[FONT="]Aufstieg und Christianisierung[/FONT][FONT="]
Die Geschichte der Nubier beginnt lange vor ihrer Christianisierung, doch nicht so lange wie einige denken mögen. Denn um eines vorneweg klarzustellen: Die Nubier stimmen nicht mit den Kuschiten überein, sprich den Gründern des Kerma-Reiches (Ca. 2500-1500 v. Chr.) und dem Reich von Napata / Meroe (Ca 900 v. Chr. bis 4. Jahrhundert n. Chr). Es handelt sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Völker, auch wenn beide eine nilo-saharanische Sprache sprechen.
Jedenfalls tauchen die Nubier das erste Mal bei Eratosthenes auf, einem griechischen Gelehrten des dritten Jahrhunderts v. Chr. Laut diesem bevölkerten die Nubier die Gebiete westlich des Nils, beginnend auf der Höhe von Meroe bis hin zur „Biegung des Flusses“, also wahrscheinlich irgendwo in der Bayuda. Sie werden als nicht abhängig vom meroitischen Reich beschrieben und waren anscheinend in mehrere kleine Königreiche organisiert. Diese wurden wohl vom meroitischen Reich (Ca. 270 v. Chr. – 350-400 n. Chr.) möglichst auf Abstand gehalten: Die womöglich westlichsten Außenposten des meroitischen Reiches lagen ca. 100 km westlich des Nils. Es scheint klar, dass die Kuschiten einige Ressourcen aufwendeten um die Nubier, wahrscheinlich größtenteils viehzüchtende Nomaden, vom Eindringen ins Niltal abzuhalten.
Ab der Zeitenwende finden wir einen ersten handfesten Beweis dafür, dass die Bezwingung der Nubier zum kuschitischen Topos gehörte. Dieser manifestiert sich in einer kleinen Figur, die einen auf den Bauch liegenden, die Hände und Füße aneinander gefesselten Gefangen darstellt, der mit einem Schurz bekleidet ist und eine Feder im Haar trägt. Eine eingeritzte Inschrift beschreibt ihn als den „König der Noba“. Eine andere Darstellung eines Nubiers ist eine Standartenhalterung aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. Steckt man die Standarte in das zugehörige Loch sieht es so aus, als wenn der Nubier durch die Standarte aufgespießt wird. Auch auf Grabsteinen beginnen die Nubier aufzutauchen: Die bestatteten Kuschiten rühmten sich, dutzende Nubier erschlagen zu haben. Die so fern übersetzten Grabsteine stammen aus dem dritten Jahrhundert n. Chr., also aus einer Zeit, als ein funktionierendes meroitisches Abwehrsystem, dass sich in spät-meroitischer Zeit auch durch ein sprunghaftes Entstehen zahlreicher Festungen auszeichnet, in seinen letzten Zügen lag.
Ab dem vierten Jahrhundert begann dann der unwiderrufliche Niedergang. Allerdings spricht kaum etwas dafür, dass die Nubier erst ab dem vierten Jahrhundert, und dafür dann massenweise, in das Niltal gelangten. Wie die Archäologie zeigt führten die sogenannten post-meroitischen Kulturen die meroitische Kultur ohne nennenswerten Bruch fort. Dementsprechend sind die Nubier wohl schon lange vorher in eher kleinen Mengen ins Niltal eingesickert, haben aber erst ab dem vierten Jahrhundert angefangen die Kontrolle zu übernehmen.
Der erste Beweis für eine solche Kontrollnahme ist eine äthiopische Inschrift des aksumitischen Königs Ezana, übrigens der erste christlich-aksumitische König. Die Nubier werden als Aggressoren beschrieben, die der aksumitische König mit einer Expedition bestraft. Zu seiner Zeit, also zur Mitte des vierten Jahrhunderts n. Chr., beherrschten die „Schwarzen Noba“ Teile des heutigen Ostsudans, während die „Roten Noba“ das Niltal nördlich der Bayuda unter Kontrolle hatten. Das meroitische Reich war also bereits auf die Butana und vielleicht noch Teile der Gezira reduziert. Die zwei aksumitischen Expeditionen dürften dem Reich den Rest gegeben haben, und bis spätestens 400 n. Chr war es verschwunden.
Soweit wir sagen können war die aksumitische Präsenz im Niltal nur kurzlebig, so dass die Stunde der Nubier hatte nun endgültig schlagen konnte. Es brach die bereits erwähnte „post-meroitische“ Epoche an, eine Zeit, die sich durch eine generelle Dezentralisierung und den Übergang einer afrikanisch-pharaonisch geprägten Kultur hin zu der gräko-nubischen Kultur des Mittelalters auszeichnete. Für dieses Zeitalter gilt die Faustregel: Je weiter man nach Süden kommt, desto schlechter wird die Quellenlage. Arbeiten wir uns also von Norden nach Süden vor.
