Christliche vs. islamische Kunstgeschichte nach der osmanischen Eroberung

Mir kommen die Tränen:cry: Schonmal daran gedacht ein Drama zu schreiben? Oder einen Roman? Vor allem dieser letzte Satz: "Wie viel hat die Menschheit verloren? Wie viel....."
Wenn das nicht oscarreif ist, weiß ich auch nicht weiter.....

Etwas Spott muss sein.... nicht bös gemeint :winke:
 
Ja, ich hab zwar auch schon Ähnliches verzapft, nur nicht so dramatisch.
Ich fühl mich wie in "Legenden der Leidenschaft".
Mir fällt dann immer dieser Satz von Dennis Hopper aus Waterworld ein, bei dem ich immer lachen muss:
"Ich hatte eine Vision,
und in dieser Vision sah ich den heiligen Sankt Joe.
und St. Joe sagte: ein Kind (jetzt eine kurze Pause von 2 Sekunden,und dann wieder), EIN KIND, wird es sein, dass uns den Weg nach Dryland weist.
Verdammt, mein hundertster Beitrag muss so ein dummer sein.
:rofl:
 
Ehrlich gesagt, die Antwort ist: Ja! Unmittelbar nach der Eroberung von S. E. Europa durch die Osmanen geschah ein definitives Ende nicht nur der Kunst, sondern auch des Lebens für Hundert Tausende von Einwohnern in dieser Region. Nach der Meinung von prof. Gandev (1989) alle Klöster auf dem Territorium vom heutigen Bulgarien mit einer einziger Ausnahme wurden vollständig zerstört. Die ganzen Gebiete (vergleichbar mit heutigen Bundesländern Sachsen oder Mecklenburg Vorpommern) im Süden und im Osten des Landes wurden vollständig entvölkert. Die Leute fliehen um ihr Leben zu retten. Wie kann man unter diesen Umständen über “Kirchenmusik” oder “Ikonenmalerei” denken. Das ist grotesk.
Ich spreche über die Zeit unmittelbar nach der Eroberung Ende des 14. Anfang des 15. Jahrhundert. Es gab einen Bruch, ein schwarzes Loch in der Geschichte dieser Völker.
Später natürlich gab es christlichen Architekten und Bauspezialisten (Meister “usta” tr.), die Moscheen, Brücken oder andere Denkmäler der Osmanischen Kunst errichteten. Gab es auch gegenseitige Einflusse, aber die natürliche Entwicklung der eroberten Völker, einschließlich ihr kulturelles Leben, wurde für immer zerstört.
Wie schon Dieter geschrieben hat, wir wissen wirklich nicht wie viel durch die Osmanische Eroberung diese Völker verloren haben. Vielleicht haben Bysanz und Bulgarien seinen Jean-Jacques Rousseau oder seinen William Shakespeare oder seinen Johann Wolfgang von Goethe verloren? Wie viel hat die Menschheit verloren? Wie viel…….

Da du schon genug rote Bommel hast, erspare ich dir meinen und versuche auf diesem Wege deine Meinung, in Bezug auf das O.R., ein kleines Bisschen zu bessern.

Das hunderttausende ihr Leben lassen mussten halte ich für eine gewagte Aussage. Als die Osmanen den Balkan eroberten, sind einige Großgrundbesitzer geflüchtet, das ist richtig, viele sind aber auch geblieben und haben den Islam angenommen, um Hab und Gut nicht zu verlieren. Du siehst also, das man hier durchaus pragmatisch vorgehen konnte. Für die Landbevölkerung, ausgehend von der Blütezeit des O.R., waren die Veränderungen gar nicht so gross. Der christliche Glaube wurde den meisten belassen. Die Bauern wechselten also lediglich ihre Herren. Von einem schwarzen Loch zu sprechen allerdings ist ganz einfach nicht richtig. Natürlich waren die Osmanen Besatzer. Sicherlich hat man sich gegenseitig auch befruchtet, d.h. die Balkan-Slawen haben von den Osmanen gelernt und umgekehrt.

Und mal ganz im Ernst, wieviele Balkan-Slawen gibt es heute, die bedauern, was ihnen alles entgangen ist, z.B. ein Rosseau oder Shakespeare? Die gleiche Energie wünsche ich mir für die Aufarbeitung, was man alles den Osmanen zu verdanken hat. Z.B. einen "Karadjordje";).

Das ganze Nationale Getue der Balkan-Slawen, wie der heutigen Türken, führt doch zu nichts. Wir müssen alle das Beste daraus machen.
Nur, um noch ein Beispiel zu geben: Ein Rumäne, mit dem ich jüngst konversierte, schwärmte in höchsten Tönen von Vlad Tepes, er sei der Türkenbesieger. Richtig ist er hat einige osmanische Gefangene gepfählt. Die Geschichte weiss, dass Vlad nur eine Episode in der Besatzung der Walachei gewesen war.
 
