cursus honorum

Die Bibel würde ich hier auch nicht überbewerten. Wie du schon sagtest, wussten Viele wohl gar nicht, wie die Römer genau organisiert waren. Schon gar nicht ein einfacher Evangelist 35 Jahre später.
Weiterhin war es eine allgemeine Unsitte, daß lokale Honoratioren die Statthalter übergingen, und sich direkt an den Kaiser wandten. Mancher Kaiser hat das sogar gefördert.

Seis drum, Iudäa kann natürlich während der Regierung des Tiberius schon eine unabhängige Provinz gewesen sein. Meines Wissens ist das umstritten. Raetien war anfangs auch eine Provinz mit Präfekt statt Prokurator, bevor das System der prokuratorischen, ritterlichen Provinzen voll entwickelt war.
In diesem Sonderfall wissen wir aber genau NICHTS über diesen Präfekten. Denn diese Art von Karriere ist weitgehend unüblich und daher undokumentiert. Auch die Tres Militiae befand sich damals noch im Aufbau. Die Kaiser experimentierten noch sehr viel.

Falls Iudäa schon Provinz war, dann könnte Pilatus also während oder nach seiner Tres Militiae dazu ernannt worden sein. Eher willkürlich, denn eine geordnete Karriere gab es noch nicht. Praefectus meint dann hier einfach nur "Kommandeur", ohne Bezug zu einem bestimmten Rang.
Pilatus hätte aber vorher seine städtische Karriere mindestens bis zum Decurio abgeleistet gehabt. Und er hatte natürlich niemals eine nicht existente militärische Offiziers-Ausbildung genossen.
 
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Pilatus begann also nach seiner städtischen Karriere bis mindestens zum Quaestor oder Aedil, vorzugsweise auch Duumvir die Tres militiae. Das sollte frühestens mit 27 vielleicht auch erst mit 32 Jahren gewesen sein. Während seiner Militärzeit Zeit wurde er dann vom Statthalter Syriens als Präfekt für Iudäa eingesetzt. Nicht wie bei einem Prokurator, dessen administrative Karriere erst nach den Tres Militiae beginnt. Möglich ist aber in dieser recht chaotischen frühen Kaiserzeit Alles.
Demnach wäre er also ein paar Jahre jünger als von mir angenommen ...
Bei den Statthaltern Syriens herrschte derzeit Chaos: Lucius Aelius Lamia war von Tiberius zwar 21 eingesetzt worden, ist aber nicht im Land gewesen (lt Wikipedia verbot Tiberius ihm das. Weiß jemand warum?), er
wurde von Pacuvius vertreten.
Ebenfalls lt. Wikipedia (Pontius Pilatus – Wikipedia ) wurde ein Präfekt gewöhnlich vom Kaiser ernannt. Ich finde die im dortigen Artikel vertretene These, wonach Sejanus derjenige war, der zu dieser Zeit die Fäden zog, recht nachvollziehbar. Er war ca 10 Jahre älter als Pilatus - die beiden werden sich vermutlich gekannt haben. (Romantechnisch ist es nicht uninteressant, anzunehmen, dass Pilatus über diese Verbindung von den Vorkommnissen in Rom betroffen war).
Insofern ihn Vitellius 36 nicht selbst abgesetzt, sondern zum Rapport nach Rom gesandt hat, gehe ich davon aus, dass auch seine Einsetzung durch den Kaiser erfolgt ist.
 
Zu Pilatus in Judäa findet man bei Flavius Josephus auch noch ein paar Episoden (Jüdischer Krieg II,9).

Aber in der schönen Literatur muss man es mit der historischen Korrektheit auch nicht übertreiben. Literarische Stimmigkeit geht allemal vor historische Fakten und der beste literarische Pilatus ist wohl der in Bulgakows „Meister und Margarita“.
 