Im Norden Nubiens und sogar bis nach Oberägypten hinein konnten sich ab dem späten vierten Jahrhundert kuschitischsprachige Wüstennomaden, Blemmyer genannt, festsetzen, nachdem sie die Gegend schon lange vorher regelmäßig geplündert haben. Sie kontrollierten ihr Reich für ungefähr 50 Jahre, waren aber während all dieser Zeit nicht nur von den Römern im Norden, sondern auch den Nubiern im Süden bedroht. Letztere werden in den Quellen als Nobaden (Erstmals erwähnt im Kontext des späten dritten Jahrhunderts n. Chr.) bezeichnet und stimmen wohl mit der sogenannten X-Kultur überein, ein erstmals im frühen 20. Jahrhundert benutzter Begriff für eine Kultur, die sich in ihren Höchstzeiten vom ersten bis zum dritten Katarakt erstreckte und diese sich vor allen Dingen durch ihre prächtig ausgestatteten Königsgräber in Qustul und Ballana (Beide wenige Kilometer nördlich von Faras) auszeichnet. Diese Kultur lässt sich archäologisch bereits ab dem späten vierten Jahrhundert fassen, war aber noch auf ein kleineres Gebiet beschränkt. Zu dem Zeitpunkt kontrollierte die X-Kultur, also die Nobaden, das Gebiet südlich von Talmis (Heute Kalabsha), damals die Hauptstadt der Blemmyer, bis hin zum zweiten Katarakt. Bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts konnten die Blemmyer jedoch aus Talmis und letztendlich dem gesamten Niltal vertrieben werden, wie die berühmte Inschrift des Nobadenkönigs Silko belegt. Dort bezeichnet sich Silko auch als König der Nobaden und aller „Äthiopier“. Die Inschrift war übrigens bereits auf Griechisch verfasst, damals die Lingua Franca des östlichen Mittelmeerraumes. Meroitisch scheint im Nordnubien des fünften Jahrhunderts außerhalb des sakralen Bereichs keine große Rolle mehr gespielt zu haben, auch wenn die Situation weiter südlich anders ausgesehen haben könnte. Auch spektakuläre Briefe aus Qasr Ibrim, die einen Nachrichtenaustausch zwischen dem nobadischen und den Blemmyer-König attestieren und die von Silko eroberten Gebiete thematisieren, wurden auf Griechisch verfasst.
Jedenfalls konnte sich Nobadia als eine Macht im Niltal etablieren, auch wenn es dabei höchstwahrscheinlich ein Vasallenverhältnis mit dem Oströmischen Reich eingegangen ist. Bis zum Jahr 500 konnte es sich dann bis zum dritten Katarakt ausdehnen. Um den Zeitraum herum dürfte sich auch Faras als nobadische Hauptstadt etabliert haben.
Südlich des dritten Katarakts sind wir bis zum sechsten Jahrhundert mit einer quasi nicht existenten schriftlichen Überlieferung konfrontiert, doch kann uns hier die Archäologie weiterhelfen. Es scheint, als läge der Ursprung der nubischen Kultur, die später das Reich von Makuria formen sollte, in der Gegend um den vierten Katarakt herum. Dies war auch die Gegend von Napata, einst ein wichtiges Zentrum des kuschitischen Reiches. Von dort konnte sich die Kultur nordwärst ausbreiten, bis im späten 5. Jahrhundert Dongola gegründet wurde. Die Baukaktivitäten dort lassen vermuten, dass die Stadt seit ihrer Gründung das Zentrum des Reiches bilden sollte. Die Gründung des Reiches von Makuria wird dementsprechend auf das Jahr 500 angesetzt. Es erstreckte sich im Norden bis zum dritten Katarakt, während es im Süden bis nach Al-Abwab reichte, welches in der Gegend zwischen Abu Hamed und dem Zusammenfluss zwischen dem Nil und dem Atbara vermutet wird.