Hi Kiprian,

du kannst ja mal in anderen Threads nachlesen, was wir hier schon zum Thema osmanisches Reich auf dem Balkan geschrieben haben, um dein Geschichtsbild ein bisschen zu revidieren.

Natürlich war die Zeit vor 500 Jahren eine andere Zeit, eine grausamere Zeit, als heute (obwohl im Jugoslawienkrieg man manchmal dachte, man befand sich im falschen Jahrhundert... ;)).
Aber verglichen mit anderen Regionen zu der damaligen Zeit, muss man differenzieren und genauer schauen, nach Ursache und Wirkung fragen, nach Umständen fragen, nach Urhebern von Gräuel fragen, und deren Beweggründe.

Grundsätzlich wird auch in der Historiographie ja oft mit zweierlei Maß gemessen, da wird einerseits von der "Entdeckung" des neuen Kontinents gesprochen, andererseits von der "Bedrohung" durch die Osmanen. Nicht von dem "Christenjoch" in der Neuen Welt, oder eigentlich überall auf der Welt im Kolonialzeitalter, oder die "Invasion" und den "Überfall" der Franzosen auf die Nachbarn, nein dieses Vokabular gebührt den Osmanen oder anderen islamischen Reichen.

Zitat aus Faroqhi, Suraiya: Geschichte des osmanischen Reiches. München 2000:

"
Etwas von den Ergebnissen dieser neueren Geschichtsforschung soll im vorliegenden Buch vermittelt werden. Dabei wird kulturellen und wirtschaftlich-sozialen Fragestellungen ganz bewußt der gleiche Stellenwert zuerkannt wie der politischen Geschichte. Denn der osmanische Staat und die osmanische Gesellschaft sind viel zu oft lediglich als kriegerische verstanden worden. Seit wir wissen, daß auch europäische Staaten der frühen Neuzeit hauptsächlich durch und für den Krieg existierten, ist es kaum gerechtfertigt, die Kriegführung und die auf den Krieg ausgerichtete politische Organisation als osmanische Besonderheiten zu betrachten."

und weiter, zu der Quellenlage zu Beginn der osm. "Invasion":

"Für die Landnahme türkischer Nomaden auf dem Balkan fließen die Quellen recht spärlich. Dieser Mangel hat die Austragung heftiger Debatten über die Bevölkerungsdichte des Balkans vor dem Beginn der osmanischen Eroberung und die kriegsbedingten Bevölkerungsverluste begünstigt. Weiß man doch nicht, in welchem Ausmaß die Pestepidemien des späten 14. Jahrhunderts die Bevölkerung, ganz unabhängig von den
Kriegsereignissen, dezimiert haben. Immerhin bildeten herumziehende Armeen ein ideales Vehikel für die Pest. Historiker auf der Balkaninsel gehen – oft mit nationalistischem Interesse – von einer sehr hohen Bevölkerungszahl auf dem Balkan vor der osmanischen Eroberung aus. Türkische Historiker dagegen (und viele Osmanisten) schätzen die Zahlen weitaus niedriger ein. Zu mehr als begründeten Vermutungen reichen die Quellen jedoch auf keinen Fall. "


Frag mal die Inkas, wo deren Shakespeare geblieben ist, aber ich will mal nicht mit Zitate-Bashing hier anfangen... ;) Die "Was wäre wenn"-Hypothesen führen nicht weit.

z.B. für das Byzantinische Reich schreibt Ralph-Johannes Lilie in seinem Byzanz-Beck-Bändchen:

"Die Frage, ob die byzantinische Gesellschaft überhaupt je fähig gewesen wäre, ihre Fixierung auf die „eigene“ klassische Vergangenheit zu überwinden, kann nicht mehr beantwortet werden. Sehr wahrscheinlich ist es nicht, ..."

Somit muss man sich fragen, inwieweit der Balkan überhaupt in der Lage gewesen wäre, einen Shakespeare, einen Goethe hervorzubringen, oder wäre die Entwicklung so wie in Finnland, Estland, Island verlaufen, wo nachweislich kein "Türkenjoch" herrschte... ;)

Ich will hier nichts beschönigen, und die Zeit der Osmanen war sicher phasenweise kein Honigschlecken, aber wenn z.B. serbische Plünderungen von Räuberhorden in der osmanischen Zeit stattfinden, und diese zeitweilig nicht in den Griff zu bekommen waren, dann sind allzu einfache Schuldzuweisungen nicht gerecht.
Auch gilt der Balkan nicht als Paradies, auch wenn zahlreiche Bauern aus dem Norden in das osmanische Territorium einwanderten, da sie dort weniger unterjocht wurden und weniger Steuern zahlten, mehr ihre Religion ausüben konnten, so dass selbst Luther in glühenden Farben dagegen polemisierte. Auch dieses darf man nicht verallgemeinern, und denken, dass über Jahrhunderte die Osmanen so gut den Balkan organisieren konnten...

