In der spanischen Wüstung Los Bañales, im Norden der Provinz Zaragoza, am Südhang der Pyrenäen fand man vergangene Woche im Rahmen archäologischer Grabungen das Schulterblatt eines Rindes, welches mit dem Anfang der letzten qur’ānischen Sure beschriftet war.
Ein Grabungshelfer fand das Schulterblatt, jedoch nicht in situ, sondern weil es offenbar durch starke Regenfälle freigespült worden war. Anhand der Schrift, die paläographisch typische Bezüge zur Schrift in al-Qairawān im 8. und 9. Jhdt. aufweist, gilt der Knochen mittlerweile als der älteste
nichtmetallische Gegenstand aus al-Andalus, dem man archäologisch habhaft werden konnte – was mich ein wenig verwundert, da ich denken würde, dass es Keramikfunde aus der Zeit geben muss.
Das besondere an diesem Knochen, außer eben, dass er angeblich das älteste nichtmetallische Artefakt aus andalusischer Epoche darstellt, ist, dass es sich nicht um eine Ritzinschrift handelt, von der man aus al-Andalus bereits 29 Stück in Knochenfragmenten hat, sondern um eine Tintenschrift – und eben mit der erwähnten qur’ānischen Sure. Die bisherigen Fragmente zeigten lediglich Teile arabischer Alphabete.
Bisher gab es zwei Hypothesen zu den Knochen. Da man auffällig viele dieser Knochen in der Nähe von Getreidelagern fand, hielt man sie für eine Art magischer Amulette, welche die Ernte schützen sollten.
Eine andere Hypothese besagte, dass die Knochen mit den Alphabeten
didaktischen Zwecken dienten. Für die erste These könnte sprechen, dass es in dem neuerlich gefundenen Knochenfragment ein künstliches Loch gibt, welches möglicherweise der Aufhängung der "Tafel" diente. ("Presenta un agujero, lo que indica que en su día estuvo colgada, y los salientes del dorso están rebajados, tarea que se realizó para facilitar que se apoyara en una superficie plana.")
Wenn jedoch die zweite These stimmte, dann hieße das, dass man auch die
Geschichte der Wüstung Los Bañales neu schreiben müsse. Bisher galt, dass die zunächst iberische und später römische Siedlung aufgegeben wurde und bereits im 4. Jhdt. nur noch ein "Ruinenwald" ("bosque de ruinas", Grabungsleiter Ángel A. Jordán) gewesen sei. Wenn aber das Schulterblatt als Schreibmaterial in einer Art Unterricht verwendet wurde, dann müsste man annehmen, dass es im achten Jahrhundert eine Madrasah ('Koranschule') in Los Bañales gab, der Ort also mindestens 500 Jahre länger existierte als bisher angenommen und immerhin so wichtig war, dass es sich lohnte, hier einen ʿālim, einen Gelehrten hinzuschicken bzw. sich für einen ʿālim lohnte, hier niederzulassen.
Die letzten Grabungen in Los Bañales haben in den 1940er Jahren stattgefunden, die neuen Grabungen, die aufgrund von Freiwilligenarbeit nur sonntags stattfinden, haben zunächst einmal den Stand aus den 1940er Jahren aufgearbeitet und erst in diesem Jahr hat man angefangen, neue Schnitte zu öffnen.
In der Folge müsste man vielleicht annehmen, dass der Ort erst durch die
Auseinandersetzungen im Zuge der Einrichtung der Marca Hispanica durch Karl und seinen Sohn Ludwig aufgegeben wurde.
Nun ja, ich bin gespannt, ob man entweder das Getreidesilo findet, oder aber weitere Funde, die darauf deuten, dass die Ortschaft länger besiedelt war, als bisher angenommen. Arabische Keramik hat man schon gefunden, ob dies aber ausreicht, um eine kontinuierliche Besiedlung der Ortschaft anzunehmen oder aber ob sich hier arabische Neusiedler ansiedelten, welche die Wüstung auch deshalb als attraktiv empfanden, weil sie diese als Steinbruch verwenden konnten (und möglicherweise das kleine Aquädukt, für das Los Bañales lokale Berühmtheit genießt wieder instand setzen konnten), weiß ich nicht.
Es gibt ja Orte wie Medinaceli (Madīna Salīm, 'Stadt des Salīm', vorher
Occilis) oder Calatayud (Qal’at 'Ayyūb, 'Burg des 'Ayyūb', vorher Augusta
Bilbilis), von deren Namensgebern man nichts weiter weiß. Sie waren allenfalls lokal angesiedelte Größen kurz nach der Eroberung Spaniens durch die Mauren, von denen nichts mehr überliefert ist, als ihr Eigenname integriert in Toponymen.