Südlich von Al-Abwab, im ehemaligen meroitischen Kernland, sollte ein anderes Reich entstehen: Alodia, oft auch als Alwa bezeichnet. Dessen Entstehungsprozess ist allerdings noch mysteriöser als Makurias. Was klar scheint ist, dass die von Ezana erwähnten "Schwarzen Noba" wohl eine staatstragende Rolle gespielt haben, doch ab wann genau sich dieser Staat gebildet hat, und unter welchen Umständen, ist immer noch nicht genau bekannt. Post-meroitische Stätten, anhand derer man einen Entwicklungsprozess nachvollziehen könnte, sind nämlich nur wenige bekannt. Jedenfalls war der Prozess der Staatenbildung bis zum späteren sechsten Jahrhundert n. Chr. abgeschlossen, wie wir dank der doch eher begrenzten Ausgrabungen in Soba, der Hauptstadt Alodias (Große Bauprojekte sind dort erst ab dem erwähnten Zeitraum auszumachen), sowie schriftlicher Quellen wissen. Diese schriftlichen Quellen leiten uns gleich zum nächsten einschneidenden Ereignis der nubischen Geschichte: Der Christianisierung.
In der Spätantike waren die Römer darauf bedacht, neue Verbündete gegen das sassanidische Reich zu gewinnen. Dabei setzten sie auf Christianisierung, welche ein relativ einfacher Weg war, um ein fremdes Volk in den römisch-mediterranen Kulturkreis zu integrieren. Schon vor der Christianisierung drangen christliche Einflüsse nach Nubien, besonders in Nobadien waren sie spürbar, doch waren diese noch ungesteuert, auch wenn sie im Laufe der Zeit immer stärker geworden sein dürften. Im Laufe des sechsten Jahrhunderts waren die Oströmer, oder Byzantiner, wie man sie in der Regel nach dem Untergang Westroms nennt, darauf bedacht, die Grenze zu Nubien endgültig zu sichern. Zuerst wurde bereits 535 der Isis-Tempel in Philae geschlossen, das letzte verbliebende heidnische Heiligtum in Oberägypten / Unternubien. Die Ereignisse danach wurden von Johannes von Ephesus und seinem Namensvetter Johannes von Biclar überliefert. Laut dem ersten empfahl der aus Alexandria stammende miaphysitische Geistliche Julianus der Kaiserin Theodora (Selber übrigens ebenfalls Miaphysitin) die Missionierung der Nobaden. Diese sandte dann Julianus aus, diese Aufgabe zu übernehmen. Allerdings sandte auch Justinian eine Gesandtschaft aus, die die Missionierung der Nobaden zur Orthodoxie zum Ziel hatte. Theodoras Gesandtschaft war schneller, und so wurde Nobadien im Jahre 543 christlich.
Gut möglich, dass die Gesandtschaft auch direkt weiter südlich reiste, um den makuritischen Hof zu bekehren, doch scheint dem kein Erfolg gegönnt gewesen zu sein. Tatsächlich berichtet der bereits erwähnte Johannes von Biclar, wie die Makuriten im Jahre 569 ihre[FONT="]n Wunsch äußerten, im christlichen Glauben unterrichtet zu werden[FONT="].[/FONT] Allerdings nicht [FONT="]im[/FONT] miaphysitischen Glauben, sondern [FONT="]in der [/FONT]Orthodoxie. 573 wurde dann eine makuritische Delegation nach Konstantino[FONT="]pel entsendet.
[/FONT][/FONT] Das letzte nubische R[FONT="]eich, das n[FONT="]och immer den alten Göttern anhing war Alodia, tief im Süden. [FONT="]Allerdings war der alodäische K[FONT="]önig ebenfalls willig, den neun Glauben anzunehmen, und so s[FONT="]chickte er eine[FONT="] Delegation [FONT="]zum[/FONT][/FONT] nobadischen König, welcher [FONT="]übrigens mit ihm verwandt gewesen zu sein schien[FONT="]. De[/FONT][/FONT]r alodäische König bittete darum[FONT="], den Bieschof zu seinem [FONT="]Lande zu entsenden der seinerzeit Nobadien kon[FONT="]vertiert hat. Der Wunsch wurde erfüllt, do[FONT="]ch musste dieser einen Umweg durch die Ostwüste nehmen, da die orthodoxen Makuriten ihnen die Durchreise durch ihr Land verweigert haben. Im Jahre 580 kam dieser dann [FONT="]in Al[FONT="]odia an und der König und der gesamte Adel [FONT="]li[FONT="]e[FONT="]ß[/FONT][/FONT]en sich bereitwillig taufen.
[FONT="]So geschah es, dass innerhalb von ca. 37 Jahren das gesamte mittlere Niltal de[FONT="]n neuen Glauben annahm und in den gräko-mediterranen Kulturkreis integriert wurde. Dass sogenannte christliche Mittelalter konnte beginnen.[/FONT][/FONT]
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Bilder:
1) "Der König der Noba":
2) Silko, der "König der Nobaden und aller Äthiopier":
3) Nobadische Krone aus dem frühen fünften Jahrhundert n. Chr.:
4) Pferd mit rekonstruiertem Geschirr:
5) Beispiel einer vorchristlichen Tracht:
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