächtnis hat mir einen Streich gespielt und ich habe die beiden Svens (Gabelbart und Estridsson) verwechselt. Nehme alles zurück und behaupte das Gegentum. :S