Hallado en Uncastillo el texto más largo de todo al-Ándalus escrito en un hueso animal | Noticias de hoy
(Artikel)
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(Radio-Podcast, ca. 28 Minuten lang, der Archäologe ist z.T. aufgrund von Tonproblemen schlecht zu verstehen).
Ein Grabungshelfer fand das Schulterblatt, jedoch nicht in situ, sondern weil es offenbar durch starke Regenfälle freigespült worden war. Anhand der Schrift, die paläographisch typische Bezüge zur Schrift in al-Qairawān im 8. und 9. Jhdt. aufweist, gilt der Knochen mittlerweile als der älteste
nichtmetallische Gegenstand aus al-Andalus, dem man archäologisch habhaft werden konnte – was mich ein wenig verwundert, da ich denken würde, dass es Keramikfunde aus der Zeit geben muss.
Das besondere an diesem Knochen, außer eben, dass er angeblich das älteste nichtmetallische Artefakt aus andalusischer Epoche darstellt, ist, dass es sich nicht um eine Ritzinschrift handelt, von der man aus al-Andalus bereits 29 Stück in Knochenfragmenten hat, sondern um eine Tintenschrift – und eben mit der erwähnten qur’ānischen Sure. Die bisherigen Fragmente zeigten lediglich Teile arabischer Alphabete.
Bisher gab es zwei Hypothesen zu den Knochen. Da man auffällig viele dieser Knochen in der Nähe von Getreidelagern fand, hielt man sie für eine Art magischer Amulette, welche die Ernte schützen sollten.
Eine andere Hypothese besagte, dass die Knochen mit den Alphabeten
didaktischen Zwecken dienten. Für die erste These könnte sprechen, dass es in dem neuerlich gefundenen Knochenfragment ein künstliches Loch gibt, welches möglicherweise der Aufhängung der "Tafel" diente. ("Presenta un agujero, lo que indica que en su día estuvo colgada, y los salientes del dorso están rebajados, tarea que se realizó para facilitar que se apoyara en una superficie plana.")
Wenn jedoch die zweite These stimmte, dann hieße das, dass man auch die
Geschichte der Wüstung Los Bañales neu schreiben müsse. Bisher galt, dass die zunächst iberische und später römische Siedlung aufgegeben wurde und bereits im 4. Jhdt. nur noch ein "Ruinenwald" ("bosque de ruinas", Grabungsleiter Ángel A. Jordán) gewesen sei. Wenn aber das Schulterblatt als Schreibmaterial in einer Art Unterricht verwendet wurde, dann müsste man annehmen, dass es im achten Jahrhundert eine Madrasah ('Koranschule') in Los Bañales gab, der Ort also mindestens 500 Jahre länger existierte als bisher angenommen und immerhin so wichtig war, dass es sich lohnte, hier einen ʿālim, einen Gelehrten hinzuschicken bzw. sich für einen ʿālim lohnte, hier niederzulassen.
Die letzten Grabungen in Los Bañales haben in den 1940er Jahren stattgefunden, die neuen Grabungen, die aufgrund von Freiwilligenarbeit nur sonntags stattfinden, haben zunächst einmal den Stand aus den 1940er Jahren aufgearbeitet und erst in diesem Jahr hat man angefangen, neue Schnitte zu öffnen.
In der Folge müsste man vielleicht annehmen, dass der Ort erst durch die
Auseinandersetzungen im Zuge der Einrichtung der Marca Hispanica durch Karl und seinen Sohn Ludwig aufgegeben wurde.
Nun ja, ich bin gespannt, ob man entweder das Getreidesilo findet, oder aber weitere Funde, die darauf deuten, dass die Ortschaft länger besiedelt war, als bisher angenommen. Arabische Keramik hat man schon gefunden, ob dies aber ausreicht, um eine kontinuierliche Besiedlung der Ortschaft anzunehmen oder aber ob sich hier arabische Neusiedler ansiedelten, welche die Wüstung auch deshalb als attraktiv empfanden, weil sie diese als Steinbruch verwenden konnten (und möglicherweise das kleine Aquädukt, für das Los Bañales lokale Berühmtheit genießt wieder instand setzen konnten), weiß ich nicht.
Es gibt ja Orte wie Medinaceli (Madīna Salīm, 'Stadt des Salīm', vorher
Occilis) oder Calatayud (Qal’at 'Ayyūb, 'Burg des 'Ayyūb', vorher Augusta
Bilbilis), von deren Namensgebern man nichts weiter weiß. Sie waren allenfalls lokal angesiedelte Größen kurz nach der Eroberung Spaniens durch die Mauren, von denen nichts mehr überliefert ist, als ihr Eigenname integriert in Toponymen.
Hallado en Uncastillo el texto más largo de todo al-Ándalus escrito en un hueso animal | Noticias de hoy
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(Radio-Podcast, ca. 28 Minuten lang, der Archäologe ist z.T. aufgrund von Tonproblemen schlecht zu verstehen).