Das Direktorium: Eher offensiv?

Brissotin

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Ich kann mich an die alte DDR-Literatur erinnern, welche natürlich einen großen Unterschied zwischen den lieben Robespierristen und den bitterbösen Thermidorianern machte. Bonaparte war dann der Gipfel davon als Bedrücker der Deutschen, deren "Befreiungskriege" entsprechend gewürdigt wurden (auch wenn man sich mit der Würdigung mit Kaiserreich und Drittem Reich keineswegs ideologisch in bester Gesellschaft befand:devil:).
Im primären Blickfeld standen entsprechend die Feldzüge der Periode des Terreur und der Zeit zuvor, also 1792-1794. Die persönliche Rolle von sozusagen historischen Persönlichkeiten mit gewisser Vorbildfunktion wie Saint-Just stand dabei, wenn ich mich richtig erinnere, im Mittelpunkt.

Die Siege von 1794 bis 1795 nach dem Thermidor, welche den Weg zum Frieden von Basel und der Vereinnahmung der Niederlande als Batavische Republik ebneten, spielten schon weniger die Rolle.
Dem Direktorium wurde dann vollends vorgeworfen, nicht mehr die Kriege zur Verteidigung des Erreichten zu führen, sondern reine Expansionskriege. Dabei ähnelten die Phrasen der "Befreier", welche zeitgenössisch in Dtl. "Neufranken" genannt wurden, nicht wenig den Parolen, welche schon Brissot 1791 in seiner Kampagne für den Krieg ausgegeben hatte. Er hatte schon auf eine Verbreitung des revolutionären Gedankens gedrungen, da dies Frankreich aus der außenpolitischen Isolation befreien musste. Ähnliche Aspekte findet man auch in den Reden von Bonaparte in Italien, worin er freilich daneben noch auf seine und seiner Soldaten Treue zur Direktioralverfassung verweist (sic.).

War also das Direktorium wirklich offensiver eingestellt? Oder ist dies nur ein Trugbild?
 
Das Direktorium offensiver?

"Die - zunächst von einigen deutschen Emigranten wie dem vom Niederrhein stammenden Jean-Baptiste "Anarcharsis" Cloots (1755-1794) propagierte - Doktrin von den "natürlichen Grenzen" Frankreichs (nach Dantons berühmtem Diktum vom September 1792: der Ozean, der Rhein, die Alpen und die Pyrenäen) und das Dogma vom Selbstbestimmungsrecht der Völker rechtfertigten die nun folgenden Anexionen Savoyens und "Belgiens" sowie später der Rheinlande. Im November 1792 verließ man mit der Entschließung, die Völker bei der Erlangung der Freiheit unterstützen zu wollen, endgültig den Grundsatz der Nichteinmischung." [1]

Die aggressive Außenpolitik war damit keine Idee des Direktoriums.

Grüße
excideuil

[1] Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004, Seite 29
 
Zu den Erfolgen des revolutionären Frankreichs schreibt Erbe:

"Diese wiederum unerwartete Kriegswende war einmal auf die beispiellosen, von regidem Terror im Innern begleiteten Anstrengungen der Republik zurückzuführen. Bereits Ende Februar wurden 300000 Rekruten für die Verstärkung der kämpfenden Truppe ausgehoben, und Ende August erfolgte die berühmte Levée en masse von 600000 Mann. Hinzu kam, dass der im April 1793 gebildete Wohlfahrtsausschuss des Nationalkonvents als faktische Exekutive die Verteidigugspolitik mit diktatorischen Mitteln koordinierte, vor allem seit sich am 2. Juni die Jakobiner im Zweckbündis mit den Priser Sans-Culottes an die Macht geputscht und die Girondisten gewaltsam aus dem Parlament verdrängt hatten. Der systematischen Ausschöpfung der Energien des Landes für Ausrüstung und Nachschub sowie der Motivierung der Truppen für die Landesverteidigung war es zweifellos mit zu verdanken, dass es gelang, nicht nur die feindlichen Truppen vom eigenen Territorium fernzuhalten, sondern im Jahr darauf sogar zur Offensive überzugehen, den Krieg ins Staatsgebiet des Gegners zu tragen und weite Landstriche zu erobern, die z. T. Frankreich angegliedert werden sollten." [1]

Der Wechsel von Verteitigung zum Angriff fand schon vor dem Direktorium statt, welches die begonnene Politik fortsetzte. Aber deswegen aggressiver oder offensiver?

Grüße
excideuil

[1] Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004, Seite 301
 
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