Bei den Statthaltern Syriens herrschte derzeit Chaos: Lucius Aelius Lamia war von Tiberius zwar 21 eingesetzt worden, ist aber nicht im Land gewesen (lt Wikipedia verbot Tiberius ihm das. Weiß jemand warum?), er
wurde von Pacuvius vertreten.
Ohne näheres zu diesem Sachverhalt beitragen zu können:
Oktober 19 uZ starb Germanicus in Antiochia am Orontes. Das war der Verwaltungssitz der Provinz SYRIA. Dem Statthalter von Syria - Gnaeus Calpurnius Piso - wurde vorgeworfen für den Tod des Germanicus verantwortlich zu sein. Piso wurde nach Rom zitiert. Dort wählte er 20 uZ den Freitod. Die Posten als Statthalter von Syria war in dieser Zeit sicherlich ein besonders heikler Posten. Wer in Antiochia war an dem Tod des Kronprinzen Germanicus Schuld oder zumindest beteiligt? Daher wird Tiberius nach Syria nur Leute gesandt haben, die absolut vertrauenswürdig waren. Es könnte also sein - reine Spekulation -, dass man dem designierten Statthalter aus uns unbekanntem Grund nach seiner Ernennung nicht mehr vertraute. Syria war wegen seiner Grenze zum Partherreich üppig mit Legionen ausgestattet. Diese Provinz war nicht nur ungewöhnlich reich, sondern gleichzeitig militärisch eines der wichtigsten Kommandos im Imperium Romanum

https://de.wikipedia.org/wiki/Germanicus

https://de.wikipedia.org/wiki/Gnaeus_Calpurnius_Piso_(Konsul_7_v._Chr.)
 
Zu Pilatus in Judäa findet man bei Flavius Josephus auch noch ein paar Episoden (Jüdischer Krieg II,9).

Aber in der schönen Literatur muss man es mit der historischen Korrektheit auch nicht übertreiben. Literarische Stimmigkeit geht allemal vor historische Fakten und der beste literarische Pilatus ist wohl der in Bulgakows „Meister und Margarita“.

Da stimme ich dir zu, Tom. Aber ich brauche erstmal die historische Korrektheit, um die Grenzen meiner künstlerischen Freiheit ausloten zu können. Außerdem ist das ein ziemlich spannender Prozess, die ganzen Puzzlesteinchen aufzulesen. Mal sehen, wohin mich das führt. Danke für den Tipp. Das Buch kannte ich nicht nicht.
 
Für Beschwerden der Juden in Rom bei unterschiedlichen Anlässen gibt es verschiedene Beispiele. Das muss nichts über die Hierarchie aussagen. Die Samaritaner beschweren sich lt. Josephus bei Vitellius in Syrien und bewirken dort die Absetzung des Pilatus.
Was mich derzeit noch interessiert: mit welchen Funktionsträgern hatte der Präfekt es bei seiner Amtsausübung zu tun? Bei Metzner, "Die Prominenten des NT" (übrigens ein tolles Buch, leider sündhaft teuer) lese ich, dass der Statthalter von Judäa eine Kavallerie von 1000 Mann und fünf Kohorten zu je 500 Mann befehligte, die sich meist aus Provinzialen minderen Rechts zusammensetzten. Davon standen 4 Kohorten in Cäsarea und eine in der Burg Antonia in Jerusalem.
Es wird also je einen praefektus castrorum in Caesarea und in Jerusalem gegeben haben.
Dazu vielleicht 3 tribuni angusticlavi (2 für die 4 Kohorten und 1 für die Reiter) und rund 30 Centurionen.
Unter ihnen gab es (nach Apg 10) eine italische Kohorte, die von einem Hauptmann Kornelius befehligt wurde. Das passt zu der Beschreibung, die ich bei Mommsen gelesen habe (Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, 2. Teil. Die Germanen, 1. Buch. Der Kampf der Römer und Germanen, 8. Kapitel. Inneres Leben der kaiserlich römischen Armee ) (Danke @Schleppschreck für den Link), wonach in den Truppen Barbaren und Römer nicht vermischt wurden, man aber gern eine römische Kohorte darunter hatte als Exemplum für die Provinzialen.
Würdet ihr dieser Einschätzung soweit zustimmen?
 