Naja, zu diesem Thema habe ich schon viel geschrieben, und auch Tipps gegeben, für diejenigen, die durch Nationalhistoriographien der Balkanländer geprägt sind. Wie kam es dazu, welche Interessen gab es, die Osmanen meistens in "Bausch und Bogen" zu verteufeln, für alles verantwortlich zu machen, wie ist die jüngste Entwicklung der Geschichtsschreibung auf dem Balkan.

Ich hab z.b. zu einem Prof. Gandev kaum was im Netz gefunden, auch kaum oder keine Veröffentlichungen, aber das will nun auch nichts großes heißen, nicht jeder hervorragende Geisteswissenschaftler ist im Netz seiner Qualifikation entsprechend präsent. Noch nicht.

Ich hoffe, er geht in seinem Werk auch auf die Pest ein?
Hast du mehr Infos über sein (internationales) Renomee?

Hast du denn genauere Infos darüber, wie das kulturelle Leben auf dem Balkan vor den Osmanen war? War es denn bedeutend besser, vor allem innovativer/origineller, als das dürftige kulturelle Leben in den letzten Dekaden Konstantinopels?
Sprechen wir von vorosmanischer volkstümlicher Kunst, oder von Kunst mit Weltrang, oder zumindest mit hohem Rang in Europa?

Ich würde mich freuen, wenn dieser (nationalistische ?) Zwiespalt etlicher aus dem Balkan sich legen würde, einerseits, jeden popeligen Großwesir, der aus dem Balkan stammt, frenetisch als den ihren anzusehen (selbst wenn er sich selber dezidiert als Osmanen ansah), andererseits, alles "böse", selbst was in eigenen Reihen passierte, als von außen kommend zu betrachten.

Ich war oft in Jugoslawien, und alles was ich sah, kam mir schon sehr "türkisch" vor... ;)
Vielleicht ist es deshalb ein so großes Bedürfnis, sich abgrenzen zu wollen. Ich würde stolz darauf sein, teil eines Weltreiches gewesen zu sein, teilweise stark zum Erhalt dessen beigetragen zu haben, unmittelbarer Erbe des Römischen Imperiums gewesen zu sein, so wie die jugoslawische Küste heute stolz darauf ist, wie stark der italienische Einfluss war, auf Baukstil, Kultur, etc.

Naja, das ist nun wirklich ein anderes Thema... :)

so, nächster Thread bitte... ;)
LG lynxxx
 
Diese Art der Argumentation kann ich nicht so recht nachvollziehen.

Dantes "Divina Commedia" entstand im frühen 14. Jahrhundert. Damals gab es das Byzantinische Reich noch. Tatsache ist, daß sie eben im Byzantinischen Reich nicht entstanden ist.

Bachs Brandenburgische Konzerte konnten nur auf der Basis einer jahrhundertelangen Tradition polyphoner Kompositionstechniken entstehen. Tatsache ist, daß es diese Tradition im Byzantinischen Reich vor 1453 nicht gab, während sie in Westeuropa bereits eine bedeutende Blüte erreicht hatte.
Die Beispiele von Bach und Dante mögen in diesen Kontext möglicherweise etwas unglücklich gewählt worden sein, doch es gab da selbstverständlich auch in Byzanz gewisse Parallelen, so zB. den Philosphen Georgios Gemistos Plethon dessen grosser Einfluss auf die letzten Byzantinischen Kaiser leider ebenso in Vergessenheit geraten wie Byzanz selbst in Vergessenheit geriet.

Das er, als Ideologe einer neuen Religion, eine Synthese des Polytheismus und des Christentums explizit andachte, ist für seine Zeit ebenso erstaunlich, wie seine Funktion als Berater der letzten Byzantinischen Kaiser.

Es gibt mehrere Zeugnisse einer entsprechenden Geistesentwicklung im damaligen Byzanz, welche aber durch die Eroberung der Osmanen selbstverständlich völlig zum erliegen kamen und der Sultan alles daran tat um absolut religionskonservative und "rechtgläubige" Orthodoxe an die Spitze der Orthodoxie zu setzen, wie den vom Sultan ernannten Patriarchen Gennadios dem grössten Widersacher von Plethon und seiner Ideen.

Man kann heute schwer abschätzen wie sich das Reich entwickelt hätte, hätten die letzten Paläologen es noch irgendwie geschafft es in die Neuzeit zu retten, doch die Byzantinische Kunst hatte damit einen letzten Impuls, der damals nicht ausgelebt werden konnte und sich im Westen fruchtbarer erwies.
 
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