Die Krondomäne des westfränkisch-französischen Königs um Reims, Orléans, Paris, Senlis und Compiègne war bereits in merowingischer Zeit bedeutsam und in diesem Sinne von mir aus "urfränkisch". Allerdings verschob sich das Machtgefüge des Frankenreichs mit dem wachsenden Einfluss der Karolinger zunächst als Hausmeier, dann selbst als Könige, von West nach Ost. Nach dem Zerfall des Gesamtreiches war das Ostreich rasch im Besitz der Maasgegend, der Stammlande der Karolinger, so wichtiger Orte wie Ingelheim und Metz, ließ seine Könige in Aachen, der Stadt, die Karl der Große zum Zentrum seines Reiches machte, krönen... Zumindest auf das Frankenreich der Karolinger, was dessen geographischen Schwerpunkt angeht, hätte sich das Heilige Römische Reich berechtigter berufen können als Frankenreich - und es ist eben jenes späte Frankenreich der Karolinger, das unter Karl dem Großen seine höchste Blüte erreichte und nicht das Reich der Merowinger, in dessen Nachfolge man stehen wollte.
Ein Rückgriff auf fränkische Traditionen schloss sich auch für einen Ottonen nicht aus - man denke nur an Kaiser Heinrichs II. Programm einer "renovatio regni francorum". Auch der Osten berief sich durchaus auf das Erbe Karls des Großen, nur wurde dies eben von der auf Rom fixierten Idee eines christlichen Universalreiches stets überschattet.
Während der Westfränkische König also nur "fränkisches" Gebiet beherrschte, unterstand dem König des Ostreiches nicht nur der Stamm der Franken, sondern auch die Sachsen, Bayern, Schwaben und Thüringer. Er war also auch faktisch kein Herrscher über die Franken, besonders seit mit Heinrich I. ein Sachse König wurde.
Unterstehen die "Franken" jetzt dem König des Ostreichs oder nicht? Herrschte dieser über die "Franken" oder nicht? Und wer sind die "Franken" und was ist "fränkisches" Gebiet? Im Kontext des ostfränkischen Reiches bezieht sich der Begriff "Franken" auf das gleichnamige Stammesherzogtum, ein Land, in dem sich nie eine starke herzogliche Macht herausbilden konnte wie in Sachsen oder Bayern, ein Land, das dementsprechend ohnehin eng an das Königtum angelehnt war.
Du brachtest die Stämme ins Spiel. Hier stellt sich höchstens die Frage, ob eine Berufung auf das Frankenreich Gefahr lief, als Versuch betrachtet zu werden, den übrigen Stämmen eine fremde Identität überzustülpen.
Stammesmäßig herrschte der westfränkische König sicherlich nicht über fränkisches Gebiet. Im gesamten späteren Königreich Frankreich befand sich lange Zeit bis auf die Teile Flanderns, auf die der franzöische König Zugriff hatte, kein germanisch besiedeltes Land. Die wenigen Franken, die einst nach Westen zogen und dort zu Herrschern aufstiegen, fielen bevölkerungsmäßig nie ins Gewicht und wurden rasch romanisiert.