... lese ich, dass der Statthalter von Judäa eine Kavallerie von 1000 Mann und fünf Kohorten zu je 500 Mann befehligte, die sich meist aus Provinzialen minderen Rechts zusammensetzten. Davon standen 4 Kohorten in Cäsarea und eine in der Burg Antonia in Jerusalem.
Es wird also je einen praefektus castrorum in Caesarea und in Jerusalem gegeben haben.
Dazu vielleicht 3 tribuni angusticlavi (2 für die 4 Kohorten und 1 für die Reiter) und rund 30 Centurionen.
Unter ihnen gab es (nach Apg 10) eine italische Kohorte, die von einem Hauptmann Kornelius befehligt wurde.

Die 4 nicht-römischen Kohorten werden von Praefecti Cohortis geführt. Allerdings waren zu der Zeit durchaus noch lokale Kommandeure (principes) für Auxiliarkohorten üblich. Die italische Kohorte, sofern es denn römische Bürger waren, musste von einem Tribunus militum geführt werden. Für weitere Tribunen besteht bei der Infanterie kein Grund. Die gab es ansonsten nur in Legionen.
Bei der 1000 Mann starken Ala sollte man einen Tribunus Alae vermuten, aber auch hier könnte es noch ein einheimischer Kommandeur sein.
Diese Truppen waren meines Wissens aus der idumäischen (?) Garde des Herodes hervorgegangen. Eine sehr übliche Vorgehensweise bei Übernhame eines Königreiches. Daher sind einheimische Kommandeure durchaus üblich und naheliegend. Kategorisch abgeschafft wurden einheimische Offiziere erst nach dem Bürgerkrieg und dem Bataver-Aufstand durch die Flavier.
Auch wenn es da eine Burg aka Castra gab, gibt es keinen Grund für einen Praefectus Castrorum. Den gibt es nur in Legionen. Der Kommandeur war jeweils der Praefectus oder Tribunus der dort liegenden Kohorte. Wer genau in einer Auxilarkohorte die technischen Aufgaben eines Praefectus castrorum eines Legionslagers übernahm ist unbekannt. Wahrscheinlich einer der Centurionen oder Unteroffiziere / Principales.
Auch ob diese einheimischen Kohorten schon alle ihre 6 Centurionen hatten, oder noch eine einheimische Führungstruktur ist meines Wissens unbekannt. Gleiches gilt für die Ala und ihre Decurionen und Curatoren, etc.

Die frühe Kaiserzeit ist wie bereits erwähnt militärhistorisch leider sehr dünn belegt und dazu noch eine Zeit des Umbruchs und der Experimente.
 
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Wikipedia zufolge lässt sich (mit Verweis auf eine Publikation von A. Demandt) entlang des Cognomens Pilatus sowohl ein militärischer Hintergrund spekulieren wie auch der Status (eines Abkömmlings) eines Freigelassen.
Wann bekam ein römischer Bürger eigentlich sein Cognomen? War das eine Art Spitzname, den er sich im Laufe der Zeit erworben hat, oder gabs den schon zur Geburt?
 
Da das Cognomen häufig auf körperliche Eigenschaften zurückging, ist es wohl frühestens bei matur-adolszenten Personen entwickelt worden. ;) Innerhalb der Familie reichte ja da Praenomen. Erst, wenn man aus der Familie heraustrat und die Kombination von Praenomen und Gentilnomen nicht mehr ausreichte, um eine Person konkret zu bezeichnen, benötigte man das Cognomen. Es wurde in Zeiten entwickelt, als die Römer ihre Söhne noch nach Reihenfolge der Geburt benannten: Primus, Secundus, Tertius.....
 
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