Die frühe Neuzeit war eher ein Rückschritt vom (im Spätmittelalter schon bemerkenswert kultivierten) Logos zum Mythos. Die Astrologie blühte auf und die Humanisten wendeten sich tendenziell von der logisch und mathematisch untermauerten Rationalität ab und einem unkritischen Antikenkult zu. Dass eines der bekanntesten Werke dieser Zeit das "Lob der Torheit" verkündete, passt da ganz gut ins Bild.
Es mag hier Auf- und Abbewegungen immer gegeben haben.
Mit Galilei (und Co.) aber tritt etwas Neues in Erscheinung.
Es ist u.a. das sich durchsetzende Postulat, dass sich Naturgesetze mathematisch beschreiben und experimentell bestimmen lassen,
und dass sie universell gültig sind, d. h. im gesamten Kosmos.
Die Trennung der Himmelsphären wird aufgehoben und wir als Menschen finden uns nicht mehr im Zentrum einer Welt, die uns selber die Ebenbildlichkeit Gottes exklusiv gewährt.
In der Folgezeit entwickelt sich eine langsame, aber sehr tiefgreifende, Bewusstseinsänderung hin zu einem Logos, der das mythische Weltverständnis und Weltempfinden in allen erfolgreichen Kulturen in vorher nicht gekanntem Ausmaß zurückdrängt.
hatl
P.S. Eine Anmerkung zur Auseinandersetzung Galilei vs. Vatikan:
Es scheint mir mindestens naheliegend anzunehmen, dass die katholische Kirche, wiewohl sie ein hervorragender Förderer der Künste und auch der Wissenschaft war, ein Monopol der Welterklärung beanspruchte.
Gegen die kirchliche Macht konnten, in ihrem Enflussbereich, keine revolutionären Erklärungsversuche gefahrlos in die Welt gesetzt werden.
Galilei war sicher das Schicksal seines Zeitgenossen Giordano Bruno vor Augen.
Und in seiner wahrhaft revolutionären Schrift "SYDEREUS NUNCIUS" findet sich (in der englischen Übersetzung) dieser Freigabevermerk:
T he most excellent gentlemen, the Heads of the
Ecclesiastical Council of Ten, designated below, having
received the assurance of the Governing Council of the
University of Padua, based on a report of the two persons
deputized to investigate, that is from the reverend
Father Inquisitor, and from the Secretary of the Senate,
Giorgio Maraviglia, with an oath, that the book entitled
S Y D E R EU S NU N C IU S, etc., by Lord Galileo
Galilei contains nothing contrary to the Holy Catholic
Faith, principles, and good customs, and that it is fit for
printing, grant a license, so that it may be printed in this
city.
Given on the first day of March 1610.
Lord Marco Antonio Valaresso Lord NicoloB on } Heads of the
Lord Lunardo Marcello Ecclesiastical Council ofTen
Secretary to the most illustrious Council of Ten
Bartolomeo Comino
1610,8 March, Registered in the records, on page 39.
Office of Ioannes Baptista Breatto
Coadjutor of the Council on Blasphemy
http://homepages.wmich.edu/~mcgrew/Siderius.pdf
Man kann darüber spekulieren, ob Galilei erkannte wie sehr er damit an den Grundfesten des Weltbildes der Menschen in der christlichen Welt, und damit ja auch an deren sozialer Organisation, rüttelte.
Dem Vatikan ist es wohl mit einer leichten Zeitverzögerung aufgefallen.